Crowe war ein notorischer Deutschenhasser und hat seinen nicht gering zu veranschlagenden Einfluss im Foreign Office für eine antideutsche Außenpolitik Großbritannien eingesetzt..
Ist hier OT:
Das ist mE überspitzt formuliert, und Ausfluß des Literaturstreits um Crowes Memorandum von 1907, das (von Grey initiiert) in den Entscheidungsbereichen der britischen Politik zirkulierte. Ich verweise auf Zara Steiners Anlayse des Personals des Foreign Office, Keith Niellsons Arbeiten zur Politikgeschichte und anderen in der internationalen Literatur (Fergusons wieder mal ausgenommen, da er sich iW auf selektierte und negativ "gedeutete" Zitate von Crowe bezieht.
Man muß hier den Zeitenwandel berücksichtigen, und die Professionalisierung und Entpersonalisierung ("bottom up" statt "top down") der britischen Außenpolitik. Hier fand ein Generationenwechsel statt, Ausbildung spielte eine größere Rolle, und auch ein System- bzw. Verfahrenswechsel, den zB Zara Steiner beschreibt. Die Bedeutung von Memoranden stieg: breite Analysen mit Prämissen und natürlich Beeinflußung durch Schlußfolgerungen. Rose oder Schöllgen beschreiben das nur unvollständig, und verdichten hier mE unzulässig bzw. grenzen diesen Kontext aus.
Bei Crowe Emotionen wie Haß hinein zu interpretierten, findet keine Grundlage. Hier spielten auch keine Phobien eine Rolle, gegen Deutschland oder meinetwegen auch Rußland oder Frankreich (bei weiteren Beispielen der "neuen" Generation), sondern Lageanalysen und Grundüberzeugungen über Bedrohungen oder Chancen der britischen Politik. Crowe war ohne Zweifel höher gebildet und international erfahrener als andere im Foreign Office, mit scharfer Analytik und auch Kompromißlosigkeit in dem Bestreben ausgestattet, Politiklinien zu bestimmen. Rose geht völlig an der Sache vorbei, seine "minutes" als unsinnig lang zu bezeichnen, oder in die Nähe von Egozentrik zu rücken.
Die Grundüberzeugungen Crowes, selbstredend probritisch und ansonsten gegen alle:
1. Jedes kontinentale Bündnis zwischen Deutschland und Rußland wird letztlich Frankreich ebenfalls einbeziehen und England mittelfristig bedrohen
2. Großbritannien kann in der Verbindung von europäischer Politik und asiatischem "Great Game" gegen Rußland nicht standhalten, somit muß zwingend eine Verständigung mit Rußland zur Ausschaltung dieser Bedrohung her.
3. Großbritannien muß die Entente mit Frankreich und Rußland unter allen Umständen aufrechterhalten*, und sich dafür auch klar positionieren, mit einer Politik der Stärke und klaren Linien gegen beide und natürlich gegen Deutschland.** ... ***
4. In diesem Kontext basiert Großbritanniens Sicherheit und die des Empire ausschließlich auf einer Flotte, die jedem Rüstungswettlauf standhalten muß, egal wieviel Geld das kosten würde.
In dem Sinne trat er - und da wird das Fundamentale sichtbar - auch für eine Politik der Stärke gegen Rußland auf, so zB 1912/14 in der Krise um Persien, die als strategische Bedrohung für Indien gewertet wurde. Überdies war Crowe im Kontext seiner Zeit wie viele auch mit darwinistischen Zügen geprägt, Politik als "struggle for survival" (in dem Fall bezogen auf das "Empire") zu verstehen. In dem Sinne war er auch ein "Falke" (-> Rose) bzw. Hardliner, wo er Bedrohungen für das Empire sah (und das betraf alle, nicht nur Deutschland).
Und wenn man den Bogen weiter spannen will, in die Julikrise 1914:
genau das Fehlen dieser klaren Linie und der Politik der Stärke - Signal über den Kriegseintritt Großbritanniens im Fall des großen europäischen Krieges - wird im Nachgang als ein Faktor gesehen, der der deutschen Seite nicht die Risiken der Juli-Eskalation glasklar machte. Natürlich gab es gute Gründe für das Fehlen dieser Positionierung, als wichtigem auch den, dass das vor dem August 1914 vermutlich nicht mehrheitsfähig im Kabinett und in der britischen Öfentlichkeit gewesen wäre. Das deutsche "Wackeln" gegen Schluß der Krise mit Blick auf Großbritannien mag aber ein Indiz dafür sein, dass diese harte britische Positionierung den Verlauf hätte verändern können.
Enger zum Thema:
Das oben nur angerissene Memo Crowe basierte auch auf ökonomischen Analysen: so wurde der ökonomische Aufschwung Deutschlands von ihm ohne weiteres als vorteilhaft für Großbritannien gewertet, iSv Handelswettbewerb und liberalistischem Laissez-faire als Fundamentalüberzeugung. Das kann man alles kritisieren, muß es aber im Kontext seiner Zeit sehen. In diesen Kontext ist auch seine Perzeption von der deutschen Wirtschaftskraft zu stellen, die zeitgemäß weniger von tiefschürfenden ökonomischen Analysen, als vielmehr von ein paar "highlights" im Sinne üblicherweise ausgewählter Kennzahlen zu verstehen ist. Diese Wahrnehmungen - thanepower hat es oben schon mit Blick auf die Finanzlage zum ausfruck gebracht - sind scharf von Realitäten zu trennen. Richtig ist in jedem Fall, dass er das Deutsche Reich als wirtschaftlich stark und wachsend verstand, ebenso wie übrigens noch stärker das Russische Zarenreich.
Zum BIP später.
* bzw. herbeiführen, wenn man seine Standpunkte vor 1904 und 1907 zugrunde legt. auch bei dieser "Herbeiführung" war er der klaren Überzeugung, dass das für Großbritannien nur mit gezeigter Stärke gegen Rußland und Frankreich möglich sein (und als Kind seiner Zeit schließt das natürlich die Akzeptanz ein, militärisch zusammenprallen zu können).
** das bedeutet in seiner Logik zwingend, dass keine wachsweichen Verständigungen mit dem Deutschen Reich möglich sind, die die französische und russische Positionierung zu den Interessenausgleichen gefährden können, und die umgekehrt nichts zur Sicherheit Großbritanniens beitragen können (was zweifelsohne eine richtige und nachvollziehbare Analyse darstellte). Diese würde die Absprachen erschüttern, zunächst Rußland und mittelfristig dann Frankreich auf die deutsche Seite ziehen.
*** was zum Beispiel dazu führte, dass er sich als Gefahr der Schwäche gegen den Rückzug der RN aus dem Mittelmeer als falsche Signale
gegen Frankreich und Großbritannien aussprach. Solche Beispiele gibt es für den Fall Crowe viele.