Der sächsisch-preußische Konflikt im Zeitalter August II. von Polen

Hallo, Brissotin!

Über welche Zeitspanne erstreckt sich denn dein Buch, weil im Titel steht etwas von August dem Starken (also dem I.) und nun schreibst du über seine Nachfolger?!
 
Ein Kapitel lautet "Die sächsisch-polnische Union (1697-1763)". Primär geht es um August II. von Polen, sekundär wird aber auch die Verwirklichung bzw. das Scheitern seiner Politik unter seinem Sohn August III. angesprochen. Außerdem wird, für mich sehr erhellend, auch die Kritik seiner ungefähren Zeitgenossen wie des Koferenzminsisters Thomas Fritsch von 1763 behandelt. Ohne die sächsisch-polnischen Beziehungen bis zum Ende 1763 der wettinischen Königswürde in Warschau zu verfolgen, ist eben die Weitgestecktheit der Ziele von August II. schwer fassbar. Außerdem geht der Autor auch kurz darauf ein, dass schon ein paar Vorgänger eine Erlangung der polnischen Königswürde ins Auge gefasst hatten, was das Wirken August II. erst ins richtige Licht rückt.
August II. wie auch sein Nachfolger August III. hatten ja jeweils versucht zu ihren Lebzeiten den Sohn als Nachfolger in der polnischen Königswürde zu forcieren.
 
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Ich habe jüngst eine wissenschaftliche Aussage von Detlef Döring gefunden, welche ich sehr bemerkenswert finde und zitiert gehört, auch wenn sie das Thema meines Threads ein bisschen in Frage stellt:
... Kernthese der lange Zeit vorherrschenden borussisch geprägten Geschichtsschreibung ist es immer gewesen, daß Sachsen im Vergleich zu Brandenburg-Preußen auf auf beiden Gebieten [Innenpolitik vor allem hinsichtlich der Eindämmung des Einflusses der Stände und Außenpolitik, Anm. von mir] hoffnungslos ins Hintertreffen geriet, und zwar schon im ausgehenden 17.Jahrhundert: Während Preußen durch militärische Aufrüstung und seine ausgreifende Außenpolitik eine selbstständige Stellung in Europa erlangte, verharrte Sachsen infolge seiner Schwäche und seiner unflexiblen Außenpolitik im Kreis der minderen Mächte. ... Der Grundfehler dieses Geschichtsbildes bestand indes darin, daß es eine Ausnahmeerscheinung - Preußen - zum Maßstab erhob. ...
Besonders sollte man die Entwicklungen in Staaten untersuchen, um dieses Geschichtsbild zu revidieren, die wie Sachsen eine ähnliche breite und ambitionierte Basis am Beginn des 17.Jh. besaßen wie Bayern und Pfalz. Beiden gelang auch nicht der Sprung unter die selbstständig argierenden Staaten bzw. sie scheiterten noch eklatanter als Sachsen an den eigenen Großmachtfantasien. Der Einfluss des schwerlich zu unterschätzenden großen Nachbarn, hier Preußen dort Österreich, wirkte sich doch entscheidend aus.
 
König August II. erwies sich wirklich nicht als weitblickender Machtpolitiker. Schweden hat er sich unnötig zum Feind gemacht wo es doch ein idealer Bündnisspartner hätte sein können.
Noch harscher ist die wohl durchdachte Kritik von Karlheinz Blaschke:

"Während er somit auf dem Felde der Außenpolitik und im Kriegswesen sein Ungeschick erwiesen hatte, muß ihm die Regierung seines sächsischen Kurfürstentums der schwerwiegende Vorwurf gemacht werden, ein schlechter Regierer und schlechter Haushalter gewesen zu sein".
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Ursächlich für die Fehler Friedrich August I. nennt Blaschke einen enormen Egozentrismus des Kurfürsten. Dieser sei zum einen darauf zurück zu führen, dass er als Nachgeborener keineswegs auf die Herrschaft in der Erziehung vorbereitet wurde, zum anderen aber auch in seiner Jugendzeit zu seiner verschwenderischen und genussorientierten Lebensführung die einschlägigen Impulse bekam. Die Auswirkungen dieser Formung seines Charakters hätten sich daraufhin sein Leben lang gezeigt, indem er einzig um seine persönliche Standeserhöhung oder Selbstprofilierung bedacht gewesen sei, während er die Interessen seiner Staaten ignorierte. Zum einen konnte Blaschke anführen, dass er alles seinen persönlichen Bestrebungen nach der Krone Polens unterordnete, zum anderen aber dann als Herrscher Polens nichtmal bestrebt war, sich mit den polnischen Verhältnissen wirklich zu beschäftigen, geschweige denn die polnische Sprache überhaupt zu erlernen. Für den Erwerb der polnischen Krone und den Erhalt derselben, soll er die gewaltige Summe von 40 Millionen Talern aufgewendet haben. Daneben führten seine Vorliebe für Kunst und Festlichkeiten zu solchen Ausgaben, welche ihn zu einem Verkauf bzw. einer Verpfändung gar einiger Gebiete zwangen.

* S. 10
Aus: Karlheinz Blaschke: "Kritische Beiträge zur Biographie des Kurfürsten Friedrich August I. von Sachsen"
In: "Saxonia - Schriftenreihe des Vereins für sächsische Landesgeschichte e.V. Band 1 - August der Starke und seine Zeit" Sächs. Druck- und Verlagshaus, Dresden, 1995
 
In einem gewissen Gegensatz zu Blaschke (und darin noch weit entschiedener als Czok sogar!) steht die Aussage Harald Webers:

"Seinem Sohn und Nachfolger hinterließ er sein Heer, das dem preußischen in Quantität und Qualität kaum nachstand. Sachsen war dank seiner wirtschaftlichen Blüte in der Lage, die enormen finanziellen Militärlasten zu verkraften. Erst die Unfähigkeit seines Nachfolgers und dessen Ministers Graf Brühl ließ die sächsische Armee verkümmern und führte zum Disaster am Lilienstein."
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Erstaunlich finde ich die Bahauptung, dass auch die Quantität der sächsischen Armee "kaum" derjenigen der preußischen Armee nachgestanden haben soll. Dabei verfügte schon der Große Kurfürst am Regierungsende über 29.000 Mann an stehendem Heer (nach Dellbrück). Und das war fast ein halbes Jahrhundert bevor Friedrich August I. sein Heer auf ca. 30.000 Mann vermehrte. Seither hatte Preußen im Spanischen Erbfolgekrieg und Nordischen Krieg sich nochmals kräftig einmischen müssen, was Anforderungen an die Vermehrung der Truppen durch das außenpolitische Engagement deutlich werden ließ. Friedrich I. hatte eine erneute Reformierung des Heeres eingeleitet, welche dann von seinem Sohn und Nachfolger fortgesetzt wurde indem er das Heer so umfangreich verstärkte.
Gewiss ist andererseits, dass gerade durch den anhaltenden preußisch-sächsischen Konflikt und die beschämenden Schlappen im Nordischen Krieg Friedrich August I. eine völlige Reorganisation des Sächsischen Heerwesens geboten schien. Der Tadel von Fachleuten nach dem Nordischen Krieg war verheerend und bezeichnenderweise ordnete noch 1733 der Kurfürst von Sachsen in seinem Todesjahr eine weitere Aufstockung der Armee an.

Kritischer geht Reinhold Müller mit August II. ins Gericht:

"Immer neue außenpolitische Aktivitäten sowie die ständigen Ausgaben für Luxus und Prunk ließen August und die sächsischen Erblande nie aus den finanziellen Schwierigkeiten herauskommen.
...
Die Landesverwaltung brachte er in geordnete Bahnen und auch die Finanzlage besserte sich. Jedoch mußten erhebliche Mittel für die wesentlich verstärkte Armee (30000 Mann) aufgebracht werden. Wenn auch eine relative Stabilität in den Regierungsjahren nach 1719 eintrat, seine weitgesteckten politischen Ziele vermochte August keinesfalls zu erreichen.
Innenpolitisch konnte sich der monarchische Absolutismus nicht so durchsetzen wie in Preußen. Damit hatte sich der Vorsprung dieses militaristischen Staates gegenüber Sachsen derartig vergrößert, daß er kaum noch aufzuholen war. Sachsen war somit im Wettstreit um die politische Vorherrschaft im nördlichen, protestantischen Deutschland bereits vor den schlesischen Kriegen unterlegen. ..."
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Man liest bei Wörtern wie "militaristischen" zwar die DDR-Sicht, die politisch orientiert scheint, bei Müller herraus. Aber er argumtentiert auch vielschichtig, nennt mehrere Gründe für die finanziellen Nöte. Man denke an die umfangreichen Militäreinsätze der Sachsen, die zeitgleich im Spanischen Erbfolgekrieg (z.B. bei Malplaquet ) UND im Nordischen Krieg mit, gemessen an den vorhandenen Mitteln, gewaltigen Aufwand teilnahmen.
Müller recherchierte recht gewissenhaft für seine Texte, zumal sein Werk sinnvollerweise sich sehr spezifisch um die militärhistorischen Aspekte am Ende der Herrschaft des starken August bemüht.

Genannt sei noch zur besseren Einordnung des Aufwandes für die 30.000 und was diese für Sachsen bedeuteten, dass August II. Vater Johann Georg III., der "Sächsische Mars", für die Aufstellung seines 10.000-Mann-Heeres in den frühen 1680ern alle Kräfte des Kurstaates anstrengen musste und auch späterhin zum Erhalt auf Subsidien und dergleichen zu setzen gezwungen war. Zeitgleich verfügte Brandenburg, wie gesagt, über etwa das dreifache an Truppen(!). Dabei sollte man aber hinzufügen, dass diese "neuen" 10.000 Mann dann schon deutlich verlässlichere Truppen als die bis dahin immer wieder als Gros des sächsischen Heeres aufgebotenen "Defensioner" darstellten. (Inklusive der Landesdefension konnte Sachsen ja schon bedeutend zuvor ein größeres Heer als "nur" 10.000 Mann und wenn dann zumindest auf dem Papier aufbieten(!).)

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Harald Weber: "Militärgeschichte des Churfürstemthums Sachsen ... 1613 -1733" Verlag für sächsische Regionalgeschichte, Judenau, 2008
Hier: S. 215

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Reinhold Müller: "Die Armee August des Starken - Das sächsische Heer von 1730 bis 1733" Militärverlag der Deutschen Demokratischen Republik, 1. Auflage, Berlin, 1984

PS: Scheinbar ist und war August der Starke extrem umstritten in der zeitgenössischen Meinung wie in der Historikerdiskussion. Ein Streit um Wirkung, Leistung und so fort der bis heute anhält und überdauert. Bei der kulturell bedeutenden Stellung Dresdens in Europa vielleicht kein Wunder. (Man denke nur an Ausstellungen wie "Goldener Drache - Weißer Adler" in Dresden mit Weltbedeutung!)
 
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PS: Scheinbar ist und war August der Starke extrem umstritten in der zeitgenössischen Meinung wie in der Historikerdiskussion. Ein Streit um Wirkung, Leistung und so fort der bis heute anhält und überdauert.

August der Starke wird wohl immer einer der umstrittensten sächischen Kurfürsten bleiben.
Als Gegenstück zu den von Dir angegebenen Aussagen von Blaschke und Weber möchte ich dem interessierten Leser einen Aufsatz und eine Monographie von Rene Hanke empfehlen.

[FONT=Times New Roman, serif]Hanke, René: Zur Beurteilung der sächisch-polnischen Union (1697-1763). Grundlagen, Entwicklungsmöglichkeiten und Vorteile, in: Neues Archiv für sächische Geschichte 74/75 (2003/04), S. 227-275.[/FONT]

(es ist vor allem interessant wie er gegen Blaschke argumentiert)

Sowie seine Dissertation:


Brühl und das Renversement des alliances : die antipreußische Außenpolitik des Dresdener Hofes 1744 - 1756, Berlin, 2006.

Auszüge:
Brühl und das Renversement des ... - Google Buchsuche


Rezension:
www.sehepunkte.de/2007/05/pdf/11574.pdf

Ist Euch eigentlich schon mal aufgefallen das es über August den Starken keine umfangreiche wissenschaftliche Biographie gibt?
 
Ist Euch eigentlich schon mal aufgefallen das es über August den Starken keine umfangreiche wissenschaftliche Biographie gibt?
Mir ja. In dem Buch über die Herrscher Sachsens der beck'schen Reihe wird das auch angemerkt. Komischerweise fühlten sich die in der Sache mahnenden Autoren aber auch nicht bereit diese bedenkliche Lücke zu füllen.
Sogesehen ist Czoks Buch "August der Starke und seine Zeit" etwas allein auf weiter Flur. Ein wohl recht ausführliches Buch von Jacek Staszewski
"August II Mocny" Wrocław Warszawa Kraków (Ossolineum) 1998,
das auch auf Deutsch erschienen ist, konnte ich über den gewöhnlichen Handel leider nicht erwerben.

Über Brühl ist mittlerweile eher was erschienen, als über August III.. Aber das Buch zum Bündniswechsel klingt besonders interessant.
 
Nein Staszewskis Buch über August II. ist nicht auf Deutsch erschienen, nur das Buch über seinen Sohn August III.

[FONT=Times New Roman, serif]Staszewski, Jacek: August III., Kurfürst von Sachsen und König von Polen. Eine Biographie. Berlin, 1996.
[/FONT]



Staszewski hat auf Polnisch wirklich sehr viel veröffentlicht über die "Sachsenzeit" und auch interessante Aufsatzsammlungen zu dem Thema herausgegeben. Jetzt ist er ja emeritiert, vielleicht schreibt er ja als Rentner noch an einem größeren Projekt.



Außerdem möchte ich noch diesen Sammelband empfehlen:

[FONT=Times New Roman, serif]Rexheuser, Rex (Hrsg.): Die Personalunionen von Sachsen-Polen (1697-1763) und Hannover-England (1714-1837). Ein Vergleich. Wiesbaden, 2005.[/FONT]


Hier zwei Rezensionen zu dem Buch:
sehepunkte - Rezensionsjournal für die Geschichtswissenschaften - 7 (2007), Nr. 11
http://geschichte-transnational.clio-online.net/rezensionen/8324.pdf

Achso zu dem Buch von Czok, naja er hat es ja schon 1989 geschrieben und dann noch ein bisschen aktualisiert und es wurde mehrmals neu aufgelegt.
Es sind noch zwei Monographien erschienen über August den Starken, die ich aber nicht für besonders gut halte:


Sharp, Tony: Pleasure and ambition : the life, loves and wars of Augustus the Strong, 1670 - 1707., London, 2001.

August der Starke / Hermann Schreiber
Verfasser: Schreiber, HermannVerleger: Gernsbach : KatzErscheinungsjahr: 2000
Sharp verwendet wenig, Schreiber gar kein Archivmaterial. Außerdem schreibt Sharp nur das auf Englisch, was dutzende vor ihm schon auf Deutsch geschrieben haben.
[FONT=Times New Roman, serif]
[/FONT]
 
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Nein Staszewskis Buch über August II. ist nicht auf Deutsch erschienen, nur das Buch über seinen Sohn August III.

[FONT=Times New Roman, serif]Staszewski, Jacek: August III., Kurfürst von Sachsen und König von Polen. Eine Biographie. Berlin, 1996. [/FONT]
Dann habe ich mich darin vertan. Danke für die Berichtigung.

Wenn Du magst, würde ich Dir diesen Thread empfehlen, der vielleicht auch bei Deinem Kenntnisstand etwas interessant für Dich ist. http://www.geschichtsforum.de/f288/die-polnisch-franz-sischen-beziehungen-unter-louis-xv-20937/
Vielleicht macht es Dir Spaß, da manches zu korrigieren, da ich kaum sächsische Sekundärquellen nutzte.
:rotwerd:
 
Achso zu dem Buch von Czok, naja er hat es ja schon 1989 geschrieben und dann noch ein bisschen aktualisiert und es wurde mehrmals neu aufgelegt.
Gut aber Professor Czok ist auch nicht mehr der Jüngste. Schaue ich mir manche Bücher an, habe ich aber den Eindruck, dass er schon eine feste Größe in der sächsischen Geschichtswissenschaft ist.
Im Prinzip dreht sich nunmal die Literatur um einige Punkte und Sekundärquellen und in den schwächeren Büchern werden fast nur Wilhelmine und Pöllnitz als berühmteste Augenzeugen dieser Zeit bemüht.
 
Auf jeden Fall. Ich wollte damit nur ausdrücken, dass es sich eigentlich nicht um eine aktuelle Publikation handelt. Karl Czok möchte ich in keinster Weise Kompetenz absprechen. Er hat eine wesentlich objektivere Sichtweise als zum Beispiel Karlheinz Blaschke, der in jeder seiner Veröffentlichungen seine ausgeprägte Antipathie gegenüber August dem Starken zum Ausdruck bringen muss deshalb immer wieder mit Historikerkollegen in Streit gerät.

Die Quintessenz dieser Vorbehalte kann man zum Beispiel hier nachlesen ...
Blaschke, Karlheinz: Albertinische Wettiner als Könige von Polen – ein Irrweg sächsischer Geschichte, in: Sachsen und Polen, S 52-76, in: Saxonia Band 4/5 Sachsen und Polen zwischen 1697 und 1765, 1998.

Zu der Königswahl Augusts des Starken 1697 ist übrigens eine neue Publikation erschienen.
Milewski, Markus / Die polnische Knigswahl von 1697

Leider liegen zu dem Buch noch keine Rezensionen vor, ist im Dezember 2008 erschienen. Scheint aber seit langem wieder mal ein wissenschaftlich fundiertes Buch zu August dem Starken zu sein. Bin mal gespannt, vor allem auch ob der Verfasser polnischsprachige Quellen und Sekundärliteratur miteinbezogen hat.
 
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