Der Russlandfeldzug Napoleons

Das Drissa-Lager war ein Riesenfehlplan. Erst vor Smolesk und dann bei Borodino wagten es die Russen, sich zur Schlacht zur stellen. Für Napoleon dann ein Pyrrhus Sieg. Die russischen Kanonen leisteten ganze Arbeit.
 
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Gegenthese:
Alexander wollte den Krieg, und Napoleon wollte ihn nicht verhindern.

Dass Alexander den Krieg wollte, ist wohl nicht belegt. Von seiner Schwäche berichtete ich schon.

"Mit gemischten Gefühlen beobachtete der russische Adel das aufziehende Unwetter. Einerseits freute man sich darüber, dass die "Tilsiter Sklaverei", die Verderben bringende Kontinentalsperre ... ein Ende nehmen würden; andererseits fürchtete man den schrecklichen, unbesiegbaren Welteroberer. Zur gleichen Zeit empfand man daneben instinktiv eine Siegesgewissheit." [1]

Anders sieht es bei Bonaparte aus.

Pflichtbewusst berichtete Caulaincourt seinem Herrn nach seiner Rückehr nach Paris und ich schließe an das Zitat von #7 an:

""... Wenn das Waffenglück gegen mich sein sollte, zöge ich mich lieber bis nach Kamtschatka zurück, als dass ich Provinzen abträte und in meiner Hauptstadt einen Vertrag abschlösse, der nur ein Waffenstillstand wäre. Der Franzose ist tapfer; aber lange Entbehrungen und ein hartes Klima entmutigen ihn. Unser Klima, unser Winter werden für uns kämpfen. Wunder geschehen bei euch nur dort, wo der Kaiser steht. Er kann aber nicht überall sein, er kann nicht jahrelang von Paris fernbleiben!"
...
Der Kaiser hörte mir aufmerksam zu. Dann aber zählte er mir seine Streitkräfte, seine Hilfsmittel auf. Sobald ich ihn auf dieses Kapitel kommen sah, war mir klar, dass es für einen Frieden nichts mehr zu hoffen gab; denn es war gerade immer diese militärische Aufzählung, die ihn berauschte." [2]

Ich denke, den Memoiren von Caulaincourt kann man Glaubwürdigkeit bescheinigen. Für Bonaparte war der Krieg beschlossen.

Der Generaladjudant General Graf Narbonne kehrte von seiner Wilnaer Reise zurück und berichtete Bonaparte in Dresden von seinen russischen Eindrücken und seinem Treffen mit Alexander. Der Kaiser lenkte bald auf ein interessanteres Gesprächsthema über:

"Jetzt marschieren wir nach Moskau; warum sollten wir aber von Moskau aus nicht nach Indien marschieren? Man rede mir nicht von der großen Entfernung zwischen Moskau und Indien: Alexander von Mazedonien hat es von Griechenland nach Indien auch nicht nahe gehabt; doch hat es ihn das etwa zurückgehalten? Alexander von Mazedonien hat den Ganges von einem Ausgangspunkt aus erreicht, der ebenso weit entfernt war wie Moskau ... Narbonne, stellen Sie sich vor: Moskau ist genommen, Rußland zu Boden geworfen, der Zar hat Frieden geschlossen oder ist irgendeiner Verschwörung bei Hofe zum Opfer gefallen; und nun sagen Sie mir, ob dann der Weg zum Ganges immer noch für die französische Armee und ihre Hilfstruppen versperrt ist? Es genügt schon, den Ganges mit dem französischen Degen nur zu berühren, und die ganze Herrlichkeit des englischen Handels bräche zusammen." [3]

Damit ist wohl klar, dass England das Ziel, Rußland nur die Etappe sein sollte.

Tarlé erklärt das Handeln des Kaiser so:
"Schon in seinem ersten großen Kriege, bei der Eroberung Italiens im Jahre 1796, hatte es Napoleon - nach seinen eigenen Worten - "verlernt zu gehorchen" - d.h. sich den Menschen anzupassen. Seit dem Frieden von Tilsit 1807 verlernt er allmählich auch die Fähigkeit, sich den Verhältnissen der Wirklichkeit anzupassen und mit ihr zu rechnen. "Ich vermag jetzt alles", sagte er kurz nach dem Tiltiter Friedensschluss zu seinem Bruder Lucien. Was war denn Politik? Seiner Ansicht nach machten die starken Bataillone die Politik, und wer besaß mehr Bataillone als er? Was ist denn Ökonomie? Er gedachte sie ebenfalls mit seinen starken Bataillonen zu bezwingen: man musste nur Europa mit Krieg überziehen und Rußland endgültig unterwerfen, so würde England nirgendwo auch nur ein Kilogramm Ware verkaufen können, Bankrott machen und untergehen. Die Menschen waren in seinen Augen Kinder und Sklaven, mit denen man nach Belieben umgehen konnte, in ihren Kaisern und Königen sah er zwar keine Sklaven, jedoch Lakaien, die stets die Hand, die sie schägt, küssen und das Amt eines napoleonischen Verwalters oder Hauptverwalters jeder anderen Rolle vorziehen würden - vorausgesetzt, ihr gestrenger Herr verfügte über die notwendigen "starken Bataillone"." [4]

Wenn ich so über Tarlés Worte nachdenke, bin ich wieder einmal froh, dass das Abenteuer Bonaparte in Rußland endete.

Grüße
excideuil

[1] Eugen W. Tarlé: 1812 Rußland und das Schicksal Europas, Berlin 1951, Seite 53
[2] Caulaincourt: Unter vier Augen mit Napoleon, Bielefeld und Leipzig, 1937, Seite 28-29
[3] Eugen W. Tarlé: 1812 Rußland und das Schicksal Europas, Berlin 1951, Seite 61-62
[4] ebenda, Seite 59
 
Bevor in Rußland der erste Schuss fiel, wurde schon mal Ostpreußen "besiegt" und ausgeplündert:

"In Ostpreußen allein standen mehrere Wochen hindurch 300000 Mann Fußvolk und 45000 Reiter. Diese Provinz, welche schon durch den Feldzug von 1807 so viel gelitten hatte, wurde jetzt fast gänzlich ausgezehrt. Das Fußvolk verzehrte alles, was von der vorjährigen Ernte noch übrig war, aber für die zahlreiche Reiterei reichte das vorhandene Futter nicht aus, für diese musste das grüne Getreide auf dem Felde aushelfen. Die Unordnung konnte bei einem so ungeheuren Heer nicht ausbleiben. Man nahm Vorspann, Lebensmittel, Fourage, Schlachtvieh, selbst Geld, wo man es fand. Wohl kamen Klagen und Widersetzlichkeiten, aber man war genötigt, sich der Gewalt zu fügen. So musste Ostpreußen allein 77900 Pferde, 14000 Wagen, 22770 Ochsen usw. stellen. Große Herden von Schlachtvieh wurden hinter den Truppen zu ihrem unmittelbaren Unterhalt hergetrieben." [1]

Und dies war erst ein leiser Vorgeschmack auf das, was sich in Rußland ereignen würde ...
Ich denke, man kann nicht oft genug an die Entsetzlichkeiten erinnern, die Bonaparte über Europas Bevölkerung gebracht hat.

Grüße
excideuil

[1] Beitzke, Dr. Heinrich: Geschichte des Russischen Krieges im Jahre 1812, Leipzig, o.J. Seite 43
 
Ich denke, man kann nicht oft genug an die Entsetzlichkeiten erinnern, die Bonaparte über Europas Bevölkerung gebracht hat.

Ein Glueck, dass dann die Polen befreit wurden und die freundliche, russische Art wenigstens bis 1918 geniessen durften.
Von den Leibeigenen in Russland gar nicht zu reden.

Gruss, muheijo
 
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Hallo,

bereite mich gerade auf eine Prüfung in Geschichte vor und stehe nun vor folgender Frage: War die Rückzugspolitik der russischen Armee im Krieg geplant oder nicht? Zum einen findet sich die Meinung, die Rückzugspolitik sei aus reiner Notwendigkeit entstanden, weil die russischen Truppen den napoleonischen auch zahlenmäßig unterlegen waren, zum anderen wird gesagt, dass Alexander diese Defensivpolitik lange im Voraus geplant haben soll und dass der frz. Botschafter Caulaincourt Napoleon vom Wort Alexanders berichtet, der sagte, falls erforderlich, werde man bis Kamtschatka zrückweichen. Tja nun ist die Frage, wie siehts aus, lange im Voraus geplante Taktik oder Notwendigkeit? Wer kann helfen?


Segur schreibt in "Napoleon + der russ. Feldzug", dass Barclay schon 1807 einem franz. General gegenüber, diese Taktik als die für das Zarenreich erfolgversprechendste genannt haben.
 
Ein Glueck, dass dann die Polen befreit wurden und die freundliche, russische Art wenigstens bis 1918 geniessen durften.
Von den Leibeigenen in Russland gar nicht zu reden.

Gruss, muheijo

Was soll der Versuch, Äpfel mit Birnen zu vergleichen?
Dass der Zar mehr von Polen in Besitz nehmen konnte als nach der Teilung von 1795 lag doch nun wohl ganz eindeutig an der machtpolitischen Situation, die Bonaparte verursacht hatte.

Grüße
excideuil
 
Von D. Lieven liegt ein neues Buch vor, in dem er die spezifisch russische Sicht des Konflikts zwischen Frankreich und Russland darstellt.

Eine Sichtweise, die aus der französischen, englischen oder preußischen Sichtweise, nicht ausreichend berücksichtgt ist, so seine Begründung für das Buch.

Russland gegen Napoleon: Die Schlacht um Europa - Dominic Lieven - Google Bücher

Auf amazon - als Beispiel - finden sich ausführlichere Hinweise zur Gliederung des Buchs. Mein erster Eindruck des Buchs ist positiv.
 
Letztendlich hat Väterchen Frost gewonnen,,,,,,,:)

Legenden leben scheinbar ewig ...

Zur Verdeutlichung ein paar Zahlen:

Napoleon begann den Krieg mit 610000 Mann.
Juni/Njemen: 475000
Juli/Witebsk: 373000
August/Smolensk: 155000
September Borodino: 130000
14.September/Moskau: 110000

Rückzug:
19. Oktober/Moskau: 100000
3. November/Wjasmo: 50000
9. November/Smolensk: 37000
28. November/Beresina: 30000
10.Dezember/Njemen: 5000

(Quelle: Kinder, Hermann/Hilgemann, Werner: dtv-Atlas Weltgeschichte, dtv, München, Bd. 2: 23.Auf. 1989, Seite 34, Zahlen geschätzt)

Auch wenn die Zahlen geschätzt sind, machen sie deutlich, dass der Winter keine kriegsentscheidene Bedeutung hatte.
Und damit ist völlig richtig:
Væterchen Frost hat einer zusammengeschmolzenen Truppe den Rest gegeben - der Tod kannte wesentlich mehr Gesichter.
Vllt. zum Thema Winter noch dies:
"In einer Hinsicht war die Überschreitung der Beresina für Napoleon ein Desaster. Er hatte zwischen 25000 und 40000 Mann, dazu fast seine gesamte Artillerie und Bagage verloren. Selbst seine Alte Garde zählte nur noch 2000 Mann. Die letzten beiden überlebenden Korps, die die Marschälle Victor und Oudinot kommandierten, waren kaum mehr einsatzfähig. Hätte Napoleon die Brücke bei Borissow gehalten oder wäre die Beresina bereits fest zugefroren gewesen, so hätten diese Verluste zum großen Teil vermieden hätten können." [Lieven, Dominic: Russland und Napoleon – Die Schlacht um Europa, C. Bertelsmann, München, 2011, Seite 338]
(Hervorhebung von mir)
Der Winter muss also strategisch betrachtet nicht zwingend negativ sein.

Grüße
excideuil
 
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Ich nehme an, das Korps MacDonald mit den preußischen Verbänden ist in der Zahl nicht enthalten?

Die Frage kann ich dir nicht beantworten.

Legenden leben scheinbar ewig ...

(Quelle: Kinder, Hermann/Hilgemann, Werner: dtv-Atlas Weltgeschichte, dtv, München, Bd. 2: 23.Auf. 1989, Seite 34, Zahlen geschätzt)
Auch wenn die Zahlen geschätzt sind, machen sie deutlich, dass der Winter keine kriegsentscheidene Bedeutung hatte.

Meine Intension war lediglich, zu belegen, dass der größte Teil der Armee Napoleons bereits zerschlagen war, bevor überhaupt der Winter Wirkung zeigen konnte.

Grüße
excideuil
 
Zur Verdeutlichung ein paar Zahlen:

Napoleon begann den Krieg mit 610000 Mann.
Juni/Njemen: 475000
Juli/Witebsk: 373000
August/Smolensk: 155000
September Borodino: 130000
14.September/Moskau: 110000

Rückzug:
19. Oktober/Moskau: 100000
3. November/Wjasmo: 50000
9. November/Smolensk: 37000
28. November/Beresina: 30000
10.Dezember/Njemen: 5000

(Quelle: Kinder, Hermann/Hilgemann, Werner: dtv-Atlas Weltgeschichte, dtv, München, Bd. 2: 23.Auf. 1989, Seite 34, Zahlen geschätzt)

Diese und andere Zahlen sind -wie ja auch zitiert- tatsæchlich nur eine Schætzung, sie weichen je nach Autor und Zæhlweise voneinander ab.

Diese Schlussfolgerung

Meine Intension war lediglich, zu belegen, dass der größte Teil der Armee Napoleons bereits zerschlagen war, bevor überhaupt der Winter Wirkung zeigen konnte.

belegen allerdings alle Zahlen.

Wer an Zahlen interessiert ist, hier eine Einschætzung Adam Zamoyskis, der zahlreiche Quellen untersucht hat:

Auf der anderen Seite des Njemen haben zw. Juni und Dez. ca. 550 - 600.000 Mann Napoleons operiert, darin enthalten auch Verstærkungen, die stændig nachgeschickt wurden.
Davon sind insgesamt 120.000 im Dezember zurueckgekommen.
Vorab sind weitere ca. 30.000 frueher zurueckgekommen, als Verwundete, Kranke oder abgestellt zur Neubildung von Truppen.
Weiter kann man davon ausgehen, dass ein beachtlicher Teil der ca. 50.000 Deserteure ihren Weg zurueck gefunden haben.
Die Russen haben etwa 100.000 Gefangene gemacht, von denen aber weniger als 20.000 ueberlebten und nach 1814 nach Hause geschickt wurden.
Insgesamt sind also etwa 400.000 Soldaten der frz./alliierten Armee umgekommen, davon vielleicht ein Viertel im Kampf.
Man kann nur raten, wieviele Zivilisten noch umgekommen sind, die das Heer in grosser Zahl begleitet haben, und wieviele von diesen und von den Soldaten in den Monaten nach der Rueckkehr noch starben.

Die o.g. 120.000 Rueckkehrer im Dezember setzen sich zusammen aus 50.000 Preussen und Østerreicher, 20.000 Polen und vielleicht 35.000 Franzosen. Rest: andere Alliierte.
Viele der Rueckkehrer waren kampfuntuechtig.
Weiterhin sind mindestens 160.000 Pferde und mehr als 1.000 Kanonen verloren gegangen.

Die Russen haben nach Zamoyski bis zu 400.000 Mann verloren, Soldaten und Miliz, davon etwa 110.000 im Kampf.

Weil es weiter oben erwæhnt wurde:
Zur Beresina ein paar Bemerkungen spæter.

Gruss, muheijo
 
Es sieht so aus, dass die Russen es geschafft haben eine solche Situation für die „Grande Armee“ zu schaffen, wo die franz. Armee die größten Verluste durch den Winter erleiden musste. Ich denk dabei insbesondere an die Schlacht von Malojaroslavec, die Napoleon zwang auf den Smolensker Weg umzukehren, also die Strecke, dessen Vorratskapazität bereits im Sommer 1812 verbraucht wurde.
In dem Sinne ist die Bedeutung der Schlachtbei Malojaroslavec, trotz der geringen Verlusten, im strategischen Sinne mehr als Ausschlaggebend für die Katastrophe der „Grande Armee.“
 
Ich denk dabei insbesondere an die Schlacht von Malojaroslavec, die Napoleon zwang auf den Smolensker Weg umzukehren, ...“

Es war ein falscher Entschluss Napoleons nach sehr langem Zøgern am Tag danach- es wære auch ein Angriff auf die (starken) russischen Stellungen denkbar gewesen, zumal Kutuzow es schlussendlich mal wieder vorzog, sich zurueckzuziehen, um seine Armee zu erhalten.
Davon wusste Napoleon allerdings nichts, und so geschah etwas seltenes in der Militærhistorie: Beide Armeen bewegten sich voneinander weg.

Aber in der Tat war die Entscheidung, den gleichen Weg wie den Hinweg zurueckzumarschieren, fuer die Versorgungslage fatal.

Die war aber auch ohne Winter eben mehr als angespannt, um nicht zu sagen katastrophal.
Allerdings hætte man z.B. frueher Smolensk erreichen kønnen, noch vor dem Wintereinbruch, der am 6.November kam.

Gruss, muheijo
 
Es war ein falscher Entschluss Napoleons nach sehr langem Zøgern am Tag danach- es wære auch ein Angriff auf die (starken) russischen Stellungen denkbar gewesen, zumal Kutuzow es schlussendlich mal wieder vorzog, sich zurueckzuziehen, um seine Armee zu erhalten.

Laut dem Brief von Kutuzov an Aleksander I. vom 24-25 Okt., Beabsichtigte erdie Entscheidungsschlacht zu geben. Also das klingt nicht wie die Absicht zum Rückzug. Oder irre ich mich? :grübel:


Allerdings hætte man z.B. frueher Smolensk erreichen kønnen, noch vor dem Wintereinbruch, der am 6.November kam.
Meinst du etwa, wenn Napoleon nicht die 2 Wochen in Moskau verbrachte? Das Problem ist, auch wenn er Smolensk früher erreicht hätte, was würde das ändern, Angesicht dessen, dass die Stadt nicht die nötige Vorratsmenge besaß?
 
Laut dem Brief von Kutuzov an Aleksander I. vom 24-25 Okt., Beabsichtigte erdie Entscheidungsschlacht zu geben. Also das klingt nicht wie die Absicht zum Rückzug. Oder irre ich mich? :grübel:

Der Plan überlebt eben häufig nicht die erste Begegnung (frei nach Moltke).

Kutuzov gewann jedenfalls den Eindruck, dass seine zusammengestückelte und mit Ersatz aufgefüllte Armee keine Abnutzungsschlacht riskieren konnte. Jedenfalls zog er sich rd. 5 km auf geografisch günstigere Linien zurück, die besser zu halten waren.

Napoleons Rückzug wurde damit die Straße nach Medyn freigegeben, offenbar gegen den entschiedenen Willen von Wilson und einigen Korps-Kommandeuren. Kutuzov ließ seine Armee jedenfalls von der Position aus am 26.10. auf Kaluga zurückfallen, offenbar doch in der Überzeugung, Napoleons Armee noch nicht standhalten zu können.
 
Der Plan überlebt eben häufig nicht die erste Begegnung (frei nach Moltke).

Kutuzov gewann jedenfalls den Eindruck, dass seine zusammengestückelte und mit Ersatz aufgefüllte Armee keine Abnutzungsschlacht riskieren konnte. Jedenfalls zog er sich rd. 5 km auf geografisch günstigere Linien zurück, die besser zu halten waren.

Wie ich die Lage verstehe, befiehl Kutuzov diesen taktischen Rückzug auf die befestigten Stellungen südlich der Stadt, um die Kontrolle der Straße nach Kaluga zu erlangen. Im Prinzip macht er es nichts anderes, als bei Borodino: gute Stellungen + Kontrolle über die Straßen.

In gleicher Nacht schreibt Kutuzov an den Zaren. Im Brief äußert er sich in dem Sinne, dass es offensichtlich eine Generalschlacht geben wird, und dass er Napoleon nicht nach Kaluga durchzulassen beabsichtige. Dafür hatte Kutuzov durchaus Gründe: 90.000 Mann und 600 Kanonen der Russen gegen 70.000 Mann und 360 Kanonen der Franzosen.

Napoleon wollte sich aber auf die Generalschlacht nicht einlassen (Weiss nicht ob dies stimmt, dass soll aber das erste Mal im Leben von Napoleon gewesen sein, dass er einer Generalschlacht ausweicht) . Seine Pläne nach Kaluga zu marschieren muss er aufgeben und entscheidet sich nach Norden (Smolensk) zu ziehen.


Napoleons Rückzug wurde damit die Straße nach Medyn freigegeben, offenbar gegen den entschiedenen Willen von Wilson und einigen Korps-Kommandeuren. Kutuzov ließ seine Armee jedenfalls von der Position aus am 26.10. auf Kaluga zurückfallen, offenbar doch in der Überzeugung, Napoleons Armee noch nicht standhalten zu können.

Die Entscheidung Kutuzovs 24 km. nach Süden zu marschieren, statt die Verfolgung wiederaufzunehmen und nach Norden zu marschieren, ist irgendwie rätselhaft.

Ob dies mit der Überzeugung zu tun hat Napoleons Armee noch nicht standhalten zu können, halte ich, Angesicht der des Kutuzovs Kampfbereitschaft bei Malojaroslavec, nicht für sehr wahrscheinlich.

Einige russische Historiker versuchen dies so zu deuten, dass Kutuzov den Durchbruch der Franzosen nach Kaluga über die Medyn‘ befürchtete.
Um dies zu verhindern soll Kutuzov diesen Marsch unternommen haben.
 
Napoleons Rückzug wurde damit die Straße nach Medyn freigegeben, offenbar gegen den entschiedenen Willen von Wilson und einigen Korps-Kommandeuren. Kutuzov ließ seine Armee jedenfalls von der Position aus am 26.10. auf Kaluga zurückfallen, offenbar doch in der Überzeugung, Napoleons Armee noch nicht standhalten zu können.

"Zum Zorn der meisten russischen Generale entschied Kutusow am nächsten Tag, seine Truppen nach Kaluga umzudirigieren...
Mit dem Abzug der Franzosen aus Malojaroslawez begann die zweite Phase des Herbstfeldzugs von 1812. Kutusow war es zufrieden, den Feind mit seinen Kosaken zermürben und sich dabei auf die natürlichen Bedingungen sowie die Disziplinlosigkeit der Franzosen verlassen zu können. Sehr zu Recht bewahrte er sich einen gesunden Respekt vor der Tapferkeit und Stärke der franz. Truppen auf dem Schlachtfeld ... [1/Seiten 310/311]

Zur Kritik des Engländers Wilson an seiner Strategie erwiderte er:
"Von Ihren Einwänden halte ich nichts. Ich ziehe es vor, meinem Gegner eine goldene Brücke zu bauen, wie Sie es nennen, statt mir ein coup de collier (eine Verzweifelungsaktion) einzuhandeln. Außerdem wiederhole ich noch einmal, was ich Ihnen bereits gesagt habe: Ich bin keineswegs sicher, dass die totale Vernichtung von Kaiser Napoleon und seiner Armee so günstig für die Welt wäre. Seine Nachfolge träte nicht Rußland oder eine andere Kontinentalmacht an, sondern jene, welche die Meere beherrscht und deren Dominanz nicht zu akzeptieren wäre." [1/Seiten 310/311]

Politisch weitsichtig gedacht und aufzeigend, dass Kutosow nicht bereit war, seine Armee sinnlos/vorschnell ... und möglicherweise fremden Interessen zu opfern.

Angesichts der Opfer der russischen Armee auch verständlich:
"Am 19.Dezember berichtete Kutusow an Alexander, die Verluste seien so gewaltig, dass er sie nicht nur vor dem Feind, sondern selbst vor seinen eigenen Offizieren geheimhalten müsse ... [1/Seite 340]

Grüße
excideuil

[1] Lieven, Dominic: Russland und Napoleon – Die Schlacht um Europa, C. Bertelsmann, München, 2011 (2009)
 
Viele Dank für die ergänzenden Erläuterungen!

Das hier verblüfft mich allerdings:
Zur Kritik des Engländers Wilson an seiner Strategie erwiderte er:"Von Ihren Einwänden halte ich nichts. Ich ziehe es vor, meinem Gegner eine goldene Brücke zu bauen, wie Sie es nennen, statt mir ein coup de collier (eine Verzweifelungsaktion) einzuhandeln. Außerdem wiederhole ich noch einmal, was ich Ihnen bereits gesagt habe: Ich bin keineswegs sicher, dass die totale Vernichtung von Kaiser Napoleon und seiner Armee so günstig für die Welt wäre. Seine Nachfolge träte nicht Rußland oder eine andere Kontinentalmacht an, sondern jene, welche die Meere beherrscht und deren Dominanz nicht zu akzeptieren wäre."

Das ist sehr interessant, allerdings völlig widersprüchlich zur Lage und zu seinem Handeln.

Bereits das erste "Absetzen" in die günstigere Stellung erfolgte unter Druck. K. war nicht in der Lage, "totale Vernichtung" auch nur zu erwägen.

Der Rückzug nahm die Kontrolle über den Weg nach Medyn, bzgl. dessen doch vorher die feste Absicht der Sperre bestand.

Sind K. diese Worte ex post "zugefallen", bzw. wer verbürgt den aktuellen Zeitpunkt beim Treffen der Entscheidung? Das sieht konstruiert aus, und konträr zur militärischen Lage.
 
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