lynxxx
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Dann möchte ich auch mal zitieren, mal etwas aktuelleres:
"In Kleinasien gelang es Basileios, die Position des Reiches
weiter auszubauen. Mit den Fatimiden Ägyptens wurde nach
einigen Auseinandersetzungen ein Vertrag geschlossen, der die
Interessensphären beider Reiche in Syrien und Palästina ab-
steckte. In Italien hingegen war Byzanz froh, seine unterita-
lienischen Besitzungen halten und konsolidieren zu können.
An eine Rückgewinnung Siziliens dachte man zwar, es kam
jedoch zu Lebzeiten des Kaisers zu keinen ernsthaften Bemü-
hungen mehr.
Die Regierungszeit Basileios' II. gilt bis heute als Höhepunkt
der Machtentfaltung des byzantinischen Reiches nach dem
7. Jahrhundert. Jedoch sollte man sich dessen bewußt sein,
daß dieses Urteil sehr von der Sichtweise der byzantinischen
Historiker des 11. Jahrhunderts beeinflußt ist, die ihrerseits in
einer Art verklärender Rückschau die Erfolge des Basileios
den Katastrophen ihrer eigenen Zeit gegenüberstellten und
ihn und seine Herrschaft damit auf ein Podest hoben, das
kaum gerechtfertigt ist. Zieht man in Betracht, daß Basileios
rund drei Jahrzehnte brauchte, um eine einzelne abgefallene
Reichsprovinz wieder unter Kontrolle zu bringen, so kann es
mit der vielgerühmten Wehrkraft des Reiches zu seiner Zeit
nicht allzu weit her gewesen sein. Damit soll die Leistung die-
ses Kaisers nicht bestritten werden. Aber er profitierte doch
sehr von dem Umstand, daß im Vorderen Orient und ebenso
auf dem Balkan ein gewisses Machtvakuum existierte, was
seine außenpolitischen Erfolge erheblich relativiert. Im End-
effekt spielte Byzanz hier die Rolle des Einäugigen, der unter
Blinden König ist. Dennoch sollte man das Lob der späteren
Chronisten nicht ganz abwerten. Zumindest ist es ein klares
Anzeichen für den Machtabfall des Reiches unter den Nach-
folgern Basileios' II. und so auch ein Ausdruck der Kritik an
der jeweiligen persönlichen Leistung dieser Kaiser, die von der
des Basileios in den Schatten gestellt wurde.
4. Das Ende der makedonischen Dynastie (1025-1056)
Verglichen mit Basileios II. wirken die meisten seiner Nach-
folger in der Tat wenig beeindruckend. Dies mag teilweise mit
der in den Quellen gegebenen, tendenziösen Darstellung zu
tun haben, teilweise wohl auch mit der Situation, in der sie
sich befanden: Über nahezu dreißig Jahre führte der Weg auf
den Thron nur über Zoe, eine der drei Töchter Konstantins
VIII., die ihrerseits zwar nicht weiter am Wohl des Staates in-
teressiert, aber dafür um so begehrlicher war, ihre privaten
Belange erfüllt zu sehen, die sie bis zum Tod ihres Vaters hatte
hintanstellen müssen. Mit ihrer Hand gab sie drei Kaisern den
Weg zum Thron frei, von denen der erste auf ihr Betreiben hin
vergiftet worden sein soll, was allerdings sehr nach Kolporta-
ge klingt. Verwunderlich ist, daß die Kirche ihre drei Ehen
mehr oder weniger widerspruchslos hinnahm, noch erstaunli-
cher, daß das Volk sie allein – zusammen mit ihrer Schwester
Theodora – als legitime Trägerin der Krone ansah und Ver-
suche, sie zu stürzen oder in den Hintergrund zu schieben,
vereitelte. Es zeigt die Stärke des dynastischen Gedankens in
Byzanz, das de jure nach wie vor eine Wahlmonarchie war. In
Wahrheit war jedoch die „Wahl“ eines neuen Kaisers längst
nur noch eine Formalie, auch wenn das Zeremoniell nach wie
vor strikt eingehalten wurde.
In dieser Zeit verlor das Kaisertum weiter an Durchset-
zungskraft gegenüber seinen inneren Konkurrenten. Der Adel
in den Provinzen gewann an Einfluß, den die schwache Zen-
tralregierung nur unzureichend eindämmen konnte. Solange
keine äußeren Feinde auftauchten, schien dies nicht weiter ins
Gewicht zu fallen. Ja, es gelang sogar, im Kaukasus weitere
Gebiete zu gewinnen. In Italien scheiterte man hingegen mit
dem Versuch, Sizilien zurückzuerobern. Vielmehr kam hier ein
Prozeß in Gang, der dazu führte, daß das Reich bis 1071 alle
seine dortigen Besitzungen verlieren sollte.
5. Innere Unruhen und Angriffe von außen (1056-1071)
Bis heute ist man sich nicht völlig darüber im klaren, warum
Byzanz in wenig mehr als einer Generation von dem Höhe-
punkt seiner Machtentfaltung unter Basileios II. bis zum fast
völligen Zusammenbruch abstürzte. Als Erklärung bieten sich
zum einen die „unfähigen“ Kaiser an, die nach Basileios II.
regiert haben, wobei hier – unabhängig vom tatsächlichen
Wahrheitsgehalt – nur den Urteilen der byzantinischen Chro-
nisten selber gefolgt wird, die, wie bereits dargelegt, die Ver-
hältnisse des Reiches unter Basileios glorifizierten, um auf die-
se Weise Kritik an den zeitgenössischen Mißständen üben zu
können. Richtig ist allerdings, daß das Ende der makedoni-
schen Dynastie zu einer Schwächung der kaiserlichen Autori-
tät führte, die in Aufständen und Putschversuchen ihren Aus-
druck fand, da der Thron jetzt für einen durchsetzungsfähigen
Usurpator erreichbarer schien als zuvor. Dies mußte den Hand-
lungsspielraum der Kaiser in den schwieriger werdenden Zei-
ten beeinträchtigen und hatte damit naturgemäß auch Folgen
für die Stellung des Reiches gegenüber seinen Nachbarn.
Eine weitere Erklärung liefert die Entwicklung innerhalb
der byzantinischen Gesellschaft, die die Durchsetzungsfähig-
keit der Zentralregierung und damit auch die militärische
Stärke des Reiches untergraben haben soll. Auch dies ist wohl
richtig, aber als Grund kaum ausreichend.
Die Frage stellt sich, ob der Gegensatz zwischen der Zeit
des Basileios und dem dritten Viertel des 11. Jahrhunderts
wirklich so kraß war, wie allgemein angenommen. Die Tatsa-
che, daß das Reich sich wenige Jahre später – unter den Kom-
nenen – durchaus wieder erholte, spricht eigentlich dafür, daß
es weniger ein Zusammenbruch des gesamten Reiches als viel-
mehr ein solcher der Zentralregierung war. Als es den Kom-
nenen gelang, einen Konsens zu finden, der auch den Adel
miteinbezog, besserten die Verhältnisse sich rasch.
Vor allem aber müssen wir berücksichtigen, daß um die
Mitte des 11. Jahrhunderts eine neue Macht auf der Bildflä-
che erschien, mit der vorher niemand rechnen konnte und die
die Verhältnisse im Vorderen Orient völlig umkehrte. Es han-
delte sich um die Seldschuken, die sich von Zentralasien aus
langsam westwärts bewegten und in den fünfziger Jahren all-
mählich in die Gebiete südlich des Kaukasus eindrangen -
und damit auch in die östlichen Provinzen des Reiches. By-
zanz reagierte zunächst wenig beunruhigt und entsandte nur
einige Truppen, bei deren Aktionen Erfolg und Mißerfolg
sich die Waage hielten. Als man schließlich den Ernst der Lage
begriff, war es zu spät. Kaiser Romanos IV. Diogenes konnte
zwar eine große Armee aufbieten, wurde jedoch 1071 bei
Mantzikert geschlagen und selbst gefangengenommen.
Man kann den Byzantinern sicher vorwerfen, daß sie die
Lage falsch eingeschätzt haben. Aber zugleich drängt sich
doch die Parallele zu den ersten Angriffen der Araber auf, die
gleichfalls zunächst nur mit lokalen Mitteln bekämpft wur-
den, bis sie 636 am Jarmuk die kaiserliche Hauptarmee schlu-
gen, was zum Zusammenbruch der byzantinischen Position in
Syrien und Palästina führte. Die Invasion der Seldschuken im
11. Jahrhundert ist der erste wirklich große Angriff von außen
seit der arabischen Expansion des 7. Jahrhunderts gewesen.
Sie wirbelte den gesamten Vorderen Orient durcheinander
und führte zu einer völligen Neuordnung der Verhältnisse. In-
sofern ist auch ihr Sieg über Byzanz eher ein Anzeichen dafür,
daß es weniger die eigene Stärke der Byzantiner gewesen war,
die zu den Erfolgen des 10. Jahrhunderts geführt hatte, als
vielmehr das nach dem Zerfall des Abbasidenkalifats entstan-
dene Machtvakuum. Dieses Vakuum wurde jetzt durch eine
neue Macht gefüllt, was zugleich das Ende – oder zumindest
eine wesentliche Schwächung – der bisherigen regionalen
Vormächte, unter ihnen Byzanz, zur Folge hatte."
Ralph-Johannes Lilie: BYZANZ. Geschichte des oströmischen Reiches 326-1453. München 1999.
"In Kleinasien gelang es Basileios, die Position des Reiches
weiter auszubauen. Mit den Fatimiden Ägyptens wurde nach
einigen Auseinandersetzungen ein Vertrag geschlossen, der die
Interessensphären beider Reiche in Syrien und Palästina ab-
steckte. In Italien hingegen war Byzanz froh, seine unterita-
lienischen Besitzungen halten und konsolidieren zu können.
An eine Rückgewinnung Siziliens dachte man zwar, es kam
jedoch zu Lebzeiten des Kaisers zu keinen ernsthaften Bemü-
hungen mehr.
Die Regierungszeit Basileios' II. gilt bis heute als Höhepunkt
der Machtentfaltung des byzantinischen Reiches nach dem
7. Jahrhundert. Jedoch sollte man sich dessen bewußt sein,
daß dieses Urteil sehr von der Sichtweise der byzantinischen
Historiker des 11. Jahrhunderts beeinflußt ist, die ihrerseits in
einer Art verklärender Rückschau die Erfolge des Basileios
den Katastrophen ihrer eigenen Zeit gegenüberstellten und
ihn und seine Herrschaft damit auf ein Podest hoben, das
kaum gerechtfertigt ist. Zieht man in Betracht, daß Basileios
rund drei Jahrzehnte brauchte, um eine einzelne abgefallene
Reichsprovinz wieder unter Kontrolle zu bringen, so kann es
mit der vielgerühmten Wehrkraft des Reiches zu seiner Zeit
nicht allzu weit her gewesen sein. Damit soll die Leistung die-
ses Kaisers nicht bestritten werden. Aber er profitierte doch
sehr von dem Umstand, daß im Vorderen Orient und ebenso
auf dem Balkan ein gewisses Machtvakuum existierte, was
seine außenpolitischen Erfolge erheblich relativiert. Im End-
effekt spielte Byzanz hier die Rolle des Einäugigen, der unter
Blinden König ist. Dennoch sollte man das Lob der späteren
Chronisten nicht ganz abwerten. Zumindest ist es ein klares
Anzeichen für den Machtabfall des Reiches unter den Nach-
folgern Basileios' II. und so auch ein Ausdruck der Kritik an
der jeweiligen persönlichen Leistung dieser Kaiser, die von der
des Basileios in den Schatten gestellt wurde.
4. Das Ende der makedonischen Dynastie (1025-1056)
Verglichen mit Basileios II. wirken die meisten seiner Nach-
folger in der Tat wenig beeindruckend. Dies mag teilweise mit
der in den Quellen gegebenen, tendenziösen Darstellung zu
tun haben, teilweise wohl auch mit der Situation, in der sie
sich befanden: Über nahezu dreißig Jahre führte der Weg auf
den Thron nur über Zoe, eine der drei Töchter Konstantins
VIII., die ihrerseits zwar nicht weiter am Wohl des Staates in-
teressiert, aber dafür um so begehrlicher war, ihre privaten
Belange erfüllt zu sehen, die sie bis zum Tod ihres Vaters hatte
hintanstellen müssen. Mit ihrer Hand gab sie drei Kaisern den
Weg zum Thron frei, von denen der erste auf ihr Betreiben hin
vergiftet worden sein soll, was allerdings sehr nach Kolporta-
ge klingt. Verwunderlich ist, daß die Kirche ihre drei Ehen
mehr oder weniger widerspruchslos hinnahm, noch erstaunli-
cher, daß das Volk sie allein – zusammen mit ihrer Schwester
Theodora – als legitime Trägerin der Krone ansah und Ver-
suche, sie zu stürzen oder in den Hintergrund zu schieben,
vereitelte. Es zeigt die Stärke des dynastischen Gedankens in
Byzanz, das de jure nach wie vor eine Wahlmonarchie war. In
Wahrheit war jedoch die „Wahl“ eines neuen Kaisers längst
nur noch eine Formalie, auch wenn das Zeremoniell nach wie
vor strikt eingehalten wurde.
In dieser Zeit verlor das Kaisertum weiter an Durchset-
zungskraft gegenüber seinen inneren Konkurrenten. Der Adel
in den Provinzen gewann an Einfluß, den die schwache Zen-
tralregierung nur unzureichend eindämmen konnte. Solange
keine äußeren Feinde auftauchten, schien dies nicht weiter ins
Gewicht zu fallen. Ja, es gelang sogar, im Kaukasus weitere
Gebiete zu gewinnen. In Italien scheiterte man hingegen mit
dem Versuch, Sizilien zurückzuerobern. Vielmehr kam hier ein
Prozeß in Gang, der dazu führte, daß das Reich bis 1071 alle
seine dortigen Besitzungen verlieren sollte.
5. Innere Unruhen und Angriffe von außen (1056-1071)
Bis heute ist man sich nicht völlig darüber im klaren, warum
Byzanz in wenig mehr als einer Generation von dem Höhe-
punkt seiner Machtentfaltung unter Basileios II. bis zum fast
völligen Zusammenbruch abstürzte. Als Erklärung bieten sich
zum einen die „unfähigen“ Kaiser an, die nach Basileios II.
regiert haben, wobei hier – unabhängig vom tatsächlichen
Wahrheitsgehalt – nur den Urteilen der byzantinischen Chro-
nisten selber gefolgt wird, die, wie bereits dargelegt, die Ver-
hältnisse des Reiches unter Basileios glorifizierten, um auf die-
se Weise Kritik an den zeitgenössischen Mißständen üben zu
können. Richtig ist allerdings, daß das Ende der makedoni-
schen Dynastie zu einer Schwächung der kaiserlichen Autori-
tät führte, die in Aufständen und Putschversuchen ihren Aus-
druck fand, da der Thron jetzt für einen durchsetzungsfähigen
Usurpator erreichbarer schien als zuvor. Dies mußte den Hand-
lungsspielraum der Kaiser in den schwieriger werdenden Zei-
ten beeinträchtigen und hatte damit naturgemäß auch Folgen
für die Stellung des Reiches gegenüber seinen Nachbarn.
Eine weitere Erklärung liefert die Entwicklung innerhalb
der byzantinischen Gesellschaft, die die Durchsetzungsfähig-
keit der Zentralregierung und damit auch die militärische
Stärke des Reiches untergraben haben soll. Auch dies ist wohl
richtig, aber als Grund kaum ausreichend.
Die Frage stellt sich, ob der Gegensatz zwischen der Zeit
des Basileios und dem dritten Viertel des 11. Jahrhunderts
wirklich so kraß war, wie allgemein angenommen. Die Tatsa-
che, daß das Reich sich wenige Jahre später – unter den Kom-
nenen – durchaus wieder erholte, spricht eigentlich dafür, daß
es weniger ein Zusammenbruch des gesamten Reiches als viel-
mehr ein solcher der Zentralregierung war. Als es den Kom-
nenen gelang, einen Konsens zu finden, der auch den Adel
miteinbezog, besserten die Verhältnisse sich rasch.
Vor allem aber müssen wir berücksichtigen, daß um die
Mitte des 11. Jahrhunderts eine neue Macht auf der Bildflä-
che erschien, mit der vorher niemand rechnen konnte und die
die Verhältnisse im Vorderen Orient völlig umkehrte. Es han-
delte sich um die Seldschuken, die sich von Zentralasien aus
langsam westwärts bewegten und in den fünfziger Jahren all-
mählich in die Gebiete südlich des Kaukasus eindrangen -
und damit auch in die östlichen Provinzen des Reiches. By-
zanz reagierte zunächst wenig beunruhigt und entsandte nur
einige Truppen, bei deren Aktionen Erfolg und Mißerfolg
sich die Waage hielten. Als man schließlich den Ernst der Lage
begriff, war es zu spät. Kaiser Romanos IV. Diogenes konnte
zwar eine große Armee aufbieten, wurde jedoch 1071 bei
Mantzikert geschlagen und selbst gefangengenommen.
Man kann den Byzantinern sicher vorwerfen, daß sie die
Lage falsch eingeschätzt haben. Aber zugleich drängt sich
doch die Parallele zu den ersten Angriffen der Araber auf, die
gleichfalls zunächst nur mit lokalen Mitteln bekämpft wur-
den, bis sie 636 am Jarmuk die kaiserliche Hauptarmee schlu-
gen, was zum Zusammenbruch der byzantinischen Position in
Syrien und Palästina führte. Die Invasion der Seldschuken im
11. Jahrhundert ist der erste wirklich große Angriff von außen
seit der arabischen Expansion des 7. Jahrhunderts gewesen.
Sie wirbelte den gesamten Vorderen Orient durcheinander
und führte zu einer völligen Neuordnung der Verhältnisse. In-
sofern ist auch ihr Sieg über Byzanz eher ein Anzeichen dafür,
daß es weniger die eigene Stärke der Byzantiner gewesen war,
die zu den Erfolgen des 10. Jahrhunderts geführt hatte, als
vielmehr das nach dem Zerfall des Abbasidenkalifats entstan-
dene Machtvakuum. Dieses Vakuum wurde jetzt durch eine
neue Macht gefüllt, was zugleich das Ende – oder zumindest
eine wesentliche Schwächung – der bisherigen regionalen
Vormächte, unter ihnen Byzanz, zur Folge hatte."
Ralph-Johannes Lilie: BYZANZ. Geschichte des oströmischen Reiches 326-1453. München 1999.