Gandolf
Aktives Mitglied
In einem anderen Strang tauchte einmal die Frage auf, wie die ehemaligen Funktionäre des Dritten Reiches in der BRD eigentlich „versorgt“ wurden (gemeint ist, welche Zahlungen sie von der BRD erhielten, um über die Runden zu kommen [Renten, Pensionen, Entschädigungen, etc.]). In diesem Strang soll dieser Frage konkreter nachgegangen werden. Dabei soll es um die Versorgung der ehemaligen Beamten des Dritten Reiches in der BRD gehen (ohne die Problematik der Kriegsopferversorgung). Es sind noch andere Stränge geplant, insb. zur Versorgung der Opfer.
Literaturhinweise:
Andreas Scheulen, Ausgrenzung der Opfer – Eingrenzung der Täter, Diss., 2002;
Ingo Müller, Furchtbare Juristen, 1987.
Chronik zur Versorgung der ehemaligen Beamten des Dritten Reiches:
Bereits zur Zeit der Weimarer Republik tritt nach § 31 des Strafgesetzbuches mit der Verurteilung eines Beamten zu einer Zuchthausstrafe die sog. „Amtsunfähigkeit“ ein, d.h. das Beamtenverhältnis erlischt, ohne Anspruch auf Ruhegehalt, bereits pensionierte Beamte verloren ihren Versorgungsanspruch.
Die Übertrittsverordnung vom 13.02.1924 (RGBl. I, S. 62) sieht beim Ausscheiden eines Beamten aus dem öffentlichen Dienst die Nachversicherung bei der Angestelltenversicherung vor.
§ 141 Abs. 2 Nr. 3 des Deutschen Beamtengesetzes vom 26.01.1937 (RGBl. I, S. 39) regelt, dass Beamte, die wegen einer Straftat verurteilt werden und deshalb aus dem Amt scheiden, nicht bei der Angestelltenversicherung nachversichert werden.
Mit dem 08.05.1945 wurde unter alliierter Kontrolle das Beamtentum zunächst abgeschafft und die Entnazifizierung durchgeführt. Das geschah zonal und regional sehr unterschiedlich. Der kriegsbedingte Mangel an geeigneten Arbeitskräften und die zunehmenden Spannungen zwischen Ost und West führten zur Wiedereinstellung ehemaliger Beamte des Dritten Reiches in den öffentlichen Dienst.
Am 23.05.1949 wird das Grundgesetz verabschiedet. Dessen Art. 131 bestimmt, dass die Rechtsverhältnisse von Personen, „die am 08.05.1945 im öffentlichen Dienst standen und aus anderen als beamten- oder tarifrechtlichen Gründen ausgeschieden sind und bisher nicht oder nicht ihrer früheren Stellung entsprechend verwendet werden, (...) durch Bundesgesetz zu regeln (sind)“. Der Großteil der ehemaligen Funktionäre des Dritten Reichs fällt unter diesen Artikel.
Mit dem „Gesetz zur Regelung der Rechtsverhältnisse der unter Art. 131 GG fallenden Personen vom 11.05.1951 (BGBl. I 1951, S. 307) erhielten die aufgrund der Entnazifizierung entlassenen Beamte/Hochschullehrer einen Anspruch auf Wiedereinstellung in den Staatsdienst der BRD. Mindestens 20 % der Stellen im öffentlichen Dienst sollten mit Bediensteten aus der NS-Zeit wieder besetzt werden. Im Volksmund kommt die Redewendung auf, „die 131er überrunden die 45er“. 1956 wird der schleswig-holsteinische Ministerpräsident dem Landtag berichten, dass Schleswig-Holstein eine Quote von mehr als 50 % erreicht hatte. Das Gesetz sah Ausnahmen vor: keinen Anspruch auf Wiedereinstellung hatten z.B. diejenigen, die durch rechtskräftigen Spruchkammerbescheid vom öffentlichen Dienst ferngehalten worden waren (weil sie hierfür als untragbar angesehen wurden) und ehemalige Mitarbeiter der Gestapo.
Der in seinem Personal politisch eher belastete Bundesgerichtshof (BGH) entschied in seinem Urteil vom 01.12.1952 – Az. III ZR 114/52 (BGHZ 8, 169), dass Beamte, die am 08.05.1945 noch in einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis standen, trotz des Wegfalls des alten Dienstherrn versorgungsberechtigt blieben. Die neuen Rechtsträger (Bund, Länder, Gemeinden) hätten das Vermögen der alten Rechtsträger übernommen. Infolgedessen seien diese analog §§ 419 BGB, 25 HGB, 233 ff. AktG und Kap. V. § 22 Beamtenrechtsänderungsgesetz auch verpflichtet, die Verbindlichkeiten der alten Rechtsträger zu übernehmen (sog. „Prinzip der Funktionsnachfolge“).
Im Rahmen der „Entnazifizierung“ des Beamtenrechts wurde das Bundesbeamtengesetz am 14.07.1953 neugefasst. Die bis dahin geltende Regelung, dass der wegen eines Strafurteils ausscheidende Beamte bei der Angestelltenversicherung nicht nachversichert wurde, entfiel. Folge: ehemalige Beamte, die wegen einem NS-Verbrechen verurteilt wurden, wurden nun (!) nachversichert.
Das politisch unbelastete Bundesverfassungsgericht (BVerfG) stellte in seinem „Ersten Beamtenurteil“ vom 17.12.1953 – Az. 1 BvR 147 – (BVerfGE 3, 58) fest, dass am 08.05.1945 alle Beamtenverhältnisse erloschen sind. Die Beamtenverhältnisse seien im Dritten Reich von einem öffentlich-rechtlichen Treueverhältnis gegenüber Staat und Volk in ein besonderes Treueverhältnis zu Hitler und der NSDAP umgewandelt worden. Folglich hätten die nationalsozialistischen Beamten keine Rechtsansprüche weder gegenüber dem Bund noch gegen den Ländern noch gegen die Gemeinden oder einen anderen Dienstherrn gehabt. Mit diesem Urteil stellte sich das BVerfG gegen die Rechtsprechung des BGH. Nun sollte es zwischen den beiden Gerichten zu einem Machtkampf kommen, in deren Mittelpunkt die Frage stand, in welchem Verhältnis die ehemaligen Beamten des Dritten Reiches zum Nationalsozialismus standen und wie der Rechtsstaat hiermit umgehen sollte.
Aufgrund des Beamtenurteils des BVerfG hätte der BGH eigentlich seine Rechtsprechung zu den Versorgungsansprüchen der Beamten und ihren Hinterbliebenen aufgeben müssen. Doch dieser wollte das Urteil des BVerfG nicht akzeptieren. Der Große Senat des BGH in Zivilsachen stellte in seinem Vorlagebeschluss vom 20.05.1954 fest, dass der Beamtenschaft großteils der Eid auf Hitler terroristisch aufgezwungen wurde, der wahre Kern der Beamtenschaft vom Nationalsozialismus nicht tangiert worden sei und die nationalsozialistischen Beamten ihre staatsneutrale Funktion zur Aufrechterhaltung des Gemeinwesens wahrgenommen hätten. Das Beamtenurteil des BverfG könne nicht rechtsstaatlich sein. Dem BverfG wurde die Angelegenheit vorgelegt, damit es seine Rechtsprechung ändere (!). Besonders herausfordernd war, dass die Vorlage vom Großen Senat stammte, der mit der Autorität sämtlicher Zivilrechtssenate des BGH aufwartete. Auch wollte dieser vom BVerfG bestätigt haben, dass die tragenden Entscheidungsgründe der Urteile des Verfassungsgerichts keine bindende Wirkung haben. Der Große Senat stellte die Machtfrage. Dabei wurde er in der öffentlichen Diskussion von nahezu allen Staatsrechtlern (freilich waren fast alle politisch belastet) unterstützt. Über 50 Staatsrechtler sprachen sich gegen die Rechtsprechung des BVerfG aus. Lediglich drei Staatsrechtler verteidigten das BVerfG (Heegner, Peters und Friesenhahn).
Das BVerfG wies mit Beschluss vom 19.02.1957 – Az. 1 BvL 13/54 – (BVerfGE 6, 222) den Vorlagebeschluss des Großen Senats des BGH als unzulässig zurück. Der Große Senat sei nicht vorlageberechtigt. Vorlageberechtigt seien seitens des BGH allein dessen einzelne Senate. - Am gleichen Tag wies das BVerfG in seinem Zweiten Beamtenurteil - Az. 1 BvR 357/52 - (BVerfGE 6, 132) die Verfassungsbeschwerden ehemaliger Angehöriger der Gestapo ab, die gegen die Ausschlussklausel des „131er“-Gesetzes (s.o.) Verfassungsbeschwerde erhoben hatten. Dabei stellte das BVerfG klar, dass es an seiner bisherigen Auffassung festhält, dass alle Beamtenverhältnisse zum Deutschen Reich mit dem 08.05.1945 erloschen sind. Ferner setzte sich das BVerfG Punkt für Punkt mit der Kritik des Großen Senats des BGH und der Staatsrechtler auseinander und widerlegte diese. Dabei arbeitete das BVerfG systematisch heraus, dass das traditionelle Beamtentum durch den NS-Staat zerstört wurde, die Beamten/Hochschullehrer des Dritten Reiches sich in den Dienst der NS-Weltanschauung stellen ließen und im Rahmen ihres Beamtenverhältnisses an den Willkürmaßnahmen des NS-Staates teilnahmen.
Wer sich für die Aufarbeitung des NS-Unrechts in der westdeutschen Nachkriegsgesellschaft interessiert, sollte die Beamtenurteile des BVerfG und den Beschluss des Großen Senats des BGH unbedingt lesen. Die Urteile sind trotz ihrer Länge [es sind m.W. die längsten Urteile in der amtlichen Entscheidungssammlung des BVerfG!] sehr gut lesbar und sehr verständlich geschrieben. Eine wahre Fundgrube öffnet sich!
Den Beamtenurteilen des BVerfG zufolge, hätten die ehemaligen Beamte des Dritten Reiches ihre Versorgungsansprüche verlieren müssen. Doch diese Folgen blieben weitgehend aus. Die Beamtenurteile des BVerfG kamen zu spät. Die Inkorporation des alten Beamtenapparats war 1957 fast vollständig abgeschlossen. Ferner wurde die Rechtsprechung des BVerfG „kalt“ umgangen. Sie wurde einfach nicht angewendet. Die neuen Rechtsträger erfüllten die nicht existierenden Versorgungsansprüche (wo kein Kläger, da kein Richter). Und der Gesetzgeber half weiter nach:
Bei der Rentenrefom 1957 wurde die Nachversicherung ausdrücklich unabhängig vom Grund des Ausscheidens gemacht.
1969 wurde geregelt, dass sogar Beamten, denen die Gerichte die Pensionsansprüche aberkannt haben, nachzuversichern waren.
Für die Beamte des mittleren und gehobenen Dienstes war die Nachversicherung auf der Basis eines "fiktiven Einkommens" häufig sogar vorteilhaft, da die Rente steuerfrei ausgezahlt wurde.
Literaturhinweise:
Andreas Scheulen, Ausgrenzung der Opfer – Eingrenzung der Täter, Diss., 2002;
Ingo Müller, Furchtbare Juristen, 1987.
Chronik zur Versorgung der ehemaligen Beamten des Dritten Reiches:
Bereits zur Zeit der Weimarer Republik tritt nach § 31 des Strafgesetzbuches mit der Verurteilung eines Beamten zu einer Zuchthausstrafe die sog. „Amtsunfähigkeit“ ein, d.h. das Beamtenverhältnis erlischt, ohne Anspruch auf Ruhegehalt, bereits pensionierte Beamte verloren ihren Versorgungsanspruch.
Die Übertrittsverordnung vom 13.02.1924 (RGBl. I, S. 62) sieht beim Ausscheiden eines Beamten aus dem öffentlichen Dienst die Nachversicherung bei der Angestelltenversicherung vor.
§ 141 Abs. 2 Nr. 3 des Deutschen Beamtengesetzes vom 26.01.1937 (RGBl. I, S. 39) regelt, dass Beamte, die wegen einer Straftat verurteilt werden und deshalb aus dem Amt scheiden, nicht bei der Angestelltenversicherung nachversichert werden.
Mit dem 08.05.1945 wurde unter alliierter Kontrolle das Beamtentum zunächst abgeschafft und die Entnazifizierung durchgeführt. Das geschah zonal und regional sehr unterschiedlich. Der kriegsbedingte Mangel an geeigneten Arbeitskräften und die zunehmenden Spannungen zwischen Ost und West führten zur Wiedereinstellung ehemaliger Beamte des Dritten Reiches in den öffentlichen Dienst.
Am 23.05.1949 wird das Grundgesetz verabschiedet. Dessen Art. 131 bestimmt, dass die Rechtsverhältnisse von Personen, „die am 08.05.1945 im öffentlichen Dienst standen und aus anderen als beamten- oder tarifrechtlichen Gründen ausgeschieden sind und bisher nicht oder nicht ihrer früheren Stellung entsprechend verwendet werden, (...) durch Bundesgesetz zu regeln (sind)“. Der Großteil der ehemaligen Funktionäre des Dritten Reichs fällt unter diesen Artikel.
Mit dem „Gesetz zur Regelung der Rechtsverhältnisse der unter Art. 131 GG fallenden Personen vom 11.05.1951 (BGBl. I 1951, S. 307) erhielten die aufgrund der Entnazifizierung entlassenen Beamte/Hochschullehrer einen Anspruch auf Wiedereinstellung in den Staatsdienst der BRD. Mindestens 20 % der Stellen im öffentlichen Dienst sollten mit Bediensteten aus der NS-Zeit wieder besetzt werden. Im Volksmund kommt die Redewendung auf, „die 131er überrunden die 45er“. 1956 wird der schleswig-holsteinische Ministerpräsident dem Landtag berichten, dass Schleswig-Holstein eine Quote von mehr als 50 % erreicht hatte. Das Gesetz sah Ausnahmen vor: keinen Anspruch auf Wiedereinstellung hatten z.B. diejenigen, die durch rechtskräftigen Spruchkammerbescheid vom öffentlichen Dienst ferngehalten worden waren (weil sie hierfür als untragbar angesehen wurden) und ehemalige Mitarbeiter der Gestapo.
Der in seinem Personal politisch eher belastete Bundesgerichtshof (BGH) entschied in seinem Urteil vom 01.12.1952 – Az. III ZR 114/52 (BGHZ 8, 169), dass Beamte, die am 08.05.1945 noch in einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis standen, trotz des Wegfalls des alten Dienstherrn versorgungsberechtigt blieben. Die neuen Rechtsträger (Bund, Länder, Gemeinden) hätten das Vermögen der alten Rechtsträger übernommen. Infolgedessen seien diese analog §§ 419 BGB, 25 HGB, 233 ff. AktG und Kap. V. § 22 Beamtenrechtsänderungsgesetz auch verpflichtet, die Verbindlichkeiten der alten Rechtsträger zu übernehmen (sog. „Prinzip der Funktionsnachfolge“).
Im Rahmen der „Entnazifizierung“ des Beamtenrechts wurde das Bundesbeamtengesetz am 14.07.1953 neugefasst. Die bis dahin geltende Regelung, dass der wegen eines Strafurteils ausscheidende Beamte bei der Angestelltenversicherung nicht nachversichert wurde, entfiel. Folge: ehemalige Beamte, die wegen einem NS-Verbrechen verurteilt wurden, wurden nun (!) nachversichert.
Das politisch unbelastete Bundesverfassungsgericht (BVerfG) stellte in seinem „Ersten Beamtenurteil“ vom 17.12.1953 – Az. 1 BvR 147 – (BVerfGE 3, 58) fest, dass am 08.05.1945 alle Beamtenverhältnisse erloschen sind. Die Beamtenverhältnisse seien im Dritten Reich von einem öffentlich-rechtlichen Treueverhältnis gegenüber Staat und Volk in ein besonderes Treueverhältnis zu Hitler und der NSDAP umgewandelt worden. Folglich hätten die nationalsozialistischen Beamten keine Rechtsansprüche weder gegenüber dem Bund noch gegen den Ländern noch gegen die Gemeinden oder einen anderen Dienstherrn gehabt. Mit diesem Urteil stellte sich das BVerfG gegen die Rechtsprechung des BGH. Nun sollte es zwischen den beiden Gerichten zu einem Machtkampf kommen, in deren Mittelpunkt die Frage stand, in welchem Verhältnis die ehemaligen Beamten des Dritten Reiches zum Nationalsozialismus standen und wie der Rechtsstaat hiermit umgehen sollte.
Aufgrund des Beamtenurteils des BVerfG hätte der BGH eigentlich seine Rechtsprechung zu den Versorgungsansprüchen der Beamten und ihren Hinterbliebenen aufgeben müssen. Doch dieser wollte das Urteil des BVerfG nicht akzeptieren. Der Große Senat des BGH in Zivilsachen stellte in seinem Vorlagebeschluss vom 20.05.1954 fest, dass der Beamtenschaft großteils der Eid auf Hitler terroristisch aufgezwungen wurde, der wahre Kern der Beamtenschaft vom Nationalsozialismus nicht tangiert worden sei und die nationalsozialistischen Beamten ihre staatsneutrale Funktion zur Aufrechterhaltung des Gemeinwesens wahrgenommen hätten. Das Beamtenurteil des BverfG könne nicht rechtsstaatlich sein. Dem BverfG wurde die Angelegenheit vorgelegt, damit es seine Rechtsprechung ändere (!). Besonders herausfordernd war, dass die Vorlage vom Großen Senat stammte, der mit der Autorität sämtlicher Zivilrechtssenate des BGH aufwartete. Auch wollte dieser vom BVerfG bestätigt haben, dass die tragenden Entscheidungsgründe der Urteile des Verfassungsgerichts keine bindende Wirkung haben. Der Große Senat stellte die Machtfrage. Dabei wurde er in der öffentlichen Diskussion von nahezu allen Staatsrechtlern (freilich waren fast alle politisch belastet) unterstützt. Über 50 Staatsrechtler sprachen sich gegen die Rechtsprechung des BVerfG aus. Lediglich drei Staatsrechtler verteidigten das BVerfG (Heegner, Peters und Friesenhahn).
Das BVerfG wies mit Beschluss vom 19.02.1957 – Az. 1 BvL 13/54 – (BVerfGE 6, 222) den Vorlagebeschluss des Großen Senats des BGH als unzulässig zurück. Der Große Senat sei nicht vorlageberechtigt. Vorlageberechtigt seien seitens des BGH allein dessen einzelne Senate. - Am gleichen Tag wies das BVerfG in seinem Zweiten Beamtenurteil - Az. 1 BvR 357/52 - (BVerfGE 6, 132) die Verfassungsbeschwerden ehemaliger Angehöriger der Gestapo ab, die gegen die Ausschlussklausel des „131er“-Gesetzes (s.o.) Verfassungsbeschwerde erhoben hatten. Dabei stellte das BVerfG klar, dass es an seiner bisherigen Auffassung festhält, dass alle Beamtenverhältnisse zum Deutschen Reich mit dem 08.05.1945 erloschen sind. Ferner setzte sich das BVerfG Punkt für Punkt mit der Kritik des Großen Senats des BGH und der Staatsrechtler auseinander und widerlegte diese. Dabei arbeitete das BVerfG systematisch heraus, dass das traditionelle Beamtentum durch den NS-Staat zerstört wurde, die Beamten/Hochschullehrer des Dritten Reiches sich in den Dienst der NS-Weltanschauung stellen ließen und im Rahmen ihres Beamtenverhältnisses an den Willkürmaßnahmen des NS-Staates teilnahmen.
Wer sich für die Aufarbeitung des NS-Unrechts in der westdeutschen Nachkriegsgesellschaft interessiert, sollte die Beamtenurteile des BVerfG und den Beschluss des Großen Senats des BGH unbedingt lesen. Die Urteile sind trotz ihrer Länge [es sind m.W. die längsten Urteile in der amtlichen Entscheidungssammlung des BVerfG!] sehr gut lesbar und sehr verständlich geschrieben. Eine wahre Fundgrube öffnet sich!
Den Beamtenurteilen des BVerfG zufolge, hätten die ehemaligen Beamte des Dritten Reiches ihre Versorgungsansprüche verlieren müssen. Doch diese Folgen blieben weitgehend aus. Die Beamtenurteile des BVerfG kamen zu spät. Die Inkorporation des alten Beamtenapparats war 1957 fast vollständig abgeschlossen. Ferner wurde die Rechtsprechung des BVerfG „kalt“ umgangen. Sie wurde einfach nicht angewendet. Die neuen Rechtsträger erfüllten die nicht existierenden Versorgungsansprüche (wo kein Kläger, da kein Richter). Und der Gesetzgeber half weiter nach:
Bei der Rentenrefom 1957 wurde die Nachversicherung ausdrücklich unabhängig vom Grund des Ausscheidens gemacht.
1969 wurde geregelt, dass sogar Beamten, denen die Gerichte die Pensionsansprüche aberkannt haben, nachzuversichern waren.
Für die Beamte des mittleren und gehobenen Dienstes war die Nachversicherung auf der Basis eines "fiktiven Einkommens" häufig sogar vorteilhaft, da die Rente steuerfrei ausgezahlt wurde.
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