Elizabeth I. von England

Dass Elisabeth I. zeitlebens die "Virgin Queen" blieb, sprich nie heiratete, war vor allem ihrem außenpolitischen Kalkül geschuldet. Im 16. Jahrhundert waren Dynastie/Heiratspolitik Leitkategorien für die internationalen Beziehungen. Heiratsverhandlungen brachten außenpolitische Zugeständnisse und politische „Verschnaufpausen“.

Dazu kommt, dass einige Bewerber Elisabeths bekennende Protestanten waren (Prinz Erik von Schweden z.B.). Eine Ehe mit einem von ihnen hätte vom katholischen Europa, allen voran Spanien, als Affront empfunden werden können und Elisabeth in der europäischen Bündnispolitik zu einer eindeutigen Haltung genötigt. Die Wahl eines ausländischen Gemahls war genauso problematisch wie die eines englischen Adligen. Die eine hätte vielleicht die Unterordnung englischer Interessen unter die der ausländischen Macht bedeutet und die andere ein erneutes Intrigenspiel um den englischen Thron unter den rivalisierenden Adelsgeschlechtern vorprogrammiert (Stichwort Rosenkriege).

Überdies hatte Elisabeth die Beziehung zwischen Mann und Frau in ihrem bisherigen Leben nicht anders als fatal erlebt (Hinrichtung ihrer Mutter Anne Boleyn, Hinrichtung ihres Stiefvaters Thomas Seymour), sodass manche Historiker eine generelle Weigerung Elisabeths zur Ehe konstatieren.


Elisabeth betonte selbst, dass der Status einer Jungfrau etwas Positives sei:„For my own part, I desire no better character nor fairer remembrance of me to posterity than to have this inscription on my tomb (…):,Here lies Elizabeth, who liv’d and died a Maiden-Queen’.

Einige Historiker behaupten sogar, sie hätte einen körperlichen Defekt besessen, der sie am Kinderkriegen gehindert habe oder sie wäre einfach nicht fähig gewesen, sich jemandem unterzuordnen. Zum Beispiel sagte einmal ein schottischer Gesandter zu Elisabeth:„Ihr meint, wenn Ihr verheiratet wäret, so wäret Ihr nur Königin von England, und jetzt seid Ihr König und Königin in einer Person. Ihr könnt keinen Gebieter über Euch ertragen“.

Obendrein fiel es Elisabeth schwer, Entscheidungen zu treffen, und noch schwerer, sich an getroffene Vereinbarungen zu halten. Wenn sie einmal verheiratet war, gab es kein zurück mehr - langwierige Scheidungsverfahren wie ihr Vater sie hatte, wollte sie nicht.


Ihre Entscheidung n
iemals zu heiraten, versetzte Elisabeth auch in die Lage, sich als "Virgin Queen", die die Mutter aller Engländer sei und mit ihrem Land verheiratet war, selbstzuinszenieren. Damit war sie sehr beliebt im englischen Volk, womit ihre Herrschaft durchaus stabilisert wurde. Als weibliche Herrscherin hatte Elisabeth ja mit einem Legitimationsdefizit zu kämpfen. Beliebtheit im Volk war eine ihrer Möglichkeiten, dem entgegenzuwirken.
 
Dazu kommt, dass einige Bewerber Elisabeths bekennende Protestanten waren (Prinz Erik von Schweden z.B.). Eine Ehe mit einem von ihnen hätte vom katholischen Europa, allen voran Spanien, als Affront empfunden werden können ...
Das kann ich nicht nachvollziehen. Schließlich hatte sich England selber schon offiziell vom Katholizismus gelöst, da wäre eine solche Heirat für die katholischen Mächte zwar ärgerlich gewesen (die immer noch auf die Machtübernahme der katholischen Partei in England hofften), aber ein Affront wäre es nicht gewesen.

Die Wahl ... eines englischen Adligen ...
(hätte) ... ein erneutes Intrigenspiel um den englischen Thron unter den rivalisierenden Adelsgeschlechtern vorprogrammiert (Stichwort Rosenkriege).
Das sehe ich eher umgekehrt: Weil Elisabeth unverheiratet blieb und damit auch keine Nachkommen hatte, war die Gefahr eines Bürgerkriegs nach ihrem Tod deutlich größer.

Bei den übrigen Faktoren gebe ich Dir recht, die waren dann wohl auch ausschlaggebend.
 
Das kann ich nicht nachvollziehen. Schließlich hatte sich England selber schon offiziell vom Katholizismus gelöst, da wäre eine solche Heirat für die katholischen Mächte zwar ärgerlich gewesen (die immer noch auf die Machtübernahme der katholischen Partei in England hofften), aber ein Affront wäre es nicht gewesen.
Ein Protestant, Lutheraner oder Reformierter, hätte aber dennoch kaum zu Elizabeth gepasst. Ich habe mal gelesen, dass sie in religiösen Dingen eher konservativ war und einer Vorantreibung der englischen Reformation, welche sie näher an den lutherischen oder gar calvinistischen Protestantismus gebracht hätte, sehr, sehr skeptisch gegenüber stand. Von daher könnte sie in ihrer persönlichen Haltung durchaus den katholischen eher als den protestantischen ausländischen Fürsten gewogen gewesen sein. So oder so, befand sie sich in einem Debakel. Ein Katholik an ihrer Seite hätte als Signal zu einer "Gegen"reformation in Roms Sinne gesehen werden können, ein Protestant als das Gegenteil davon. Beides war ihr sicherlich ein zu heißes Eisen.

Bestimmt war Englands Isolation nicht nur durch die Insellage, sondern auch durch die Position und Unentschiedenheit Englands in religiöser Sicht bedingt.
Elizabeths, sicherlich richtig von Megas angeführte, Wankelhaftigkeit, ihr Problem damit Entscheidungen zu fällen, verhinderte komplett, dass sie sich einem Lager, auch einem religiösen, anschließen konnte. Sie war sicherlich sowenig wie ihr Vater religiöser Visionär/in. (Und anders als ihre Halbschwester Maria die Katholische.)
 
Das kann ich nicht nachvollziehen. Schließlich hatte sich England selber schon offiziell vom Katholizismus gelöst, da wäre eine solche Heirat für die katholischen Mächte zwar ärgerlich gewesen (die immer noch auf die Machtübernahme der katholischen Partei in England hofften), aber ein Affront wäre es nicht gewesen.

Vielleicht ist das Wort "Affront" nicht ganz passend, aber ich denke, das ist Ansichtssache. Die Grundaussage halte ich für entscheidend und auch zutreffend. Es ist sicherlich nicht total falsch, wenn man behauptet, dass eine ausländische Heirat gleichzusetzen war mit einem Bündnis. Solch eine eindeutige Positionierung innerhalb des europäischen Mächtesystems wollte aber Elisabeth verhindern. Ihr ging es darum, hauptsächlich Spanien und Frankreich gegeneinander auszubalancieren und in deren Windschatten, die Position Englands zu stärken und zu festigen.

Die Heiratspläne grassierten außerdem insbesondere zu Beginn ihrer Regierungszeit (mit zunehmenden Alter Elisabeths erledigte sich das Thema von selbst; nur der Herzog von Anjou hielt sich wacker). Zu dieser Zeit war England äußerst geschwächt, hatte gerade sein letztes Territorium auf dem europäischen Festland verloren (Calais). Elisabeth wollte sich zu dieser Zeit das Wohlwollen der "katholischen Vormacht" Spanien wahren. Deswegen würde ich eine protestantische Heirat schon als Affront bezeichnen, zumal Philipp II. als Schutzpatron Englands auftrat (2x verhinderte er die Exkommunikation Elisabeths 1561, 1563! natürlich aus eigenem, spanischen Kalkül heraus).

Das sehe ich eher umgekehrt: Weil Elisabeth unverheiratet blieb und damit auch keine Nachkommen hatte, war die Gefahr eines Bürgerkriegs nach ihrem Tod deutlich größer.

Die Gefahr eines Bürgerkrieges nach ihrem kinderlosen Tod, schließt ja die Gefahr eines Bürgerkrieges während eines kinderlosen Lebens nicht aus. Ich würde dem auch nicht zustimmen wollen, dass die Gefahr nach ihrem Tod größer war. Meines Wissens nach galt die Nachfolge Jacobs VI. von Schottland als gesichert.

Außerdem gab es zahlreiche Attentats- oder zumindest Usurpationsversuche auf Elisabeth I., z.B.:
1569 Aufstand in Nordengland
1570/71 Ridolfi-Verschwörung
1584 Throckmorton-Verschwörung
1586 Babington-Verschwörung

 
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Die Gefahr eines Bürgerkrieges nach ihrem kinderlosen Tod, schließt ja die Gefahr eines Bürgerkrieges während eines kinderlosen Lebens nicht aus. Ich würde dem auch nicht zustimmen wollen, dass die Gefahr nach ihrem Tod größer war. Meines Wissens nach galt die Nachfolge Jacobs VI. von Schottland als gesichert.
Man kann diese Vereinigung beider Königreiche so oder so sehen. Aber die traditionelle Sicht wäre doch, dass damit letzten Endes doch nach Jahrhunderten der Kriege zwischen beiden Reichen das kleinere Schottland das größere England schluckte.
Natürlich kann man ebensogut mit der nahen Verwandtschaft der Tudors und Stuarts argumentieren. Aber verwandt waren untereinander und teilweise sehr eng, waren doch die meisten Herrscherhäuser.
Von daher konnte man schon, nicht ganz zu Unrecht wie ich meine, argwöhnen, dass Englisches von Schottischem, was die Interessen anbelangt, untergebuttert werden könnte.

Von daher würde ich schon verstehen, wenn man unter den Beratern der Königin mit Unbehagen auf eine Vereinigung der Königreiche sah und sogesehen auf ein Aussterben des jungen Zweigs, der mit Anne Boleyn, die trotz allem für die englische Reformation stand, und Henry begonnen hatte.
:grübel:
 
Dass man im Privy Council teilweise mit Unbehagen auf den Dynastiewechsel hin zu den Stuarts bzw. der Vereinigung beider Königreiche blickte, würde ich nicht bezweifeln wollen. Dass es auch im englischen Volk "Bedenken" gab, zeigte der Gunpowder Plot.

Ich wollte lediglich veranschaulichen, dass ich die Gefahr eines Aufstandes/Bürgerkrieges 1603 nicht für größer halte als etwa in den 1560ern.
 
Schließlich hatte sich England selber schon offiziell vom Katholizismus gelöst, da wäre eine solche Heirat für die katholischen Mächte zwar ärgerlich gewesen (die immer noch auf die Machtübernahme der katholischen Partei in England hofften), aber ein Affront wäre es nicht gewesen.


Die von Heinrich VIII gegründete Church of England wird immer wieder fälschlich als "protestantisch" gesehen. Heinrich löste sich nur vom Papst, u.a. auch weil der ihm die Auflösung seiner 1.Ehe mit Katharina von Aragon verweigerte, die Glaubensinhalte stehen aber der kath.Kirch viel näher. Selbst heute noch erinnert der Ritus des anglikan. Gottesdienstes viel stärker einem katholischen bis hin zur Bewahrung von Formen, die im kath. Ritus seit dem 2. Vatikanum obsolet sind z.B.Austeilung der Kommunion an der Kniebank vor dem Chor.
Elisabeths Heirat mit einem protestantischen Fürsten hätte also sehr wohl eine Kräfteverschiebung sowohl im englischen wie im europäischen Rahmen bedeutet.
 
Die berühmsten Beispiele sind wahrscheinlich «Katharina die Große» und «Tzu Hsi» gewesen. Übrigens beide Kaiserin.
Unterbuttern würde ich das bei Katharina nicht nennen. Der Kaiser wurde in ihrem Falle schlicht aus dem Weg geräumt, nachdem er gestürzt worden war. (Was aus ihm geworden wäre, wenn er nicht ermordet worden wäre, steht freilich auf einem anderen Blatt. Was tat ein entmachteter Herrscher? So oder so hätte man ihn wohl verschwinden lassen müssen, um einer etwaigen Opposition keinen Alternativherrscher zu lassen.)
 
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