G.Abdel Nasser
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Lang aber lesenswert!
DIE MAUREN
Sie forderten das Abendland heraus und bereicherten es – 800 Jahre herrschte die muslimisch-maurische Kultur in Spanien – sein Gesicht wird davon bis heute geprägt
Von Hans Wagner
EM 01-03 · 24.01.2003
EM - „Spanien! Das ist der Traum, die Erfüllung, die Krone des Arabertums. Wenn es eine Steigerung gab, dann hat sie sich in Spanien oder – wie der Araber sagt – in Andalusien vollzogen.“ So schreibt die Religionswissenschaftlerin und Historikerin Sigrid Hunke in ihrem berühmten Standardwerk über den arabischen Einfluß auf Europa, mit dem Titel „Allahs Sonne über dem Abendland“.
781 Jahre herrschten die Araber auf der iberischen Halbinsel. Das ist ein Zeitraum, vergleichbar dem vom Sieg Dschingis Khans über Rußland im Jahr 1223 bis zur Wahl Wladimir Putins zum Präsidenten im Kreml im März 2000. Oder von der Zeit Kaiser Friedrich I. Barbarossa im 12. Jahrhundert bis zur Regierungszeit Kanzler Adenauers in der Bundesrepublik Deutschland nach dem Zweiten Weltkrieg.
Die arabische Herrschaft in Spanien und damit die des Islam währte von 711 bis 1492, dem Jahr als Christopher Columbus für Spanien den amerikanischen Kontinent entdeckte. Sie war also keine Episode, sondern eine fast 800 Jahre währende Epoche. Wenn heute von dieser Zeit die Rede ist, wird von der Herrschaft der Mauren in Spanien gesprochen. Der Name geht zurück auf das römische „Mauri“ für einen Berberstamm. Aus dieser Bezeichnung leitet sich das spanische „Moros“ ab.
In Iberia herrschten Phönizier, Griechen, Kelten, Karthager, Römer und Goten
Seit der Antike war die riesige Halbinsel im Südwesten des eurasischen Kontinents schon für viele Völkerschaften ein begehrter Siedlungsraum. Etwa 1100 v.Chr. landeten hier phönizische Seefahrer, die von der Ostküste des Mittelmeers kamen, aus dem heutigen Libanon. Sie gründeten Kolonien, mit denen sie dann umfangreichen Handel trieben. Die bedeutendste dieser Kolonien war Gadir, das heute Cadiz heißt.
Als vorherrschende mediterrane Seemacht wurden die Phönizier 300 Jahre später von den Griechen abgelöst. Diese gründeten ihrerseits ab 800 v.Chr. Kolonien, unter anderem das später berühmte Sagunto. Die Griechen bezeichneten die Randgebiete der ihnen bekannten Welt als „Iberia“. Dazu zählte bis zu dieser Zeit auch die spanische Halbinsel, die sie iberisch nannten. Ein Name, der sich bis heute erhalten hat. Die hier bereits ansässigen Völkerstämme wurden von den Griechen als Iberer bezeichnet.
Um 600 v.Chr. drangen keltische Stämme ein, die sich mit den Iberern mischten und fortan „Keltiberer“ genannt wurden. Sie siedelten vornehmlich im Gebiet des heutigen Portugals. Die um 535 v.Chr. folgenden Karthager waren zu dieser Zeit bereits eine bedeutende Seemacht am Mittelmeer. Mit dem Griff nach der iberischen Halbinsel versuchte Karthago seine Machtposition zu stärken. Die Halbinsel wurde in den folgenden Jahrhunderten wegen ihrer einmaligen geographischen Lage zwischen dem Atlantik und dem Mittelmeer zu einem begehrten, strategischen Objekt.
Das aufstrebende römische Reich drang aus diesem Grund ebenfalls auf das Territorium des heutigen Spaniens vor. Die Auseinandersetzung mit der konkurrierenden Macht Karthago war vorprogrammiert. Als die Karthager die von den Römern beherrschte alte Griechensiedlung Saguntos im Jahre 219 v. Chr. belagerten, kam es zu schweren Kämpfen. Eine erste römische Entsatzarmee wurde von den Karthagern geschlagen. Es kam zu einem Jahre andauernden Krieg zwischen den beiden Mächten, der mit dem Sieg der Römer in der Schlacht von Llipa endete. Damit gehörte die Halbinsel als eigene Provinz zum römischen Reich. Auch der Name ‚Hispania‘, der offenbar phönizischen Ursprungs ist, wurde von den Römern übernommen und gilt über alle späteren Wirren der Geschichte hinweg bis heute.
Rom eroberte und kolonialisierte ganz Spanien. Die lateinische Sprache, die römische Zivilisation und später auch das Christentum wurden eingeführt. Von der Halbinsel kamen mit Trajan (98-117) und seinem Adoptivsohn Hadrian (117-138) die ersten Kaiser aus einer der nichtitalienischen Provinzen des Reiches.
Nach rund 600 Jahren, um 400 n.Chr., als das Weströmische Reich sich zu Ende neigte, drangen erste germanische Nachfolgestaaten auf römischen Boden vor: Sweben, Wandalen, Alanen, Westgoten. Mit der Eroberung der Provinz Terraconensis 474 durch den Westgotenkönig Eurich, der 468 nach Spanien einmarschiert war, schied die Halbinsel faktisch aus dem römischen Reichsverband aus. Die Westgoten brachten im Laufe des 6. Jahrhunderts fast ganz Spanien unter ihre Herrschaft. Sie regierten von der Hauptstadt Toledo aus.
Die Mauren kamen im Namen des Kalifen von Nordafrika über das Meer
Nachdem Anfang des 7. Jahrhunderts der Prophet Mohammed auf der Arabischen Halbinsel die Botschaft des Islams verkündet und ein erstes islamisches Staatswesen gegründet hatte, entwickelten seine Anhänger in der Folgezeit einen außergewöhnlichen Expansionsdrang. Bis zum Tode des Propheten im Jahr 632 war ganz Arabien unterworfen. Unter den ersten Kalifen (arabisch für „Nachfolger“) dehnte sich das islamische Reich gewaltig aus. Zu Beginn des 8. Jahrhunderts reichte seine Macht bereits bis an die Grenzen Indiens im Osten und bis an die Atlantikküste Nordafrikas im Westen.
Zur Zeit der Herrschaft des Kalifen Walid I. (705-715) begann die Geschichte der Eroberung Spaniens durch die Araber. Als das Westgotenreich auf der iberischen Halbinsel von inneren Krisen geschüttelt wurde, blieb dies den muslimischen Truppenführern an der gegenüberliegenden Küste Nordwestafrikas nicht verborgen. Im Sommer 711 setzte der Offizier des Kalifen, Tariq Ibn Ziyad, mit 7 000 Soldaten über die Meerenge zwischen dem afrikanischen und europäischen Kontinent. Der in das Meer vorspringende Berg, an dem die muslimischen Araber landeten, erhielt später den Namen "Berg des Tariq", arabisch "djabal at-Tariq", woraus sich der heutige spanische Namen dieses Ortes ableitet: Gibraltar.
Der den Invasoren entgegeneilende Westgotenkönig wurde mit seinem Heer geschlagen, und wenig später ergab sich auch Toledo. Damit fand die Herrschaft der Westgoten ihr Ende. In den folgenden Jahren gelangte nahezu die gesamte Halbinsel unter muslimische Herrschaft und wurde Provinz des islamischen Kalifats.
DIE MAUREN
Sie forderten das Abendland heraus und bereicherten es – 800 Jahre herrschte die muslimisch-maurische Kultur in Spanien – sein Gesicht wird davon bis heute geprägt
Von Hans Wagner
EM 01-03 · 24.01.2003
EM - „Spanien! Das ist der Traum, die Erfüllung, die Krone des Arabertums. Wenn es eine Steigerung gab, dann hat sie sich in Spanien oder – wie der Araber sagt – in Andalusien vollzogen.“ So schreibt die Religionswissenschaftlerin und Historikerin Sigrid Hunke in ihrem berühmten Standardwerk über den arabischen Einfluß auf Europa, mit dem Titel „Allahs Sonne über dem Abendland“.
781 Jahre herrschten die Araber auf der iberischen Halbinsel. Das ist ein Zeitraum, vergleichbar dem vom Sieg Dschingis Khans über Rußland im Jahr 1223 bis zur Wahl Wladimir Putins zum Präsidenten im Kreml im März 2000. Oder von der Zeit Kaiser Friedrich I. Barbarossa im 12. Jahrhundert bis zur Regierungszeit Kanzler Adenauers in der Bundesrepublik Deutschland nach dem Zweiten Weltkrieg.
Die arabische Herrschaft in Spanien und damit die des Islam währte von 711 bis 1492, dem Jahr als Christopher Columbus für Spanien den amerikanischen Kontinent entdeckte. Sie war also keine Episode, sondern eine fast 800 Jahre währende Epoche. Wenn heute von dieser Zeit die Rede ist, wird von der Herrschaft der Mauren in Spanien gesprochen. Der Name geht zurück auf das römische „Mauri“ für einen Berberstamm. Aus dieser Bezeichnung leitet sich das spanische „Moros“ ab.
In Iberia herrschten Phönizier, Griechen, Kelten, Karthager, Römer und Goten
Seit der Antike war die riesige Halbinsel im Südwesten des eurasischen Kontinents schon für viele Völkerschaften ein begehrter Siedlungsraum. Etwa 1100 v.Chr. landeten hier phönizische Seefahrer, die von der Ostküste des Mittelmeers kamen, aus dem heutigen Libanon. Sie gründeten Kolonien, mit denen sie dann umfangreichen Handel trieben. Die bedeutendste dieser Kolonien war Gadir, das heute Cadiz heißt.
Als vorherrschende mediterrane Seemacht wurden die Phönizier 300 Jahre später von den Griechen abgelöst. Diese gründeten ihrerseits ab 800 v.Chr. Kolonien, unter anderem das später berühmte Sagunto. Die Griechen bezeichneten die Randgebiete der ihnen bekannten Welt als „Iberia“. Dazu zählte bis zu dieser Zeit auch die spanische Halbinsel, die sie iberisch nannten. Ein Name, der sich bis heute erhalten hat. Die hier bereits ansässigen Völkerstämme wurden von den Griechen als Iberer bezeichnet.
Um 600 v.Chr. drangen keltische Stämme ein, die sich mit den Iberern mischten und fortan „Keltiberer“ genannt wurden. Sie siedelten vornehmlich im Gebiet des heutigen Portugals. Die um 535 v.Chr. folgenden Karthager waren zu dieser Zeit bereits eine bedeutende Seemacht am Mittelmeer. Mit dem Griff nach der iberischen Halbinsel versuchte Karthago seine Machtposition zu stärken. Die Halbinsel wurde in den folgenden Jahrhunderten wegen ihrer einmaligen geographischen Lage zwischen dem Atlantik und dem Mittelmeer zu einem begehrten, strategischen Objekt.
Das aufstrebende römische Reich drang aus diesem Grund ebenfalls auf das Territorium des heutigen Spaniens vor. Die Auseinandersetzung mit der konkurrierenden Macht Karthago war vorprogrammiert. Als die Karthager die von den Römern beherrschte alte Griechensiedlung Saguntos im Jahre 219 v. Chr. belagerten, kam es zu schweren Kämpfen. Eine erste römische Entsatzarmee wurde von den Karthagern geschlagen. Es kam zu einem Jahre andauernden Krieg zwischen den beiden Mächten, der mit dem Sieg der Römer in der Schlacht von Llipa endete. Damit gehörte die Halbinsel als eigene Provinz zum römischen Reich. Auch der Name ‚Hispania‘, der offenbar phönizischen Ursprungs ist, wurde von den Römern übernommen und gilt über alle späteren Wirren der Geschichte hinweg bis heute.
Rom eroberte und kolonialisierte ganz Spanien. Die lateinische Sprache, die römische Zivilisation und später auch das Christentum wurden eingeführt. Von der Halbinsel kamen mit Trajan (98-117) und seinem Adoptivsohn Hadrian (117-138) die ersten Kaiser aus einer der nichtitalienischen Provinzen des Reiches.
Nach rund 600 Jahren, um 400 n.Chr., als das Weströmische Reich sich zu Ende neigte, drangen erste germanische Nachfolgestaaten auf römischen Boden vor: Sweben, Wandalen, Alanen, Westgoten. Mit der Eroberung der Provinz Terraconensis 474 durch den Westgotenkönig Eurich, der 468 nach Spanien einmarschiert war, schied die Halbinsel faktisch aus dem römischen Reichsverband aus. Die Westgoten brachten im Laufe des 6. Jahrhunderts fast ganz Spanien unter ihre Herrschaft. Sie regierten von der Hauptstadt Toledo aus.
Die Mauren kamen im Namen des Kalifen von Nordafrika über das Meer
Nachdem Anfang des 7. Jahrhunderts der Prophet Mohammed auf der Arabischen Halbinsel die Botschaft des Islams verkündet und ein erstes islamisches Staatswesen gegründet hatte, entwickelten seine Anhänger in der Folgezeit einen außergewöhnlichen Expansionsdrang. Bis zum Tode des Propheten im Jahr 632 war ganz Arabien unterworfen. Unter den ersten Kalifen (arabisch für „Nachfolger“) dehnte sich das islamische Reich gewaltig aus. Zu Beginn des 8. Jahrhunderts reichte seine Macht bereits bis an die Grenzen Indiens im Osten und bis an die Atlantikküste Nordafrikas im Westen.
Zur Zeit der Herrschaft des Kalifen Walid I. (705-715) begann die Geschichte der Eroberung Spaniens durch die Araber. Als das Westgotenreich auf der iberischen Halbinsel von inneren Krisen geschüttelt wurde, blieb dies den muslimischen Truppenführern an der gegenüberliegenden Küste Nordwestafrikas nicht verborgen. Im Sommer 711 setzte der Offizier des Kalifen, Tariq Ibn Ziyad, mit 7 000 Soldaten über die Meerenge zwischen dem afrikanischen und europäischen Kontinent. Der in das Meer vorspringende Berg, an dem die muslimischen Araber landeten, erhielt später den Namen "Berg des Tariq", arabisch "djabal at-Tariq", woraus sich der heutige spanische Namen dieses Ortes ableitet: Gibraltar.
Der den Invasoren entgegeneilende Westgotenkönig wurde mit seinem Heer geschlagen, und wenig später ergab sich auch Toledo. Damit fand die Herrschaft der Westgoten ihr Ende. In den folgenden Jahren gelangte nahezu die gesamte Halbinsel unter muslimische Herrschaft und wurde Provinz des islamischen Kalifats.