Der Kamisardenkrieg 1702-1710

Daniel Hebron

Mitglied
Nachdem alle Reisevorkehrungen getroffen waren und unser Fahrzeug beladen war, stellte ich fest, dass da noch genuegend Platz fuer ein '54er Quickly war, welches ich mit auf die Reise genommen habe. Ziel der Reise war im allgemeinen mehr ueber den sogenannten Kamisardenkrieg in den Cevennen zu erfahren und im speziellen die Herkunft eines meiner Ahnherrn namens "Jean de Bancels" herauszufinden.

Zunaechst moechte ich einmal kurz zusammenfassen, um was es bei diesem Kamisardenkrieg eigentlich ging und warum ueber diesen, obwohl geschichtlich und militaerisch sehr interessant, sehr selten geschrieben oder gesprochen wird.

Das Edikt von Nantes, unterzeichnet von Koenig Heinrich IV. am 13.04.1598, raeumte den franzoesischen Protestanten halbwegs Glaubensfreiheit ein. Dies erfolgte nach jahrzehntelangen, blutigen Verfolgungen wie beispielsweise der sogenannten "Bartholomaeusnacht". Am 18.10.1685 erfolgte durch den Koenig Ludwig XIV. durch das Edikt von Fontainebleau der Widerruf des Edikts von Nantes mit der Folge, dass die franzoesischen Protestanten ihrer saemtlichen Rechte beraubt wurden. Viele Hugenotten sind zu dieser Zeit aus Frankreich gefluechtet um in anderen Laendern wie bsp. der Schweiz, Wuerttemberg, Baden, Preussen oder gar England heimisch zu werden. In den Cevennen wurde der protestantische Gottesdienst an einsamen Orten abgehalten, welche als désert (=Wueste) bezeichnet wurden und dort bahnte sich schliesslich etwas an, welches heute als "Krieg der Kamisarden" bezeichnet wird und als erster neuzeitlicher Guerillakrieg gilt. Diese protestantischen Kaempfer wurden camisards genannt, weil sie weisse Hemden (chemise=Hemd) trugen. Die beruehmtesten Fuehrer waren "Rolland" und Jean Cavalier.

Jetzt werden sich vielleicht manche Leute fragen, was an dieser "Rebellion" so interessant sein soll. Nun, zu alter Zeit waren bis zu 25% des preussischen Offizierskorps hugenottischer Abstammung. Da diese Einwanderer in der Bevoelkerung aufgegangen und verschmolzen sind, waere es durchaus interessant zu erfahren, wieviele Menschen in Deutschland heutzutage Hugenottenblut in sich haben ohne dies ueberhaupt zu wissen. Der andere Punkt ist der, dass bestimmte Pogrome, wie der "lettre de cachet", vom franzoesischen Koenig sehr stark an bestimmte Nazi-Pogrome erinnern. Desweiteren haben etwa 2.000 Kamisarden die militaerische Leistung erbracht bis zu 25.000 Soldaten des Koenigs ueber Jahre in Schach zu halten. Die Maquisards im zweiten Weltkrieg haben sich sehr oft die Kamisarden als Vorbild genommen. Dieser Krieg war ein reiner Glaubenskrieg und man sollte sich daran erinnern, dass im Juli 2007(!) der Papst geaeussert hat, dass er die protestantische "Glaubensgemeinschaft" nicht als Kirche anerkennt.:scheinheilig:

Es ist noch zu bemerken, dass der eigentliche Kamisardenkrieg zeitweise parallel zum spanischen Erbfolgekrieg erfolgte, welcher aufgrund seiner verschiedensten Kriegsschauplaetze fast schon als der erste "Weltkrieg" der Neuzeit angesehen werden kann.

Mein Urahn Jean de Bancels ging nach seiner Flucht aus den Cevennen nach Preussen, hat sich in der preussischen Armee zum Major hochgedient, hat eine Preussin geheiratet und mit ihr Kinder gezeugt. In Preussen ist er auch am 17.07.1747 gestorben, nachdem er vom preussischen Koenig am 10.07.1738 sein Indigenat erhalten hatte.

Recherchen diesbezueglich beginnt man am besten im "MUSEE DU DESERT", da sich dieses als Museum des Protestantismus in Frankreich versteht und auch die breitgefaechertsten Unterlagen besitzt. Punkto meines Ahnherrn hat man mich dort angelaechelt und gesagt: "Ja, Ihr Ahn war camisard und er war auch von hier aus der Gegend. Nur festzustellen, wie dieser tatsaechlich hiess, duerfte ein Problem darstellen, da "Bancels" ein "surnom" oder ein "Kampfname" war, dessen sich verschiedene Cevennenkrieger bedienten. "Bancels" ist die Bezeichnung fuer die Steinterassen hier in den Cevennen.":pfeif:

Nachdem ich mit den Damen und Herren dort nochmals meine Papiere gesichtet hatte, kamen wir gemeinsam zu dem Schluss, dass es nur noch eine Moeglichkeit gaebe, die Identitaet meines Ahnherrn herauszufinden, naemlich, in einem der Papiere steht vermerkt, dass seine Schwester mit einem Marquis de Ribaute aus Alès verheiratet gewesen sein soll. Einer der Mitarbeiter des Museums machte mich darauf aufmerksam, dass es ganz in der Naehe, bei Alès einen Ort namens Ribaute mit einem zugehoerigen Schloss de Ribaute geben wuerde. Er erstellte mir eine Skizze wie ich selbiges finden koenne, bemerkte aber auch, dass das Schloss in Privatbesitz sei.

In Ribaute, vor dem Schloss angekommen, traf ich sogleich auf die jetzige Eigentuemerin, welche aber zunaechst -gelinde ausgedrueckt- nicht besonders begeistert von meinem Anliegen war. Erst als ich ihr durch das geschlossene Gitterportal meine beglaubigten Dokumente durchreichte, taute sie auf und sagte mir sogleich, dass wenn dieser Marquis de Ribaute aus meinen Papieren nicht ein Ahnherr von ihr waere, so waere er zumindest ein naher Verwandter, da das Schloss seit einigen hundert Jahren im Besitz der Familie sei. Sie liess mich dann herein und hat in meinem Beisein ca. 1,5h ihre Bibliothek und ihr Privatarchiv durchsucht, allerdings ohne fuendig zu werden. Danach musste ich zurueck zum Hotel, wo mich meine Familie schon sehnsuechtig erwartete. Beim Abschied versprach sie mir sich um die Angelegenheit zu kuemmern.

Nach meinem Aufenthalt in den Cevennen wieder zu Hause, fand ich sogleich eine eMail der Eigentuemerin des Schlosses mit dem Vermerk, dass sie betreffend meiner Forschungen auf einer Spur sei. Nur belegt diese Spur, dass dieser Glaubenskrieg auch innerhalb einer Familie nicht haltmachte, denn der Marquis de Ribaute war --- katholisch.:devil:

Herzliche Gruesse
Daniel
 
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Hallo Louis,

natuerlich hast Du recht. Habe mich da falsch ausgedrueckt. Haette heissen sollen "sowie". War schwer zu schreiben heute, meine Kinder,
3-2-1 Jahre alt, hatten staendig zwischendurch "Chaos" produziert. Gehe aber davon aus, dass Du den Sinn und den Vergleich trotzdem verstanden hast.

LG
Daniel
 
Zuletzt bearbeitet:
Schon, es handelt sich um die staatlich gelenkte Unterdrückung einer religiösen Minderheit. Dennoch empfinde ich die Gleichsetzung des Kamisardenkriegs mit der Judenverfolgung der Nazis als etwas seltsam.

Hallo Louis,

verstehe ich jetzt nicht richtig. Ich vergleiche nicht den Kamisardenkrieg mit der Judenverfolgung. Das waere Nonsens. Verglichen habe ich die Verfolgung einer Minderheit, wie die der Hugenotten, mit der Verfolgung einer anderen Minderheit, naemlich die der Juden. Dies wird heute in Frankreich von einigen Historikern so verglichen, auch in Bezug auf Aktionen waehrend Vichy. Vielleicht hatte ich vergessen zu erwaehnen, dass ich in Frankreich lebe und deshalb auch mehr oder weniger den Medien hier ausgesetzt bin.

Liebe Gruesse
Daniel
 
OK, gegen den Vergleich ist nichts einzuwenden, das ist immer legitim. Bei einer Gleichsetzung hätte ich aber größte Bedenken. Mehr wollte ich eigentlich nicht zum Ausdruck bringen. ;)
 
Dieser Krieg war ein reiner Glaubenskrieg und man sollte sich daran erinnern, dass im Juli 2007(!) der Papst geaeussert hat, dass er die protestantische "Glaubensgemeinschaft" nicht als Kirche anerkennt.:scheinheilig:

Sorry, dass ich das hier anmerke: Dieser Satz in Deinem Beitrag war ein Griff daneben, denn mit dem Kamisardenkrieg lässt er sich nicht verknüpfen. In einer an katholische Bischöfe (die angefragt hatten) gerichteten definitorischen Klarstellung ist von "Kirchen im eigentlichen Sinn" die Rede, will heissen (Erläuterungsteil des Papiers) von Gemeinschaften, die den theologischen Begriff von Kirche im katholischen Sinne nicht teilen, da ihnen "Elemente" fehlen, "die von der katholischen Kirche als wesentlich betrachtet werden." Ist also kein Aufruf zu einem neuen Glaubenskrieg.

:streichel:

Ansonsten: Neiiiid auf Deine Reise in die Cevennen, muss selber unbedingt mal wieder hin.
 
Nur noch eine kleine Anmerkung: Ich lebe als Protestant in Frankreich.;)

Interessant. Wie Francois de Beaulieu (nach dem II. Weltkrieg aus Berlin nach Frankreich gezogen, dort protestantischer Pfarrer geworden). Davor war er Deutscher (Preuße) hugenottischer Herkunft, und 1942/43 als Wehrmachtfunker in irgendeinem Befehlsstand in der Nähe von Berlin eingesetzt. Er wurde beim Verlassen seiner Funkstube bei einer unerwarteten Kontrolle mit einer Abschrift der Weihnachtsbotschaft des damaligen Papstes erwischt und wegen deren Verbreitung beinahe zum Tode verurteilt. Nur die Fürsprache eines Vorgesetzten verhalf ihm zur "Versetzung" in eine Strafkompanie, auch nicht viel besser als ein Todesurteil, aber er hat sie überlebt.

Die Geschichte, von ihm selber verfasst, habe ich vor Jahren mal in einer französischen Hugenottenzeitschrift gelesen: Réforme

:winke:
 
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Interessant. Wie Francois de Beaulieu (nach dem II. Weltkrieg aus Berlin nach Frankreich gezogen, dort protestantischer Pfarrer geworden). Davor war er Deutscher (Preuße) hugenottischer Herkunft, und 1942/43 als Wehrmachtfunker in irgendeinem Befehlsstand in der Nähe von Berlin eingesetzt. Er wurde beim Verlassen seiner Funkstube bei einer unerwarteten Kontrolle mit einer Abschrift der Weihnachtsbotschaft des damaligen Papstes erwischt und wegen deren Verbreitung beinahe zum Tode verurteilt. Nur die Fürsprache eines Vorgesetzten verhalf ihm zur "Versetzung" in eine Strafkompanie, auch nicht viel besser als ein Todesurteil, aber er hat sie überlebt.

Die Geschichte, von ihm selber verfasst, habe ich vor Jahren mal in einer französischen Hugenottenzeitschrift gelesen: Réforme

:winke:

Liebe Helma,

da hat der Mann keinen einfachen Weg gewaehlt. Wir haben hier eine ganz nette Pfarrerin. Wenn man hinter die Kulissen sehen kann ist es bei weitem nicht so wie in Deutschland. Die naechste protestantische Kirche ist 25 KM entfernt und muss sich selbst ernaehren. Gibt ja keine Kirchensteuer.

Liebe Gruesse
Daniel
 
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