Einführung in die deutsche Geschichte des Mittelalters

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Das Deutsche Reich

Der Name „Deutsches Reich“ bezieht sich eigentlich auf das Deutschland von 1871 bis 1945. Das Deutsche Reich sah sich als Nachfolger eines Landes, das im Mittelalter im Herzen Europas lag und über dessen sich die Historiker nicht einigen können, wie es nun genannt werden soll. „Deutsches Reich“ wäre eigentlich Unfug. Bis zu Beginn des 12. Jahrhunderts hieß es offiziell „regnum francorum orientalium“, was übersetzt soviel wie „Königreich der östlichen Franken“ heißt – kurz: Ostfränkisches Reich. Es entstand als eines der Teilreiche durch den Vertrag von Verdun im Jahre 843 zwischen Lothar I., Kahl dem Kahlen und Ludwig dem Deutschen; alle drei waren Enkel des legendären Karls des Großen. Sie teilten sein Imperium, das Fränkische Reich, welches sich von den Pyrenäen bis zur Elbe erstreckte, in drei Teile: einem westlichen, einem mittleren und einem östlichen Teil. Letzteres erhielt Ludwig der Deutsche, der von manchen als ersten deutschen König angesehen wird. Der Name „regnum francorum orientalium“ tauchte allerdings erst später auf, genauer im Jahre 920, als Karl der Einfältige und Heinrich den Vogler den Vertrag von Bonn schlossen. Karl durfte sein Reich „regnum francorum occidentalum“ nennen. Heinrich, der Begründer der Ottonendynastie und dessen Sohn Otto der Große das ostfränkische Reich stark ausbreitete, war ein Jahr zuvor zum Nachfolger Konrads I. gewählt worden, des ersten nichtkarolingischen Königs auf dem ostfränkischen Thron.

Im Jahre 936 verstarb auch er und erhob Otto den Großen zu seinem Nachfolger. Dieser schaffte es nicht nur, die Ungarn in der Schlacht auf dem Lechfeld 955 ein für allemal zu besiegen, sondern wurde sieben Jahre darauf von Papst Johannes XII. zum römischen Kaiser gekrönt. Seitdem waren das ostfränkische Reich und die römische Kaiserkrone miteinander verbunden und der Papst krönte nur noch einen ostfränkischen König zum Kaiser.

Man könnte meinen, Papst und Kaiser seien gute Freunde gewesen. Nun, anfangs waren sie es auch vielleicht, doch kam es im 11. Jahrhundert zu Streitigkeiten zwischen Papst Gregor VII. und König Heinrich IV. um die Bischofseinsetzung. Dieser Streit führte schließlich zu einem als „Investiturstreit“ bezeichneten Krieg um die Macht in Europa. Gregor forderte Heinrich auf, seine imperialistischen Pläne aufzugeben und sich als „rex teutonicorum“ (lat. „König der Teutonen“) im Kreis der europäischen Souveräne einzuordnen. Gesagt, nicht getan: der Krieg wurde von Heinrichs gleichnamigem Sohn weitergeführt, bis im Jahre 1122 mit Papst Kalixt II. das Wormser Konkordat, ein Kompromissfrieden geschlossen wurde. Zuvor hatte Heinrich V. der einstigen Forderung Gregors das „regnum romanorum“ entgegengestellt, um die imperialen Ansprüche des Königs bzw. des Kaisers zu verdeutlichen; schließlich wurde Deutschland seitdem als „Römisches Königreich“ bezeichnet.

Trotz des Friedensschlusses brach noch im selben Jahrhundert der Krieg wieder aus. Eine neue Kaiserdynastie namens „Staufer“ versuchte ihr Glück, die Macht des Papstes zu brechen und die Nummer Eins in Europa zu werden. Unter Friedrich Barbarossa und seinem Sohn Heinrich VI. wäre ihnen dies sogar fast geglückt; immerhin wurde letzterer 1194 sogar König von Sizilien. Doch nur drei Jahre später verstarb Heinrich viel zu jung und stürzte das Reich damit ins Chaos. In Deutschland kämpften mehrere Personen um seine Nachfolge, doch konnte sich schließlich sein Sohn Friedrich II. durchsetzen. Er wurde bereits zu Lebzeiten als „stupor mundi“ (lat. „Staunen der Welt“) bezeichnet und galt als sehr gebildet; sein Buch über die Falkenjagd wird sogar heute noch verwendet. Nur zu dumm, dass sich Friedrich II. meistens in Italien aufhielt und Deutschland seinem Schicksal überließ; um Ruhe mit den aufstrebenden Reichsfürsten zu haben, erließ er Gesetze, die diese begünstigten. Im Jahre 1250 verstarb er und innerhalb weniger Jahrzehnte wurde die staufische Macht für immer zerschlagen.

Deutschland als Ganzes stürzte in eine Krise, es gab nur wenige Könige, die sich durchsetzen konnten und wirklich etwas machten; die meisten versuchten allerdings sich und ihre Familie zu bereichern. Einer dieser Könige war Karl IV., der die Königswahl in der Goldenen Bulle von 1356 regelte: nur noch sieben sog. Kurfürsten hatten das Recht, den König zu wählen. Schließlich bestand Deutschland aus einem Haufen kleiner, rivalisierender Fürstentümer. Ein Fürstenhaus stach jedoch hervor. Es herrschte in den Herzogtümern Kärnten, Steiermark und Österreich. Die Rede ist von den Habsburgern, die durch intelligente Heiratspolitik zum mächtigsten deutschen Geschlecht wurden. Ab 1438 stellten fast ausschließlich sie die römischen Könige und Kaiser. Maximilian I. nannte sich mit Erlaubnis des Papstes seit 1508 „Erwählter Römischer Kaiser“; seitdem wählten die Kurfürsten auch gleich den römischen Kaiser. Und seit dieser Zeit etwa wird für Deutschland der Name „Königreich Germanien“ verwendet. Aber für diejenigen, denen es zu kompliziert ist, geht auch „Deutsches Reich“.

Literatur:
"Die Deutsche Geschichte" (2001)
Gerhard Hartmann, Karl Schnith, "Die Kaiser" (1996)
Manfred Höfer, "Die Kaiser und Könige der Deutschen" (1994)
Johannes Lehmann, "Die Staufer" (1978)
Brigitte Vacha, "Die Habsburger" (1996)
 
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