El Quijote,
Du bist also immer noch der felsenfesten Meinung, dass "saltus" zu Lebzeiten des Tacitus nicht ausschließlich Domäne/Landgut bedeutet hat, sondern auch schon Wald/Waldgebirge/Schlucht o.ä.?
Dieser Meinung bist Du wirklich? Warum habe ich mir dann seinerzeit - und Lucio Licino vor mir - so viel Mühe gemacht, dies zu erläutern, auch mit Zitaten der Zeitgenossen?
Das hast du schon mal alles behauptet:
War Saltus immer polysem, oder erst seit Auffinden der Corveyer Handschrift, bei der man natürlich als vorbildlich in Latein geschulter Übersetzer - überhaupt keine Ahnung vom römischen Vermessungswesen hatte und dann neben -silva- schnell noch -saltus- als Wald hinstellte?
Erinnern wir uns an die ellenlange Diskussion im entprechenden Thread, wo @Licio Licino pausenlos Belege aus der Zeit vor 2000 Jahren für -saltus- als Domäne/Landgut anführte und Du, El Quixote verzweifelt (denn das machst Du erst sehr spät!) zur Polysemie greifst und dann als letzten "Beleg" für Wald/Sprung/Waldgebirge ein Zitat eines spanischen Bischofs aus der späten Spätantike brachtest, das war spaßig!
Das ist eine falsche Behauptung. Dass der Begriff polysem ist, darauf habe ich im zweiten Beitrag des damaligen Threads hingewiesen. Hier nachzulesen:
http://www.geschichtsforum.de/f28/bedeutet-saltus-32573/
Du kannst natürlich gegen den Isidor aus der "späten Spätantike" polemisieren, jedoch solltest du zur Kenntnis nehmen, dass ich auch Beispiele aus der goldenen und silbernen Latinität angeführt habe. Nur schreibt da halt niemand so explizit wie Isidor, was ein
saltus ist, der Begriff wird einfach verwendet. Im Übrigen kann man gerade bei dem von Lucio Cinico angeführten Festus sehr schön sehen, dass es bei
saltus eine semantische Verschiebung gegeben hat. "Ein saltus ist, wo Wälder und Brachen/Weiden sind..." (
saltus est, ubi silvae et pastiones sunt) fängt der Abschnitt an. Dann beschreibt er den
saltus nach kaiserzeitlichem römischen Rechtsverständnis weiter, eben dass es dort auch Häuser gibt. Interessant ist die Stelle wo Festus schreibt, dass selbst dann, wenn auf diesem Weideland kleine Flächen (
particula) durch die Hirten und Hüter für den Eigenbedarf (Isolation während der Transhumanz) beackert werden (aratur), am Begriff
saltus nicht gerüttelt werden solle (
ea res non peremit nomen saltui). Und dann schließt der Passus damit, dass umgekehrt die Grundstücke, auf denen Wald wächst, wenn diese eigentlich Ackerland sind, ihren Namen auch nicht verlieren.
Und um dir das Prinzip der semantischen Verschiebung/Erweiterung noch mal vorzuexzerzieren:
Waldgebirge ist die ursprüngliche Bedeutung von
saltus, die anderen Bedeutungen kommen später:
Waldgebirge :rechts: Jagdrevier :rechts: kaiserliches Jagdrevier :rechts: "Domäne" (in der ulpianischen Deutung des 3. Jahrhunderts immer noch ein Waldgebiet, nur infrastrukturell erschlossener)
Wenn du unbedinngt glauben willst, dass sich Ambiorix vor Caesar in einer kaiserlichen Domäne versteckt hat oder Arminius Varus in einer kaiserlichen Domäne überfallen, dann magst du das gerne tun.
Aber zurück zum Thema Pontes Longi.
El Q: "die pontes longi müssen der einzigen Quelle zufolge, die wir über sie haben, rein sinnlogisch südwestlich der Ems gelegen haben."
- nur dann, wenn mit Amisia die Ems gemeint war, was ich bezweifele! Du brauchst in Deinem bunten Textzitat nur die Wörter "zur Ems" durch "nach Amisia" (dem Ort) ersetzen.
Es wird wiederholt wörlich vom Fluss Amisia bzw. seiner Mündung gesprochen, Tacitus verwendet die Worte
flumen und
amnis. Der Ort wird per Flotte erreicht, dann wird (im Jahr 15) das ganze Gebiet zwischend en Flüssen durchstreift.
ad flumen Amisiam mittit, equitem Pedo praefectus finibus Frisiorum ducit. ipse inpositas navibus quattuor legiones per lacus vexit; simulque pedes eques classis apud praedictum amnem convenere
[...]
quantumque Amisiam et Lupiam amnis inter vastatum [...]
[...]
lacus inde et Oceanum usque ad Amisiam flumen secunda navigatione pervehitur. classis Amisiae ore relicta laevo amne,
[...]
pluris Caesar classi inpositas per flumen Amisiam Oceano invexit.
Tacitus lässt keinen Raum, den Fluss wegzudiskutieren.
Wenn hier die Ems gemeint war, erklärt das nicht den sinnlogisch durch nichts zu begründenden Marschweg des Germanicus von "der Ems" bis zu den äußersten Brukterern und "zurück" nach Kalkriese.
Doch, das wird durch Tacitus ja begründet. Nachdem man zwischen den beiden Flüssen das Land verwüstet und Stertinis den Adler der 19. Legion erobert hatte,
cupido Caesarem invadit, ergriff das Verlangen von Caesar Besitz, das Schlachtfeld zu besuchen und den Soldaten und ihrem Anführer die letzte Ehre zu erweisen (die Bestattung zu bewerkstelligen:
solvendi suprema). Hier findet ein Richtungswechsel statt, es gibt nach dem militärischen Ziel, die Brukterer (zumindest für dieses Jahr) zu zerschlagen, ein neues, in erster Linie nichtmilitärisches Ziel. Richtungswechsel heißt aber noch nicht Rückweg.
Nach dieser Bestattnung folgt man Arminius, was man aber nach dem Scharmützel an dem nur als
avia (Einöde) bezeichneten Schlachtfeld abbrechen muss. Dann kommt die Rückkehr zur Ems, dort die Trennung. Wenn man nun Kalkriese als
pontes longi deuten wollte - und ich will hier gar nicht auf die archäologischen Funde eingehen, die Kalkriese mit der Varusniederlage in Verbindung bringen - dann müsste man erklären, wieso Caecina nach der Trennung von Germanicus sich nordöstlich der Ems befindet. Das kann man nur, indem man die Quelle vergewaltigt und aus der explizit als
flumen und
amnis bezeichneten Ems einen Ort an der Weser macht.
Schau doch, im Tacitustext steht doch wirklich nichts von Ampsivariern, auch wenn die noch so viel Buchstaben mit Angrivariern gemeinsam haben- Auf diesen "Geistesblitz" verfällt man in schierer Verzweiflung, wenn man den Germanicus nahe der Emsmündung den Stertinius losjagen lässt - weil Angrivarier sind dort nicht in seinem Rücken. Ob das die Ampsivarier waren, weiß auch niemand so ganz genau, passt aber besser, weil Angrivarier passen nicht!
Wir sind uns doch einig, dass ein Fehler vorliegt. Was ist nun wahrscheinlicher? Ein Lesefehler bei einem leicht verwechselbaren Wort, wobei die Ampsivarier nicht von den Angrivariern, die ja wenige Sätze später tatsächlich vorkommen, unterschieden werden oder aber, dass mehrfach der falsche Fluss genannt wird, wobei das einzige, was gegen den Fluss Ems spricht, der Wunsch ist, in Kalkriese nicht den Ort der Varusschlacht zu sehen, also ein außertextliches Motiv?
Danke für das Einstellen der älteren Kursive aus Nordengland, also Handschriften von "Jedermann".
Das ist lateinische Schreibschrift des ersten und zweiten Jahrhunderts. Die Zeit, in der auch Tacitus arbeitete.
Verwechseln kann man hier eher das "B" mit dem "D", was durch Kopisten massenhaft gemacht wurde, z.B. im Codex unicus der Bücher 41 - 45 des Livius. Nun denn, jetzt willst Du mir weismachen, dass Tacitus nicht in Capitalis geschrieben hat, sondern in unleserlicher Handschrift. Da hab ich nichts dagegen, um so wahrscheinlicher ist dann auch die Verwechslung von Amisia mit der Ems durch einen Abschreiber oder gar durch Tacitus selbst, der möglicherweise seine Quellen (u.a. Livius?) nicht genau lesen konnte, weil diese ihm verändert/abgeschrieben vorlagen?
Exerziere mir doch bitte vor, wie durch Abschreibfehler aus dem Fluss Visurgis der Fluss Amisiam wurde.
El Quijote schrieb:
Bei allen anderen Szenarien braucht man mehr als eine Zusatzannahme, weil nämlich erst Germanicus landet, dann die Weser überquert, dann plötzlich Arminius am gegenüberliegenden Weserufer steht, dann erneut die Weser überquert wird... Wie gesagt, dieses Hin- und Herüberqueren der Weser ergibt keinen Sinn.
Nun nur für Dich nochmal:
1. Es gab nur
eine Anlandung (Kessler schreibt, linkes westliches Weserufer, ich stimme zu)
2. Tacitius hatte
darüber mindestens zwei Berichte vorliegen (die Quelle aus der Nähe des Gemanicus, ziemlich gut informiert und sachlich, aber mit Sympathie. Dann die Quelle, die weitschweifig und in Allgemeinplätzen berichtet, auch kritisiert - hier mag Ems statt Weser angeführt gewesen sein, halte ich für möglich),
3. Jetzt macht Tacitus daraus zwei Flussüberquerungen, eine vorher an der Ems mit weitschweifigen Beschreibungen der Schwierigkeiten und mit Kritik am Feldherrn, danach beschreibt er das tatsächliche Geschehen um den Flussübergang ans andere Weserufer.
Das habe ich alles verstanden. Ich habe die Möglichkeit Tacitus so zu lesen, wie er es schreibt: Germanicus landet am westlichen Emsufer und überquert die Ems unter Verlusten. Dann marschiert er zur Weser, wo es zunächst zu einem Wortgefecht zwischen den Brüdern Arminius und Flavus kommt, dann wird die Weser überquert und die Schlacht bei Idistaviso zu schlagen.
Die andere Möglichkeit ist,
gegen Tacitus die "Weser" zu lesen.
Also Germanicus würde demzufolge an der Weser landen, diese unter Verlusten überqueren,
dann plötzlich Arminius gegenüberstehen (wo war der denn vorher? Haben die römischen Späher ein ganzes gegnerisches Heer übersehen?), es kommt zum Streit zwischen Arminius und Flavus, am nächsten Tag zum gegenseitigen Beschuss über die Weser hinweg, dann zeigt Germanicus, dass er den
bello Gallico seines Stiefurgroßvaters ordentlich gelesen hat und überquert die Weser, wie Caesar seinerzeit die Seine bei Anwesenheit starker gegnerischer Kampfverbände, dann kommt es zur Schlacht von Idistaviso.
Die Hypothese von der Dublette lässt sich nur, wenn man an der Oberfläche bleibbt aufrecht erhalten. Die Schilderung für die Emslandung AD 15 und für die Emslandung AD 16 sind völlig unterschiedlich. Man muss auch hier wieder zu einer unnötigen Zusatzannahme, nämlich einer wohlwollenden und einer kritischen Quelle zur Emslandung, greifen, die Tacitus benutzt haben soll. Das Problem ist, dass die Umstände bei den beiden Emslandungen völlig andere sind und beide Emslandungen sich problemlos in die Feldzüge 15 und 16 integrieren lassen, ganz ohne Zusatzannahmen.
Caecina zieht mit vier Legionen an die mittlere Weser zum Treffpunkt Amisia. Unterwegs kann er sicher schon einen Großteil der Brukterer vertreiben, Arminius soll ja den Köder schlucken und gegen ihn vorgehen (damit nicht die ganze Wucht des Krieges auf einmal hereinbreche).
Pedo zieht nordwärts durchs Friesenland, bringt deren Aufgebote mit (vielleicht geht er gleich bis zur Wesermündung und dann flussaufwärts um von Arminius unerkannt zu bleiben).
Also jeweils gleich den doppelten Weg, wo man doch weiß, wie leicht mal drei Legionen verloren gehen können?
Der Chef selbst zieht mit den anderen vier Legionen per Schiff möglichst unbemerkt die Wesehr hinauf, nimmt unterwegs noch die Chauken in seine Truppen auf und begibt sich weseraufwärts nach Amisia.
Da steht aber nirgendwo *"
Amisiam locum per Visurgim flumen" sondern
ad/per Amisiam flumen und
Amisiam et Lupiam amnes inter... etc.
Aber sicher war alles anders, weil mit Amisia ist die Ems gemeint bei Tacitus. Dann kann Kalkriese nicht Pontes Longi sein, aber gewiss auch nicht die Varusschlacht.
Entschuldige, aber du bist doch derjenge, der andauernd sinnverändernd in den taciteischen Text eingreift. Ich tue das nur an einer Stelle und bei der sind wir uns einig, dass dort ein Fehler vorliegt. Deshalb verstehe ich deinen Sarkasmus nicht.