Seit dem Mauerfall hat sich die geostrategische Lage nachhaltig verändert. Wie der damalige Bundeskanzler Gerhard Schröder am 30. November 1999 vor der Französischen Nationalversammlung ausführte, muss „das Europa der Zukunft seine Interessen weltweit wirksam vertreten können (...) Europa darf international nicht Beobachter sein, sondern muss als starker Akteur auftreten, der die Schaffung der globalen Ordnung für das 21. Jahrhundert entscheidend mitbestimmt." Der Einsatz europäischer Truppen zur Schaffung einer neuen globale Ordnung gehört inzwischen zum Alltag: Im Kongo, vor der Küste des Libanon, in Afghanistan oder neuerdings zur Bekämpfung der Piraterie vor Somalia. Für die europäischen Streitkräfte bedeutet dies auch ein Umdenken in der Einsatzführung selbst, um die politisch-strategischen Vorgaben der Staatsführung in diesem sicherheitspolitisch veränderten Rahmen erfüllen zu können. Guerilla, Partisanen, Terrorismus, Kleinkrieg usw. hat es wie die offene Feldschlacht immer schon gegeben, Europa hat lediglich verlernt, mit ihnen umzugehen. Asymmetrische Kriegführung ist daher in diesem Sinne mehr alter Wein in neuen Schläuchen als eine neue Art der Kriegführung. Allerdings müssen in Europa das volle Spektrum asymetrischer Konflikte wieder erkannt und dessen Formen wieder erlernt werden. Vor diesem Hintergrund ist unerlässlich, den forschenden Rückgriff in die imperialistische Epoche zu wagen, als Europa in Gestalt seiner Großmächte schon einmal die damilige globale Ordnung entscheidend mitbestimmt hat. Naheliegend ist es dabei, sich auf Afrika zu konzentrieren, nicht zuletzt, da dieser Kontinent durch die Europäische Union als ein Schwerpunkt der zukünftigen politischen Außenwirksamkeit festgelegt wurde. Zu diesem Thema werde ich in nächster Zeit einige Auszüge einer von mir verfassten Arbeit zur Diskussion stellen.
Der Naukluftfeldzug
Am 15.06.1894 wurden von Kaiser Wilhelm II im Neuen Palais bei Potsdam zwei Kompanien zur Ergänzung der Schutztruppe von Deutsch-Südwestafrika verabschiedet. Eine besondere Ausbildung für den Einsatz in Afrika war nicht erfolgt. Von einer speziellen Qualifikation für die Behandlung und Führung von Menschen anderer Rasse und Kultur, wie wir sie heute unter dem Begriff „cultural awareness" kennen, konnte nicht die Rede sein. Diesbezüglich musste als Ersatz eine Ansprache seiner Majestät genügen. Kaiser Wilhelm II: "Halten Sie sich stets vor Augen, daß die Leute, die sie dort (in Afrika) treffen, wenn sie auch eine andere Hautfarbe haben, gleichfalls ein Herz besitzen, das ebenfalls Ehrgefühle aufweist. Behandeln Sie diese Leute mit Milde." Am 21.07.1894 gingen die Soldaten der Schutztruppenergänzung in Swakopmund im heutigen Namibia an Land. Darunter befanden sich mit Hauptmann v. Estorff, Premierleutnant v. Burgsdorff und Leutnant Volkmann Offiziere, welche später zu den so genannten „Alten Afrikaner" gehören sollten. Diese „Alten Afrikaner" werden von den Historikern L. H. Gann und Peter Duignan zu Recht als „corps d'elite" bezeichnet. Ihre fachliche Qualifikation mussten sich die „Alten Afrikaner" hart erarbeiten. Schon auf dem Marsch ins Landesinnere machte sich die fehlende Vorbereitung auf den Einsatz in Afrika bemerkbar. L. v. Estorff: „Der Marsch ward zu einer schrecklichen Qual. (…) Ich hatte so nun gleich zu Anfang die sehr eindringliche Erfahrung gemacht, dass man der Natur des Landes nicht mit trotziger Gewalt begegnen darf, sondern dass man sie ergründen muss und sich nach ihr schicken." (…) Die afrikanischen Ochsen waren viel klüger gewesen als ich. Meiner Kompanie waren 4 Soldaten der alten Francois´schen Truppe zugeteilt. Ich hatte sie bewundert, wie sie scheinbar mühelos den Marsch bewältigten, dem wir erlagen. Sie waren an das Klima gewöhnt und durch die gewaltigen Anstrengungen der früheren Feldzüge gestählt."
Aufgabe der Schutztruppe war die Herstellung des Landfriedens, welcher hauptsächlich durch den Nama-Kapitän Hendrik Witbooi bedroht war. Hendrik Witbooi war einer der wenigen Überlebenden der „Blutnacht von Okahandja" am 23.08.1880 gewesen. Damals hatte der Herero-Häuptling Maharero befohlen, alle in seinem Machtbereich lebenden Nama niederzumetzeln. Auf der Flucht hatte Hendrik Witbooi eine Vision: Er glaubte von Gott den Auftrag erhalten zu haben, alle Namas und Orlams unter seiner Herrschaft zu vereinen und „die Amaliter (Herero) zu vertilgen." Hendrik Witbooi an Mahahero: "Mein lieber Bruder und großer Kapitän, laß mich Dir sagen, daß Du ein Dieb bist, ein Mörder, ein Wolf und ein Schakal. (...) Du hast Menschengeschöpfe, die Gott nach seinem Ebenbild schuf und für die er seinen treuen Sohn gegeben hat, mit dem Messer abgeschlachtet wie gewöhnliches Vieh. (...) Deshalb werde ich Dich töten, wie man ein wildes Tier totmacht. So mche dich fertig, hurra! Ich werde sicher kommen und siegen, hurra! Der Herr ist mir zur Rechten und zur Linken, also dann mache Dich fertig , hurra! Mit den besten Segenswünschen grüße ich Dich und bleibe Dein Mitbruder und Kapitän Moses Witbooi von Gibeion." Die Situation im vorkolonialen Namibia war nicht unähnlich der heutigen Lage im Osten des Kongo, wo Warlords und Stammesführer um die Vorherrschaft sowie die Ressourcen des Landes kämpfen und der Ruf nach Herstellung eines Allgemeinen Landfriedens durch eine internationale Schutztruppe immer lauter wird. T. Leutwein an Hendrik Witbooi: "Du hast verschiedene Kapitäne des Namalandes abgeschossen und schließlich dich in Hornkranz festgesetzt und von da Raubzüge in das Hereroland unternommen. Du hast mithin in dem Gebiete, das unter dem Schutz des deutschen Kaisers stand, Ruhe und Frieden gestört. (...) Friede ohne ausdrückliche Unterwerfung unter die deutsche Schutzherrschaft gibts für Dich und Dein Volk nicht mehr." Hendrik Witbooi war hierzu nicht bereit: "Die Kriege die ich geführt, sind keine Kriege, die ich zuerst begonnen habe, denn die roten, schwarzen und selbst ihr weißen Menschen haben mich zuerst geschossen." Am 27.08.1894 erfolgte der Angriff auf die im Naukluftgebirge verschanzten Witboois. L. v. Estorff: "Nun begann mit Tagesanbruch das Vorgehen in weiträumiger Schützenlinie, bald pfiffen uns die ersten Kugeln um die Ohren." In den nun folgenden Kämpfen zeigten sich die landeskundigen Namas in der Nutzung des Geländes den unerfahrenen und für diese Art des Krieges nicht ausgebildeten deutschen Soldaten weit überlegen. L. v. Estorff: „Die Hottentotten hatten dann die Kompanie des Hauptmanns von Sack von drei Seiten umfasst und ihr sehr schwere Verluste zugefügt, während sie selbst ganz unsichtbar blieben." Die von Estroff geschilderten Gefechtsbilder sind typisch für asymetrische Kriege. Entsprechende Erfahrungen mussten später auch die US-Streitkräfte in Vietnam und die sowjetischen Truppen in Afghanistan machen. Trotz aller Unzulänglichkeiten gelang es dank operativer Kunst, flexibler Führung und hoher persönlicher Einsatzbereitschaft, ein Entkommen der Witboois aus dem Naukluftgebirge zu verhindern. T. Leutwein: "Witbooi kam nunmehr in eine üble Lage, vor sich Burgsdorff mit dem Geschütz, links rückwärts die nachdrängende Hauptabteilung. Jedoch erwies er sich rasch wieder als Herr der Lage. Rasch hatte er eine Gefechtslinie gegen die Abteilung Burgsdorff gebildet und eine zweite gegen die nachdrängende Hauptabteilung. Unter dem Schuzt dieser beiden Linien sowie auch der mittlerweile hereinbrechenden Dunkelheit brachte der Kapitän seinen Troß in annähernder Ordnung wieder in das Gebirge zurück. (...) Nach der Zurückwerfung des Gegners in das Gebirge hatte sich die Kriegslage insofern eigentümlich gestaltet, als wir aus dem Gebirge heraus waren, Witbooi dagegen wieder drin. (...) Doch hierzu war die Truppe zu erschöpft; aber auch Witbooi war so wenig wie wir imstande, irgend etwas Ernstliches zu unternehmen. Beide Teile brachten daher die Nacht vom 04. zum 05. September, die Truppe bereits am südlichen Gebirgsrande, in total erschöpftem Zustande zu." Schließlich war Hendrik Witbooi zum Einlenken bereit. Der zwischen Major Leutwein und Hendrik Witboi geschlossene Schutzvertrag mit dem später erfolgten Zusatz der Heeresfolge war Voraussetzung für die Herstellung des Landfriedens und die Errichtung der deutschen Kolonialherrschaft im heutigen Namibia. T. Leutwein: "Dieses Waffenbündnis hat der Kapitän bis zum Aufstande 1904 treu gehalten." Der Naukluftfeldzug von 1894 ist eine eindringliche Mahnung,dass die Entsendung von Truppen nach Afrika einer gediegenen Vorbereitung der einzelnen Soldaten und der umfassenden Aufbereitung des Einsatzraumes zur Minimierung von Risken und Verlusten für die eigenen Verbände erfordert.
Gneisenau
Der Naukluftfeldzug
Am 15.06.1894 wurden von Kaiser Wilhelm II im Neuen Palais bei Potsdam zwei Kompanien zur Ergänzung der Schutztruppe von Deutsch-Südwestafrika verabschiedet. Eine besondere Ausbildung für den Einsatz in Afrika war nicht erfolgt. Von einer speziellen Qualifikation für die Behandlung und Führung von Menschen anderer Rasse und Kultur, wie wir sie heute unter dem Begriff „cultural awareness" kennen, konnte nicht die Rede sein. Diesbezüglich musste als Ersatz eine Ansprache seiner Majestät genügen. Kaiser Wilhelm II: "Halten Sie sich stets vor Augen, daß die Leute, die sie dort (in Afrika) treffen, wenn sie auch eine andere Hautfarbe haben, gleichfalls ein Herz besitzen, das ebenfalls Ehrgefühle aufweist. Behandeln Sie diese Leute mit Milde." Am 21.07.1894 gingen die Soldaten der Schutztruppenergänzung in Swakopmund im heutigen Namibia an Land. Darunter befanden sich mit Hauptmann v. Estorff, Premierleutnant v. Burgsdorff und Leutnant Volkmann Offiziere, welche später zu den so genannten „Alten Afrikaner" gehören sollten. Diese „Alten Afrikaner" werden von den Historikern L. H. Gann und Peter Duignan zu Recht als „corps d'elite" bezeichnet. Ihre fachliche Qualifikation mussten sich die „Alten Afrikaner" hart erarbeiten. Schon auf dem Marsch ins Landesinnere machte sich die fehlende Vorbereitung auf den Einsatz in Afrika bemerkbar. L. v. Estorff: „Der Marsch ward zu einer schrecklichen Qual. (…) Ich hatte so nun gleich zu Anfang die sehr eindringliche Erfahrung gemacht, dass man der Natur des Landes nicht mit trotziger Gewalt begegnen darf, sondern dass man sie ergründen muss und sich nach ihr schicken." (…) Die afrikanischen Ochsen waren viel klüger gewesen als ich. Meiner Kompanie waren 4 Soldaten der alten Francois´schen Truppe zugeteilt. Ich hatte sie bewundert, wie sie scheinbar mühelos den Marsch bewältigten, dem wir erlagen. Sie waren an das Klima gewöhnt und durch die gewaltigen Anstrengungen der früheren Feldzüge gestählt."
Aufgabe der Schutztruppe war die Herstellung des Landfriedens, welcher hauptsächlich durch den Nama-Kapitän Hendrik Witbooi bedroht war. Hendrik Witbooi war einer der wenigen Überlebenden der „Blutnacht von Okahandja" am 23.08.1880 gewesen. Damals hatte der Herero-Häuptling Maharero befohlen, alle in seinem Machtbereich lebenden Nama niederzumetzeln. Auf der Flucht hatte Hendrik Witbooi eine Vision: Er glaubte von Gott den Auftrag erhalten zu haben, alle Namas und Orlams unter seiner Herrschaft zu vereinen und „die Amaliter (Herero) zu vertilgen." Hendrik Witbooi an Mahahero: "Mein lieber Bruder und großer Kapitän, laß mich Dir sagen, daß Du ein Dieb bist, ein Mörder, ein Wolf und ein Schakal. (...) Du hast Menschengeschöpfe, die Gott nach seinem Ebenbild schuf und für die er seinen treuen Sohn gegeben hat, mit dem Messer abgeschlachtet wie gewöhnliches Vieh. (...) Deshalb werde ich Dich töten, wie man ein wildes Tier totmacht. So mche dich fertig, hurra! Ich werde sicher kommen und siegen, hurra! Der Herr ist mir zur Rechten und zur Linken, also dann mache Dich fertig , hurra! Mit den besten Segenswünschen grüße ich Dich und bleibe Dein Mitbruder und Kapitän Moses Witbooi von Gibeion." Die Situation im vorkolonialen Namibia war nicht unähnlich der heutigen Lage im Osten des Kongo, wo Warlords und Stammesführer um die Vorherrschaft sowie die Ressourcen des Landes kämpfen und der Ruf nach Herstellung eines Allgemeinen Landfriedens durch eine internationale Schutztruppe immer lauter wird. T. Leutwein an Hendrik Witbooi: "Du hast verschiedene Kapitäne des Namalandes abgeschossen und schließlich dich in Hornkranz festgesetzt und von da Raubzüge in das Hereroland unternommen. Du hast mithin in dem Gebiete, das unter dem Schutz des deutschen Kaisers stand, Ruhe und Frieden gestört. (...) Friede ohne ausdrückliche Unterwerfung unter die deutsche Schutzherrschaft gibts für Dich und Dein Volk nicht mehr." Hendrik Witbooi war hierzu nicht bereit: "Die Kriege die ich geführt, sind keine Kriege, die ich zuerst begonnen habe, denn die roten, schwarzen und selbst ihr weißen Menschen haben mich zuerst geschossen." Am 27.08.1894 erfolgte der Angriff auf die im Naukluftgebirge verschanzten Witboois. L. v. Estorff: "Nun begann mit Tagesanbruch das Vorgehen in weiträumiger Schützenlinie, bald pfiffen uns die ersten Kugeln um die Ohren." In den nun folgenden Kämpfen zeigten sich die landeskundigen Namas in der Nutzung des Geländes den unerfahrenen und für diese Art des Krieges nicht ausgebildeten deutschen Soldaten weit überlegen. L. v. Estorff: „Die Hottentotten hatten dann die Kompanie des Hauptmanns von Sack von drei Seiten umfasst und ihr sehr schwere Verluste zugefügt, während sie selbst ganz unsichtbar blieben." Die von Estroff geschilderten Gefechtsbilder sind typisch für asymetrische Kriege. Entsprechende Erfahrungen mussten später auch die US-Streitkräfte in Vietnam und die sowjetischen Truppen in Afghanistan machen. Trotz aller Unzulänglichkeiten gelang es dank operativer Kunst, flexibler Führung und hoher persönlicher Einsatzbereitschaft, ein Entkommen der Witboois aus dem Naukluftgebirge zu verhindern. T. Leutwein: "Witbooi kam nunmehr in eine üble Lage, vor sich Burgsdorff mit dem Geschütz, links rückwärts die nachdrängende Hauptabteilung. Jedoch erwies er sich rasch wieder als Herr der Lage. Rasch hatte er eine Gefechtslinie gegen die Abteilung Burgsdorff gebildet und eine zweite gegen die nachdrängende Hauptabteilung. Unter dem Schuzt dieser beiden Linien sowie auch der mittlerweile hereinbrechenden Dunkelheit brachte der Kapitän seinen Troß in annähernder Ordnung wieder in das Gebirge zurück. (...) Nach der Zurückwerfung des Gegners in das Gebirge hatte sich die Kriegslage insofern eigentümlich gestaltet, als wir aus dem Gebirge heraus waren, Witbooi dagegen wieder drin. (...) Doch hierzu war die Truppe zu erschöpft; aber auch Witbooi war so wenig wie wir imstande, irgend etwas Ernstliches zu unternehmen. Beide Teile brachten daher die Nacht vom 04. zum 05. September, die Truppe bereits am südlichen Gebirgsrande, in total erschöpftem Zustande zu." Schließlich war Hendrik Witbooi zum Einlenken bereit. Der zwischen Major Leutwein und Hendrik Witboi geschlossene Schutzvertrag mit dem später erfolgten Zusatz der Heeresfolge war Voraussetzung für die Herstellung des Landfriedens und die Errichtung der deutschen Kolonialherrschaft im heutigen Namibia. T. Leutwein: "Dieses Waffenbündnis hat der Kapitän bis zum Aufstande 1904 treu gehalten." Der Naukluftfeldzug von 1894 ist eine eindringliche Mahnung,dass die Entsendung von Truppen nach Afrika einer gediegenen Vorbereitung der einzelnen Soldaten und der umfassenden Aufbereitung des Einsatzraumes zur Minimierung von Risken und Verlusten für die eigenen Verbände erfordert.
Gneisenau