Etwas historischer Kontext könnte in dieser Debatte nicht schaden, schließlich werden auch viele andere und z.T. weitaus ältere Artefakte unter dem Aspekt eines hypothetischen astronomischen Bezuges diskutiert. Die unten verlinkte Studie der von EQ schon erwähnten Eva Rosenstock "Zyklische Abläufe als Hilfsmittel zur Deutung von Zeit in der Archäologie" bietet dafür eine gute Grundlage. Hervorzuheben ist vor allem ein Aspekt, der in diesem Thread, so weit ich sehe, noch nicht zur Sprache kam, nämlich der (hypothetische) Bezug astronomischer Berechnungen zum Menstruationszyklus, was möglicherweise der hauptsächliche Zweck solcher Berechnungen war. Es gibt also zwei Imponderabilien: 1) Haben die Zeichen einen astronomischen Bezug?, 2) Gleich, ob ja oder nein, dienen sie der Berechnung von Menstruationsperioden? Diese Frage werden u.a. in Rosenstocks Studie diskutiert.
http://www.kritischearchaeologie.de/repositorium/fka/2014_3_9_Rosenstock.pdf
Die bekannte Hypothese von Alexander Marshack (1971), paläolithische Funde mit Ritzzeichnungen hätten einen astronomischen Kontext, werden von Rosenstock zurückgewiesen, u.a. mit der Begründung, dass viele der Zeichnungen auf den Funden nur kurzfristig, also nicht über Monate, angelegt seien und auch eine Zählung anderer Objekte oder Ereignisse bedeuten könnten.
Andere Autoren wenden gegen Marshack ein, dass die Zählungen nur durchschnittlich bei 29 Tagen liegen und um +/-5 Tage variieren, was mehr auf die Aufzeichung von unregelmäßigen Menstruationsperioden hindeutet als auf astronomische Aufzeichnungen. Bei Rosenstock ist unter Verweis auf eine Studie von Chiazze et.al. 1968 sogar von Schwankungen der Menstruationsperiode zwischen 22 und 35 Tagen die Rede, weswegen sie menstruationsbezogene Deutungen irgendwelcher 29er-oder 30er-Reihen nicht unbedingt ablehnt, aber doch in Zweifel zieht.
Ich persönlich will in dieser Frage hier aber kein Fass aufmachen, sondern all diese Punkte nur zu bedenken geben, weil der Thread sonst im luftleeren, weil kontextfreien Raum schwebt.
Menstrual Cycle Length Stats Study
(synodischer Monat = 29 Tage)
Sample Size: 21680 Charts. Average: 30.38 Days. Median: 29 Days. Standard Deviation: 5.62.
Der Durchschnitt liegt also bei gut 30 Tagen, wobei 29 Tage auf dem Diagramm allerdings bei weitem die höchste Trefferquote habe
n. Eine Koinzidenz von synodischem Monat und statistischer Häufung einer 29-Tage-Periode ist also augenfällig.
Der Vollständigkeit halber ist noch auf die sog. Frying Pans hinzuweisen, Artefakte aus der Zeit um ca. 2500 BCE, deren Bedeutung und Zweck unbekannt ist: