Selbst wenn wir mal das als den Grund annehmen:Ravenik hat m.M schon recht, er formuliert es nur etwas zurückhaltend.
Dass es im Mittelalter im Vergleich zur Antike / Spätantike in Europa keine nennenwerte Sklaverei gegeben hat, ist nicht auf die wirtschaftlichen Gegebenheiten der Lehnsherrschaft zurückzuführen sondern hat tatsächlich religiöse Gründe.
Es wäre der Beweis, dass die Abschaffung oder zummindest die Zurückdrängung der Sklaverei auch ohne die europäische Aufklärung oder die Industrialisierung möglich waren, denn das Christentum, als in seinem Ursprung nichtmal europäische Angelegenheit war nichts davon.
Ich hatte aber, damit argumentiert, dass die Frage der Sklaverei im frühneuzeitlichen/neuzeitlichen Europa nicht für sich alleine Steht, sondern als Form der Unfreiheit und der unfreien Arbeit mit der Leibeigenschaft verquickt ist und insofern die de jure Abschaffung der Sklaverei als Nebenerscheinung dieser Frage betrachtet werden kann.
Wenn wir nämlich die Frage positiv stellen, nicht danach "wer oder war schaffte die Sklaverei ab", sondern "wer oder was setzte die persönliche Freiheit (mindestens annäherungsweise) durch", verschiebt sich das Bild.
Das Christentum als Religion wollte vielleicht keine Sklaverei dulden, aber selebstredend war es bereit die Leibeigenschaft als Form der Unfreiheit zu dulden.
Trotzdem geht gegen Ende des Mittelalters die Leibeigenschaft in Westeuropa massiv zurück und verliert für einige Gegenden dort nahezu völlig ihre Bedeutung.
Da sehen wir vielleicht keinen absoluten, aber immerhin einen graduellen Entwicklungsprozess hin zu größerer persönlicher Freiheit, der sich weder aus der Industrialisierung oder der Aufklärung, die es beide noch nicht gab, noch aus dem Christentum, dass nie per se die Leibeigenschaft abgelehnt hatte erklären lässt.
Nein.Und so gesehen war es tatsächlich die Aufklärung/franz. Revolution mit ihrem bedingungslosen Postulat der Freiheit und Gleichheit aller Menschen (unbahängig von Standes-, Religions-, Stammes- und letztendlich auch Staatszugehörigkeit), welche für die Abschaffung der Sklaverei gesorgt hat. Sie war es schliesslich auch, welche mit der (ersten) Erklärung der Menschenrechte der Sklaverei jegliche Legitimation abgesprochen hat. Und das war eine absolut neue Idee.
Die Erklärung der Menschenrechte war zwar ihrem Buchstaben nach mit einem unversalen Anspruch versehen, allerdings ist (jedenfalls vor dem 20. Jahrhundert, oder vielleicht, aber das ist mit Vorsicht zu genießen, dem ausgehenden 19. Jahrhundert) kein Versuch unternommen worden dem universelle Geltung zu verschaffen.
De facto war das eine Gesetzgebung, die faktisch nur Frankreich und die von Frankreich beherrschten Gebiete betraf und von Napoléon mit der Wiederzulassung der Sklaverei ein paar Jahre später faktisch wieder kassiert wurde.
Hier wurde zwar postuliert, es handle sich um ein universelles Menschenrecht, faktisch wurde aber gleichzeitig auch effektiv akzeptiert, dass dieses Recht letztlich nur im Machtbereich des revolutionären Frankreichs tatsächlich gewährt wurde und einklagbar war.
Daran das tatsächlich weltweit durchzusetzen (zur Not mit Waffengewalt) dachte man effektiv nicht.
Und allgemeine persönliche Freiheit im Rahmen eines einzelnen Staates, also dass was effektiv erreicht wurde, war vielleicht für einen Flächenstaat dieser Größenordnung eine Neuerung aber das Prinzip gab es bereits in den kleinen Stadtstaaten, die in verschiedenen Teilen Europas existierten oder existiert hatten.
Ich stelle mal folgende provokante These in den Raum:
Das erste mal, dass die Forderung nach persönlicher Freiheit jedes Menschen tatsächlich als universeller Anspruch von einer größeren Gruppe von Machtakteuren anerkannt und einigermaßen ernstgenommen hätte (was nicht bedeutet, dass die anderen damit verbundenen Postulate ernst genommen worden wären), war, als im ausgehenden 19. Jahrhundert die Europäischen Großmächte sich dazu verabredeten gemeinsam den Sklavenhandel in Afrika zu unterbinden (und nebenbei den Kontinent unter sich aufteilten).
Das war eigentlich das erste Mal, dass die Realisierung eines Anspruchs auf persönliche Freiheit annähernd im tatsächlichen Weltmaßstab (In Europa, die Amerikas und Indien war die Sklaverei ja zumindest dem Buchstaben des Gesetzes nach mittlerweile abgeschafft) zur Disposition gestellt und angegangen wurde (wenn sicherlich auch mit dem Nebengedanken dadurch die eigenen Machtambitionen zu verschleiern).
Das war eigentlich das erste mal, dass (außerhalb reiner Kriegsmaßnahmen) der Gedanke der universellen persönlichen Freiheit tatsächlich einigermaßen konsequent durch Machtakteure über die Grenzen des eigenen bisherigen Machtbereiches hinaus angegangen wurde.
Bei den vorrangegangenen Verboten der Sklaverei handelte es sich mehr oder weniger ausschließlich um national/staatlich begrenzte Maßnahmen mit Innenwirkung, ohne (und das wäre für den tatsächlich universellen Charakter unabdingbar) unanfechtbare Außenwirkung zu beanspruchen.
Um aber nach diesem auf Innenwirkung begrenzten Muster die Sklaverei zu verbieten (und das war die historische Realität), benötigte es den Gedanken des universellen Menschenrechts auf persönliche Freiheit nicht. Dafür reichte auch das Modell der europäischen Stadtstaaten, die innerhalb ihrer Grenzen die persönliche Freiheit ihrer Einwohner/Bürger postulierten aus.
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