Die Opferung der Hochseeflotte im Oktober 1918?

Ein Argument, das für eine sinnvolle militärische Operation sprechen würde, ist, dass die Militärs den Krieg ja als noch lange nicht verloren ansahen (siehe auch die Dolchstoßlegende) und es deshalb auch keinen Sinn machen würde, die vollkommen intakte Hochseeflotte zu opfern.
Jeder weitere Verlust im Herbst 1918 war vor dem Hintergrund der unabwendbar aufziehenden, totalen Niederlage des Deutschen Reiches eine militärisch und politisch völlig sinnlose Opferung...
Man sollte sich die Chronologie der Ereignisse genau vergegenwärtigen: Die OHL hatte am 29.09.1918 erklärt, der Krieg wäre verloren und man müsse einen Waffenstillstand anbahnen; daran erinnert sich auch Wilhelm II. (Ereignisse und Gestalten, S. 234). Seitdem war "Abwicklung" angesagt bzw. die Frage, was dazu zu tun ist. Dem Gegner den Sieg so kostspielig wie möglich machen? Ihm gar noch 5 vor 12 die Lust am Siegen nehmen? Oder: den Millionen Opfern eines verlorenen Krieges nicht noch weitere hinfügen?

Ein weites Thema also, das ich so einschätze wie silesia. Rational urteilende Soldaten und Politiker wussten das im Oktober 1918 auch und waren imstande, Konsequenzen daraus zu ziehen. [1]

Im Zusammenhang mit Begriffen wie "Opfer" und "Ehre", auf die noch gesondert einzugehen wäre, halte ich noch die Frage für wichtig, inwieweit die geplante Aktion von der Marineleitung mit der politischen Reichsleitung einerseits, mit der Obersten Heeresleitung andererseits abgestimmt war. Bekanntlich hat Reichskanzler Max von Baden vor dem Untersuchungsausschuss dargelegt, er zumindest sei nicht informiert gewesen (zitiert nach Simsa, S.277).

Es [der Operationsbefehl vom 24.10.1918] war also ein gut durchdachter und durchaus aussichtsvoller Operationsplan. ... Ein Risiko war es allemal!
...dass Militärs aller Länder ebenfalls überwiegend die Meinung von Köbis17 vertreten. War die Aktion aussichtsreich, so war sie eben aussichtsreich ...
Wozu sollte dann diese Aktion vor dem Hintergrund der militärischen Gesamtlage dienen ...?
Es versteht sich von selbst, dass die Meinungen zu den Erfolgsaussichten geteilt sind. Aber vielleicht sollte man - silesias grundsätzliche Skepsis gegenüber der Spekulation kurz beiseite gelassen - etwas Zeit darauf verwenden, zu klären, worin denn - auf der Basis der gegebenen Kräfterelationen und der militärischen Situation insgesamt - die "Aussicht" genau bestand. Da entsprechende Aussagen von "Militärs aller Länder" zur Verfügung stehen (admiral), dürfte das kein Problem sein.

Ich frage auch vor dem Hintergrund einer schriftlichen Äußerung Admiral Scheers nach der Skagerrakschlacht: Seines Erachtens werde "selbst der glücklichste Ausgang einer Hochseeschlacht England in diesem Kriege nicht zum Frieden zwingen ... auch nicht, wenn die Unterseeboote für militärische Zwecke voll verfügbar sind" (zitiert nach Simsa, Marine intern, S. 279).

Auf der anderen Seite könnte man auch unterstellen, dass das Marine-Oberkommando die Seeschlacht im Skagerrak sorgfältig analysiert hatte und dann nach reiflicher Überlegung zu dem Schluss kam, dass die Erfolgschancen und Randbedingungen der Operation im Oktober 1918 sehr viel günstiger wären als 1916.
Vizeadmiral a.D. Galster hat in seiner schriftlichen Äußerung zum "Einsetzen der Hochseeflotte im Oktober 1918" (Ursachen..., 4. Reihe, Bd. 10/I, S. 357 ff.) hierzu Stellung genommen und kommt zum Ergebnis, dass die Lage 1918 deutlich schlechter war als 1916, und zwar nicht nur quantitativ, sondern auch qualitativ, d. h. es wäre den Briten binnen zweier Jahre gelungen, bestimmte Mängel abzustellen; er bestätigt ausdrücklich die Auffassung von Schoultz, "daß die Engländer von den Erfahrungen der Skagerrakschlacht mehr Nutzen gehabt haben als die deutsche Marine" (S. 366).


[1] Ich bitte diesen Satz als Reflex auf eine bedrückende Lektüre zu verstehen: Andreas Kunz (Wehrmacht und Niederlage. Die bewaffnete Macht in der Endphase der nationalsozialistischen Herrschaft 1944-1945, München: Oldenbourg 2005) zeigt, wie weit irrationales Denken nicht nur bei Hitler, sondern auch bei vielen seiner Generale vorherrschte, was dazu führte, dass im letzten Kriegsjahr mehr deutsche Soldaten starben als in den gesamten vorhergehenden Kriegsjahren.
 
Die Pflaumen sind doch hinterher gar nicht zu ihren Plänen gestanden.
Das ging Monate bis überhaupt konkretes zu den Absichten bekannt wurde.
Dass die Heizer und Matrosen recht hatten mit ihren Befürchtungen.
Zuvor wurde immer abgewiegelt, siehe oben "Fischkutter erschrecken".

Pflaumen, Flaschen, Feiglinge. Des Kaisers verhätschelte Seeoffiziere.


Ich muss meine Aussage korrigieren.
Es ging vergingen nicht Monate, es vergingen Jahre.
Trotha plauderte im Münchner "Dolchstoßprozess" (1925?) erstmals aus dem Nähkästchen. Zuvor war immer alles abgeleugnet worden.

Das ist nun aber keineswegs die typische Verhaltensweise, wenn man an einem aussichtsreichen Vorhaben gehindert wurde.
 
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Trotha plauderte im Münchner "Dolchstoßprozess" (1925?) erstmals aus dem Nähkästchen. Zuvor war immer alles abgeleugnet worden.
Das ist nun aber keineswegs die typische Verhaltensweise, wenn man an einem aussichtsreichen Vorhaben gehindert wurde.

Hallo Repo, völlig richtig,
hast Du den Trotha-Vermerk in #40 gesehen?
 
Die in #33 angesprochenen Literaturnachweise zu den Erfolgsaussichten aus militärischer Sicht findet man bei Groß, Gerhard Paul, Die Seekriegsführung der Kaiserlichen Marine 1918 in einer weiterführenden Fussnote.

Das Vergleich der Schiffslisten verkennt, dass der Kaiserlichen Marine das deutsche Defizit durchaus bekannt war. Man schaute sich alternative Waffen genau an und so gehörten beispielsweise deutsche Minen zu den effektivsten Kampfmittel (nur den Deutschen gelang es einen Dreadnought zu versenken - durch eine Mine) und das erfolgreiche Ziehen über einen Minengürtel konnte gerade 1918 katastrophale Wirkungen haben (da die Minenwaffe einige Verbesserungen erfuhr).

https://lbsopac.rz.uni-frankfurt.de...D3hrung+der+Kaiserlichen+Marine+im+Jahre+1918
 
Die in #33 angesprochenen Literaturnachweise zu den Erfolgsaussichten aus militärischer Sicht findet man bei Groß, Gerhard Paul, Die Seekriegsführung der Kaiserlichen Marine 1918 in einer weiterführenden Fussnote.
Wenn das der Teilbereichsleiter beim MGFA tatsächlich so darstellt, falle ich vom Glauben ab.
Oder erwähnt er der Vollständigkeit halber, "dass auch schon mal die Meinung vertreten wurde, die Hochseeflotte hätte eine geringe Chance gehabt, nicht vollständig vernichtet zu werden"????????????


Das Vergleich der Schiffslisten verkennt, dass der Kaiserlichen Marine das deutsche Defizit durchaus bekannt war. Man schaute sich alternative Waffen genau an und so gehörten beispielsweise deutsche Minen zu den effektivsten Kampfmittel (nur den Deutschen gelang es einen Dreadnought zu versenken - durch eine Mine) und das erfolgreiche Ziehen über einen Minengürtel konnte gerade 1918 katastrophale Wirkungen haben (da die Minenwaffe einige Verbesserungen erfuhr)

Das ist doch mal wieder Unsinn, was wird sich auch das Gros auf eine Minensperre ziehen lassen, vorneweg kommen Zerstörer und Leichte Kreuzer, wenn die hochgehen kommt das Gros erst gar nicht.

Die U-Boote haben gegen schnelle Fahrzeuge, und das sind moderne Kriegsschiffe, nie mehr als Zufallserfolge gehabt. Zur Erinnerung, keinen einzigen US-Truppentransporter haben sie erwischt.

Und wenn, gehen drei Kästen hoch, der Rest macht aus Hipper und Gefolge immer noch Haschee.


Ich kann es nur nochmals wiederholen, im August wäre eine solche Aktion gewiss sinnvoll gewesen, Ende Oktober war der Versuch nur noch dumm.

Und, wie gesagt, den Herren Seeoffizieren war das sehr wohl klar. Was sollte auch das jahrelange Leugnen, bis der Herr Trotha unter Eid mit der Wahrheit herausrücken musste.
 
Wenn das der Teilbereichsleiter beim MGFA tatsächlich so darstellt, falle ich vom Glauben ab.
Oder erwähnt er der Vollständigkeit halber, "dass auch schon mal die Meinung vertreten wurde, die Hochseeflotte hätte eine geringe Chance gehabt, nicht vollständig vernichtet zu werden"????????????

Es handelt sich wohl um die Nachkriegsausgabe von Marinearchiv, Der Krieg zur See 1914-18, Nordsee Band 7 mit den Anmerkungen. Prüfe ich noch nach.

Schaut man in Rahn, Deutsche Marinen im Wandel, 2005, Aufsatz von Groß auf S. 288 (es geht um die Motivation des Flottenvorstoßes) :
"Die Fragen nach der Rationalität des Flottenvorstoßes und seiner Erfolgsaussichten standen daher bis in die 60er Jahre hinein im Mittelpunkt einer kontrovers geführten Diskussion. Die meisten Historiker gestanden dem Unternehmen eine realisitsche Erfolgschance zu oder sprachen sogar von einem wohl durchdachten Operationsplan. Andere bezeichneten den Flotteneinsatz als hellen Wahnsinn. Es ist das Verdienst von Wilhelm Deist (siehe oben!), diese Diskussion auf die Motive und Ziele gelenkt zu haben, die hinter den militärischen Planungen standen. Ehrenrettung und Zukunftssicherung der Marine waren seiner Ansicht nach die Triebfedern des Handelns der Marineführung im Herbst 1918. Gegen diese These wurde von angelsächsischer Seite eingewandt, dass die die militärische Rationalität des Unternehmens nicht ausreichend berücksichtige. ... Diese revisionistischen Argumente sollen im Folgenden auf ihre Stichhaltigkeit untersucht werden ...
Eine Todesfahrt planten die Admirale also nicht. Eine schwere Niederlage nahmen sie jedoch billigend in Kauf ... Die von einigen Historikern vertretene These, dass der Vorstoß der Entlastung des Heeres dienen sollte, ist abwegig... Welches Motiv also, wenn nicht der Glaube an den Sieg in der Schlacht, bewog die Seekriegsleitung, diesen letzten Vorstoß vorzubereiten?"

Bzgl. der einkalkulierten "schwere Niederlage" also bei Groß nichts Neues zu Deist.


@admiral
Da Trotha sich klar zum Opfergang äußert: wo sollen denn die Minenmassen gelegt werden und vom wem und wann? Wo ist diese "rangierte Schlacht" im Operationsbefehl berücksichtigt?
 
Ich kann mich nicht erinnern, ob Groß in Die Seekriegsführung der Kaiserlichen Marine 1918 überhaupt eine Meinung zu dem Thema geäußert hat und ich habe das auch keineswegs geschrieben. Ich habe das Buch vor einiger Zeit ausgeliehen (und es hat mir einige Mühe gemacht den Titel wieder zu finden), aber ich hoffe klar gemacht zu haben, dass das Buch nur eine Fundstelle für weiterführende Literatur ist. Die zitierte (umfangreiche) Literatur muss studiert werden. Ich habe damals mir zugängliche Aufsätze angeschaut und hatte den Eindruck, den ich hier in diesem thread wiedergegeben habe.

Auch die Sache mit den Minen müsste ich wieder nachlesen. Ich erinnere mich, dass man sie mit U-Booten spät (daher recht genau) legen konnte und sie waren inzwischen so konstruiert, dass sie schwer zu entdecken waren.
 
Zuletzt bearbeitet:
Ich kann mich nicht erinnern, ob Groß in Die Seekriegsführung der Kaiserlichen Marine 1918 überhaupt eine Meinung zu dem Thema geäußert hat... dass das Buch nur eine Fundstelle für weiterführende Literatur ist. ...
Klar, man kann nicht jedes Buch immer zur Hand haben.

Aus dem von silesia zitierten Aufsatz von Groß (Deutsche marinen im Wandel: Vom ... - Google Buchsuche) spricht freilich erhebliche Skepsis:
1. Kampfkraft und Gefechtswert der Hochseeflotte waren stark gesunken.
2. Es sei "nur der Schluß möglich, daß die Hochseeflotte günstigstenfalls einen kleinen Erfolg [à la Skagerrak], wahrscheinlich aber eine Niederlage erlitten hätte, deren Größenordnung nicht abzuschätzen ist".
3. "Auch die Marineführung war nicht von einem militärischen Erfolg überzeugt."

Das Minen-Argument will ich nicht gänzlich abwerten, jedoch spielt es in der mir bekannten Literatur doch eine recht untergeordnete Rolle; insoweit tendiere ich eher zu Repos Auffassung.
 
Was sollte auch das jahrelange Leugnen, bis der Herr Trotha unter Eid mit der Wahrheit herausrücken musste.

Wer wann was über den Plan vom Oktober 1918 sagte, ist eine Geschichte für sich. Ich zitierte aus dem Schlußkapitel "Wie es kam" des Buches "Der Seekrieg", dass Lothar Persius 1919 herausbrachte (S. 121):
Anfangs wurde offiziös bestritten, daß jener [Einsatz-] Befehl gegeben worden sei. Im Januar 1919 hat dann der Admiralstabsoffizier des Flottenkommandos, Korvettenkapitän Hintzmann, in verschiedenen Blättern eingeräumt, daß Anfang Oktober vom Admiralsstab befohlen worden sei, möglichst bald einen Vorstoß der gesamten Flotte zu unternehmen, um den rechten Flügel des Heeres zu entlasten. [....] Daß es aber bei diesem Vorstoß zu einer großen Schlacht mit der britischen Flotte kommen, und daß der Ausgang bei der Schwäche unserer Flotte völlig vernichtend sein würde: das konnte sich jedes Kind sagen.
Weiss jemand, was genau dazu im Münchner Dolchstoßprozess ? Wikipedia 1925 verlautbart wurde?
 
Zur gesammten Thematik habe ich einen älteren Beitrag gefunden, der eine Chronologie der Ereignisse 1918 darstellt.

Darin wird ersichtlich, daß die Seekriegsleitung sowie das davon informierte Seeoffizierskorps wohl genau in der Lage war, den Operationsbefehl bzw. die Seeschlacht einzuschätzen. Sicherlich verbleibt auch aus dem Blickfeld der damaligen Zeit ein "Hoffnungsschimmer" der natürlich nur durch einen Hohen Blutzoll hätte erkämpft werden können.

Operationsbefehl Nr. 19
- Anfang April 1918 wurde der Plan einer großen Seeschlacht von Holtzendorff verworfen
- Am 08.04.1918 lehnte auch der Kaiser solch einen Einsatz der Flotte ab, durch einen gesteigerten Optimismus der Anfangserfolge der Frühjahrsoffensive in Frankreich
- Am 05.10.1918 schrieb Kapitän z.See Michaelis an Levetzow, das nur eine entscheidende Seeschlacht das deutsche Volk und den Reichstag dazu ermutigen könnten, den Krieg weiterzuführen
- 07.10.1918 sprach Hipper und Trotha mit anderen Offizieren die Lage durch und Hipper stimmte Trothas Memorandum zu
- am 08.10.1918 wurde die Seekriegsleitung davon in Kenntnis gesetzt
- am 10.10.1918 legte Trotha einen Plan vor, die Grand Fleet in der Straße von Dover zum Kampf zu stellen
- als am 16.10.1918 eine Note von Wilson bei der Reichsregierung eintrifft, die als Vorraussetzung für Waffenstillstandsverhandlungen die Einstellung des U-Bootkrieges fordert, war für Scheer klar, das bis zum Waffenstillstand gekämpft wird: „ Es ist unmöglich, dass die Flotte...untätig bleibt.“ Der Einsatz der Flotte ist eine Ehren- und Existenzfrage geworden und hat keinen strategischen oder operativen militärischen Grund mehr.
- Bezeichnend für die neue „nominelle“ Rolle des Kaisers ist, das niemand daran dachte, die geplante Operation mit ihm durchzusprechen
- Am 22.10.1918 informierte Scheer Ludendorff über den Einsatz der Flotte, ehe sie zum Handelsobjekt in einem schimpflichen Frieden wird
- Kaiser und Reichskanzler erfuhren nichts von dem geplanten Vorstoß
- Begründet lag dies in der weitverbreiteten Abneigung der Offiziere gegen Zivilisten und besonders gegen Parlamentarier
[...]
Quelle: Das Elitekorps des Kaisers-Marineoffiziere im Wilhelminischen Deutschland; Holger H.Herwig

Durch die Nichtinformierung der Mannschaften über die Vorgänge ab Sommer 1918, wurde dies natürlich in wüste Spekulationen umgewandelt, gepaart mit den Friedens- und Waffenstillstandgesprächen ab Aug./Okt. 1918.

Das Kriegstagebuch des kaiserlichen Seeoffiziers schrieb:
Ende 1918; U-Bootschule, Kommandantenkursus, stationiert auf U-Wohnschiff „Meteor“
[…]
Flensburg, 13.VIII.1918
Admiralstab ausgeräuchert. Der große Wechsel, amtlich: Scheer Befehlshaber aller Seestreitkräfte und Chef des Admiralstabes (Chef der Seekriegsleitung)[…]

Eckernförde, 30.IX.1918
[…] Aus Wien kommt die Anregung zu einer Friedensbesprechung. Alles schlägt die Hände über dem Kopf zusammen.

Eckernförde, 6.X.1918
Waffenstillstandsangebot der deutschen Regierung!! Kapitulation? Demütigungsfriede? War alles umsonst?? […]

Kiel, 19.X.1918
Vortag zum Lagebericht der Obersten Heeresleitung: […]

Kiel, 27.X.1918
Vormittags Ansprache des U-Inspekteurs (Adm. Seiferling) auf „Meteor“ an die versammelten Offiziere der Inspektion über die Behandlung von Mannschaften und deren Belehrung über die inneren Zustände. Hätte eher überall in der Marine einsetzten müssen. Es kümmert sich kein Mensch um die Dinge, die sich da im Dunkeln tun, anstatt dass die Offiziere ihre Leute ebenso über die Lage aufklären, wie sie selbst darüber unterrichtet werden. […]

Diese fehlende Information nutzten natürlich die Agitatoren der linksradikalen Parteien aus, und überzogen die Darstellungen über die Gründe und Ausführung einer letzten Seeschlacht, was ja leicht zu begründen war, da die aussichtslose Lage doch auch der Öffentlichkeit bekannt hätte sein müssen.

Das die Admiralität schon immer ein Brett vor dem Kopf hatte, ist schon ersichtlich, an der Tatsache, das man trotz Fernblockade noch bis 1914 glaubte die große Schlacht in der deutschen Bucht zu schlagen, damals schon mehr als "Blauäugig"...

Ich bin überzeugt, das es immer wieder Darstellungen dieser Ereignisse aus verschiedenen Sichtweisen weiterhin publiziert werden.

http://www.geschichtsforum.de/305966-post24.html
http://www.geschichtsforum.de/305967-post25.html
 
Darin wird ersichtlich, daß die Seekriegsleitung sowie das davon informierte Seeoffizierskorps wohl genau in der Lage war, den Operationsbefehl bzw. die Seeschlacht einzuschätzen. Sicherlich verbleibt auch aus dem Blickfeld der damaligen Zeit ein "Hoffnungsschimmer" der natürlich nur durch einen Hohen Blutzoll hätte erkämpft werden können.

Diese fehlende Information nutzten natürlich die Agitatoren der linksradikalen Parteien aus, und überzogen die Darstellungen über die Gründe und Ausführung einer letzten Seeschlacht, was ja leicht zu begründen war, da die aussichtslose Lage doch auch der Öffentlichkeit bekannt hätte sein müssen.

Das die Admiralität schon immer ein Brett vor dem Kopf hatte, ist schon ersichtlich, an der Tatsache, das man trotz Fernblockade noch bis 1914 glaubte die große Schlacht in der deutschen Bucht zu schlagen, damals schon mehr als "Blauäugig"...

Hallo Köbis,

das nähert sich doch immer weiter an. :winke:
Wenn man "Optimismus" in dem Zusammenhang unterstellen will, dann doch höchstens, eine gewisse Schädigung des Gegners zu erreichen, um dann irgendwie ohne Katastrophe in den Hafen zurück zu kommen.

Vor den Ereignissen vom Oktober sehen sowohl Deist wie darauf fußend Groß ein weiteres Schlüsselereignis: Der Marine wurde im Zuge der Entwicklung mitgeteilt, dass sie wohl "die Zeche für den Krieg wird zahlen müssen" [mit den beginnenden Schuldzuweisungen noch vor Kriegsende ist die Risikoflotte angesprochen -> siehe Salewski, Tirpitz] . Das ist der Hintergrund, um den Vermerk zu verstehen.


Zu den Agitatoren würde ich anmerken, dass der Wunsch der Mannschaften, nicht sinnlos [mit hoher Wahrscheinlichkeit] kurz vor Kriegsende "für die Flotte danach" zu sterben, wohl höchst verständlich ist.

P.S. die diversen Hinweise auf den Minenkrieg gehen hier mE an der Sache vorbei. Für diesen Hintergrund "Minenkrieg" sollte man ggf. ein eigenes Thema aufmachen, um das verständlich darzustellen.
 
Hallo Köbis,

das nähert sich doch immer weiter an. :winke:
Wenn man "Optimismus" in dem Zusammenhang unterstellen will, dann doch höchstens, eine gewisse Schädigung des Gegners zu erreichen, um dann irgendwie ohne Katastrophe in den Hafen zurück zu kommen.

Vor den Ereignissen vom Oktober sehen sowohl Deist wie darauf fußend Groß ein weiteres Schlüsselereignis: Der Marine wurde im Zuge der Entwicklung mitgeteilt, dass sie wohl "die Zeche für den Krieg wird zahlen müssen" [mit den beginnenden Schuldzuweisungen noch vor Kriegsende ist die Risikoflotte angesprochen -> siehe Salewski, Tirpitz] . Das ist der Hintergrund, um den Vermerk zu verstehen.


Zu den Agitatoren würde ich anmerken, dass der Wunsch der Mannschaften, nicht sinnlos [mit hoher Wahrscheinlichkeit] kurz vor Kriegsende "für die Flotte danach" zu sterben, wohl höchst verständlich ist.

P.S. die diversen Hinweise auf den Minenkrieg gehen hier mE an der Sache vorbei. Für diesen Hintergrund "Minenkrieg" sollte man ggf. ein eigenes Thema aufmachen, um das verständlich darzustellen.


Das hatte ich vergessen, aber das stimmt, die Politik ist wohl von Anfang an davon ausgegangen, dass die Flotte futsch sein wird.

Dittmann von der USPD hat im Reichstagsuntersuchungsausschuss Agitation von Seiten der USPD bestritten, Noskes Darlegung habe ich weiter oben geschrieben.


Was wäre wenn...
Um auch mal zu spekulieren, wenn mein Onkel Brust hätte, also meine Tante wäre....
Wenn die deutsche Seekriegsleitung so als Admirale der Royal Navy gehandelt hätte....
dann hätten die Briten an jedem ihrer verbliebenen Linienschiffe "Schleswig-Holstein", "Schlesien" usw. usf. am Mast einen Admiral gehenkt.
Und es gibt etliches an Beispielen hierfür in der britischen Seegechichte.
Die Spekulation ist wesentlich "Faktensicherer" wie die Minenfelder auf die die Homefleet hätte gelockt werden sollen.
 
Wenn das der Teilbereichsleiter beim MGFA tatsächlich so darstellt, falle ich vom Glauben ab.
Oder erwähnt er der Vollständigkeit halber, "dass auch schon mal die Meinung vertreten wurde, die Hochseeflotte hätte eine geringe Chance gehabt, nicht vollständig vernichtet zu werden"????????????

Die Fußnote von Gross ist noch nachzutragen: S. 417:

"Der personell und materiell angeschlagenen Hochseeflotte stand die durch amerikanische Linienschiffe verstärkte und nach der Skagerrakschlacht technisch verbesserte englische Flotte gegenüber. Auch wenn man das Überraschungsmoment berücksichtigt und entgegen den bisherigen Kriegserfahrungen einige der Linienschiffe durch U-Boote versenkt worden wären, kann man nur zu dem Schluß kommen, dass die Hochseeflotte günstigenfalls einen kleinen Erfolg, wahrscheinlich aber eine Niederlage erlitten hätte, deren Größenordnung nicht abzuschätzen ist. (62)

(62): Nach dem Kriegsende setzte in Deutschland die Diskussion über die Erfolgsaussichten des geplanten Vorstoßes ein. Während Trotha ... und Brüninghaus ... dem Vorstoß wegen der Planung und der besseren Technik der deutschen Schiffe große Erfolgsaussichten einräumten, räumte Galster ... wegen der quantitativen Überlegenheit der Engländer und den qualitativen Verbesserungen auf der Grand Fleet bestenfalls die Chance auf einen Teilerfolg ein. Die Diskussion über die Erfolgsaussichten ist bis heute nicht verstummt. Czisnik ... Ruge ... und Huber ... behaupteten noch vor wenigen Jahren, dass der Flottenvorstoß gute Erfolgsaussichten gehabt hätte. Herwig ... weist diesen Gedanken unter Berufung auf die qualitative Überlegenheit der Allierten mit Recht zurück."


Anm: der Hinweis auf die "bessere Technik" der deutschen Schiffe 1916/18 muß nach Stand der Militärhistorie, insbesondere aufgrund der neueren technischen und operativen Untersuchungen zum Skagerrak, als falsch angesehen werden.

Zur Technik insbesondere:
Hodges, Peter: The Big Gun Battleship Main Armament 1860-1945
Brooks, John: Dreadnought Gunnery and the Battle of Jutland
Tarrant, V. E.: Jutland - The German Perspective
Campbell, John: Jutland - An Analysis of the Fighting
Friedman: Naval Firepower - Battleship Guns and Gunnery in the Dreadnought Era
 
Der Operationsbefehl sollte erst mitgelteilt werden, wenn die Schiffe sich auf der Reede versammeln.
Dennoch gaben sich die Matrosen mit Signallichtern gegenseitig Infos über die bevorstehende Aktion.
Die Grüchte, die in Umlauf gebracht worden waren, sahen wie folgt aus: Das deutsche Oberkommando hätte ein förmliche britische Aufforderung zu einem Flottenduell auf Leben und Tod angenommen;
der 69 Jahre alte Admiral Tirpitz sei aus dem Ruhestand aufgetaucht, um die Flotte in ihre Götterdämmerung zu führen;
der Kaiser befinde sich an Bord des Linienschiffes Baden und bereite sich vor, die Flotte für den Sieg zu begeistern.

Interessant ist das Grücht mit dem Flottenduell, denn es zeigt, daß selbst im Gedanken an ein Kriegsende und der Sinnlosigkeit dieser letzten Schlacht, nicht die Initiative vom Oberkommando ausgeht, sondern vom Feind, den Briten.
 
der Kaiser befinde sich an Bord des Linienschiffes Baden und bereite sich vor, die Flotte für den Sieg zu begeistern.

Das ist wohl intern tatsächlich erwogen worden, möglicherweise gab es einen Hinweis an den Kaiser, sich an Bord des Flottenflagschiffes zu begeben. Ich habe dazu etwas gelesen, suche ich noch heraus.
 
Das ist wohl intern tatsächlich erwogen worden, möglicherweise gab es einen Hinweis an den Kaiser, sich an Bord des Flottenflagschiffes zu begeben. Ich habe dazu etwas gelesen, suche ich noch heraus.


Glaube ich nicht.
Siehe

Deist schreibt hier:
Es wird sich kaum klären lassen, ob die Niederschrift
vom 25. Oktober den Gang der Besprechung getreu wiedergegeben hat,
auffallend ist jedoch, daß Scheer die zwar auch vom U-Bootkrieg ausgehende, jedoch
sehr allgemein gehaltene Aufforderung des Kanzlers an die Marine mit einer nur
auf den U-Bootkrieg beschränkten Loyalitätserklärung beantwortet hat. Mit Sicherheit
kann demnach gesagt werden, daß die SKL weder den Kaiser noch den Reichskanzler
von ihren konkreten Absichten und noch weniger von dem Ausmaß der
geplanten Operation unterrichtet hat und ihre Hinweise betont allgemein hielt,
weil sie Eingriffe der Reichsleitung befürchtete. Die bewußte Ausschaltung jeglichen
Einflusses der politischen Führung des Reiches ist zugleich ein Beweis dafür,
daß sich die SKL über die Regelwidrigkeit ihres Verfahrens durchaus im klaren
war.

Der "Oberste Kriegsherr" wusste demnach auch von nichts.
 
Der "Oberste Kriegsherr" wusste demnach auch von nichts.

Umso wahrscheinlicher, als die Marine hier in Eigenregie bereits gewisse Vorbereitungen traf:

1. Die U-Boote wurden bereits am 21.10.18 zurückgerufen, mit dem Hinweis, dass Verhandlungen im Gange seien.

2. Die 24 verfügbaren U-Boote in den Häfen liefen ab dem 22.10.18 (sukzessive bis 30.10.18) bereits aus, weitere 6 U-Boote wurden von entfernteren Positionen in die Nordsee zurückgerufen.


Von den insgesamt 30 Booten wurden 2 versenkt (U 78 beim Ausmarsch durch britisches U-Boot "G 2", UB 116 beim Eindringen in Scapa Flow am 28.10.).

7 weitere Boote fielen durch Havarien beim Ausmarsch aus (U 43, U 67, UB 86, UB 87, UB 98, UB 118, UB 130 -möglicherweise eine "kleine" Revolution?).

Die restlichen 21 Boote - soweit in der Nähe von Helgoland - wurden am 30.10.18 zurückgerufen, "um die Deutsche Bucht zu sichern", da das Auslaufen britischer Seestreitkräfte gemeldet wurde. Die vor dem Firth of Forth bereits positionierten U-Boote wurden erst am 4./5.11.18 zurückgerufen.

Vor dem eigentlichen Operationsbefehl für die Hochseeflotte wurden demnach bereits die entsprechenden Befehle für die U-Boote gegeben. Die zunächst verbliebenen 22 Boote waren für den Einsatz aufgrund der geringen anzahl und Verteilung bedeutungslos.

nach: Marinearchiv, Der Handelskrieg mit U-Booten V
 
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