Ganz allgemein gesprochen möchte ich es als klar ansehen, daß die Osmanen immer ein wichiger Faktor für Europa waren und als solcher auch in Europa in vielschichtiger Weise wahrgenommen wurden, insbesondere nachdem sie Ungarn unterworfen hatten und begannen, ins westliche Mittelmeer vorzudringen.
Die These, daß das Vordringen der Osmanen dem Protestantismus förderlich gewesen sei, weil es Machtmittel des katholischen Lagers absorbiert habe, halte ich für gewagt:
Alle konfessionellen Strömungen Europas standen "dem Großtürken" feindlich gesinnt gegenüber, wie bereits von einem anderen Mitglied hier erwähnt wurde. Eine besondere Angst vor der Türkengefahr hätte demnach beide Konfessionen gleichermaßen gestärkt.
Die eigentliche Bekämpfung des Protestantismus als Glaubensrichtung setzte erst relativ spät mit der Gegenreformation ein, die unter anderem, aber nicht ausschließlich mit militärischen Mitteln vorangetrieben wurde.
Dieser innere europäische Gegensatz führte zudem nicht zu einer ständigen Schwächung der katholischen Seite, sondern zu einer wechselseitigen Stärkung beider Seiten durch Verdichtung ihres staatlichen Daseins. Ihren Abschluß fand diese Entwicklung mit dem Westfälischen Frieden, dessen reale Ergebnisse die Osmanen gut 30 Jahre später zu spüren bekamen.
Zu der angeführten Quelle, von der ich allerdings nur die hier abgedruckte Zusammenfassung gelesen habe, möchte ich sagen, daß ich die Ausführungen des Verfassers zumindest in einem Punkt für gewagt halte: Der militärische Druck der Osmanen soll zu einem Abflauen der innereuropäischen Kämpfe geführt haben.
Ich möchte eher das Gegenteil behaupten: In ganz Europa begannen die sich entwickelnden modernen Staaten mit ständigen Kriegen ihre Positionen auszubauen und ihre innere Struktur zu entwickeln, insbesondere die Intensität nahm durch die dichtere Basis dieser Staaten zu.
In einem vorangegangenen Beitrag wurde bemerkt, daß die Osmanen nicht in den Dreißigjährigen Krieg eingegriffen hätten. Sie haben es getan, wenn auch nicht im großen Umfang: 1626 versuchte eine siebenbürgisch-türkische Armee in Mähren einzufallen, mußte sich aber vor der kaiserlichen Truppen unter Wallenstein bei Levice in Ungarn zurückziehen.
Wenn man den Großfürsten Bethlen Gabor von Siebenbürgen als verlängerten Arm der Pforte betrachten möchte, so ist der Umfang des türkischen Eingreifens so gering auch wiederum nicht, denn es ginge dann weit über o.g. Ereignis hinaus.
Übrigens stellt dieser Fürst möglichersweise selbst einen interessanten Diskussionspunkt dar: Selbst ein strenger Calviner und doch ein treuer Vasall des Osmanischen Reiches.