Die Erben von Byzanz heute

Der Kitt war durchaus auch das Herrscherhaus. Wäre es allein die Religion gewesen (die wie du ja sagst unterschiedlich im Reich war), hätten Werbungen zu Aufständen durch mittel- und osteuropäische Mächte schon wesentlich früher im vor-nationalem Zeitalter mehr Wirkung haben müssen.
 
Könnte man nicht allein daher schon ein rechtliches Erbe ableiten? In Hannover/ England/ Frankreich ging das ja auch.

Hier geht um eine ganz andere Dimension, Eohan! Nämlich um die Frage, ob und inwieweit man das Osmanische Reich in kultureller und zivilisatorischer Hinsicht als "Erbe" des Byzantinischen Reichs betrachten kann.

Dynastische Verbindungen spielen da nur eine geringe Rolle, denn byzantinische Prinzessinnen waren auch mit abendländischen Fürstenhäusern verbunden, ohne dass daraus ein Rechtsanspruch auf Byzanz abgeleitet oder auch nur erhoben wurde.
 
Ich brachte den Gedanken nur ein, weil von anderer Seite öfters auf einen dynastischen Anspruch des Zarenreiches gewiesen wurde, da sie auch Blutsverwandtschaft zur Paläologenlinie verbandt.
 
Eohan hat Recht.
Ausserdem haben wir schon auf das Problem hingewiesen, inwieweit zeitgenössische externe Reiche ein legitimes Erbe sahen, es z.B. durch diplomatische Korrespondenz oder Reiseberichte ausdrückten und wie die osm. Dynastie es selber sah.
Analog z.B. zu den Zaren.
Hinzu kommen noch die verschiedenen Ebenen, inwieweit man heute die verschiedenen Bereiche deutet, also kunsthistorisch, kirchlich, juristisch, genealogisch, religiös, universalhistorisch, kulturell, usw., welche wir schon aufgedröselt hatten.

:winke:

PS: Schon wieder Ausrufezeichen? ;)
 
Ausserdem haben wir schon auf das Problem hingewiesen, inwieweit zeitgenössische externe Reiche ein legitimes Erbe sahen,

Das ist viel zu kurz gesprungen!

Hier geht es doch weit über formaljuristischen Kleinkram hinaus um die Frage, ob das Osmanische Reich kulturelle, administrative, strukturelle, militärische, architektonische und viele andere Stränge des Byzantinischen Reichs fortgeführt hat und wenn ja, in welchen zentralen Bereichen.

Alles andere ist doch Kinderkram!
 
Mir wurde per Bewertung eine gute Frage gestellt. Ich möchte sie hier öffentlich beantworten und noch einen Gedanken hinzufügen.

Ich betrachte das "rechtliche Erbe" bei meinem post in einem ganz simplen Zusammenhang. Natürlich kann man die Fortführung einer so gigantischen Kultur wie der oströmischen nicht allein auf einen profanen verwandtlichen Erbstreit beschränken. Es ist jedoch einer von mehreren wichtigen Punkten für mich.
Aus der heutigen Perpektive wäre es eben so: Die Erblasten und Erbgewinne stehen zuerst den im Testament benannten zu. Danach folgen die Blutsverwandten in ihrer jeweiligen Reihenfolge. Es gibt ja auch bei Staaten den Begriff des Rechtsnachfolgers. In diesem Fall besteht zwar kein Vertrag, der es einem späteren Reich zugesteht, aber ich finde trotzdem auch die Frage eines "rechtlichen Erbes" interessant. Und da die Türkei Rechtsnachfolger des OR ist und meiner Ansicht nach auch kulturell höchst verwandt mit dem BR ist, kommt sie auch in dieser Auswahl ganz vorne.
Weiterhin bitte ich im Zusammenhang der Wichtigkeit von Dynastien noch zu bedenken:
Da ja beide Reiche, das OR und BR, ähnlich regiert wurden, ich nenne als nur ein Bsp. das Timarsystem welches großteils vom Pronoiasystem übernommen worden ist, spielt auch die jeweilige Herrscherdynastie eine entscheidende Bedeutung. Zumal sie die großen Förderer oder Hemmnisse von kultureller Entwicklung und Religion sein können. Und niemand kann sagen, dass die Osmanen gezögert haben "fremdes Blut" in ihrer Familie zu akzeptieren. Die Frauen und Großwesire kamen aus allen Teilen des Reiches, insbesondere vom Balkan.
Insgesamt bin ich der Meinung, dass neben "kulturelle[n], administrative[n], strukturelle[n], militärische[n], architektonische[n] und viele[n] andere[n] Stränge[n] des Byzantinischen Reichs", die ja hier zur Genüge besprochen wurden, auch die Blutsverwandtschaft der Sultane zu den Kaisern erwähnt werden muss.

edit Anm.: Ich weiß natürlich, dass die Großwesire nicht aus der Sultansfamilie stammen, auch wenn sich das in dem Satz unglücklicher weise so anliest
 
Zuletzt bearbeitet von einem Moderator:
Ich betrachte das "rechtliche Erbe" bei meinem post in einem ganz simplen Zusammenhang. Natürlich kann man die Fortführung einer so gigantischen Kultur wie der oströmischen nicht allein auf einen profanen verwandtlichen Erbstreit beschränken. Es ist jedoch einer von mehreren wichtigen Punkten für mich.
Aus der heutigen Perpektive wäre es eben so: Die Erblasten und Erbgewinne stehen zuerst den im Testament benannten zu. Danach folgen die Blutsverwandten in ihrer jeweiligen Reihenfolge. Es gibt ja auch bei Staaten den Begriff des Rechtsnachfolgers. In diesem Fall besteht zwar kein Vertrag, der es einem späteren Reich zugesteht, aber ich finde trotzdem auch die Frage eines "rechtlichen Erbes" interessant. Und da die Türkei Rechtsnachfolger des OR ist und meiner Ansicht nach auch kulturell höchst verwandt mit dem BR ist, kommt sie auch in dieser Auswahl ganz vorne.
Weiterhin bitte ich im Zusammenhang der Wichtigkeit von Dynastien noch zu bedenken:
[...] Insgesamt bin ich der Meinung, dass neben "kulturelle[n], administrative[n], strukturelle[n], militärische[n], architektonische[n] und viele[n] andere[n] Stränge[n] des Byzantinischen Reichs", die ja hier zur Genüge besprochen wurden, auch die Blutsverwandtschaft der Sultane zu den Kaisern erwähnt werden muss.

Das byzantinische Erbe des osmanischen Reiches auf die Herrscherfamilie zu beschränken, ist zu kurz gegriffen und der osmanischen Propaganda aufgesessen. Es gehört immer auch zur Herrschaftslegitimation, insbesondere nach einem Dynastiewechsel, die Verbundenheit der alten mit der neuen Dynastie zu unterstreichen. Wenn der osmanische Sulṭān gleichzeitig der βασιλέως (Basiléos) seiner griechischen Untertanen ist, dann ist er auch ihr legitimer Herrscher und nicht mehr der fremde Eroberer. Wenn er diesen Anspruch durch Eheschließungen mit Damen aus der vorherigen Dynastie untermauern kann, umso besser. Viel wichtiger ist daher die türkisierte Bevölkerung die ihre Substratkultur in die osmanische und heute türkeitürkische Kultur mit eingebracht hat.
 
Wenn der osmanische Sulṭān gleichzeitig der βασιλέως (Basiléos) seiner griechischen Untertanen ist, dann ist er auch ihr legitimer Herrscher und nicht mehr der fremde Eroberer.

Die Konstruktion eines solchen osmanischen Anspruchs ist unsinnig und - wie schon gesagt - türkische Propaganda.

Die byzantinischen Kaiser haben sich verzweifelt gegen den Untergang von Byzanz gewehrt, der letzte ist von türkischer Hand vermutlich erschlagen worden. Und ein muslimischer Sultan als Basileus orthodoxer Griechen ist eine Absurdität. So etwas kann man als Sieger zwar postulieren, aber mit realem Inhalt ist das nicht gefüllt.
 
Propaganda ist wohl eher unpassend wenn man auch im Westen durchaus Menschen findet die diese Auffassung haben. Aber ich weiß ja jetzt wie du dazu stehst Dieter.
 
@ Eohan

Ich hätte vielleicht besser "osmanische Propaganda" sagen sollen, wie das oben auch El Quichote in seinem Beitrag getan hat, obwohl es denkbar ist, dass türkische Nationalisten noch heute derart krude Anschauungen verbreiten.

Die Vernichtung von Byzanz und die türkische Expansion lässt sich natürlich nicht mit heiratspolitischen Verbindungen begründen oder untermauern, was du vermutlich auch so nicht gemeint hast.
 
Der Kitt war durchaus auch das Herrscherhaus. Wäre es allein die Religion gewesen (die wie du ja sagst unterschiedlich im Reich war), hätten Werbungen zu Aufständen durch mittel- und osteuropäische Mächte schon wesentlich früher im vor-nationalem Zeitalter mehr Wirkung haben müssen.


Lynxxx woher hatte Prinz van Eugen seine Truppen bei der doch bescheidenen Zalungsmoral der Habsburger. ;)

grade die an der Grenze lebenden Balkanvölker waren immer mehrheitlich für die Össis oder neutral.
 
Propaganda ist wohl eher unpassend wenn man auch im Westen durchaus Menschen findet die diese Auffassung haben. Aber ich weiß ja jetzt wie du dazu stehst Dieter.

Nochmal deinen Gedankengang aufgreifend, dass die osmanischen Herrscher mit den Kaisern von Rom dynastisch verbunden waren, habe ich heute zufällig noch diesen Abschnitt gelesen:

Aus diesem empfehlenswertem Standardwerk:
The Ottoman Empire and early modern ... - Google Bcher

"Since identities
are historical and social constructs, however, one can argue that what
is historically most significant in this case, as in others, is not whether
Osman actually swept out of Central Asia, or whether his first language
was Turkic, Indo-European, or Semitic, but that those who came later
understood him to have done certain things and acted in certain ways.
In other words, a central tenet of Ottoman identity was that the dynasty
came out of Central Asia, an essential aspect of identity in the Republic of
Turkey is that Osman was Turkish, and an imperative in other Ottoman
successor states’ perceptions of self is that Ottoman rulers were Turkish –
as they emphatically are not.


Common sense also suggests that although Ottoman lineage (at least
in its male line) may have been Turkic, the ideological and political shape
of the Ottoman emirate owed a great deal to Persia, the Arab lands, the
Byzantine Empire, and Italian city-states. After all, during its early centuries
the polity drew upon the civilizations of the Middle East and Islam.
Furthermore, it not only abutted Byzantium, but also was entangled physically
with that Greek Orthodox state, and its emirs quickly established
commercial relations with both Genoa and Venice. Living in such middle
grounds, the Ottomans proved adept at learning about and borrowing
from Christendom and its institutions. Ottoman brides and concubines
often came from European states and dynasties, the polity’s bureaucracy
and administration owed much to Byzantine sources, and its commercial
and economic policies were built upon Genoese and Venetian models.
If an early fifteenth-century concept of Europe as a civilizational entity
had existed, this state surely would have had a place in it.
Of course, “Europe” as a unifying notion did not exist in the early modern
world and religion remained a potent divide between the Christian
and Islamic ecumenes..."

weiter oben im googlebook-link

Ich verstehe irgendwie den grün eingefärbten Satz nicht, besonders nicht den letzten Abschnitt. Könnte ihn mir jemand erklären?

Danke schön. :winke:
 
a central tenet of Ottoman identity was that the dynasty
came out of Central Asia, an essential aspect of identity in the Republic of
Turkey is that Osman was Turkish, and an imperative in other Ottoman
successor states’ perceptions of self is that Ottoman rulers were Turkish –
as they emphatically are not.

der zentrale grundsatz/gedanke/lehre der Ossmanischen Dynastie war,
das Sie aus Zentral Asien kamen/stammten
ein essenzieler aspekt der identität der Türkischen Republik ist jedoch das die Osmanen Türken waren, und in anderen nachfolge Staaten der Ossmanen wurde auch die auffassung zwingend das die Ossmanischen Herrscher Türkisch waren - was Sie allerdings ausdrücklich nicht waren.

Also waren Ossmanen Zentral Asiatischer Abstammung und nicht Türkisch,
die Nachfolgestaaten hatten "zwingend/bindend" eine andere Ansicht als die Ossmanische "selbst ansicht"

Bissl holprig, hoffe es hilft.
Lange nicht mehr gelesen Lynxxx - ich bin gerade bei Kai Kobad II. und fahre mir nächsten Monat die Kirche von 1305 ankucken - von Goethes Muselmanischen Vorfahren ;)

Grüße aus Neu-Babylon :scheinheilig:

:winke:
 
a central tenet of Ottoman identity was that the dynasty
came out of Central Asia, an essential aspect of identity in the Republic of
Turkey is that Osman was Turkish, and an imperative in other Ottoman
successor states’ perceptions of self is that Ottoman rulers were Turkish –
as they emphatically are not.

der zentrale grundsatz/gedanke/lehre der Ossmanischen Dynastie war,
das Sie aus Zentral Asien kamen/stammten
ein essenzieler aspekt der identität der Türkischen Republik ist jedoch das die Osmanen Türken waren, und in anderen nachfolge Staaten der Ossmanen wurde auch die auffassung zwingend das die Ossmanischen Herrscher Türkisch waren - was Sie allerdings ausdrücklich nicht waren.

Nicht ganz. Die Folgestaaten des Osmanischen Reiches legen Wert auf die Feststellung, daß die Osmanischen Herrscher Türken waren; sie selber (die Folgestaaten) sind es aber definitiv nicht.
 
Also waren Ossmanen Zentral Asiatischer Abstammung und nicht Türkisch,
die Nachfolgestaaten hatten "zwingend/bindend" eine andere Ansicht als die Ossmanische "selbst ansicht"

Seit dem 11. Jh. wanderten Turkstämme nach Kleinasien ein und gründeten das Reich der Rum-Seldschuken, das später in zahlreiche kleine Emirate zerfiel. Eines davon war das Emirat der Osmanen, eine oghusische Dynastie, deren Vorfahren aus Zentralasien stammten. Ihr legendärer Ursprung lässt sich aufgrund der Quellenlage nicht bis zu ihren Ursprüngen lückenlos zurückverfolgen.

Insofern waren die Osmanen asiatischer Herkunft und aufgrund ihrer oghusischen Abstammung selbstverständlich turkstämmig.
 
Danke, aber ich habe doch nur versucht bei der Übersetzung zu helfen :red:

Lese gerne mit und habe schon viel gelernt :yes:

Aber vielleicht kann mir ja hier jemand helfen:
Aus welcher Familie kam Sultan Sadok Selim aus Konia,
ca 1292 in Akon von Deutsch Rittern gefangen genommen und nach BaWü
gebracht.
Ist es die Familie um Kai Kobad 2 ?
Würde doch zumindest zeitlich passen, oder ? :rotwerd:
 
Danke, aber ich habe doch nur versucht bei der Übersetzung zu helfen :red:

Lese gerne mit und habe schon viel gelernt :yes:

Aber vielleicht kann mir ja hier jemand helfen:
Aus welcher Familie kam Sultan Sadok Selim aus Konia,
ca 1292 in Akon von Deutsch Rittern gefangen genommen und nach BaWü
gebracht.
Ist es die Familie um Kai Kobad 2 ?
Würde doch zumindest zeitlich passen, oder ? :rotwerd:

Bitte benutze die Suchfunktion und diskutiere hier weiter:
http://www.geschichtsforum.de/f83/sadok-selim-soltan-soldan-stammbaum-goethes-vorfahre-26291/

Das hat nun wirklich gaaaar nix mit den Erben der Byz. zu tun.
Danke.
 
Das osmanische Reich - eine "islamische Fortsetzung" des byzantinschen Reiches?

Hallo,

durch das, was ich so über das osmanische Reich und das byzantinische Reich lese, kommt mir oft vor, das die Osmanen vieles, was vorher die Byzantiner eingeführt hatten, die Osmanen oft übernahmen, fast so, als ob es sowas wie eine Art "Kontinuität" gab (ausgenommen die Herrscher und die Religion natürlich).

Täuscht mein Eindruck, oder ist da was wahres dran?
 
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