Die "Daily Telegraph Affäre"

Sind die (schwachen) Korrekturen eingeflossen?
Wurde die Druckversion nochmal zur endgültigen Freigabe zurückgesendet? (ich vermute nein)
Wäre das angesichts der umständlichen Kommunikationswege überhaupt zu erwarten gewesen?

Ich versuche mir das einfach nur vorzustellen, wie das so ging zu dieser Zeit mit diesen Spielern auf der Bühne.

Die drei weniger bedeutsamen "Faktenkorrekturen" sind eingeflossen, da der redigierte Entwurf von Bülow von Wilhelm weitergeschickt worden ist.

Du kannst Dir das aber nicht wie heutige Interviews vorstellen. Es handelte sich bei dem "Interview" um Gesprächsnotizen aus dem Aufenthalt 1907, die freihändig von Wortley zusammengefasst worden sind, sozusagen eine Satzsammlung.

Diese schlug in die gleiche Kerbe wie die Presseveröffentlichungen zuvor, eine Öffentlichkeitsoffensive und Serie des AA, von Bülow und Kaiser, die auf die germanophilen Strömungen in GB gerichtet war. Kern war gleich: Relativierung der deutschen Flottenrüstung und Beruhigung in GB. Diese sämtlich völlig konträr zu ähnlichen Veröffentlichungen oder internen Plänen und Aussagen.

Neu war hier die dämliche Begründung vom "pazifischen Schulterschluss", die Wilhelm niemand abgenommen hat, und solche Verratsaspekte wie der Feldzugsplan im Burenkrieg.

Neu gegenüber AA-gesteuerte Publikationen und den Bülow-"Interviews" war die große Betonung der angeblichen Britenfeindlichkeit der Mehrheit der Deutschen, wodurch sich Wilhelm den Briten als Garant anbiedern wollte. Dieser Aspekt hat in GB weniger interessiert (und wurde zT sogar als Quatsch abgetan), sondern war Ursache der großen Aufregung in Deutschland.

In der Dynamik der Kampagne schwenkten nahezu alle Blätter gegen den unverantwortlichen Kaiser ein, und Bülow wurde für die Vernachlässigung seiner "Aufsichtspflichten" gerügt.

Mehr in:
Geppert, Pressekriege, S. 265f.
Otte, 'An altogether unfortunate Affair' - Great Britain and the Daily Telegraph Affair, DS 1994.
 
Es war nicht ein Interview im eigentlich Sinn des Wortes. Wortley hatte zusammen mit dem Journalisten Firth diverse Äußerungen Wilhelms zu einem Artikel, ein Interview zusammengestellt.

Nicht ganz unwichtig finde ich den Umstand, das Oberst Wortley sich nicht auf die Gespräche in Highcliff-Castle bezog, sondern auf die während des Kaisermanövers.

Der Herausgeber der Zeitung Lord Burnham fand es wichtig sich gegen jeden Verdacht abzusichern, das Interview sei auch irgendwie manipuliert worden. Deshalb sollte Wilhelm es autorisieren. Es wurden zwei Abzüge erstellt, mit einem breiten Rand für Berichtigungen. Einer der Abzüge ging an Wortley, der diesen an Wilhelm weiterleitete.

Es steht zu vermuten, das Tirpitz für die Überprüfung des Interviews Sorge getragen hat, denn dieser weilte zu jenem Zeitpunkt in Romintern und las das Interview und gab Wilhelm den Rat, es hinsichtlich der Opportunität einer Publizierung prüfen zu lassen.
 
Die Frage, die sich nach diesen beiden höchst peinlichen Affären stellt, ist die, wie ernst und glaubwürdig wurde der deutsche Kaiser eigentlich noch von den anderen Großmächten genommen?

Gleiches gilt natürlich auch für den Reichskanzler von Bülow, der doch sehr augenfällig darum bemüht, sein Amt und seine Person unbeschadet aus Affäre zu halten. Zweifel an seinen Aussagen kamen damals schon auf und Winzen hat diese durch seine verdienstvolle Arbeit ganz erheblich gemehrt.

Nur zum Thema Dailey Telegraph Affäre und Hale gibt es von Winzen auch ein, leider etwas teures ( 88 Euro), Buch.

Peter Winzen: Das Kaiserreich am Abgrund

In Großbritannien wurde Wilhelm in der Presse beispielsweise als Heuchler bezeichnet.
 
Die drei weniger bedeutsamen "Faktenkorrekturen" sind eingeflossen, da der redigierte Entwurf von Bülow von Wilhelm weitergeschickt worden ist.

Du kannst Dir das aber nicht wie heutige Interviews vorstellen. Es handelte sich bei dem "Interview" um Gesprächsnotizen aus dem Aufenthalt 1907, die freihändig von Wortley zusammengefasst worden sind, sozusagen eine Satzsammlung.

Diese schlug in die gleiche Kerbe wie die Presseveröffentlichungen zuvor, eine Öffentlichkeitsoffensive und Serie des AA, von Bülow und Kaiser, die auf die germanophilen Strömungen in GB gerichtet war. Kern war gleich: Relativierung der deutschen Flottenrüstung und Beruhigung in GB. Diese sämtlich völlig konträr zu ähnlichen Veröffentlichungen oder internen Plänen und Aussagen.

Neu war hier die dämliche Begründung vom "pazifischen Schulterschluss", die Wilhelm niemand abgenommen hat, und solche Verratsaspekte wie der Feldzugsplan im Burenkrieg.

Neu gegenüber AA-gesteuerte Publikationen und den Bülow-"Interviews" war die große Betonung der angeblichen Britenfeindlichkeit der Mehrheit der Deutschen, wodurch sich Wilhelm den Briten als Garant anbiedern wollte. Dieser Aspekt hat in GB weniger interessiert (und wurde zT sogar als Quatsch abgetan), sondern war Ursache der großen Aufregung in Deutschland.

In der Dynamik der Kampagne schwenkten nahezu alle Blätter gegen den unverantwortlichen Kaiser ein, und Bülow wurde für die Vernachlässigung seiner "Aufsichtspflichten" gerügt.

Mehr in:
Geppert, Pressekriege, S. 265f.
Otte, 'An altogether unfortunate Affair' - Great Britain and the Daily Telegraph Affair, DS 1994.

Das beinhaltet dann auch das Motiv von Bülow, wie Du es vorher schon beschrieben hast.
http://www.geschichtsforum.de/746680-post13.html
Er wäre also gleicher Ansicht über ein derart kluges und geschicktes :) Vorgehen in dieser Sache, wie der Kaiser gewesen. Damit hätte er, wie Du anmerkst, den 'Diletantismus' seines Herrn geteilt, ebenso wie die Ansicht über eine einzuschlagende 'Stossrichtung'.

Die Emotionalität des Kaisers in seiner Zitierung indes hat geradezu groteske Züge:
Wie bereits gesagt, ehrte mich Seine Majestät mit einem langen Gepräch und sprach mit impulsiver und ungewöhnlicher Offenheit. „Ihr Engländer“, sagte er, „seid verrückt, verrückt, verrückt wie die Märzhasen. Was ist in euch gefahren, dass ihr ganz einem Argwohn verfallen seid, der einer großen Nation sehr unwürdig ist?“
(Übersetzung durch mich)
Als Einführung seiner erleuchteten Gedanken bezweifelt der Kaiser erstmal die Zurechnungsfähigkeit des (englischen) Publikums an das er sich richtet.
Das ist eine erstaunliche Taktik und dürfte sich auch damals außerhalb der Vernunft bewegt haben.
Die fast komische Tragik der Geschichte bestünde dann auch darin, dass nicht nur der Kaiser ohne Kleider war, sondern auch sein erster Diener.

Die Frage, die sich nach diesen beiden höchst peinlichen Affären stellt, ist die, wie ernst und glaubwürdig wurde der deutsche Kaiser eigentlich noch von den anderen Großmächten genommen?

Gleiches gilt natürlich auch für den Reichskanzler von Bülow, der doch sehr augenfällig darum bemüht, sein Amt und seine Person unbeschadet aus Affäre zu halten. ....

Und es stellte sich wohl auch wieder die Frage ob der Kaiser noch alle Tassen im Schrank hat.
Diese Frage war ja wohl vorher schon im DR selbst gestellt worden.
Denn wenn ich in impulsiver Weise den Geisteszustand meines Gegenübers bezweifle, dann kommt dieses ganz unvermittelt auf die Frage, wie es um den meinen bestellt ist.
Und da gibt es stets eine naheliegende Antwort.
Wie Du sagst, 'höchst peinlich'.

Danke für Literaturempfehlungen.
 
Zuletzt bearbeitet:
Ich versuche mal ein Bild zu malen..

Der Kaiser gibt dem NYT-Journalisten Hale ein Interview.
Das ist Ende Juli oder Anfang August. (Nach Tuchman August)
Hale kabelt die Zusammenfassung (Danke Silesia, für den Hinweis, dass das nicht so wie in einem heutigen Interview zugeht) an die NYT mit einem Veröffentlichungsvorbehalt, der darin besteht, dass eine Freigabe, und ggf. Redigierung durch das AA erfolgt.
(Winzen – Bülow S. 374 – Turgot, vielen Dank für die Literaturempfehlung!)

Die Redaktion der NYT fühlt sich angehalten den, sich für den Inhalt interessierenden, Präsidenten Th. R. darüber in Kenntnis (07.08.1908) zu setzen.
Der rät dringend von einer Veröffentlichung ab, derweilen streicht das AA des DR des Allerhöchsten Ein- und Ausgebung sehr reichlich zusammen.
Böderweise aber sind sogleich auch die Entscheidungsträger anderer Nationen (UK, Russland, und auch Japan) über die heftigen Ergüsse des Mannes orientiert, den man für außenpolitisch maßgeblich hält.
Und im DR hält man des Kaisers Höchstselbst zugesandte Abschrift auch in Händen.

Insofern habe ich mich wohl geirrt, als ich annahm, der KW hätte beim Hale-Interview den Weg der Redigierung nicht beschritten und das setzt vielleicht der Groteske die Krone auf.

Zu einer Veröffentlichung kommt es vorläufig nicht, aber sie droht...
Inzwischen gibt der Kaiser grünes Licht, wenn man so sagen will, für eine erneute Narretei.
Auch diese übergibt er ein Kontrolle, wünscht aber diesmal nicht jene des AA.
….
Der Hammer ist eigentlich nicht die strengstens vertrauliche Weitergabe aus dem Urlaub in Norderney, sondern der Wunsch resp. die Anweisung Wilhelms, dass genau diese Fach- und Sachprüfung durch das AA nicht erfolgen sollte...

Es wird nicht nur im Ausland, sondern auch im Inland, an des Kaisers Zurechnungsfähigkeit gezweifelt.
Denn nach der allgemeinen Verwirrung über das freigebene Dayly Telegraph „Interview“ kommt es noch dicker: Der Inhalt des Hale-Interviews sickert in die Öffentlichkeit durch.
Selbstverständlich reagierte Wilhelm II entsetzt als er am Morgen des 23. November im Berliner Tageblatt, seine freimütigen Gedankengänge .., wiederfand.
(Winzen Seite 377)

Erschien das Dayly-Telegraph-Interview noch auf Seite 11 des entsprechenden Blattes am. 28. Oktober 1908,
so ist die Wiedergabe des Hale-Interviews nun (23.11.) beim „Berliner Tageblatt“ auf Seite 1 zu finden. Berliner Tageblatt und Handels-Zeitung 1908-11-23 select page: 1
Die Redaktion dieses Blattes schickt voraus, dass es sich um einen Schwindel handeln müsse, und man kann annehmen, dass ohne eine solche Einleitung der Artikel nicht veröffentlichungsfähig gewesen wäre. Das beinhaltet eine beissende und auch listige Kritik.
Denn wäre es kein Schwindel, man müsste am Souverän selbst zweifeln.
Das „Berliner Tageblatt“ des gleichen Datums berichtet auf Seite 2 über den außerordentlichen Verbandstag der Alldeutschen auf dem der notorische Claß eine Abschaffung des persönlichen Regiments fordert.
Im Simplicissimus des gleichen Tages findet sich auf dem Titelblatt ein unteridischer Bismarck der ein deutsches Wichtelmännchen fragt, ob denn die „Papageien“ immer noch „um den Berg" fliegen.
Und auf Seite 3 fragt ein Affe, der dem Publikum das Hinterteil zuwendet: „wie lange wird noch in Berlin persönliche Politk getrieben?“
Auf PDF-Seite 19 heult die gekrönte Germania bettelnd: „Seien Sie wenigstens taktvoll, Mr. Jonathan, und veröffentlichen Sie es nicht“.
Auch Bülow kriegt sein Fett reichlich ab als Ofenschirm und schlafende Schwuchtel..

Der Bülow bricht wieder mal theatralisch physisch zusammen, aber diesmal auch der Kaiser.
Der Kaiser erlitt einen Nervenzusammenbruch. Er legte sich »ganz verwirrt« ins Bett, weigerte sich, Menschen zu empfangen, und verlangte, der Kronprinz solle die Regierungsgeschäfte übernehmen. Am 25. November 1908 teilte er Fürstenberg mit: »Es ist nun doch so gekommen, wie ich es ahnte und Dir vorhersagte! Vor 3 Tagen habe ich meinen Zusammenbruch richtig bekommen, und liege […] im Bett im Halb- oder Ganzschlaf, nachdem ein heftiger Weinkrampf mich aus meiner Ohnmacht riß.« Die von seinem Leibarzt verordneten Tannennadelbäder und Baldriantropfen seien lächerlich. »Als ob eine solche 4 Wöchentliche Höllenfolter seelischer Art sich mit solchen Curen vertreiben ließe!! […] Aber so haben mich die Politiker und Tintenklexer doch auf die Strecke gekriegt!!«
Zeitgeschichte: Der Kaiser spricht | ZEIT ONLINE

Was für eine Story!
 
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Nicht zu unterschätzen waren auch die außenpolitischen Rückwirkungen der skandalösen Affären.
Der britische Außenminister Grey hielt es nicht für unwahrscheinlich, dass das Kaiserreich aufgrund der erheblichen innenpolitischen Probleme zu einen militärischen Befreiungsschlag ausholen könnte. Das erscheint allein vor dem Hintergrund der Dailey-Telegraph Affäre nicht wirklich nachvollziehbar, allerdings im Kontext mit dem Hale Interview wohl doch. Dort bezeichnete Wilhelm es als ein Ziel der deutschen Politik ein Krieg gegen Großbritannien zu führen. Ärgerlicherweise kursierten dann auch noch zu allen Überfluss mehrere Versionen des Interviews.

London, Tokio im Kern wohl auch Paris war der Inhalt des Interviews jedenfalls bekannt.
Entsprechend entstand im November 1908 im Foreign Office eine Studie zu den britischen Vertragsverpflichtungen.

Dann kam es in Casablanca im September 1908 zu einen genaugenommen nicht wirklich ernsten "Vorfall" mit deutschen Legionären. Dieser Vorgang kochte dann schnell hoch und Grey gab im November MeKenna die Anweisung die Flotte gefechtsbereit zu machen, da man Frankreich ggf.unterstützen müssen. Der deutsche Staatssekretär Schön gab die Empfehlung, bevor er sich vom Acker machte, deutsche Kriegsschiffe zu entsenden.

Im Original finden sich diese Hinweise bei

Thomas Otte, An Altogether Unfortunate Affair: Great Britain an the Dailey Telegraph Affäre
 
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Turgot, Silesia & hatl & alls,

der Anfang des Fadens liegt etwas zurück, wie ich sah, die neueren Beiträge waren gleichfalls erhellend und ausführlich.

Bei der Motivlage von Bülows meine ich mich noch an andere mögliche aus der Fachliteratur zu entsinnen.

Der Tenor der letzten Beiträge hier im Faden, wenn ich recht verstehe, geht dahin, eine praktisch identische außenpolitische Haltung von von Bülow und KW II. zu postulieren. Die eigentliche Affäre entstand durch außen- wie innenpolitische Blindheit in Verbindung mit einem ausgeprägten Dilettantismus.

Andere, ebenso plausible Motive von Bülows könnten u.a. gewesen sein, die außenpolitischen Einmischungen von KW II. dadurch zu beenden, dass von Bülow in einem größeren Schachzug KW. II. auflaufen lassen wollte. Ebenso oder dazu könnte das Motiv der Machtbesessenheit von Bülows (Winzen, Reichskanzler Bernhard von Bülow, S. 403 [2013]) eine Rolle gespielt haben.


Den sich ab 1906, also vor der Telefgraph-Affäre, entwickelnden Eulenburg-Skandal betrachtet Winzen, Reichskanzler, S. 403ff. als eine systematische Intrige von Bülows zur Ausschaltung des möglichen Kanzler-Konkurrenten Philipp Eulenburg.

Winzen, Reichskanzler, S. 451, behauptet entsprechend keinen Dilettantismus (mehr) auf Seiten von Bülows, eher geht die Argumentation in die bekannte Richtung der weitgehenden Übereinstimmung von von Bülows und KW II., von Bülow hätte die Chance genutzt, via diesem sogenannten "Interview" durch KW. II. "Klartext" reden zu lassen, was die Flottenrüstung usw. angeht.

Von Bülow wäre - sinngmäß - aufgrund seiner "Blindheit" - von den Reaktionen überrascht worden und hätte schließlich, um seine eigenen Stellung zu retten, KW. II. sehr geschickt im Regen stehen lassen.


Winzens Argumentationsgang zu von Bülows Handeln in der Daily-Telegraph-Affäre übergeht meiner Ansicht mögliche andere, naheliegende oder sogar naheliegendere Motive, die Winzen zumindest in seiner Publikation von 2013, Reichskanzler Bernhard von Bülow, selber z.B. im Zusammenhang mit dem Eulenburg-Skandal benennt: Machtbesessenheit.

Auch und gerade gegenüber KW II. bzw. dessen "Eingriffe" in die Außenpolitik.

Canis, Der Weg in den Abgrund, S. 276ff., notiert wiederum aus anderer Perspektive u.a. dazu, von Bülow hätte im Laufe des Jahren 1908 zusehends erkannt, dass z.B. gegenüber der britischen Regierung Konzessionen bei der Flottenrüstung gemacht werden müssten, um die Spannungen zu reduzieren. Canis führt einige Belege dafür an.

KW II.s außenpolitische Einmischungen/Ambitionen/Positionen/Unberechenbarkeit wären dabei in von Bülows Sicht das Haupthindernis und ein allgemeiner, verschärfender Unsicherheitsfaktor gewesen.
Darin sieht Canis das entscheidende Motiv bei von Bülow, den er ebenso für einen hochbegabten Intrigen-Inszenierer hält wie Peter Winzen im Werk von 2013.

Ansonsten hat Winzens Fixierung auf Homosexualität am Berliner Hof, in den Berliner Regierungskreisen in der Vergangenheit zu recht Kritik erfahren.
Etwas befremdend muten z.B. Spekulationen an, von Bülows unterdrückte, angeblich homoerotische Neigungen "halfen ihm sicherlich, sich einfühlsam in die Psyche seines Gegenüber zu versetzen und dieses mit seinen ausgeklügelten Überredungstechniken, begleitet von angenehm freundlichen Manieren und Verstellungskunst, nach seinem Gusto zu manipulieren" (Winzen, Reichskanzler, S. 552, im "Schlußwort").


Viele Grüße,

Andreas
 
Ich kann hier von Winzen das Buch "Das Kaiserreich am Abgrund" nur wärmstens empfehlen.
Ich habe mir dies sehr teure Buch gekauft und in der Summe weist Winzen anhand zahlreicher Belege eindrucksvoll nach, das Bülow wohl sehr wahrscheinlich das "Interview" wohl doch entgegen seine Behauptung gelesen hat. Einfach nur peinlich.
 
Selber gehe ich natürlich auch davon aus, dass von Bülow das "Interview" vorher gründlich gelesen hatte - und wusste, was er wie tun konnte, um entweder

- seiner Machtbesessenheit noch mehr Raum zu geben

- die unabgesprochenen, eigenmächtigen außenpolitischen Aktionen von KW II. zu reduzieren oder zu beenden

- die Fixierung KW II. auf die Flotte politisch zu stören oder zu neutralisieren, nachdem von Bülow sich ab 1906 zusehends vom ergebnislosen und außenpolitisch erkennbar eher schädlichen Flottenprimat entfernt hatte, aber nicht KW II.

Winzen, Reichskanzler, S. 354f., formuliert die Abwendung von Bülows vom Flottenprimat. Canis, Der Weg in den Abgrund, S. 276ff.

Viele Grüße,

Andreas
 
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