jschmidt
Aktives Mitglied
Da die Diskussion in http://www.geschichtsforum.de/f6/wo-ist-der-thread-26530/#post405846 zum Teil von einem tiefen Unernst geprägt ist - angesichts der Thread-Geschichte vielleicht verständlich -, erlaube ich mir, das Thema hier separat anzubieten, und zwar beschränkt auf den Zeitraum, den auch Willi Höfig (Der deutsche Heimatfilm 1947-1960) in seinem Standardwerk von 1973, das mir leider nicht vorliegt, behandelt hat.
Die beiden von Saint-Simone genannten Quellen Shattered Past: Reconstructing ... - Google Buchsuche bzw. Aufsatz Gender and Germanness: cultural ... - Google Buchsuche [1] - man könnte hier auch noch No Place Like Home: Locations of ... - Google Buchsuche nennen - gehen ja sozusagen hinter die Film-Kulissen und arbeiten heraus, dass neben der anzutreffenden "heilen Welt" (Brissotin) durchweg noch eine weitere, tiefere Dimension besteht, die sich bei näherem Hinsehen oft als das "Eigentliche" im Rankeschen Sinne entpuppt.
Eines der besten deutschsprachigen Bücher dazu ist "So grün war die Heide" von Gerhard Bliersbach (Weinheim/Basel 1985). Der erste Film, den er untersucht, ist "Grün ist die Heide" von 1951 (http://de.wikipedia.org/wiki/Gr%C3%BCn_ist_die_Heide_(1951)) [2]. Charakteristisch für die Art und Weise seiner Analysemethode ist das Aufweisen dessen, was der Film nicht zeigt, was aber im (geistigen) Hintergrund stets präsent ist.
1. Am Beispiel der Eingangssequenz: Drei Musikanten singen ein Hermann-Löns-Lied ("Auf der Lüüneburgerher Heiiide"), womit der Zuschauer
"eingestimmt wird auf einen friedlichen Flecken Bundesrepublik: ein westdeutsches Refugium, von den Folgen des zerschlagenen Dritten Reiches nicht gezeichnet. Sechs Jahre nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges kontrastiert die Lüneburger Heide mit dem Städte-Schutt, das Braun-Grün dieser Landschaft mit dem Grau der Trümmer; und der blaue Himmel ist frei von den dröhnenden Maschinen, vor deren Bombenladungen sich die Deutschen in den Bunkern verkrochen."
2. Bei dem Wilderer, nach dem der wackere Förster den ganzen Film über sucht, handelt es sich um einen einstigen schlesischen Gutsbesitzer, der seine Heimat - und seine Frau - verloren hat. Lüder Lüdersen ist "ein großbürgerlicher Vertriebener, ein Herr - keiner dieser ärmlichen Flüchtlinge, deren Kinder in den Schulklassen unter ihrer Herkunft zu leiden hatten, die wir in Köln in schadenfroher Verachtung 'Pimmocks' schimpften. L.L. grämt sich, in Westdeutschland zu sein: er fühlt sich als Gast - als ein Entwurzelter, der sich weigert, heimisch zu werden" und sozusagen infolge dieser Verweigerung zum Wilderer wird.
3. Bei L.L. handelt es sich, so Bliersbach, um eine prototypische Figur: "Bedürftige, gebrochene, entwertete, hilflose Väter, die Verlierer des zweiten Weltkrieges, die Beteiligten an der Nazi-Katastrophe: sie sind das wiederkehrende Thema westdeutscher Nachkriegsfilme. Deutsche Väter waren nie sonderlich präsentable Väter: von kleinbürgerlicher Ängstlichkeit und Verletzlichkeit, waren sie politisch mutlos und unterwerfungsbereit. [...] Diskreditiert, kehrten sie [1945] in ihre Familien zurück, in denen sie nur wenig zu melden (wie das deutsche Macht-Verbum lautet) hatten. Deutsche Väter hatten sich schuldig gemacht. Die Scham darüber saß tief."
Ich kann hier nicht die ganze Interpretation wiedergeben, sondern will nur zeigen, was es im Heimatfilm an Unheimatlichem/Unheimlichem zu finden gibt, wenn man mit einem entsprechenden analytischen Instrumentarium danach sucht. Vielleicht haben Saint-Simone und andere ja noch weitere Beispiele zu bieten.
[1] Das ist ein Aufsatz; ein Buch mit diesem Titel habe ich nicht auf Anhieb gefunden.
[2] "Wenn die Heide blüht" von 1960 ist sozusagen das Remake, kam aber nicht an den glanzvollen ökonomischen Erfolg des "Ziepra"-Films heran.
Die beiden von Saint-Simone genannten Quellen Shattered Past: Reconstructing ... - Google Buchsuche bzw. Aufsatz Gender and Germanness: cultural ... - Google Buchsuche [1] - man könnte hier auch noch No Place Like Home: Locations of ... - Google Buchsuche nennen - gehen ja sozusagen hinter die Film-Kulissen und arbeiten heraus, dass neben der anzutreffenden "heilen Welt" (Brissotin) durchweg noch eine weitere, tiefere Dimension besteht, die sich bei näherem Hinsehen oft als das "Eigentliche" im Rankeschen Sinne entpuppt.
Das Genre des Heimatfilmes wurde ja praktisch direkt nach dem Krieg sehr populär, obgleich man in den einzelnen Filmen keine Spuren desselbigen sieht, sondern stattdessen eine heile Welt, wo sich teilweise sehr seichte Handlungen an vermeintlich realen Orten abspielen, und die Handlungsträger gerne Trachten tragen. 'Vermeintlich' real, weil zwar niemand die Existenz des Schwarzwaldes, Bodensees, Lüneburger Heide etc, anzweifeln mag, aber was dargestellt wurde, war eine idealisierte Version eines real existierenden Ortes, den der Zuschauer erkennen konnte, und in den er/sie eintauchen konnte.
Das hat freilich verschiedene Filmtheoretiker nicht abgehalten es trotzdem zu tun, die theoretisieren, daß es sich bei Heimatfilmen um die Darstellung einer idealisierten Welt handelt, wo traditionalle Werte und Ordnung hochgehalten wurden, und alles gut war. Heimatfilme bauten auf der Sehnsucht nach einer besseren Welt auf, die die Welt nicht so zeigte wie sie war, sondern wie sie sein sollte, wo eine verloren geglaubte Ordnung vorherrschte. Das gesamte Genre sagt also mehr über die Wünsche der Macher und Zuschauer aus, als über die Realität.
Eines der besten deutschsprachigen Bücher dazu ist "So grün war die Heide" von Gerhard Bliersbach (Weinheim/Basel 1985). Der erste Film, den er untersucht, ist "Grün ist die Heide" von 1951 (http://de.wikipedia.org/wiki/Gr%C3%BCn_ist_die_Heide_(1951)) [2]. Charakteristisch für die Art und Weise seiner Analysemethode ist das Aufweisen dessen, was der Film nicht zeigt, was aber im (geistigen) Hintergrund stets präsent ist.
1. Am Beispiel der Eingangssequenz: Drei Musikanten singen ein Hermann-Löns-Lied ("Auf der Lüüneburgerher Heiiide"), womit der Zuschauer
"eingestimmt wird auf einen friedlichen Flecken Bundesrepublik: ein westdeutsches Refugium, von den Folgen des zerschlagenen Dritten Reiches nicht gezeichnet. Sechs Jahre nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges kontrastiert die Lüneburger Heide mit dem Städte-Schutt, das Braun-Grün dieser Landschaft mit dem Grau der Trümmer; und der blaue Himmel ist frei von den dröhnenden Maschinen, vor deren Bombenladungen sich die Deutschen in den Bunkern verkrochen."
2. Bei dem Wilderer, nach dem der wackere Förster den ganzen Film über sucht, handelt es sich um einen einstigen schlesischen Gutsbesitzer, der seine Heimat - und seine Frau - verloren hat. Lüder Lüdersen ist "ein großbürgerlicher Vertriebener, ein Herr - keiner dieser ärmlichen Flüchtlinge, deren Kinder in den Schulklassen unter ihrer Herkunft zu leiden hatten, die wir in Köln in schadenfroher Verachtung 'Pimmocks' schimpften. L.L. grämt sich, in Westdeutschland zu sein: er fühlt sich als Gast - als ein Entwurzelter, der sich weigert, heimisch zu werden" und sozusagen infolge dieser Verweigerung zum Wilderer wird.
3. Bei L.L. handelt es sich, so Bliersbach, um eine prototypische Figur: "Bedürftige, gebrochene, entwertete, hilflose Väter, die Verlierer des zweiten Weltkrieges, die Beteiligten an der Nazi-Katastrophe: sie sind das wiederkehrende Thema westdeutscher Nachkriegsfilme. Deutsche Väter waren nie sonderlich präsentable Väter: von kleinbürgerlicher Ängstlichkeit und Verletzlichkeit, waren sie politisch mutlos und unterwerfungsbereit. [...] Diskreditiert, kehrten sie [1945] in ihre Familien zurück, in denen sie nur wenig zu melden (wie das deutsche Macht-Verbum lautet) hatten. Deutsche Väter hatten sich schuldig gemacht. Die Scham darüber saß tief."
Ich kann hier nicht die ganze Interpretation wiedergeben, sondern will nur zeigen, was es im Heimatfilm an Unheimatlichem/Unheimlichem zu finden gibt, wenn man mit einem entsprechenden analytischen Instrumentarium danach sucht. Vielleicht haben Saint-Simone und andere ja noch weitere Beispiele zu bieten.
[1] Das ist ein Aufsatz; ein Buch mit diesem Titel habe ich nicht auf Anhieb gefunden.
[2] "Wenn die Heide blüht" von 1960 ist sozusagen das Remake, kam aber nicht an den glanzvollen ökonomischen Erfolg des "Ziepra"-Films heran.
Zuletzt bearbeitet: