Der Widerstand und ein Frieden ohne totale Kapitulation?

tejason

Aktives Mitglied
Ein durchaus provokanter Titel. Ursprünglich wollte ich diesen viel zu langen Text einfach an den folgenden Thread hängen:
http://www.geschichtsforum.de/showthread.php?t=9400
Daher stammt auch mein Quote. Leider bewegt sich die Antwort, die ich doch nicht kürzen wollte zu sehr aus dem gestellten Thema heraus. Darum habe ich mich entschlossen einen neuen Thread aufzumachen. Das ist mir nicht leicht gefallen! Vor allem weil trotz meiner Punkte einiges dafür spricht das ein vorzeitiges Ende mit einem erfolgreichen Attentat auf Hitler mehr als nur unzählige Menschenleben gerettet hätte. Er betrifft eben nur einen Teilaspekt des Themas. Was denkt ihr?

ursi schrieb:
Die Verschwöhrer sahen es wirklich so, gemeinsam dann mit dem Westen gegen den Osten, realistisch war das sicher nicht. Und 1944 war es für eine solchen Sonderfrieden so oder so zu spät.

Die Alliierten wollten die bedingugslose Kapitualtion, ich kann mir höchstens Vorstellen, dass die Verschwöhrer versuchen wollten, die Russen im Osten mit Hilfe der westlichen Alliierten zurück zu drängen. Aber das ist jetzt meine persönliche Interpretation

Meines Wissens war es der Wunsch des militärischen Widerstandes mit allen Seiten Frieden zu machen, sich nicht auf die nie da gewesene 'Bedingungslose Kapitulation' einzulassen (bei aller Liebe zu heutigen Blickwinkeln: Es ist mehr als Verständlich das gerade die militärische Opposition diese Zumutung als inakzeptabel ansah.) und durch Friedensverträge im Osten möglichst die Grenze Deutschlands von 1914 anzustreben. Als taktisch aussichtsreichste Option sah man die Differenzen zwischen der Sowjetunion und den westlichen Alliierten an, um Zugeständnisse zu erhandeln. Separatfrieden und Vorfrieden galten dazu als denkbare Zwischenschritte. Ich erinnere daran das in der opponierenden Wehrmachtsgeneration (eben meist nicht die jüngeren Offiziere, sondern solche die schon in der Reichswehr Offiziere gewesen waren) viele das Ende des vorherigen Weltkrieges bewusst erlebt hatten. Damals hatten die Alliierten deutsche Truppen trotz der Kapitulation im russischen Bürgerkrieg gegen die Bolschewisten (Kommunisten) weiter kämpfen lassen (..wollen; Siehe Freikorps). Der Gedankengang war also nicht ganz so Utopisch wie der Rückblick glauben machen will. Natürlich hatte DER Widerstand keine völlig ausgearbeiteten politischen Pläne, er arbeitete ja im Untergrund und quasi 'Nebenberuflich'.

Gerade im Rückblick muss die Bedingungslose Kapitulation - welche den Offizieren der Wehrmacht so ungeheuerlich schien, dass sie im Regelfall bis Kriegsende ihre 'Kampfaufträge' weiter durchführten - im Nachhinein anders gesehen werden. Durch den vollständigen Untergang des Deutschen Staates standen die Besatzungsmächte in der Pflicht auch für die Bevölkerung zu sorgen. Industrielle Demontage wurde von den Siegermächten selbst organisiert, der Vorwurf der 'Verschleppung' an deutsche Stellen konnte nicht wieder aufkommen. Eine Fortsetzung der Seeblockade, wie nach dem 1. Weltkrieg um deutsche Stellen unter Druck zu setzten war Obsolet. Damals waren viele Menschen in Deutschland verhungert, weil keine Schiffe das Land erreichten. Das alliierte Militär hatte ein Eigeninteresse daran es nicht zu Epidemien kommen zu lassen und eine Basisversorgung aufrecht zu erhalten, Trotz der Millionen von Heimatvertriebenen. Es verhungerten durchaus Menschen in Deutschland, da dürfen keine Illusionen aufkommen! Das Elend der Kriegsgefangenen auf den 'Rheinwiesen' war unvorstellbar und kostete vielen ehemaligen Soldaten das Leben in den ersten Wochen. Doch die Versorgungslage stabilisierte sich. Briten und vor allem Amerikaner stellten aus einigen deutschen Soldaten eine Art von Hilfspolizei auf, vor dem Hintergrund eines befürchteten Partisanenkrieges mit dem so genannten 'Werwolf'. Das Gespenst dieser Furcht verflog rasch, die wenigen rekrutierten Männer wurden fast sofort nach Hause entlassen. Man darf nicht vergessen das Deutsche damals theoretisch absolut rechtlos waren. Ein regulärer Entlassungsschein aus der Kriegsgefangenschaft galt als Freibrief für das Überleben!

Kurz die Alliierten waren von nun an für alles Leben in Deutschland alleine verantwortlich. Sie waren gezwungen eine gewisse Versorgung durchzuführen, wollten sie die Menschen nicht vor ihren Augen so krepieren lassen wie es etwa die Wachmannschaften der SS in den KZ (im günstigsten Falle..!) getan hatten. Der Anblick der Elendsgestalten in Deutschland (nicht der ehemaligen KZ-Häftlinge natürlich) hat bestimmt beigetragen die Rachegefühle der Sieger, zumindest im Westen schneller abklingen zu lassen. Vor allem das durch den Krieg schwer bedrängte England, oder das ausgepowerte Frankreich trugen (Materiell und Finanziell) schwer an der Last ihres Sieges und ihrer Besatzungszonen. Die Idee dort große Werte zu demontieren war angesichts der Verwüstungen (Bombenkrieg und Eroberung) nicht besonders lukrativ. In England mussten weiterhin gewisse Lebensmittel rationiert werden, um keine Katastrophe in ihren Besatzungszonen auszulösen. Nur die USA waren reich genug und in der Lage die Versorgung in allen westlichen Zonen zu stabilisieren. Das half politische Empfindlichkeiten zu überwinden. Es ist ein Verdienst nicht zuletzt der USA, das eine gewisse Selbstverwaltung (in der französischen Zone war es DEUTSCHEN verboten mit dem Fahrrad zu fahren! Schieben durften sie es...) wieder zugelassen wurde um die kostspieligen Eroberungen letztlich mehr auf eigene Beine zu stellen.

Letztlich half die totale Niederlage nach der Eroberung Deutschlands es den Alliierten ein Anliegen zu sein, Deutschland möglichst bald in die Lage zu versetzen sich selbst wieder weitgehend zu versorgen. Das setzt einen gewissen Anschub voraus. Wäre Deutschland ein ungeteilter Staat geblieben, wäre es mit seinen Problemen alleine gelassen worden - möglicherweise sogar mit nicht durchführbaren zusätzlichen Lasten beschwert worden. Es geht mir auch gar nicht um eine Berechtigung für Reparationen und die Lasten die andere Völker zu tragen hatten (Bürgerkrieg in Griechenland und die Umwälzungen vor allem in Osteuropa, sowie die Kriegsschäden etwa in der UdSSR...), sondern alleine um die Folgen für Deutschland selbst. Selbst dieser Bereich ist Komplexer als mein Beitrag auch nur erahnen lässt.
Das Elend, das mit der Vertreibung und den Gebietsverlusten einherging wäre wohl auch ohne die ‚Bedingungslose Kapitulation’ in gewissem Umfang zu erwarten gewesen.
 
tejason schrieb:
Ein


, überwinden. Es ist ein Verdienst nicht zuletzt der USA, das eine gewisse Selbstverwaltung (in der französischen Zone war es DEUTSCHEN verboten mit dem Fahrrad zu fahren! Schieben durften sie es...) wieder zugelassen wurde um die kostspieligen Eroberungen letztlich mehr auf eigene Beine zu stellen.
zu erwarten gewesen.

ein sehr interessanter Beitrag.

Nur eine kleine Anmerkung:
Mit den Fahrrädern in der franz. Zone war es wohl regional unterschiedlich. In meiner Heimatstadt z. b. war es wohl erlaubt fahrrad zu fahren. Aber es wurden Kennzeichen ausgegeben! wie eine Autonummer!

Grüße Repo
 
Direkt nach der Kapitulation gab es manche Stilblüten im Umgang mit den Deutschen. Wie lange es dieses Verbot gab, weis ich nicht. Aufschlußreich zum Thema Kriegsende fand ich die 2-Hefte-Reihe aus der "Zeit" mit dem Titel: "Stunde Null" aus Anlass des 60ten Jahrestages zum Kriegsende 2005.
 
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