Die Kamera als Waffe - Bsp. Vietnamkrieg

Man kann ein Bild auch künstlerisch so gestalten das eine entsprechende Aussage dabei herauskommt.

So mit kann jeder Journalist auch in gewissen Maße manipulieren.
 
Es ging mir vor allem darum, zu zeigen, dass die Unterschrift eines Bildes einen wesentlichen Teil der Bildaussage transportiert, also je nachdem, wie man die Information aufbereitet oder was man dem Betrachter mitteilt und was man ihm vorenthält, manipuliert.
...
Was nichts daran ändert, dass es Lynchjustiz war.
Wenn man das Foto unter ethischen Gesichtspunkten betrachtet oder es zu strafrechtlichen Aufarbeitung verwenden will, hast Du völlig Recht.

Betrachtet man es hingegen als "historisches Dokument" (auch unter dem Aspekt zeitgeschichtlich-journalistischer Interessen), tritt etwas anderes in den Vordergrund: Wenn ich das besagte Foto anschaue, dann denke ich nicht zuerst an die individuellen Motive der Abgebildeten. Ich betrachtet die dargestellte Situation als erschreckend treffende Charakterisierung dieses Krieges, in dem es mit der Zeit möglich geworden war, auf offener Straße vor laufenden Kameras einen gefesselten Gefangenen über den Haufen zu schießen, ohne dass es jemanden großartig interessiert hätte. Ob der Schütze sich moralisch oder juristisch im Recht fühlen konnte, interessiert mich erst in zweiter Linie.

Ein Journalist, der nur eine Seite zeigt, oder Teile ausblendet, ist kein Journalist mehr, sondern schon ein Propagandist. Nun ist es natürlich so, dass das von einem sehr hohen ethischen Ross herunter formuliert ist, als Menschen haben wir alle mehr oder weniger bewusst eine Ideologie im Kopf...
Das Problem liegt nicht in einer vielleicht "unbemerkt wirkenden" Ideologie im Kopf des Fotografen. Es ist grundlegender: Ein Foto zeigt notgedrungen immer nur einen Ausschnitt aus der Wirklichkeit und blendet den ganzen Rest der Wirklichkeit aus. Es kann überhaupt nicht die ganze Wirklichkeit zeigen. Auch ohne jede Ideologie und ohne jede Manipulationsabsicht. Dass der berichtende Journalist gar nicht objektiv berichten kann, weil er subjektiv wahrnimmt und dementsprechend eine Sache für berichtenswert hält, eine andere aber nicht, kommt noch hinzu. Auch ohne dass "Manipulationsabsicht" eine Rolle spielen muss.

Ein objektives Bild für den Leser kann sich also nur ergeben, wenn er viele unterschiedliche Berichte von verschiedenen Journalisten zu sehen bekommt und mit einander in Beziehung setzt. Das kann man als Plädoyer für Pressevielfalt verstehen.

Bezogen auf den Vietnam-Krieg: Über den bekam die Öffentlichkeit sehr viele Informationen aus vielen unterschiedlichen Quellen. Und die Mehrzahl dieser Quellen vermittelte ein einheitliches Bild völliger Verrohung. So wurden Kameras zu Waffen, selbst wenn die Fotografen das nicht beabsichtigt hatten.

Demnach wurde die Kamera als Waffe der Amerikaner gegen die Amerikaner für die amerikanische Bevölkerung eingesetzt. Das erscheint mir unsinnig!
So sehe ich das nicht. Zustimmung in einem demokratischen Sinn muss zwingend eine informierte Zustimmung sein. Die Bilder vermittelten die Information, dass der Krieg in einer Weise geführt wurde, die nicht mit den Grundlagen der amerikanischen Demokratie konform war und deshalb nicht die rund 50.000 amerikanischen Gefallenen legitimieren konnte. Die Kamera wurde also nicht als Waffe gegen die Amerikaner eingesetzt, sondern allenfalls als Waffe gegen entfesselte Militärs.

MfG
 
Bezogen auf den Vietnam-Krieg: Über den bekam die Öffentlichkeit sehr viele Informationen aus vielen unterschiedlichen Quellen. Und die Mehrzahl dieser Quellen vermittelte ein einheitliches Bild völliger Verrohung. So wurden Kameras zu Waffen, selbst wenn die Fotografen das nicht beabsichtigt hatten.

Ob ein Krieg "verrohen" kann, oder ob die damit verbundenen Grausamkeiten fokussiert und damit bewusst(er) wurden, darüber kann man streiten.

Ob eine Masse/Vielfalt unterschiedlicher subjektiver Berichte eine objektive Meinungsbildung unterstützt oder diese sogar erst herbeiführte, kann man vielleicht auch ganz unterschiedlich betrachten und beantworten.

"Entfesselte" versus "gefesselte" Militärs in einem bewaffneten Konflikt sind vielleicht auch eine Frage der Gradwanderung für die (dieses hoffentlich bestimmende) Politik, soweit ich dazu die Diskussionslage verstehe. Dazu sind Ströme von Tinte geflossen.
 
Ob ein Krieg "verrohen" kann, oder ob die damit verbundenen Grausamkeiten fokussiert und damit bewusst(er) wurden, darüber kann man streiten...

Entschuldige bitte meine Vehemenz an dieser Stelle. Kriege "verrohen" immer, wo magst Du da in Bezug auf den "Verrohungsgrad" eine Grenze ziehen?

Ist der Infanterist der das Bajonett einsetzt "roher", als der Major in einem Silo der den Schlüssel dreht? Ist der Leutnant "roh", der sicherheitshalber über einem verdächtigen Dorf eine Tonne Napalm abwerfen läßt, um keinen eigenen Kameraden zu verlieren?

Kriege "verrohen" m.E. deshalb, weil sie gezielt gesellschaftliche Tabugrenzen überschreiten müssen und diese Grenzüberschreitung legitimiert wird.

Es gibt m.E. in der Kriegsgeschichte keinen Krieg, der nicht "Rohheitsakte" aufweist.

Um auf den Thread-Titel zurück zu kommen, nicht das einzelne Bild ist m.E. das Entscheidende, sondern die mediale Präsenz des Bildes.

M.
 
Melchior, genau das war doch mein Einwand!

Krieg ist in dem Sinne stets verroht, da gibt es nichts an Verrohung "zu steigern".

Steigen kann höchstens die öffentliche Wahrnehmung (wenn diese Grausamkeiten vorher nicht gesehen oder verdrängt worden sind).
 
Ob ein Krieg "verrohen" kann, oder ob die damit verbundenen Grausamkeiten fokussiert und damit bewusst(er) wurden, darüber kann man streiten.
Entschuldige bitte meine Vehemenz an dieser Stelle. Kriege "verrohen" immer, wo magst Du da in Bezug auf den "Verrohungsgrad" eine Grenze ziehen?
Och, nicht doch... Ich wollte hier keine Diskussion darüber lostreten, ob Krieg human sein kann. Sagen wir einfach, dass im Laufe der menschlichen Geschichten Regeln geschaffen wurden, die dabei helfen sollten, auch ein unmögliches Ding wie Krieg wenigstens einigermaßen unter Kontrolle zu halten. Stichwort humanitäres Völkerrecht. In Vietnam sind diese Regeln institutionalisiert missachtet worden. Das System des Bodycount ist nur ein Beispiel dafür, die Tolerierung von Drogenkonsum in den US-Streitkräften ein anderes, Entlaubungsprogramme ein weiteres...

Ob eine Masse/Vielfalt unterschiedlicher subjektiver Berichte eine objektive Meinungsbildung unterstützt oder diese sogar erst herbeiführte, kann man vielleicht auch ganz unterschiedlich betrachten und beantworten.
Man kann zu allen Themen unterschiedlicher Meinung sein. Und ich stehe halt auf dem Standpunkt, dass objektive Meinungsbildung von vornherein unmöglich wäre, wenn sie nicht aus subjektiver Berichterstattung erwachsen könnte, da es wegen der subjektiven Wahrnehmung der Welt nichts anderes als subjektive Berichterstattung geben kann. Die Forderung, dass Journalisten objektiv berichten müssen, ist blauäugig. Erfüllbar wäre sie nur, wenn Journalisten keine Menschen sondern Götter wären. Dass Subjektivität von Manipulationsabsicht zu unterscheiden ist, habe ich darzulegen versucht.

"Entfesselte" versus "gefesselte" Militärs in einem bewaffneten Konflikt sind vielleicht auch eine Frage der Gradwanderung für die (dieses hoffentlich bestimmende) Politik, soweit ich dazu die Diskussionslage verstehe. Dazu sind Ströme von Tinte geflossen.
Das ist das Schöne an der menschlichen Gemeinschaft. Sie findet immer wieder Gründe, zu bereits geflossenen Strömen von Tinte weitere Tröpfchen hinzuzufügen. Wäre auch schade, wenn es anders wäre. Dann würde hier zum Beispiel nicht mehr diskutiert.

Deine Hoffnung auf die Existenz einer bestimmenden Politik greift zu kurz. Es geht nicht nur um die Frage, OB die Politik etwas bestimmt, sondern vor allem auch um die Frage WIE sie es tut. Wie wir wissen, waren zum Beispiel die Aktionen der Wehrmacht politisch gewollt. Auch die Aktionen der US-Armee in Vietnam waren politisch gewollt. Bezogen auf Vietnam bedurfte es einer hinreichend informierten Öffentlichkeit, um die Kontrolle über das von der Politik entfesselte Militär zurückzugewinnen. Nazideutschland ist natürlich ein anderes Thema. Und legt das jetzt bitte nicht so aus, als würde ich die US-Regierung mit den Nazis auf eine Stufe stellen.

Die Vorstellung, dass die mediale Präsenz eines Bildes (oder allgemeiner: einer Information) einen Unterschied ausmachen würde, ist übrigens widerlegt. Untersuchungen haben gezeigt, dass öffentlich geäußerte Kritik bei den Verantwortlichen in Politik und Verwaltung nur dann zu Verhaltensänderungen führt, wenn jene Verantwortlichen selbst glauben, Fehler begangen zu haben. Können sie sich hingegen darauf berufen, dass sie Gesetze und Regeln formal korrekt befolgt haben, halten sie zumeist an ihrer Position fest, egal wie laut die Kritik ist. Die Macht der so genannten "vierten Gewalt" hält sich stark in Grenzen.

MfG
 
Die Kamera als Waffe- hab ich mal gebraucht ,als mir zwei nette Menschen in einer etwas übleren Gegend von Marseille dieselbe abnehmen wollten und das durch das Herzeigen von Springmessern verdeutlichten- ein mächtig schwerer Fehler,weil die Kamera am Trageriemen geschwungen Morgensternqualitäten enwickelt und stabiler ist als ein räuberisches Nasenbein.
Aber im Ernst : Zum Thema KAmera als Waffe/Propagandaobjekt und Vietnam fallen mir drei Fotos ein,die den Widerstand gegen den Vietnamkrieg auslösten bzw. symbolisierten:
´1)Eddie Adams
Die Erschießung Nguyễn Văn Léms durch den Polizeichef Nguyễn Ngọc Loan - Pulitzer-Preis 1968
2)Nick Ut
Das "Napalm-Mädchen"Kim Phuc -Pulitzer-Preis 1972
3)Und dann gab es noch das Foto eines fallenden GI
das es sogar als Poster gab (why ?)-leider keine Ahnung
von wem das war.

Diese drei Fotos waren Ende der Sechziger und Mitte der Siebziger die Ikonen der Anti-Vietnambewegung weltweit
und hingen fast in jeder Kommune am schwarzen Brett- und das weltweit !!! Die Wirkung war also immens.
Eddie Adams hat später mal gesagt,Nguyễn Ngọc Loan habe Nguyễn Văn Lém mit seiner Pistole getötet und er aber habe den Polizeigeneral mit seiner Kamera getötet.
 
Auf Anhieb fallen mir zwei Namen ein: Robert Capa (1954 in Indochina durch einen Fehltritt auf eine Mine gestorben). ......
Capa war bekannt als ein Fotograf, der sich nicht als neutraler Beobachter sondern als Teilnehmer empfunden hat.

zu Capa (der heute seinen 100. Geburtstag hätte) :

Robert Capa: Seine Kamera hielt er sogar noch im Tod in den Händen - Kultur - Home - Westdeutsche Zeitung

The Magnificent Eleven: The D-Day Photographs of Robert Capa

Incredible war photos of Robert Capa, born 100 years ago this week | Mail Online



(Auslassungszeichen .... im Zitat von Maelonn durch mich)
 
zu Capa (der heute seinen 100. Geburtstag hätte)...
Happy Birthday, Endre!

Schon erstaunlich, dass ein Mann, der "nur" Fotos gemacht hat, noch heute so präsent ist, stimmts? Capa ist seit Jahrzehnten tot, aber seine Waffe ist immer noch scharf...

@beetle: Danke für die Links. Bist ein toller Käfer!

MfG
 
Während der Einsatz der Kamera als Waffe in der indirekten Kriegsführung/Propaganda hier schon recht ausführlich behandelt wurde, ist der Einsatz von Kameras als Teil direkter militärischer Operationen bislang nicht beleuchtet worden (außer, man lässt zaphods Morgensternbeispiel gelten).

Dieser Aspekt scheint mir aber sehr interessant zu sein. Zu fragen wäre, inwiefern das US-Militär in seiner strategischen Kriegsplanung auf Foto und Film als Mittel der Aufklärung, Erfolgsanalyse, Truppenausbildung o. ä. gesetzt hat (wobei im letzteren Fall die Grenzen schon wieder fließend sein dürften).

Zuallererst wäre da vielleicht an einen möglichen Zusammenhang von fotografischer Luftaufklärung und dem Einsatz von Agent Orange zu denken - auch wenn ich auf die Schnelle keine konkreten Belege beibringen kann.
 
Während der Einsatz der Kamera als Waffe in der indirekten Kriegsführung/Propaganda hier schon recht ausführlich behandelt wurde, ist der Einsatz von Kameras als Teil direkter militärischer Operationen bislang nicht beleuchtet worden (außer, man lässt zaphods Morgensternbeispiel gelten).

Dieser Aspekt scheint mir aber sehr interessant zu sein. Zu fragen wäre, inwiefern das US-Militär in seiner strategischen Kriegsplanung auf Foto und Film als Mittel der Aufklärung, Erfolgsanalyse, Truppenausbildung o. ä. gesetzt hat (wobei im letzteren Fall die Grenzen schon wieder fließend sein dürften).

Zuallererst wäre da vielleicht an einen möglichen Zusammenhang von fotografischer Luftaufklärung und dem Einsatz von Agent Orange zu denken - auch wenn ich auf die Schnelle keine konkreten Belege beibringen kann.
(Hervorhebung durch mich)

So gesehen kann ja die Überschrift des Threads auch irreführend sein.

Denn selbstverständlich war seit Beginn der Fotografie diesselbe auch Mittel der Militärs. Das beginnt mit der fotografischen Dokumentation der Luftaufklärung aus Fesselballons im 19. Jhd. und geht bis zum entsprechenden Einsatz von Aufklärungsdrohnen der Gegenwart.
Und hier ist ja die Kamera tatsächlich Waffe,
etwa für die Zielortbestimmung oder dafür zu sehen ob eine gewünschte Zerstörung auch tatsächlich eintrat oder ob eine entsprechende Anstrengung wiederholt oder verändert werden muss.

Betrachtet man aber die fotografische Darstellung etwaiger Kriegsgräuel auch als "Waffe", wird der Begriff recht beliebig.
Denn man könnte ja dann die Threadüberschrift ebenso, und vielleicht auch besser, so formulieren: "Die Kamera als Antiwaffe - Bsp. Vietnamkrieg".
 
Kameras machen Fotos. Die wiederrum bilden einen kleinen Teil des Geschehens ab, abhängig von den Vorlieben oder Abneigungen des Benutzers. Fotos sind immer eindimensional, sie zeigen nicht, was links oder rechts passiert, sondern sie zeigen lediglich Ausschnitte eines Gesamtgeschehens. Von daher ist die Möglichkeit, Fotos propagandistsch einzusetzen und durch die heutige Bearbeitungstechnik so zu manipulieren, daß sie einen bestimmten Eindruck vermitteln, sehr verführerisch. Ich bin mir sicher, daß das zu allen Zeiten so war, gerade was die Kriegsberichterstattung angeht.
 
Kameras machen Fotos. Die wiederrum bilden einen kleinen Teil des Geschehens ab, abhängig von den Vorlieben oder Abneigungen des Benutzers. Fotos sind immer eindimensional, sie zeigen nicht, was links oder rechts passiert, sondern sie zeigen lediglich Ausschnitte eines Gesamtgeschehens. Von daher ist die Möglichkeit, Fotos propagandistsch einzusetzen und durch die heutige Bearbeitungstechnik so zu manipulieren, daß sie einen bestimmten Eindruck vermitteln, sehr verführerisch. Ich bin mir sicher, daß das zu allen Zeiten so war, gerade was die Kriegsberichterstattung angeht.

Richtig. Fotos zeigen immer nur einen winzigen Ausschnitt aus einem Gesamtgeschehen. Eine Technik, die das Gesamtgeschehen festhalten könnte, ist leider noch nicht entwickelt worden. Trotzdem: Das winzige Stückchen des Gesamtgeschehens, das auf einem Foto festgehalten werden kann, ist ein Stückchen "Wahrheit". Jedenfalls meistens. Das gilt sogar dann, wenn das Foto zu Propagandazwecken und in Manipulationsabsicht hergestellt und verwendet wurde. Wenn der Betrachter in der Lage ist, das einzelne Bild in einen größeren Zusammenhang zu stellen, verfehlt Manipulationsabsicht ihre Wirkung.

Hier mal zwei Links zu Fotos, die seinerzeit zu Propagandazwecken entstanden sind und heute das genaue Gegenteil dessen beweisen, was die Propaganda den Menschen damals einreden wollte:

Herder-Institut: IM OBJEKTIV DES FEINDES

http://www.kuwi.europa-uni.de/de/le...ell/presse_oeffentlichkeit/MOZ_2010_06_24.pdf

Warum beweisen diese Bilder heute das Gegenteil dessen, was sie damals behaupten sollten? Sie zeigen doch genau das gleiche, was sie damals gezeigt haben. Ihre Bildaussage hat sich deshalb ins Gegenteil verkehrt, weil wir heute dank unserer Bildung und dank unseres Zugangs zu Informationen die Bilder in den Zusammenhang stellen, in den sie GEHÖREN, und nicht mehr in den Zusammenhang, in den die Auftraggeber seinerzeit diese Bilder STELLEN WOLLTEN.

Oder anders ausgedrückt: Wann immer man ein Bild betrachtet, muss man sich bewusst sein, dass es nur einen kleinen Ausschnitt der Wirklichkeit zeigt. Und dass es andere Ausschnitte der Wirklichkeit gibt. Diese anderen Ausschnitte der Wirklichkeit muss man suchen und finden, um ein beliebiges Foto sachgerecht in einen Zusammenhang einordnen zu können. Wer sein Weltbild auf ein einziges Foto gründet, ist offen für jede Manipulations- und Propagandaabsicht.

Daraus folgt: Propagandistische Manipulationsabsicht richtet sich weniger auf die Fotos als vielmehr auf die Köpfe der Betrachter. Um zu manipulieren, muss man an einem Foto im Zweifel gar nichts verändern. Es reicht, wenn man das Foto in einem Zusammenhang präsentiert, in den es in Wahrheit nicht gehört. Diese Manipulation ist dann erfolgreich, wenn der Betrachter nicht merkt, dass ihm ein "Ausschnitt der Realtiät" in einem falschen Zusammenhang präsentiert wurde. Voraussetzung dafür ist es, dass der Manipulator die Kontrolle darüber hat, welche Informationen dem Betrachter zugänglich sind und - vor allem - welche Informationen ihm NICHT zugänglich sind. Das ist dann allerdings kein Defizit des "Mediums Fotografie". Es ist ein Defizit des Betrachters. Manipulation spielt nicht mit Fotos, sondern mit der Dummheit des Betrachters.

Bezogen auf die Ausgangsfrage und den Vietnam-Krieg heißt das: Manipulationsabsichten funktionierten hier irgendwann nicht mehr, weil mit der ungebremsten Bilderflut von dem Kriegsschauplatz irgendwann so viele Fotos zu den Menschen gelangten, dass es den Verantwortlichen nicht mehr gelungen ist, diese Vielzahl der Bilder in falsche Zusammenhänge zu stellen.

Nehmen wir als Beispiel das hier schon angesprochene Nick-Ut-Foto von dem kleinen, nackten, verbrannten Mädchen: Wenn es nur dieses eine Bild gegeben hätte, dann wäre es den "Herrschenden" leicht gefallen, zu behaupten, dass hier Opfer einer erbarmungslosen Gräueltat der Vietcong in die Sicherheit der Verteidiger der Freiheit flüchteten... Das war aber keine Option mehr. Allzuviele andere Fotos (und Textinformationen!) hatten schon längst dazu geführt, dass eine breite Öffentlichkeit zu gut informiert war, um auf so eine Lüge noch hereinzufallen.

So gesehen kann man durchaus die Auffassung vertreten, dass Fotos tatsächlich Waffen waren, die den Vietnam-Krieg entschieden haben. Diese "Waffen" haben nicht erreicht, dass die USA den Krieg militärisch verloren haben. Sie haben "nur" erreicht, dass die US-Regierung keine glaubwürdige Legitiomation mehr nennen konnte, um den Krieg weiter zu führen.

Daraus wiederum folgt: Das Nick-Ut-Foto ist zwar zu einer Ikone der Friedensbewegung geworden. Dieses Foto allein hätte aber gar nichts bewirkt. Wirkung hat es nur entfaltet, weil es eine bereits gefestigte allgemeine Meinung bestätigt hat. Und zur Ikone wurde es, weil es diese allgemeine Meinung in besonders symbolhafter Weise bestätigt hat.

MfG
 
Aber im Ernst : Zum Thema KAmera als Waffe/Propagandaobjekt und Vietnam fallen mir drei Fotos ein,die den Widerstand gegen den Vietnamkrieg auslösten bzw. symbolisierten:
´1)Eddie Adams
Die Erschießung Nguyễn Văn Léms durch den Polizeichef Nguyễn Ngọc Loan - Pulitzer-Preis 1968
...
Eddie Adams hat später mal gesagt,Nguyễn Ngọc Loan habe Nguyễn Văn Lém mit seiner Pistole getötet und er aber habe den Polizeigeneral


Adams Foto wird im War Museum in Ho Chi Minh-City zur Veranschaulichung von Kriegsverbrechen gezeigt. Hanoi sattelte noch im Verlauf der TET-Offensive auf, nachdem erst nach einigen Tagen die öffentliche Wahrnehmung darüber kippte, insbesondere nach der Kennedy-Rede. Adams sah das anders, unmittelbar danach und auch Jahre später, als es darüber und Loan betreffend in den USA ein Gerichtsverfahren geben sollte:

"One of Loan’s most ardent defenders throughout the controversy was Eddie Adams. The INS asked Adams to testify against Loan, but Adams said he would stand for the defense instead. Adams had spent time covering Loan after “Saigon Execution” was published, and he wrote a sympathetic profile of the general on the eve of Little Tet. “I had been up staying with him for a few weeks, actually just gone with him throughout Vietnam, and found out the guy was very well loved by the Vietnamese,” Adams said. “He was a hero to them, you know. So he wasn’t the idiot that he was taken to be . . . and it just saddens me that none of this has really come out. Adams, who over his career photographed 13 wars, understood the ambiguous moral context that Loan had been in when he took the photo. “I’m not saying what Loan did was right,” Adams said, “but this was in the middle of a war and he was shooting an enemy, a real bad guy. People tend to forget what that guy and his buddies did to a lot of innocent citizens.”

Adams visited Loan in Washington in 1969 after he won the Pulitzer, and tried to apologize for the photograph. Loan stayed him. “What is past is past,” he said. “To be alive or dead, to be liked or not liked, it doesn’t matter. Life belongs to Buddha, to God, to whatever it is that is higher than me.” Adams said he would donate his prize money, and an article published at the time of the INS debate stated that if Adams could change the past, he would not have taken the picture for which he was so famous. “I was getting money for showing one man killing another. Two lives were destroyed, and I was getting paid for it.” He added, with evident sarcasm, “I was a hero.”

Adams dazu auch: "Photos lie". Das war auf die verselbständige öffentliche Wirkung und kontextlose Wahrnehmung bezogen. Natürlich bildet das Foto "Wirklichkeit" ab (hier das Grauen des Krieges), deren weitergehende Interpretation - ob nun manipuliert oder völlig eigenständig unbeeinflusst - beim Betrachter liegt.

Zitat nach Robbins, This time we win - TET-Offensive revisited, 2010 sowie Willbanks, The Tet Offensive : a concise history, 2008. Beide mit detaillierter Historie des Fotos, der Akteure und des medialen und politischen Verarbeitungsprozesses.
 

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Presse und öffentliche Meinung in den USA: 1. die Glaubwürdigkeitslücke:

Das Problem wird mit dem Schlagwort Five O'Clock Follies auf den Punkt gebracht, die skeptische Haltung der Medien zu den täglichen Lageberichterstattungen:

"The Five O’Clock Follies was so-named because of the little trust that reporters had in the information presented by those briefings. In reality, this distrust of official information provided to the press began in the advisory period during the John F. Kennedy administration, when U.S. information sources in Saigon were obligated to stress the positive side of the conflict. As the war escalated under the Lyndon B. Johnson administration and with the Americanization of the war, pressure to stress damage done to the Communists while limiting the impact of that to the United States and its allies led to what became known as a credibility gap. "

Auszug aus EoVW, Artikel Five O'Clock Follies.

Das grundsätzliche Misstrauen und der Zynismus strahlte zunehmend auf jedwede Lageberichterstattung aus, ob richtige oder falsche, ob propagandistisch eingefärbt oder nur "Fakten", und dazu folgen bedeutenden Beispiele aus dem Kontext der TET-Offensive.
Five O'Clock Follies - Wikipedia, the free encyclopedia

Als Kontext ist zudem bedeutsam, welches hohe Vertrauen auf wahrheitsgemäße Berichterstattung und damit verbundenen Respekt Presse und TV beim breiten Publikum in diesem Jahrzehnt genossen.

Insbesondere die TV-Sendungen wurden von den breiten Zuhörerkreis als unbedingt richtig bewertet, jedwede Kommentare als Expertenwissen empfunden.

Die Wende in der Berichterstattung kann an der TET-Offensive 1968 gut aufgezeigt werden, die bzgl. Vietnam als Wende angesehen wird:

Johnson und Westmooreland: die "Fortschritte" und das kommende Ende des Krieges
Westmooreland, Keh Sanh und "DinBinPhoo"
Die "Panzerwalze" von Lang Vei
das "Walter-Cronkite Moment"
Die Erstürmung der US-Botschaft in Saigon: Drinnen oder doch nicht drinnen?
die "Saigon-Exekution", das Foto von Adams
TET: die berichtete Niederlage und die Spekulationen über die nächsten Offensiven

Diese medialen Reaktionen stehen in Zusammenhang mit der bereits bestehenden Glaubwürdigkeits"lücke". Fraglich ist, welche Auswirkungen sie tatsächlich hatten, und ob die weit verbreitete allgemeine Anschauung vom Wendepunkt TET-Offensive richtig ist.
 
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