Die Bedeutung der Türken zur Zeit der Reformation

Rafael

Aktives Mitglied
Zu diesem Thema sollen wir etwas raussuchen. Ich habe es mir ganz einfach vorgestellt, doch muss man wirklich viele viele einzelne Quellen durchgehen, die immer nur wenige Informationen bieten.
Weiß jemand etwas genaueres?
Ich habe bis jetzt den ersten Türkenkrieg und das kurzzeitige Bündnis mit Frankreich herausgeschrieben.

Danke!
Gruß
Rafael
 
Wenn ich mich nicht irre, waren die Türken zu der Zeit und auch später noch eine ständige gefahr für das gesamte Christliche Europa, vor allem weil die einzelnen europäischen Staaten immer untereinander im Streit lagen. Deshalb schickten meisstens alle Staaten Truppen, wenn wieder mal eine Türkische Invasion drohte. Einmal ( aber dass war später ) worde sogar Wien belagert.
 
Ganz wichtig zu erwähnen, wäre das Karl V. sehr jung war (um die 19) bei seiner Krönung(1519). Diese Krönung fällt so ziemlich auf den Beginn der Reformation durch Luther(1517). Da der Kaiser aber außenpolitisch sehr stark unter Druck stand ("neue Welt" und "Türkengefahr") konnte er sich nicht mit der Reformation eingehend beschäftigen und diese konnte sich so besser ausbreiten.
 
Ganz wichtig zu erwähnen, wäre das Karl V. sehr jung war (um die 19) bei seiner Krönung(1519). Diese Krönung fällt so ziemlich auf den Beginn der Reformation durch Luther(1517). Da der Kaiser aber außenpolitisch sehr stark unter Druck stand ("neue Welt" und "Türkengefahr") konnte er sich nicht mit der Reformation eingehend beschäftigen und diese konnte sich so besser ausbreiten.

Das ist ein ganz wichtiger Punkt!

Viele Protestanten waren oder sind der Auffassung, das die Osmanen nicht unerheblich dazu beigetragen haben, die Reformation in Europa voranzutreiben. Also waren u.a. die Osmanen ein Segen für die Protestanten.

Wichtige Truppenkontingente mussten gegen die Osmanen eingesetzt werden und fehlten somit, um der "protestantischen Erhebung" Herr zu werden.

@KFdG: So viel später war die Belagerung Wiens gar nicht. Schon 1529 standen Süleymans Truppen vor Wien und belagerten selbige Stadt. Diesem Feldzug war aber kein Erfolg beschieden. 1683 war der Misserfolg im nachhinein viel offensichtlicher als 1529.

M.E. hätten die Osmanen in den 30-jährigen Krieg eingreifen müssen. Aber die damaligen Sultane hatten sich von den Habsburgern durch Geschenke von einem Eingreifen in das Geschehen abhalten lassen. Die Osmanen verpassten somit eine grosse Chance, weiter nach Mitteleuropa vorzudringen. Erst nach dem 30-jährigen Krieg flammten die Kämpfe an Habsburgs Südost-Flanke wieder auf.
 
Zuletzt bearbeitet:
historisch natürlich.

Bin der Meinung, dergleichen von Matuz gelesen zu haben. Aber auch rein vom logischen her muss dies einleuchten. Der Feind meines Feindes ist nun mal mein Freund, oder?

Da fällt mir just ein, dass im 30-jährigen Krieg die osmanische Grenze nach Habsburg in Ungarn gemeinsam von ungarischen und osmanischen Kontingenten gesichert wurde. Und einmal wäre es ja fast zu einem Zusammenstoss von Tilly, der einer fliehenden protestantischen Armee bis auf osmanischen Boden folgte, und Osmanen sowie Ungarn gekommen. Die Ungarn und auch Frankreich haben immer wieder die Osmanen angeraten in diesen Krieg einzutreten.
 
Zuletzt bearbeitet:
Der Zusammenhang zwischen Osmanen und Reformation ist viel interessanter: In Zentraleuropa kamen Greuelmärchen über die Praktiken der Osmanen an, die auch mit Vlad Tepeć zusammenhingen, der die historische Vorlage für die Romanfigur Dracula bildete. Es heiß, die Türten pfählten ihre Gefangenen. Manche nahmen deshalb an, dass es sich bei den Osmanen um die Heere der Hölle handele, also der Weltuntergang angebrochen sei. Es gab also eine gewissen Hysterie, welche ihrerseits wiederum zu einer neuen Volksfrömmigkeit führte, die quasi nach einer Erneuerung der spätmittelalterlichen Strukturen der Kirche schrie.
 
Der Zusammenhang zwischen Osmanen und Reformation ist viel interessanter: In Zentraleuropa kamen Greuelmärchen über die Praktiken der Osmanen an, die auch mit Vlad Tepeć zusammenhingen, der die historische Vorlage für die Romanfigur Dracula bildete. Es heiß, die Türten pfählten ihre Gefangenen. Manche nahmen deshalb an, dass es sich bei den Osmanen um die Heere der Hölle handele, also der Weltuntergang angebrochen sei. Es gab also eine gewissen Hysterie, welche ihrerseits wiederum zu einer neuen Volksfrömmigkeit führte, die quasi nach einer Erneuerung der spätmittelalterlichen Strukturen der Kirche schrie.

Richtig! Aber dieser Tepes war nur eine kleine Episode (Intermezzo) in Transylvanien. Die Osmanen sind diesem Vlad ziemlich schnell Herr geworden. Und gepfählt wurde nur, weil Tepes vorher pfählte.
 
Ausnahme?

Jedenfalls betrachteten die Protestanten die Osmanen seinerzeit nicht als Segen.

Gut, im Nachhinein betrachtet muss man gestehen, dass wichtige Kontingente der Habsburger im Kampf gegen die Reformation fehlten, da sie an der Ostfront gegen die Osmanen gebraucht wurden. Insofern kann man durchaus von einem "Segen" der Osmanen für die Protestanten sprechen.

Grüsse Seldschuk!:winke:
 
@Seldschuk

Also ich muss gestehen, dass ich das auch schon oft gelesen habe. Wenn Kaiser Karl V. seine Kräfte nicht hätte dreiteilen müssen zwischen Frankreich, Osmanen und Protestanten, dann kann man wohl mit großer Sicherheit sagen, dass eine Konzentration nur auf die deutschen Probleme, ein frühes Ende für die Reformation bedeutet hätte.

Aber zu sehr sollten wir da nicht hineindiskutieren, das geht zu sehr in eine Was-wäre-Wenn-Diskussion mit zu viel Spekulation.
 
Sicher ist, dass die permanente Türkengefahr den Ständen und dem Protestantismus im 16. Jh. zu Hilfe kam. Ihre gemeinsamen Chancen wuchsen, als 1593 der große Türkenkrieg ausbrach (1593-1606), und verbesserten sich, je länger er dauerte.
 
Aber zu sehr sollten wir da nicht hineindiskutieren, das geht zu sehr in eine Was-wäre-Wenn-Diskussion mit zu viel Spekulation.

Um von den Spekulationen zu ernsthafteren Betrachtungen zu gelangen, kann man sich mal diesen Artikel durchlesen:


LUTHER AND SULEYMAN
Murat Iyigun
University of Colorado and IZA
Abstract
This paper emphasizes that the evolution of religious institutions in Europe was influenced by the expansionary threat posed by the Ottoman Empire between the mid-15th century and the early-17th century. Various historical accounts have suggested that the Ottomans’ rise helped the Protestant Reform movement as well as its various offshoots, such as Zwinglianism, Anabaptism, and Calvinism, survive their infancy and mature. Utilizing a comprehensive dataset on violent conflicts for the period between 1451 and 1650, I find strong empirical support for the idea that Ottoman military engagements in continental Europe lowered the number and extent of violent conflicts among and within the European states. Ottomans’ influence in Europe extended to the feud between the Protestant Reformers and the Catholic establishment: during the time between the birth of Lutheranism and the end of the Thirty-Years War, the likelihood and timing of military engagements between the Protestant Reformers and the Counter-Reformation forces depended negatively and statistically significantly on Ottomans’ military activities in Europe.


7. Conclusion

In this paper, I find empirical support for the historians’ claim that the ottoman Empire had something to do with how the European continent evolved ecclesiastically in the 15th and 16th centuries. In particular, utilizing a comprehensive data set on violent conflicts for a two-century interval between 1451 and 1650, I find empirical support for the idea that Ottoman military engagements in continental Europe lowered the number and extent of violent conflicts among and within the European states themselves, while Ottoman military actions in other regions or its domestic civil discords raised them. Most importantly, I show that Ottomans’ influence on the Europeans applied more narrowly to the feud between the Protestant Reformers and the Catholic establishment. The survival and official recognition of Protestantism—subsequently of its various offshoots, such as Calvinism, Zwinglianism, and Anabaptism, too—had a profound impact on the European religion market. The extent to which the birth, survival and rise of Protestantism influenced Europe’s sociopolitical and economic evolution in the last five centuries is subject to intense debate. Nonetheless, it is less speculative to suggest that the acceptance and spread of Protestantism in Europe in the 16th and 17th centuries ended the millennium-and-a-half long ecclesiastical monopoly of Catholicism in Western Europe. Thus, taking a broader perspective, this paper provides some support for the notion that external conflicts, rivalries and cooperation can influence the evolution of domestic sociopolitical institutions.

http://www.colorado.edu/Economics/courses/iyigun/ottoman081506.pdf
 
Ganz allgemein gesprochen möchte ich es als klar ansehen, daß die Osmanen immer ein wichiger Faktor für Europa waren und als solcher auch in Europa in vielschichtiger Weise wahrgenommen wurden, insbesondere nachdem sie Ungarn unterworfen hatten und begannen, ins westliche Mittelmeer vorzudringen.

Die These, daß das Vordringen der Osmanen dem Protestantismus förderlich gewesen sei, weil es Machtmittel des katholischen Lagers absorbiert habe, halte ich für gewagt:

Alle konfessionellen Strömungen Europas standen "dem Großtürken" feindlich gesinnt gegenüber, wie bereits von einem anderen Mitglied hier erwähnt wurde. Eine besondere Angst vor der Türkengefahr hätte demnach beide Konfessionen gleichermaßen gestärkt.

Die eigentliche Bekämpfung des Protestantismus als Glaubensrichtung setzte erst relativ spät mit der Gegenreformation ein, die unter anderem, aber nicht ausschließlich mit militärischen Mitteln vorangetrieben wurde.
Dieser innere europäische Gegensatz führte zudem nicht zu einer ständigen Schwächung der katholischen Seite, sondern zu einer wechselseitigen Stärkung beider Seiten durch Verdichtung ihres staatlichen Daseins. Ihren Abschluß fand diese Entwicklung mit dem Westfälischen Frieden, dessen reale Ergebnisse die Osmanen gut 30 Jahre später zu spüren bekamen.

Zu der angeführten Quelle, von der ich allerdings nur die hier abgedruckte Zusammenfassung gelesen habe, möchte ich sagen, daß ich die Ausführungen des Verfassers zumindest in einem Punkt für gewagt halte: Der militärische Druck der Osmanen soll zu einem Abflauen der innereuropäischen Kämpfe geführt haben.
Ich möchte eher das Gegenteil behaupten: In ganz Europa begannen die sich entwickelnden modernen Staaten mit ständigen Kriegen ihre Positionen auszubauen und ihre innere Struktur zu entwickeln, insbesondere die Intensität nahm durch die dichtere Basis dieser Staaten zu.

In einem vorangegangenen Beitrag wurde bemerkt, daß die Osmanen nicht in den Dreißigjährigen Krieg eingegriffen hätten. Sie haben es getan, wenn auch nicht im großen Umfang: 1626 versuchte eine siebenbürgisch-türkische Armee in Mähren einzufallen, mußte sich aber vor der kaiserlichen Truppen unter Wallenstein bei Levice in Ungarn zurückziehen.
Wenn man den Großfürsten Bethlen Gabor von Siebenbürgen als verlängerten Arm der Pforte betrachten möchte, so ist der Umfang des türkischen Eingreifens so gering auch wiederum nicht, denn es ginge dann weit über o.g. Ereignis hinaus.
Übrigens stellt dieser Fürst möglichersweise selbst einen interessanten Diskussionspunkt dar: Selbst ein strenger Calviner und doch ein treuer Vasall des Osmanischen Reiches.
 
interessante Ausführungen; dann lies dir nochmal das PDF durch, nicht nur die Conclusion, und sage deine Meinung zu seinen empirischen Untersuchungen. Schaue auch mal die Tabellen im Anhang an.
 
Ja, das sollte ich wohl tun; zudem schadete es nicht, mein Englisch wieder etwas aufzupolieren! Ich bitte dennoch um Nachsicht wenn ich mich nicht sofort an die Arbeit mache, sondern mich mit einem "so bald als möglich" aus der Affäre zu ziehen suche.

Übrigens fällt mir auf, daß ich über den eingangs gesteckten Zeitrahmen etwas hinausgeschossen bin. Daher möchte ich anfragen, wie der Zeitraum der Reformation abgesteckt werden soll, vielleicht von der Wittenberger Schloßkirche bis zum Augsburger Religionsfrieden?
 
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