Paul I. wurde am 12. März 1801 (gregor. Kalender) ermordet. Das Faktum ist unbestritten, auch wohl, dass er sich unmittelbar zuvor geweigert hatte, seine Abdankungserklärung zu unterschreiben.
In den konkreten Details (Umstände und Ablauf) widersprechen sich die Darstellungen bzw. sie sparen diese aus. Auch die Wikis ...
Meine Fragen:
- Wie wurde der Zar genau getötet (mit der Schärpe erstickt, erdrosselt, zuvor in brutal ohnmächtig geschlagen, sollte der Tod vertuscht werden?)?
- Wer war konkret anwesend? Wer führte die Tat durch?
- Wie war die Rolle seines Sohnes u. Nachfolgers Alexander (I.)? Nahm er den Tod letztlich billigend in Kauf? War die Ermordung gegen seinen Willen?
Peter Schreiber verweist in der Fischer Weltgeschichte (1973) auf die "quellenmäßige Darstellung" von Valentin Graf Zubow: Paul I. Mensch u. Schicksal, Stuttgart 1963.
Hat jemand Zugriff? Oder auf andere genaue Abhandlungen?
In M.v. Taacks Buch [1] findet sich genanntes Buch im Quellenverzeichnis.
Eine Verschwörung gegen Paul gab es bereits ein Jahr zuvor. Durch die Ausweisung von Sir Charles Whitworth (25. Mai 1800) und die Verbannung Panins auf seine Güter bleibt nur Graf von der Pahlen übrig. Um ihn scharen sich General Bennigsen und die Brüder Subow.
Pahlen läßt Vertraute des Zaren (Araktschejew, Rostoptschin) aus dem Weg räumen. Welche Position er einnahm, mag das Gespräch zwischen Paul I. und ihm verdeutlichen, welches Gräfin Lieven überlieferte:
"Am Vorabend seines Todes fragte mich Kaiser Paul schroff und mir scharf dabei in die Augen blickend, ob ich wisse, dass man gegen ihn kospiriere, dass die Verschwörung weit verzweigt sei und selbst ihm sehr nahestehende Personen ihr angehörten. Der Blick des Kaisers war durchdringend, furchtbar und voller Argwohn; das Blut gefror mir in den Adern. Einen Moment war mein Mund zu ausgetrocknet zum Sprechen. Ich verlor jedoch nicht die Fassung und sagte lachend zum Kaiser: "Aber Sire, wenn man konspiriert, so müsste ich dabei sein. Ich halte zu sehr die Fäden aller Dinge in meiner Hand, als dass irgend etwas meiner Kenntnis entginge. Seien Sie ganz ruhig, es ist keine Verschwörung möglich ohne mich, ich hafte dafür mit meinem Kopfe." Der Kaiser ergriff herzlich meine Hand und sagte: "Ich vertraue Ihnen."
Großfürst und Thronfolger Alexander wird früh informiert, allerdings nur, dass Paul I. abdanken und er selbst die Regentschaft übernehmen soll. Etwa Mitte Februar 1801 ist er bereit dazu, unter der Bedingung, dass bei der Abdankung seinem Vater kein Haar gekrümmt werden darf, was Pahlen ihm zusichert.
Pahlen hingegen kalkuliert (richtigerweise) nur mit dem Tod Pauls, wie er bereits in einem Trinkspruch Stunden vor dem Mord den Verschwöreren zur Kenntnis gibt: "Ich gratuliere zum neuen Kaiser!"
Pahlen selbst bleibt bei den Regimentern, die den um den Michaelspalast lagern, um sein Ehrenwort, dass er Alexander gab, nicht zu brechen. "Böse Zungen" behaupteten später, dass Pahlen für den Fall, dass der Mord misslingen würde, sich der Verschwörer bemächtigt haben würde.
Die Gruppe um die Subows und Bennigsen, die Paul stellten, der sich im Schlafgemach versteckte, - die Nervenstärke Bennigsen sei gesondert erwähnt - legen ihm die Abdankungsurkunde vor. "Platon Subow spricht hastig auf ihn ein: Anfälle von Geistesstörungen hätten bewiesen, dass er die Regierungsgeschäfte weiterhin nicht leiten könne. Für seine Zukunft sei gesorgt. Sein Sohn und der Staat würden ihm einen standesgemäßen Unterhalt garantieren. Bennigsen wiederholt ruhig und besonnen, was Subow aufgeregt hervorgestottert hat."
Der Kaiser erklärt: "Nein, nein! Das unterschreibe ich nicht."
Bennigsen verlässt den Raum, sicher, dass die bezechte Horde die Drecksarbeit macht, um die Wachen zu kontrollieren.
"Sie fackeln nicht lange, Graf Nikolai Subow versetzt dem Kaiser mit einer goldenen Tabatiere einen heftigen Schlag auf die Schläfe. Paul stürzt, rafft sich auf, wird abermals zu Boden geworfen, ein Schal schlingt sich um seinen Hals, mit untergeschobener Hand versucht er den fürchterlichen Würgedruck zu lockern, grauenhaft ist sein Ringen um Luft, bis die Schlinge sich zuzieht und er verstummt. [...] Bennigsen erscheint, gebietet entsetzt Halt, ist empört über das, was geschehen ist, spielt den Pharisäer."
Dem Thronfolger wird die Nachricht durch Nikolai Subow überbracht: lt. Czartoryski: "[...] Endlich bemerkte er, dass der Graf, ohne sich klar auszudrücken, ihn immer Sire und Votre Majesté nannte; der Großfürst dachte, lediglich Regent zu sein. Er konnte nicht länger im Zweifel sein und überliess sich dem größten Schmerz und der tiefsten Verzweiflung."
Wie auch immer, noch in der Nacht wird Graf Lieven zum künftigen Kaiser gerufen, um die Rückkehr der 22500 Kosaken unter Orlow, die völlig sinnlos gen Indien zogen zurückzurufen: "Mein Mann", schreibt Gräfin Lieven, "gab Kaiser Alexander alle nötigen Aufklärungen. Der Befehl zur Rückkehr der Kosaken wurde auf der Stelle geschrieben, unterzeichnet und abgesandt."
Nein, der Tod Pauls sollte nicht vertuscht werden, allerdings schon die Todesursache, immerhin war Paul bei den Soldaten sehr beliebt. Für die Kaiserin wurde Paul "wiederhergestellt", sprich geschminkt etc.
Für das Ausland war natürlich die Wahrheit wenig geeignet, allerdings hatte die offizielle Mitteilung mäßigen Erfolg. Nach Eintreffen der Nachricht vom Schlaganfalls Pauls in Paris meinte Talleyrand: "Es wird Zeit, dass die Russen sich eine andere Todesart für ihre Kaiser ausdenken."
Grüße
excideuil
[1] Taack, Merete van: „Zar Alexander I. – Napoleons genialer Antipode”, Rainer Wunderlich Verlag Hermann Leins, Tübingen, 1983, Seiten 91-125