Der Webstuhl

hatl

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Goethe und der Webstuhl.

1808
erscheint Faust 1 von Goethe.
(Übrigens eine tolle Story, erzählt in umwerfend schöner Sprache)

Nach einem Vorspiel des Theaterdirektors und einem weiteren im Himmel,
findet sich ein an seiner Erkenntnisfähigkeit verzweifelnder Faust nächtens in seinem Zimmer.
Er ruft in einer Anwandlung übermächtiger Spiritualität den Weltgeist ("Geist der Erde") an.
Und dieser erklärt sich ihm:

GEIST.
In Lebensfluten, im Tatensturm
Wall' ich auf und ab,
Webe hin und her!
Geburt und Grab,
Ein ewiges Meer,
Ein wechselnd Weben,
Ein glühend Leben,
So schaff' ich am sausenden Webstuhl der Zeit.
Und wirke der Gottheit lebendiges Kleid.


Der Faust wird dem Mephisto begegnen und mit ihm einen Bund eingehen.
Und auch den Mephisto lässt der Goethe den Webstuhl als Metapher gebrauchen.

Zwar ist's mit der Gedankenfabrik
Wie mit einem Weber-Meisterstück,
Wo ein Tritt tausend Fäden regt,
Die Schifflein herüber hinüber schießen,
Die Fäden ungesehen fließen,
Ein Schlag tausend Verbindungen schlägt.

1808 schießen bereits die "Schifflein" hinüber und herüber.
Diese sind Fadenträger die hin und her geworfen werden ab Mitte des 18. Jahrhunderts.
Und bald auch automatisch, getrieben von Wasserkraft.
Der Webstuhl zu dieser Zeit saust wie nie zuvor.

Der sausende Webstuhl der Zeit, so Goethes "Geist der Erde",
wirkt der Gottheit lebendiges Kleid.
Die Industrielle Revolution hat gerade erst begonnen Fahrt aufzunehmen und die Textilproduktion ist der Treiber.
 
Goethe prägte ja auch den Ausdruck veloziferisch.

Heine näherte sich dem Weber-Thema etwas anders an:



Im düstern Auge keine Thräne,
Sie sitzen am Webstuhl und fletschen die Zähne:
Deutschland, wir weben Dein Leichentuch,
Wir weben hinein den dreifachen Fluch –
Wir weben, wir weben!

Ein Fluch dem Gotte, zu dem wir gebeten
In Winterskälte und Hungersnöthen;
Wir haben vergebens gehofft und geharrt,
Er hat uns geäfft und gefoppt und genarrt –
Wir weben, wir weben!

Ein Fluch dem König, dem König der Reichen,
Den unser Elend nicht konnte erweichen,
Der den letzten Groschen von uns erpreßt,
Und uns wie Hunde erschießen läßt –
Wir weben, wir weben!

Ein Fluch dem falschen Vaterlande,
Wo nur gedeihen Schmach und Schande,
Wo jede Blume früh geknickt,
Wo Fäulniß und Moder den Wurm erquickt –
Wir weben, wir weben!

Das Schiffchen fliegt, der Webstuhl kracht,
Wir weben emsig Tag und Nacht –
Altdeutschland, wir weben Dein Leichentuch,
Wir weben hinein den dreifachen Fluch,
Wir weben, wir weben!
 
Und auch Gerhart Hauptmann ( * 1862 Ober Salzbrunn/Schlesien – † 1946 Agnetendorf/Niederschlesien) greift dieses Thema auf.

De-Waber- Die Weber.jpg
 
Zuletzt bearbeitet:
kein weben ohne (Fäden) spinnen:

...und auf der (Sommer)Opernbühne wird dann auch fleißig gesponnen, bis der Faden reisst:
(Auf dem Walkürenfelsen. Die Szene ist dieselbe wie am Schlusse des zweiten Tages. Nacht. Aus der Tiefe des Hintergrundes leuchtet Feuerschein. Die drei Nornen, hohe Frauengestalten in langen, dunklen und schleierartigen Faltengewändern. Die erste (älteste) lagert im Vordergrunde rechts unter der breitästigen Tanne; die zweite (jüngere) ist an einer Steinbank vor dem Felsengemache hingestreckt; die dritte (jüngste) sitzt in der Mitte des Hintergrundes auf einem Felssteine des Höhensaumes. Eine Zeitlang herrscht düsteres Schweigen)
(...)
Die zweite Norn
Des Steines Schärfe schnitt in das Seil;
nicht fest spannt mehr der Fäden Gespinst;
verwirrt ist das Geweb'.
Aus Not und Neid
ragt mir des Niblungen Ring:
ein rächender Fluch
nagt meiner Fäden Geflecht.
Weißt du, was daraus wird?
Die dritte Norn
Zu locker das Seil, mir langt es nicht.
Soll ich nach Norden neigen das Ende,
straffer sei es gestreckt!
Es riß!
Die zweite Norn
Es riß!
Die erste Norn
Es riß!
Die drei Nornen
Zu End' ewiges Wissen!
Der Welt melden Weise nichts mehr.
(...)
...
und etwas später dann:
DIE DREI RHEINTÖCHTER
Siegfried! Siegfried!
Wir weisen dich wahr.
Weiche, weiche dem Fluch!
Ihn flochten nächtlich webende Nornen
in des Urgesetzes Seil!
 
Zuletzt bearbeitet:
kein weben ohne (Fäden) spinnen:

...und auf der (Sommer)Opernbühne wird dann auch fleißig gesponnen, bis der Faden reisst:
(Auf dem Walkürenfelsen. Die Szene ist dieselbe wie am Schlusse des zweiten Tages. Nacht. Aus der Tiefe des Hintergrundes leuchtet Feuerschein. Die drei Nornen, hohe Frauengestalten in langen, dunklen und schleierartigen Faltengewändern. Die erste (älteste) lagert im Vordergrunde rechts unter der breitästigen Tanne; die zweite (jüngere) ist an einer Steinbank vor dem Felsengemache hingestreckt; die dritte (jüngste) sitzt in der Mitte des Hintergrundes auf einem Felssteine des Höhensaumes. Eine Zeitlang herrscht düsteres Schweigen)
(...)
Die zweite Norn
Des Steines Schärfe schnitt in das Seil;
nicht fest spannt mehr der Fäden Gespinst;
verwirrt ist das Geweb'.
Aus Not und Neid
ragt mir des Niblungen Ring:
ein rächender Fluch
nagt meiner Fäden Geflecht.
Weißt du, was daraus wird?
Die dritte Norn
Zu locker das Seil, mir langt es nicht.
Soll ich nach Norden neigen das Ende,
straffer sei es gestreckt!
Es riß!
Die zweite Norn
Es riß!
Die erste Norn
Es riß!
Die drei Nornen
Zu End' ewiges Wissen!
Der Welt melden Weise nichts mehr.
(...)
...
und etwas später dann:
DIE DREI RHEINTÖCHTER
Siegfried! Siegfried!
Wir weisen dich wahr.
Weiche, weiche dem Fluch!
Ihn flochten nächtlich webende Nornen
in des Urgesetzes Seil!
R.Wagner -> Götterdämmerung ...

Die 3 Nornen -> 1.Urd (Vergangenheit), 2. Verdandi (Gegenwart) und Skuld (Zukunft).

Die 3 Rheintöchter -> 1.Wellgunde, 2. Woglinde und 3. Floßhilde

Rheintöchter -> Siehe Foto:

Rheintöchter und Alberich.jpg
 
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