jschmidt
Aktives Mitglied
Gut, dass Du das Thema "wiederbelebt" hast. :winke:Die Lombardei zählte im 18. Jahrhundert zu den reichsten Gegenden Europas, das Pro-Kopf-Einkommen war nur noch in den Niederlanden höher.
Ich wäre natürlich sehr interessiert, mehr Einzelheiten zu erfahren, auch methodischer Art (Wie errechnete man das Pro-Kopf-Einkommen? usw.).
Das Stichwort "Dekadenz" ist tatsächlich weit verbreitet, wird z.B. auch von Rudolf Lill angeführt und mit einer eindeutigen Schuldzuweisung versehen [1].Tja, ich muss korregieren - von einer Dekadenz Italiens keine Spur! Braudel schildert faszinierend wie Genua...
Das Problem liegt auch an der z.T. fehlenden regionalen Spezifikation. Ich würde zwar Genua nicht unbedingt der Lombardei zurechnen, aber der Nord-Süd-Unterschied, der Italien auch heute noch prägt, war auch damals schon vorhanden: hie Lombardei und Piemont - dort Kirchenstaat und Neapel usw.
Auch die zeitliche Eingrenzung ist wohl bedeutsam. Gerade was die Lombardei betrifft, geht ein Teil der Literatur davon aus, dass die theresianischen Reformen nach 1748 die Region stark beeinflusst und in vielen Bereichen - auch wirtschaftlich - nach vorn gebracht hätten [2].
Wenn bei manchen Wirtschaftshistorikern gleichwohl der Lombardei wenig Aufmerksamkeit gewidmet wird, dann auch deswegen, weil die "ökonomische Meistererzählung", die Instrustrialisierung in Europa, an anderen Regionen spektakulärer darstellbar ist.
Was die Landwirtschaft betrifft, war immer schon unstrittig, dass die Lombardei vergleichsweise hohe Erträge lieferte - bis hin zur berühmtem lombadischen Kuh, die um 1750 mit einem Tagesdurchschnitt von 9-12 Litern Milch ganz an der Spitze rangierte (zum Vergleich Schleswig-Holstein um 1740: 3 Liter!) [3].
[1] Siehe das Kapitel "Italiens Dekadenz / Wirtschaftliche Regression - Spanische Herrschaft - Gegenreformation - Barock " in seiner Geschichte Italiens vom 16. Jahrhundert bis zu den Anfängen des Faschismus, Darmstadt 1980, S. 7-30.
[2] So die Darstellung von Lill (S. 44 ff.), aber auch von Procacci (Geschichte Italiens und der Italiener).
[3] Zahlen bei Muriel Grindrod in: Cipolla (Hg.), The Fontana Economic History of Europe. Glasgow 1974, Band 2, S. 344