Das Täuferbild in den Evangelien und bei Josephus
Die Historizität des Täufers braucht nicht bezweifelt zu werden, da er und einige Ereignisse aus seinem Leben auch im Geschichtswerk ´Jüdische Altertümer´ (Antiquitates Iudaicae) von Flavius Josephus erwähnt werden. Manche Historiker, beginnend mit dem Juden Heinrich Graetz im 19. Jh., haben vermutet, dass die entsprechende Passage eine Interpolation von christlicher Hand sei, was theoretisch möglich ist, da Josephus´ Text nur in christlichen Kopien vorliegt. Dagegen sprechen zwei Argumente: Erstens, die Differenzen zwischen den Angaben in den Evangelien und bei Josephus über den Hinrichtungsgrund; ein christlicher Interpolator hätte sich eng an die evangelistischen Vorgaben gehalten. Zweitens, die Nichterwähnung des Jesus in der Täuferpassage bei Josephus, die einem Interpolator gewiss nicht unterlaufen wäre, da dies eine gute Gelegenheit für die ´Bezeugung´ des Jesus durch einen nichtchristlichen Historiker geboten hätte.
Während Mt und Lk den Täufer als apokalyptisch gestimmten Prediger zeichnen, erscheint er in Ant. 18.117 als "guter Mann", der die Menschen zur Frömmigkeit ermahnt und ihre Seelen und Körper "reinigt". Nach 18.118 sind aus Sicht des Antipas die Reden des Täufers sogar imstande, die ihm hörige Menge zu einem "Aufstand" anzustacheln, so dass er vorsorglich getötet werden müsse. In den von Josephus genannten harmlos wirkenden religiösen Ambitionen des Täufers kann sich das rebellische Potential aber nicht erschöpfen, dass er verkörpert und seinen Anhängern vermittelt haben muss, um gravierende Befürchtungen bei Antipas auszulösen. Ein solches Potential ist, abweichend von Mt und Lk, im Mk wiederum nicht erkennbar; dort heißt es noch lapidarer als bei Josephus nur, dass Johannes die Taufe als Mittel der Sündenvergebung praktiziere.
Anders in Mt 3,9 f. (Gerichtspredigt), wo Aussagen des Täufers einen apokalyptischen Anstrich haben: Er bezeichnet die traditionellen Juden, also die Sadduzäer und die Pharisäer, als "Schlangenbrut" und spielt damit entweder auf die Negativität einer Giftschlange an oder aber, und das wäre tendenziell apokalyptisch, auf die Abstammung der genannten Gruppen aus einer Verbindung der Urmutter Eva mit der Eden-Schlange. Die Sprüche der Gerichtspredigt fehlen in Mk, werden in der Bibelwissenschaft daher der Quelle Q zugeordnet, wobei Q auch dem Mk-Autor vorgelegen haben soll. Das wirft die Frage auf, warum in Mk die für das Täufer-Bild so wichtige Gerichtspredigt nicht erscheint. Mk scheint in puncto theologische Harmlosigkeit des Johannes den Antiquitates jedenfalls näher zu stehen als Mt und Lk, wo es in der Gerichtspredigt in apokalyptischer Manier an die Adresse der Sadduzäer und Pharisäer heißt (Mt 3,10):
Die in den Antiquitates notierte Furcht des Antipas vor dem rebellischen Potential des Täufers macht eine aggressiv-apokalyptische Ausrichtung aber wahrscheinlich. Warum Josephus diese Haltung in seiner Darstellung nicht erwähnt hat, ist unschwer zu erraten. Er lebte zur Zeit der Abfassung als Rom-loyaler jüdischer Pensionär am Hof von Kaiser Domitian, der dem Judentum gegenüber äußerst kritisch gesonnen war. Dem Täufer eine antirömische Gesinnung zuzuschreiben und seinen Anhängern eine Bereitschaft, diese in die Tat umzusetzen, hätte das durch diverse Aufstände geschürte Misstrauen der Römer gegen die Juden, unter denen es viele Täuferanhänger gab, noch erheblich verschärft, woran Josephus kaum gelegen sein konnte.
Man kann also annehmen, dass Johannes über die Darstellung seiner Ambitionen in den Antiquitates hinaus ein in den Augen des Herodes Antipas staatsgefährdend-aggressives Potential verkörperte, das laut Josephus der Grund für seine präventive Hinrichtung war. Der Historiker neigte ohnehin dazu, messianisch-apokalyptische Themen aus seiner Darstellung jüdischer Religiosität auszuklammern.
Historizität des Herodias-Täufer-Konflikts
Diskrepanzen zwischen Mk und Josephus:
+ Während im Mk der Täufer als Ankläger der - nach jüdischen Kriterien - inzestuösen Ehe von Herodes Antipas mit seiner Nichte Herodias auftritt und auf Herodias´ Veranlassung hin schließlich getötet wird, kommentiert Joseph in den Antiquitates die Ehe der beiden zwar als aus jüdischer Sicht unrechtmäßig, erwähnt aber mit keiner Silbe eine Anklage dieses Verhältnisses durch den Täufer.
+ Während im Mk die Moralkampagne des Täufers als Hinrichtungsgrund gilt, ist es den Antiquitates (18.116-119) zufolge die Beliebtheit des Täufers beim Volk, die Antipas zu seiner Beseitigung motiviert, um einem Volksaufstand vorzubeugen.
Die Bankett-Szene
Es stellen sich u.a. folgende Fragen:
(1) Warum ist im Lukasevangelium nichts über das Bankett und Herodias´ Forderung nach dem Kopf des Täufers zu lesen?
(2) Wie wahrscheinlich ist es, dass Antipas ein Versprechen wie das geschilderte gegeben hat?
(3) Gibt es textuelle Vorlagen für das Enthauptungsmotiv?
(4) Wer könnte das tanzende Mädchen sein bzw. auf welche historische Person wird mit dieser Figur angespielt?
Zu (1):
Lukas gilt unter den vier Evangelisten als der beste Kenner der Herodes-Dynastie. Wenn er auf eine Wiedergabe der von ihm im Mk vorgefundenen Geschichte verzichtet hat, dann vielleicht deshalb, weil er die Fiktionalität durchschaute und das Verhältnis zu seinen Informanten durch eine kolportierte Fiktion nicht gefährden wollte.
Zu (2):
Herodes d.Gr. war 40 BCE vom römischen Senat zum König der Juden proklamiert und von Antonius und Oktavian drei Jahre später offiziell in sein Amt eingesetzt worden, nachdem er mit römischer Unterstützung den letzten hasmonäischen König, Antigonus, ausgeschaltet hatte. Von fünf Frauen hatte er sieben Söhne, von denen ihn drei (Antipater, Aristobul, Alexander) nicht überlebten, weil er sie hinrichten ließ. Drei anderen Söhnen (Antipas, Archelaus, Philipp II. genannt ´der Tetrarch´) vermachte er (a) Galiläa und Peräa, (b) Judäa und (c) ein Gebiet nordöstlich des Sees von Galiläa. Der siebte Sohn, Philip I., Onkel und später erster Gatte der Herodias und mit ihr Vater der Salome, wurde im Testament nicht bedacht und lebte als Privatmann fort.
Antipas, Archelaus und Philipp II. waren politisch vollständig von Rom abhängig, was sich schon darin zeigt, dass durch die Ratifizierung durch Augustus die testamentarischen Bestimmungen des Herodes bewilligt wurden und die Herrschaft der Brüder in Kraft treten konnte. Archelaus durfte auf eigenen, von Rom gewährten Wunsch den Königstitel führen, Antipas und Philipp II. mussten sich mit dem Tetrarch-Titel begnügen. Innerjüdisch wurde Antipas in aramäischer Sprache aber als ´malka´ tituliert, was in etwa dem Königstitel entspricht. In Mk 6,14 ist daher bezüglich Antipas vom ´König Herodes´ die Rede, während Lukas, auch hierin sachlicher, Antipas durchgehend als ´Tetrarch´ (Vierfürst) benennt.
Die politische Abhängigkeit der Herodes-Söhne zeigt sich auch in der Amtsenthebung des Archelaus durch Rom nach neun Jahren, weil die Brutalität seiner Herrschaft sogar für römische Verhältnisse jedes akzeptable Maß überschritten hatte. Stattdessen wurde Judäa zur drittklassigen römischen Provinz erklärt und ein römischer Präfekt als Bevollmächtiger eingesetzt ; ´drittklassig´ deshalb, weil diese Präfekten nur über den Stand eines Ritters verfügten. Erst mit Claudius´ Herrschaft ab 41 CE änderte sich die Bezeichnung des judäischen Statthalters in ´Prokurator´.
Juristisch wäre Antipas als Regent von Roms Gnaden also gar nicht in der Lage gewesen, gemäß dem angeblich an die Tänzerin gegebenen Versprechen einen Teil bis zur Hälfte seines Herrschaftsbereichs an eine andere Person abzutreten.
Hinzu kommt, dass Mk 6,21 die "Vornehmsten von Galiläa" als Gäste des Banketts nennt. Diese wären von einer Neuaufteilung der innergaliläischen Herrschaft unmittelbar betroffen und über Herodes´ angebliche Eid-Kapriole eher entsetzt als amüsiert gewesen, zumal ihre potentielle neue Gebieterin noch im (vor-)pubertären Alter stand (dazu unten mehr). Einem erfahrenen Regenten wie Antipas wäre ein so massiver Affront bestimmt nicht unterlaufen.
Zu bedenken ist auch, dass im Fall eines Wunsches der Tänzerin nach der "Hälfte des Königreichs" die Mutter der Tänzerin (Alter 10-12 Jahre, dazu unten mehr), die laut den gängigen Ausgaben des Mk Herodias ist (auch dazu unten mehr), mindestens bis zur Volljährigkeit des Mädchens (12,5 Jahre) höchstwahrscheinlich die Regierung an seiner Stelle übernommen hätte.
All das spricht in der Summe klar gegen die Historizität des Versprechens, außer es wäre während eines Blackouts gegeben worden, was in Mk 6 aber nicht im Ansatz ersichtlich ist.
Weiterhin spricht gegen die Historizität der Bezug auf das Buch Ester, das seinerseits in der Bibelwissenschaft als hochgradig fiktional gilt. Hier sind nochmals Zitate zum Vergleich:
Fazit zu Punkt (2):
Gegen eine Historizität von Antipas´ Versprechen an die Tänzerin ist einzuwenden, dass eine Einhaltung juristisch unmöglich gewesen wäre, dass Antipas zumindest einige der Feiergäste verärgert hätte und dass der Wortlaut ein literarisches Plagiat des Versprechens in Ester 5,6 zu sein scheint.
Die Historizität des Täufers braucht nicht bezweifelt zu werden, da er und einige Ereignisse aus seinem Leben auch im Geschichtswerk ´Jüdische Altertümer´ (Antiquitates Iudaicae) von Flavius Josephus erwähnt werden. Manche Historiker, beginnend mit dem Juden Heinrich Graetz im 19. Jh., haben vermutet, dass die entsprechende Passage eine Interpolation von christlicher Hand sei, was theoretisch möglich ist, da Josephus´ Text nur in christlichen Kopien vorliegt. Dagegen sprechen zwei Argumente: Erstens, die Differenzen zwischen den Angaben in den Evangelien und bei Josephus über den Hinrichtungsgrund; ein christlicher Interpolator hätte sich eng an die evangelistischen Vorgaben gehalten. Zweitens, die Nichterwähnung des Jesus in der Täuferpassage bei Josephus, die einem Interpolator gewiss nicht unterlaufen wäre, da dies eine gute Gelegenheit für die ´Bezeugung´ des Jesus durch einen nichtchristlichen Historiker geboten hätte.
Während Mt und Lk den Täufer als apokalyptisch gestimmten Prediger zeichnen, erscheint er in Ant. 18.117 als "guter Mann", der die Menschen zur Frömmigkeit ermahnt und ihre Seelen und Körper "reinigt". Nach 18.118 sind aus Sicht des Antipas die Reden des Täufers sogar imstande, die ihm hörige Menge zu einem "Aufstand" anzustacheln, so dass er vorsorglich getötet werden müsse. In den von Josephus genannten harmlos wirkenden religiösen Ambitionen des Täufers kann sich das rebellische Potential aber nicht erschöpfen, dass er verkörpert und seinen Anhängern vermittelt haben muss, um gravierende Befürchtungen bei Antipas auszulösen. Ein solches Potential ist, abweichend von Mt und Lk, im Mk wiederum nicht erkennbar; dort heißt es noch lapidarer als bei Josephus nur, dass Johannes die Taufe als Mittel der Sündenvergebung praktiziere.
Anders in Mt 3,9 f. (Gerichtspredigt), wo Aussagen des Täufers einen apokalyptischen Anstrich haben: Er bezeichnet die traditionellen Juden, also die Sadduzäer und die Pharisäer, als "Schlangenbrut" und spielt damit entweder auf die Negativität einer Giftschlange an oder aber, und das wäre tendenziell apokalyptisch, auf die Abstammung der genannten Gruppen aus einer Verbindung der Urmutter Eva mit der Eden-Schlange. Die Sprüche der Gerichtspredigt fehlen in Mk, werden in der Bibelwissenschaft daher der Quelle Q zugeordnet, wobei Q auch dem Mk-Autor vorgelegen haben soll. Das wirft die Frage auf, warum in Mk die für das Täufer-Bild so wichtige Gerichtspredigt nicht erscheint. Mk scheint in puncto theologische Harmlosigkeit des Johannes den Antiquitates jedenfalls näher zu stehen als Mt und Lk, wo es in der Gerichtspredigt in apokalyptischer Manier an die Adresse der Sadduzäer und Pharisäer heißt (Mt 3,10):
Aus der Predigt folgen drei Prämissen des Täufers: die unmittelbare Nähe des Endgerichts, die Nutzlosigkeit der Abrahamskindschaft für die Freisprechung und die Taufe als einziges Mittel, die Freisprechung zu erlangen, andernfalls das Feuer der Verdammnis droht. Eine wörtliche Authentizität der Täufersprüche ist allerdings weder für die Evangelien, sofern unabhängig von Q, noch für die Quelle Q selbst, falls überhaupt jemals existent, anzunehmen. Zu Q: Hätte diese hypothetische Sammlung wirklich authentische Jesus-Sprüche enthalten, wäre sie doch gehütet worden wie ein Schatz und darüber hinaus durch zahlreiche Kopien gesichert worden. Stattdessen scheint Q über Jahrhunderte nicht nur verschollen, sondern auch vergessen worden zu sein, und es blieb Bibelwissenschaftlern der Moderne vorbehalten, sie - spekulativ - wiederzuentdecken.Es ist aber auch schon die Axt an die Wurzel der Bäume gelegt. Jeder Baum nun, der keine gute Frucht bringt, wird abgehauen und ins Feuer geworfen!
Die in den Antiquitates notierte Furcht des Antipas vor dem rebellischen Potential des Täufers macht eine aggressiv-apokalyptische Ausrichtung aber wahrscheinlich. Warum Josephus diese Haltung in seiner Darstellung nicht erwähnt hat, ist unschwer zu erraten. Er lebte zur Zeit der Abfassung als Rom-loyaler jüdischer Pensionär am Hof von Kaiser Domitian, der dem Judentum gegenüber äußerst kritisch gesonnen war. Dem Täufer eine antirömische Gesinnung zuzuschreiben und seinen Anhängern eine Bereitschaft, diese in die Tat umzusetzen, hätte das durch diverse Aufstände geschürte Misstrauen der Römer gegen die Juden, unter denen es viele Täuferanhänger gab, noch erheblich verschärft, woran Josephus kaum gelegen sein konnte.
Man kann also annehmen, dass Johannes über die Darstellung seiner Ambitionen in den Antiquitates hinaus ein in den Augen des Herodes Antipas staatsgefährdend-aggressives Potential verkörperte, das laut Josephus der Grund für seine präventive Hinrichtung war. Der Historiker neigte ohnehin dazu, messianisch-apokalyptische Themen aus seiner Darstellung jüdischer Religiosität auszuklammern.
Historizität des Herodias-Täufer-Konflikts
Diskrepanzen zwischen Mk und Josephus:
+ Während im Mk der Täufer als Ankläger der - nach jüdischen Kriterien - inzestuösen Ehe von Herodes Antipas mit seiner Nichte Herodias auftritt und auf Herodias´ Veranlassung hin schließlich getötet wird, kommentiert Joseph in den Antiquitates die Ehe der beiden zwar als aus jüdischer Sicht unrechtmäßig, erwähnt aber mit keiner Silbe eine Anklage dieses Verhältnisses durch den Täufer.
+ Während im Mk die Moralkampagne des Täufers als Hinrichtungsgrund gilt, ist es den Antiquitates (18.116-119) zufolge die Beliebtheit des Täufers beim Volk, die Antipas zu seiner Beseitigung motiviert, um einem Volksaufstand vorzubeugen.
Die Bankett-Szene
Es stellen sich u.a. folgende Fragen:
(1) Warum ist im Lukasevangelium nichts über das Bankett und Herodias´ Forderung nach dem Kopf des Täufers zu lesen?
(2) Wie wahrscheinlich ist es, dass Antipas ein Versprechen wie das geschilderte gegeben hat?
(3) Gibt es textuelle Vorlagen für das Enthauptungsmotiv?
(4) Wer könnte das tanzende Mädchen sein bzw. auf welche historische Person wird mit dieser Figur angespielt?
Zu (1):
Lukas gilt unter den vier Evangelisten als der beste Kenner der Herodes-Dynastie. Wenn er auf eine Wiedergabe der von ihm im Mk vorgefundenen Geschichte verzichtet hat, dann vielleicht deshalb, weil er die Fiktionalität durchschaute und das Verhältnis zu seinen Informanten durch eine kolportierte Fiktion nicht gefährden wollte.
Zu (2):
Herodes d.Gr. war 40 BCE vom römischen Senat zum König der Juden proklamiert und von Antonius und Oktavian drei Jahre später offiziell in sein Amt eingesetzt worden, nachdem er mit römischer Unterstützung den letzten hasmonäischen König, Antigonus, ausgeschaltet hatte. Von fünf Frauen hatte er sieben Söhne, von denen ihn drei (Antipater, Aristobul, Alexander) nicht überlebten, weil er sie hinrichten ließ. Drei anderen Söhnen (Antipas, Archelaus, Philipp II. genannt ´der Tetrarch´) vermachte er (a) Galiläa und Peräa, (b) Judäa und (c) ein Gebiet nordöstlich des Sees von Galiläa. Der siebte Sohn, Philip I., Onkel und später erster Gatte der Herodias und mit ihr Vater der Salome, wurde im Testament nicht bedacht und lebte als Privatmann fort.
Antipas, Archelaus und Philipp II. waren politisch vollständig von Rom abhängig, was sich schon darin zeigt, dass durch die Ratifizierung durch Augustus die testamentarischen Bestimmungen des Herodes bewilligt wurden und die Herrschaft der Brüder in Kraft treten konnte. Archelaus durfte auf eigenen, von Rom gewährten Wunsch den Königstitel führen, Antipas und Philipp II. mussten sich mit dem Tetrarch-Titel begnügen. Innerjüdisch wurde Antipas in aramäischer Sprache aber als ´malka´ tituliert, was in etwa dem Königstitel entspricht. In Mk 6,14 ist daher bezüglich Antipas vom ´König Herodes´ die Rede, während Lukas, auch hierin sachlicher, Antipas durchgehend als ´Tetrarch´ (Vierfürst) benennt.
Die politische Abhängigkeit der Herodes-Söhne zeigt sich auch in der Amtsenthebung des Archelaus durch Rom nach neun Jahren, weil die Brutalität seiner Herrschaft sogar für römische Verhältnisse jedes akzeptable Maß überschritten hatte. Stattdessen wurde Judäa zur drittklassigen römischen Provinz erklärt und ein römischer Präfekt als Bevollmächtiger eingesetzt ; ´drittklassig´ deshalb, weil diese Präfekten nur über den Stand eines Ritters verfügten. Erst mit Claudius´ Herrschaft ab 41 CE änderte sich die Bezeichnung des judäischen Statthalters in ´Prokurator´.
Juristisch wäre Antipas als Regent von Roms Gnaden also gar nicht in der Lage gewesen, gemäß dem angeblich an die Tänzerin gegebenen Versprechen einen Teil bis zur Hälfte seines Herrschaftsbereichs an eine andere Person abzutreten.
Hinzu kommt, dass Mk 6,21 die "Vornehmsten von Galiläa" als Gäste des Banketts nennt. Diese wären von einer Neuaufteilung der innergaliläischen Herrschaft unmittelbar betroffen und über Herodes´ angebliche Eid-Kapriole eher entsetzt als amüsiert gewesen, zumal ihre potentielle neue Gebieterin noch im (vor-)pubertären Alter stand (dazu unten mehr). Einem erfahrenen Regenten wie Antipas wäre ein so massiver Affront bestimmt nicht unterlaufen.
Zu bedenken ist auch, dass im Fall eines Wunsches der Tänzerin nach der "Hälfte des Königreichs" die Mutter der Tänzerin (Alter 10-12 Jahre, dazu unten mehr), die laut den gängigen Ausgaben des Mk Herodias ist (auch dazu unten mehr), mindestens bis zur Volljährigkeit des Mädchens (12,5 Jahre) höchstwahrscheinlich die Regierung an seiner Stelle übernommen hätte.
All das spricht in der Summe klar gegen die Historizität des Versprechens, außer es wäre während eines Blackouts gegeben worden, was in Mk 6 aber nicht im Ansatz ersichtlich ist.
Weiterhin spricht gegen die Historizität der Bezug auf das Buch Ester, das seinerseits in der Bibelwissenschaft als hochgradig fiktional gilt. Hier sind nochmals Zitate zum Vergleich:
Mk 6,23 ist offensichtlich ein Plagiat von Ester 5,6. Dass Antipas, sozusagen in Partylaune, eine solche Äußerung als ironisches Zitat verstanden haben will, ist kaum vorstellbar angesichts der dramatischen Folgen, die das Versprechen des König Ahasverus, wohlgemerkt im Rahmen einer Fiktion, im Esterbuch zeitigt. Immerhin liefert der intratextuelle Kontext der zitierten Stelle einen Hinweis auf unbewusste Phantasien, die der Mk-Autor oder der Urheber einer in Mk 6 eingefügten Bankett-Legende auf die Protagonisten dieser Fiktion projiziert haben könnte. Genau diese Phantasien wären dann der Grund gewesen, warum es überhaupt zu diesem Plagiat kam.Ester 5:
6 sprach der König zu Ester, da er Wein getrunken hatte: Was bittest du, Ester? Es soll dir gegeben werden. Und was forderst du? Auch die Hälfte des Königreichs, es soll geschehen.
Mk 6:
23 Und er schwur ihr einen Eid: Was du wirst von mir bitten, will ich dir geben, bis an die Hälfte meines Königreiches.
Fazit zu Punkt (2):
Gegen eine Historizität von Antipas´ Versprechen an die Tänzerin ist einzuwenden, dass eine Einhaltung juristisch unmöglich gewesen wäre, dass Antipas zumindest einige der Feiergäste verärgert hätte und dass der Wortlaut ein literarisches Plagiat des Versprechens in Ester 5,6 zu sein scheint.
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(Fortsetzung im folgenden Beitrag)
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