Isleifson
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Der Versailler Vertrag wurde zweifellos in der Weimarer Republik politisch instrumentalisiert, um die demokratischen Parteien zu bekämpfen. Das ist die innenpolitische Facette.
Bzgl. der deutschen Außenpolitik muss wohl zwischen West und Ost unterschieden werden. Im Osten wurde von allen Weimarer Regierungen eine Revisionspolitik verfolgt, weite Kreise hofften auf einen Untergang Polens.
Im Westen hatte man sich durch Völkerbund, Locarno-Vertrag und Briand-Kellogg-Vertrag arrangiert. Dieses Zugehen der Westmächte auf das Deutsche Reich stellte bereits materiell eine Revision des Versailler Vertrages dar, eine Appeasement-Poilitik gegenüber dem ausgegrenzten Kriegsverlierer Deutschland, um die Außenpolitik zu normalisieren.
Militärisch zeigte sich zB ein britisches Appeasement schon vor Hitlers Machtergreifung, wenn selbst ein Vansittart einräumte, man könne dem Deutschen Reich die Wiederbewaffnung, das Saarland etc. nicht auf Dauer vorenthalten (auch mit Blick auf die deutsche Innenpolitik) und müsse zu einer Revision des Versailler Vertrages kommen. Wirtschaftlich kamen die Reparationen unter Dawes- und Young-Plan zu einer tragbaren Regelung, auch wenn die politischen Extreme dagegen massiv polemisierten.
@thanepower hat das oben gut aufgerissen. Der frühe Hitler ist mehr das "foster-child of Inflation", diese wiederum direkte Kriegsfolge. Der spätere Aufstieg des NS ist eng mit der Weltwirtschaftskrise verknüpft, diese wiederum im Auslöser mit binnenwirtschaftlichen Fehlentwicklungen in den USA, weniger mit materiellen Folgen des Versailler Vertrages.
Zugespitzt könnte man auch einen Web-Fehler im Versailler Vertrag dergestalt sehen, dass das Deutsche Reich als Kriegsbedrohung in Mitteleuropa nicht wirksam auf Dauer ausgeschaltet und zerschlagen worden ist (dagegen sprachen zweifelsohne einige Kalküle, so der Blick auf die Revolution in Rußland, oder die Erhaltung der ökonomischen Kraft zur Begleichung der Reparationen). Hitlers Expansionspolitik 1937/39 hatte mit dem Versailler Vertrag kaum etwas zu tun, und der Überfall auf Polen stand nicht in einer Kausalkette zu Versailles ("Danzig ist nicht das Objekt, um das es geht").
Die kritische Debatte über Versäumnisse der Appeasement-Politik wurde in dem Sinne auch stets instrumentalisiert (gerade mit Blick auf das "Ergebnis" am 1.9.1939), um angebliche Fehler des Versailler Vertrages, Mitschuld der Westalliierten am Aufstieg der NSDAP und Hitlers zu belegen. Daneben hatte die Appeaser/Anti-Appeaser-Debatte stets innenpolitisch, speziell in Großbritannien, den Charakter einer Auseinandersetzung und "Schuldabrechung" (siehe ebenfalls die Hinweise von @thanepower, auch die Diskussion hier im Forum).
Man sollte diese Debatten-Polemik scharf von der Beurteilung der seinerzeitigen Verhältnisse und Ereignisse trennen, auch von "Prophezeihungen" über angeblich drohende "30-jährige Kriege", weil ansonsten dem NS und den Angriffskriegen Hitlers ein nahezu "determinierter" Aspekt beigelegt wird, der wiederum für die Apologie von Angriffs-, Eroberungs- und Vernichtungskriegen missbraucht werden kann.
Zwischen Versailles und Hitler 1937/39 gab es genügend Weichenstellungen, um eine "Zwangsläufigkeit" zwischen dem Vertrag und den Eroberungsversuchen auszuschließen. Ob ein "milderes" Versailles im Appeasement-Sinne Hitler ausgeschlossen hätte, oder ein noch härterer Vertrag alle NS-Ambitionen unterdrückt hätte, ist reine Spekulation.
Wie hat man sich eine solche Weichenstellung,denn konkret vorzustellen?GB beobachtete das Treiben von Briand und Stresemann ja schon mißtrauisch.