Einkommensverteilung

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Gast

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Weiß einer von euch welche Möglichkeiten der Staat hat(te) die Einkommensverteilung zu beeinflussen ? Es geht um die Zeit 1950 bis 1965 in Deutschland. Ich glaube zur Zeit der Einführung der sozialen Marktwirtschaft.
 
Dazu gehörte und gehört immer noch der progressive Steuersatz bei der Einkommensteuer. Das heißt für höhere Einkommensteile ist ein höherer Steuersatz zu bezahlen. In den 1950er und 1960er Jahren betrug der Spitzensatz 53%. Von wann bis wann weiß ich aber nicht genau.
Einkommensteuertarif ? Wikipedia
Während der Besatzungszeit betrug der Spitzensatz, wenn ich mich recht erinnere, zeitweise 95%.
In erster Linie Einfluss auf die Vermögensverteilung, aber indirekt auch auf die Einkommensverteilung, hatten die vermögenswirksamen Leistungen mit der Sparzulage (eher gering) und der Lastenausgleich.
Vermögenswirksame Leistung ? Wikipedia
Lastenausgleichsgesetz ? Wikipedia
 
Wahrscheinlich meinst du eher große Umverteilungen, evtl. interessiert Ehegattensplitting ade? aber doch.
Mir war neu, dass die heute umstrittene Form zur Förderung der Hausfrauenehe erst 1958 eingeführt wurde.
 
Mir war neu, dass die heute umstrittene Form zur Förderung der Hausfrauenehe erst 1958 eingeführt wurde.

Das ist aber ein hartes Urteil :devil:

Erstritten wurde das Ehegatten-Splittung vor dem BVerfG 1957, eingeführt durch StÄndG 1957. § 26 ESTG 1951 wurde unter Abwägung des Art. 6 GG und Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit für Veranlagungen 1951/1957 für nichtig erklärt, daneben wurden die Besteuerung für 1949-1950 in diesem Punkt ebenfalls aufgehoben, soweit noch möglich. Die nicht bestandskräftigen Veranlagungen wurden rückwirkend ab 1949 neu beschieden.

Die preußischen Steuergesetze sahen bereits 1851 eine Haushaltsbesteuerung (statt personenbezogen) vor, was dem Splitting durch Zusammenrechnung der Einkünfte schon nahe kommt. Im preußischen EStG 1891 wurde von der Haushalts- auf die Ehegattenbesteuerung übergegangen. Das EStG 1920 kannte dann neben der Zusammenveranlagung der Ehegatten (§ 16) wieder eine begrenzte Haushaltsbesteuerung. Im ÄndG zum EStG 1920 aus 1921 wurde die Ehefrau selbstständig veranlagt, wenn sie Einkommen aus einem nicht dem Ehemann gehörenden Betrieb bezog. Die Nationalsozialisten führten die unbeschränkte Zusammenveranlagung (aus bekannten familienpolitischen Gründen) wieder ein -> angestrebte Entfernung der Ehefrauen aus dem Berufsleben. Während der Kriegswirtschaft wurde die Regelung des EStG 1921 mit den Ausnahmen deer Zusammenveranlagung wieder eingeführt, das blieb auch für 1949 ff. zunächst in Kraft.


Die "Haushaltsveranlagung" ist übrigens noch aus einem weiteren Bereich bekannt: der Vermögensteuer mit ihrer Tradition der Besteuerung einer "Wirtschaftsgemeinschaft" einer Familie.


Einkommensabhängige Staffeltarife gab es ebenfalls schon in der Weimarer Republik, mit Spitzen bis zu 66,5%, die dann in der Inflation abgesenkt wurden. Über die Begründung wurde viel gestritten, bekannt sind die Äquivalenztheorie bzw. die Opfertheorie:

Hohes Einkommen -> hohe Leistungsfähigkeit -> hohes akzeptables Steuer"opfer" bzw. Hohes Einkommen -> abnehmender Grenznutzen der konsumierbaren Einkommensteile -> höhere Steuer für die gleichmäßige Belastung

oder:
Hohes Einkommen -> größerer Nutzen der staatlichen Gemeinschaft -> höhere Steuer

Natürlich korrespondieren diese Überlegungen mit der steuerlichen Freistellung des Existenzminimums, die es schon in Weimar und davor gab. Oberhalb des freigestellten Existenzminimums wurden die Tarife schon lange in Verteilungsüberlegungen einbezogen.
 
Mir war neu, dass die heute umstrittene Form zur Förderung der Hausfrauenehe erst 1958 eingeführt wurde.
Das ist so auch nicht ganz richtig -wie silesia schon darzulegen versucht hat. Es war nämlich so, dass 1958 die zu hohe Besteuerung der Doppelverdienereheleute gegenüber zwei Singles abgeschafft wurde. An der Begünstigung der Alleinverdienerehe hat sich dadurch nur bedingt etwas geändert. Der Knackpunkt am Ganzen ist der progressive Steuersatz bei der Einkommensteuer (mit steigendem Einkommen steigt nicht nur der Steuerbetrag linear an, sondern der Steuersatz progressiv). Bei der Vermögensteuer gab es das nicht. Deshalb war die Zusammenveranlagung dort auch kein Problem.
Die "Haushaltsveranlagung" ist übrigens noch aus einem weiteren Bereich bekannt: der Vermögensteuer mit ihrer Tradition der Besteuerung einer "Wirtschaftsgemeinschaft" einer Familie.
Weiter ins Detail gehe ich aber besser nicht, weil das dann über das "historische" hinausginge Ehegattensplitting ? Wikipedia
 
eigt nicht nur der Steuerbetrag linear an, sondern der Steuersatz progressiv). Bei der Vermögensteuer gab es das nicht. Deshalb war die Zusammenveranlagung dort auch kein Problem.

Das ist mE insofern ein Irrtum, als man die Betrachtung nicht auf die zu zu vernachlässigenden Effekte bei Vermögens- oder Einkommensmillionären beziehen sollte, somit auch für die VSt nicht auf (nicht vorhandene) Tarifeffekte einengen kann.

Die Zusammenveranlagung bei der VSt hatte den wesentlichen Effekt der Mehrfach-Nutzung von persönlichen Freibeträgen und damit Breitenwirkung in der Quasi-Freistellung der breiten Bevölkerung unterhalb der "Halb-Millionen-Vermögen" vor 20 Jahren.

Das Splitting bei der ESt würde ich deswegen logisch aus der Haushaltsbesteuerung entwickelt sehen, als einen Ableger für die die Effekte bei progressiven Tarifen.
 
Das ist mE insofern ein Irrtum, als man die Betrachtung nicht auf die zu zu vernachlässigenden Effekte bei Vermögens- oder Einkommensmillionären beziehen sollte, somit auch für die VSt nicht auf (nicht vorhandene) Tarifeffekte einengen kann.
Es geht da nicht nur um die Millionäre, seit einigen Jahren beginnt die Progression bereits bei Überschreiten eines Einkommens von 7.834 Euro bei Unverheirateten und 15.668 Euro bei Verheirateten. Stichworte: Mittelstandsbauch und schleichende Progression
Genau zur Abmilderung dieser Progression wurde der Splittingtarif 1958 eingeführt. Sonst müssten Eheleute auch schon ab einem zu versteuernden Einkommen von 7.834 Euro Einkommensteuer bezahlen.
Falls sich jemand das masochistische Vergnügen machen will, das Verfassungsgerichtsurteil zu lesen, das die Ursache für die Gesetzesänderung war http://sorminiserv.unibe.ch:8080/tools/ainfo.exe?Command=ShowPrintVersion&Name=bv006055
Damit aber endgültig genug dazu.
 
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