Die ersten Amerikaner

Es verdichtet sich weiter: bei der Besiedlung Amerikas über das asiatische Festland und Beringia

(jedenfalls in der Welle, die paleogenetisch bislang nachgewiesen werden kann - eine frühere, verschwundene kann wohl archäologisch wg der Funde in Südamerika nicht ausgeschlossen werden)

geht es offenbar nur noch um eine Frage:
kurze oder längere Phase im "beringia-standstill"-Modell:

Chromosome Sequences Reveal a Short Beringian Standstill, Rapid Expansion, and early Population structure of Native American Founders
im open access der CELL, freier download

Abstract ~ deepL:

Amerika war der letzte bewohnbare Kontinent, der von Menschen besiedelt wurde, mit einem wachsenden multidisziplinären Konsens für die Einreise vor 15-25 Tausend Jahren (kya) aus Nordostasien über die ehemalige Beringia-Landbrücke.
Autosomale DNA-Analysen haben die Trennung der indianischen Vorfahren aus dem asiatischen Genpool auf 23 kya oder später und mtDNA-Analysen auf 25 kya datiert, gefolgt von der Isolierung (''Beringian Stillstand'') für 2,4-9 ky und dann einer schnellen Expansion in ganz Amerika. Hier präsentieren wir eine kalibrierte sequenzbasierte Analyse von 222 indianischen und relevanten eurasischen Y-Chromosomen (24 neu) aus den Haplogruppen Q und C, mit vier wichtigen Schlussfolgerungen.

Zuerst identifizieren wir drei bis vier unabhängige Linien als autochthone und wahrscheinliche Gründer: die großen Q-M3 und selteneren Q-CTS1780, die in ganz Amerika vorkommen, die sehr seltenen C3-MPB373 in Südamerika und möglicherweise die C3-P39/Z30536 in Nordamerika.
Zweitens, von den Divergenzzeiten und dem eurasischen/europäischen Raum. ...wir schätzen eine beringische Stillstandsdauer von 2,7 ky oder 4,6 ky, nach alternativen Modellen, und den Eintritt südlich des Eises nach 19,5 kya.

Drittens beschreiben wir die sternförmige Expansion von Q-M848 (innerhalb von Q-M3) ab 15 kya in Amerika, gefolgt von der Etablierung einer substantiellen räumlichen Struktur in Südamerika um 12 kya.
Viertens, die tiefen Zweige der Q-CTS1780-Linie, die heute bei niedrigen Frequenzen in ganz Amerika vorhanden sind, können eine separate Ausbreitung außerhalb von Beringia nach dem Schmelzen der Gletscher am Ende des Pleistozäns widerspiegeln.
 
"Beringia standstill" Hypothese (BSH) bekommt neue Unterstützung. Die BSH beinhaltet, dass vor der letzten Eiszeit eine Besiedlung Beringias evt. für tausende Jahre stattgefunden habe, bevor eine "Einsickerung" nach Nordamerika erfolgte.

Nun liegen offenbar Datierungen vor, bei denen ua "verbrannte Biomasse", Fäkalien und weitere Umwelteinwirkungen Besiedlungsnachweise für Nordost-Alaska als Teil von Beringia während der letzten Eiszeit ergeben sollen.
Evidence of Ice Age humans in eastern Beringia suggests early migration to North America

Die Autoren sehen dadurch die BSH gestützt.
 
Schöne geologische Rekonstruktion von Beringia, ca. 18.000 BP.

Das steht im Kontext der Beringia-standstill-Hypothese, über die oben berichtet wurde.
Anlass für die Hypothese sind die Ergebnisse genetischer Studien, die eine (hunderte/tausende Jahre lange?) räumliche Separierung der ostasiatischen Populationen von derjenigen Population (lokalisiert auf Landbrücke Beringia) untersuchen, die schließlich in wohl einer kleinen Gruppe nach Amerika einwanderte.

Wenn man das Bild betrachtet, wird klar, wie das funktioniert haben könnte:
Die Erst-Besiedlung Beringias folgte einer sehr raschen, massiven Absenkung des Meeresspiegels, der die Landbrücke hervorbrachte. Die Absenkung des Meeresspiegels war gleichzeitig der Eiszeit zu verdanken, die wohl zunächst eine Sperre für das weitere Vordringen von Menschen über Beringia nach Amerika bedeutete. Die Sperre muss aber während der Eiszeit zeitweise "durchlässig" gewesen sein, während der Meeresspiegel wieder anstieg (und auch den Rückweg nach Ostasien über die Landbrücke abgeschnitten). Während der Eissperre Alaskas könnten Menschen ansonsten - theoretisch - nur entlang der vereisten Küsten die unpassierbaren Landesteile umgangen haben, was wohl nicht ausgeschlossen wird. Die neueren Forschungen haben jedenfalls inzwischen - s.o. - einige Hinweise auf einen passierbaren Landweg während der Eiszeit gegeben. In Nordwestamerika ging es dann jedenfalls entlang der Küsten schnell südwärts.
Beringia18000BP.jpg


Bericht: LiveScience
Humans Crossed the Bering Land Bridge to People the Americas. Here’s What It Looked Like 18,000 Years Ago.

Abgesehen davon müssen natürlich die älteren archäologischen Hinweise in Amerika, auch Südamerika mit einer erklärbar sein. Hier wird darüber gestritten, ob es eine frühere "Welle" gab und wie die auf den Kontinent gelangte. Populationsgenetisch und anhand von aDNA ist jedenfalls die mögliche ältere Welle derzeit nicht nachweisbar.
 
Neues zu "Beringia-standstill" in der Science:

https://www.sciencedirect.com/science/article/abs/pii/S0277379118307716

Die Publikation betrifft das mögliche "Zeitfenster" der BSH. Derzeit noch hinter paywall.

...Thus, the most persistent obstacle to determining the timing and manner of human migration to the Americas is the lack of direct physical evidence for human occupation of eastern Beringia to test the predictions of the molecular genetic data.

This study presents new analyses of a sediment core from Lake E5 (68.642 N, 149.458 W), located in the northern foothills of the Brooks Range of northern Alaska (Fig. 1). We combine traditional paleoecological methods (charcoal and pollen) with novel organic geochemical biomarkers (polycyclic aromatic hydrocarbons and sterols) to reconstruct ecosystem changes and human presence in eastern Beringia over the last 32,000 years. Additionally, we use transient climate model simulations to contextualize our findings and ecological interpretations. We present direct evidence of both human fecal presence and sustained burning of Arctic Alaskan landscapes as early as 32,000 years ago.

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Neues zur Besiedlung Amerikas über Nordsibirien.

Bislang wurde nach dem "missing link" in den Populationen gesucht, zwischen Neo-Sibiriern (von denen neuzeitliche Bevölkerung weitgehend abstammt) und ältester Bevölkerung. Dazwischen muss es "etwas" gegeben haben, dessen Spuren dann populationsgenetisch nach Amerika über Beringia verfolgbar sind.

Den genetischen "Abdruck" dieser Besiedlung, sozusagen die Vorfahren der Eingewanderten, meint man nun gefunden zu haben:
The lineages of the first humans to reach northeastern Siberia and the Americas

(der eigentliche Nature-Artikel befindet sich noch hinter paywall)
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Passend dazu gleich noch die aktuelle Studie aus der Nature zu den Paläo-Eskimos, die als vermutlich erste Besiedlungswelle durch weitere Besiedlungswellen in der amerikanische Arktik verdrängt wurden.

Nature (hinter paywall)
Palaeo-Eskimo genetic ancestry and the peopling of Chukotka and North America

Frühere, frei verfügbare Fassung dieser Forschung (auf etwas kleinerer DNA-Basis)
Paleo-Eskimo genetic legacy across North America

Dazu Artikel der MPG:
Das genetische Erbe der Paläo-Eskimos
 
Weiter passend dazu der aktuelle Artikel aus der Nature:
The population history of northeastern Siberia since the Pleistocene | Nature
(hinter paywall).


Eine frei verfügbare Verion findet sich als preview auf der Seite bioxriv:
The population history of northeastern Siberia since the Pleistocene

Abstract:

Im Nordosten Sibiriens lebt der Mensch seit mehr als 40.000 Jahren, aber seine Bevölkerungsgeschichte ist im Detail nach wie vor wenig verstanden.

Hier untersuchen wir die spätpleistozäne Populationsgeschichte Nordostsibiriens durch Analysen von 34 neu entdeckten alten Genomen, die vor 31.000 bis 600 Jahren entstanden sind.

Wir dokumentieren die komplexe Populationsdynamik in diesem Zeitraum, einschließlich mindestens drei großer Migrationsereignisse: eine anfängliche Besiedlung durch eine bisher unbekannte paläolithische Population von "alten Nordsibirern", die weit entfernt mit frühen westeurasischen Jägern und Sammlern verwandt sind; die Ankunft ostasiatischer Völker, was zur Entstehung von "alten Paläo-Sibirern" führte, die eng mit zeitgenössischen Gemeinschaften aus dem fernen Nordosten Sibiriens verwandt sind (wie die Koryaken), sowie mit Indianern; und eine holozäne Migration anderer ostasiatischer Völker, die wir "Neosibirer" nennen und von denen viele heutige Sibirier abstammen.

Jede dieser Bevölkerungserweiterungen ersetzte weitgehend die früheren Bewohner und erzeugte schließlich das Mosaik der heutigen Völker, die ein riesiges Gebiet in Nordeurasien und Nord- und Südamerika bewohnen.
 
Ich sortiere mal hier herein, weil es passt:

Nach archäologischen Funden wird die früheste Anwesenheit des modernen Menschen in der heutigen Mongolei nun auf 45.000 BP datiert, also 10.000 Jahre früher als die bisherigen Nachweise. Dabei geht es um die "Nordroute" der Verbreitung, also nördlich des Himalaya.
The Northern Route for Human dispersal in Central and Northeast Asia: New evidence from the site of Tolbor-16, Mongolia | Scientific Reports

Natürlich gibt es auch die "Südroute", siehe hierzu die Artikel zur Besiedlung Südostasiens/Australiens, bislang (AUS) um rd. 65.000 BP.

Nach den Artikeln weiter oben (Besiedlung Sibiriens/Nordamerika) ist das keine wirkliche Überraschung.
Hier wird das etwas "schief" generell mit "out-of-Africa" verknüpft (was bei der Nordroute nicht die Frage ist.
Humans migrated to Mongolia 10,000 years earlier than previously believed - HeritageDaily - Archaeology News
 
Etwas weiter südlich vom Beringia-Thema liegt das Rätsel der genetischen Mauer in Form der Anden.

In der folgenden Publikation, die erstmal diese geografische Trennwand in den südamerikanischen Populationen bestätigt, geht es um Erklärungsmodelle für die Entwicklung seit den ersten Besiedlungen.

Bestätigt wird die These, dass bei angenommenen mehrwelligen Besiedlungen über Beringia die südamerikaische Population von der "ersten Welle" abhängen soll. Bestätigt wird auch der genetische Trennwall "Anden", über die kaum, bzw. kaum nachweisbar Bevölkerungswechsel stattgefunden haben: "Andes-Amazonia Divide"

Neu ist die These, dass es eine beachtliche Rückmigration nach Mittelamerika, und erneute Besiedlung Südamerikas in prähistorischen Zeiten gegeben haben soll. Dies wird benutzt, um die Unterschiede zwischen beiden südamerikanischen "Welten" zu erklären.

Dissecting the Pre-Columbian Genomic Ancestry of Native Americans along the Andes–Amazonia Divide

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Nicht zu den ersten Amerikanern, aber zu Fragen der frühen Besiedlungsgeschichte scheinen Skelettfunde in der Chan Hol Höhle in Yukatan beizutragen.

Morphologische Unterschiede des jetzt untersuchten Chan Hol 3-Fundes weisen Unterschiede zu anderen Funden auf, wobei die Erklärung offen gehalten wird:


There are two potential hypotheses to explain the origin of these two different human groups: (1) They are derived from human populations from different geographical points of origin, or (2) They are the result of local micro-evolutionary processes such as genetic isolation, habitat preference, survival strategies, or even diet, that may have resulted in an in situ differentiation of the mesocranial morphologies identified in the skeletons of the Tulum area. They may thus have been a substantial factor in the evolutionary development of the subsequent Mayan populations from Mesoamerica. Clearly, however, the two scenarios are exclusively based on the morphometric aspects of these two populations and does not refer to their phylogenetic relationships, or genetic data. Full genome data from these populations is required to decide which hypothesis is correct because there are currently no data available.


Open Access in der PLOS.one
New evidence for an early settlement of the Yucatán Peninsula, Mexico: The Chan Hol 3 woman and her meaning for the Peopling of the Americas

Obwohl nur vage Aussagen für die Besiedlungsgeschichte getroffen werden, flippt die Presse* gleich mit "challenge" der bisherigen Erkenntnisse zur Besiedlungsgeschichte aus.

Die Funden werden auf 10.350 bis 10.900 BP datiert, also ein paar tausend Jahre jünger als die frühesten archäologischen Fundstellen, aber passend zu Beringia oder Beringia-standstill-Hypothese.
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* Mysterious Skeleton Discovered In Submerged Cave Challenges The Story Of The Americas
 
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