So, nun habe ich mal mein Buch mit den meisten Abbildungen gewälzt.
Einleuchtenderweise gibt es prorepublikanischer Seite kaum Karikaturen, welche die Entchristianisierung hinsichtlich der neuen Kulte feiern. (Wie soll das auch gehen?) Vielmehr wird die Bekämpfung des 1. Standes, als Teil der Ausbeutung durch die Oberschicht, ins Visier genommen.
Wenn man sich die Allegorien und Karikaturen zu dem Thema anschaut, fallen gleich mehrere Gruppen auf.
Natürlich will ich zuerst die gröbste Einteilung in prorevolutionäre und konterrevolutionäre Darstellungen vornehmen.
Prorevolutionär
Am üblichsten sind 4 Motive, von denen man mind. eines auch sicherlich in jedem Schulgeschichtsbuch findet:
A) Je ein Vertreter des 1. und 2. Standes reiten auf einem Bauern od. Vertreter/in des 3. Standes, was dessen Unterdrückung darstellt.
Dazu gibt es auch ein Pendant, was den reitenden Bauer auf Adeligen und Kleriker zeigt.
B) Im Hintergrund ist die zerstörte Bastille zu sehen. Ein Vertreter des 3. Standes, meist scheinbar ein Städter, in ärmlicher Kleidung erhebt sich vom Boden. Seine Ketten sind gesprengt. Er greift nach einer Waffe, z.B. einem Gewehr. Auf der linken Bildseite stehen entsetzt ein Geistlicher und ein Adliger, häufig als Offizier dargestellt, die scheinbar im Begriff sind vor dem einen zu fliehen.
C) Das Ancien Régime wird als eine Art Monster dargestellt. Die Personifikation der Freiheit schlägt dem Monster die Köpfe ab. An Attributen wie Klerikerfrisur (vgl. mit dem Werk zu den Perücken von Garsault) oder Bäffchen, erkennt man dass einige Köpfe des vielköpfigen Monsters Ständevertreter des 1. Standes darstellen.
D) Bauern schlagen mit Dreschflegeln auf Symbole des Ancien Régime ein. Neben Degen des Adels, erkennt man auch zerbrochenen Krummstab und Bischofsmütze am Boden.
Konkrete Beispiele:
1.
"Auszug eines Mönches aus einem Straßburger Kloster"
Unbekannter Künstler
Deutsch u. Französisch beschriftet
1790
Das dargestellte Ereignis soll sich am 7. Oktober 1790 abgespielt haben. Illustriert wird das Verlassen des ersten elsässischen Mönches, eines Franziskaners, aus einem Kloster. Die Abbildung ist nicht unbedingt eine Karikatur, aber manche Gaffer am Rande wirken karikaturenhaft überzogen dargestellt.
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2.
"Le Degraisseur Patriote"
Unb. Künstler
Französisch
1790
Dicke Kleriker werden von Abgeordneten des 3. Standes in eine Art Presse gezwungen. Sehr dünne Geistliche, die scheinbar eben in der Presse gewesen waren, sind im Hintergrund zu sehen. Scheinbar wird aus den Geistlichen das (unrechtmäßige) Vermögen herausgepresst. Besonders ätzende Karikatur.
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3.
"Decret de l'Assamblée National qui supprime les Ordres Religieux et Religieuses Le Mardi 16 Fevrier 1790"
Unbek. Künstler
Französisch
1790
Mönche und Nonnen verlassen fröhlich das Kloster. Vielleicht waren sie zum Eintritt gezwungen worden (?).
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4.
"Le Géova Francais"
Jacques Louis Copia
Französisch
Farbdruck
nach 1792
Eine Französin, vielleicht die Personifikation von Frankreich, kniet nieder und betet zu der Gleichheit, welche in Form eines Dreieckes mit der Aufschrift "1792" (was wohl den Sturz der Monarchie u. die Ausrufung der Republik meint) rechts, über ihr zu erkennen ist.
Es handelt sich scheinbar um keine Karikatur, sondern eher um eine Allegorie, welche allerdings hinsichtlich eines neuen Glaubens, bzw. neuer Kulte, regelrecht Bände spricht.
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5.
"Eh L'Abbé l'Abbé prend garde à la Lanterne. Car ils sont plus fins que nous."
Unbek. Künstler
Franz.
1790
Ein Abbé, der mit einem Dolch bewaffnet ist (!), taumelt mit verbundenen Augen auf einer Straße herum. Ein Vertreter des 3. Standes gelingt es, ihm einen Strick um den Hals zu legen, um ihn an der nächsten Laterne aufzuknüpfen. Abseits erkennt man auch einen Aristokraten, mit einem gezückten Degen bewaffnet und auch mit verbundenen Augen, der versucht zu entkommen.
Die Aussage ist, dass die offenbar mörderischen Kleriker (Dolch als Waffe der Mörder) in ihr Schicksal tappen. Der franz. Text besagt ungefähr: "He, Abt! Gib Acht auf die Laterne! Sie ist gescheiter als wir." Gemeint ist wohl, dass die Laterne gerechter das Schicksal des Geistlichen entscheidet, als es die vielleicht noch verblendeten Bauern etc. tun.
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Konterrevolutionär
Hier habe ich nur deutsche und französische Beispiele ausgewählt, die sich möglichst konkret auf die Geistlichen beziehen. Bei vielen Abbildungen aus der Zeit wird generell die Verwüstung und die Katastrophe als Resultat der Revolution gezeigt, wobei der Verfall der Sitten im Zusammenhang mit Orgien oder Massakern vorgestellt wird.
1.
"Der Jakobiner-Klub in Frankreich"
Franz. Künstler
"Gedruckt im Jahr der fränkischen Verwirrung 1793"
General Custine predigt von einer Kanzel im Pariser Jakobinerklub, was ihm der Teufel zu seiner Rechten gerade eingibt. Der kirchliche Raum scheint durch die Versammlung der Revolutionäre entweiht. Kirchengerät wie Monstranzen liegen am Boden verstreut, teilweise beschädigt.
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2.
"Nous mangerons le monde et les rois se tairent"
Franz. Künstler
Nach Juli 1794
Ein ausgemärgelter Robespierre in zerrissener Kleidung tritt auf geistliche Attribute. Derweil versucht er die Welt aufzufressen, die in Form eines Reichsapfels dargestellt ist, aber anscheinend selbst in sein weit aufgerissenes Maul nicht hineinpasst. Im Hintergrund sieht man eine Art Anti-Tempel, worin Totenschädel und Gebeine der Opfer der Revolution liegen. Die Täter sind auf das Dach des Tempels, das von einem Faschinenbündel bekrönt wird, geschrieben: u.a. Marat, Danton, Barras. Der Tempel, wohl als Zeichen einer neuen Religion, ist obendrein beschriftet mit "REGNE DE ROBESPIERRE" (Herrschaft von Robespierre) und "Deux Septembre 1792", wobei sich letzteres auf die Septembermassaker bezieht, womit sowohl die Täter, die aufgeschrieben sind, als auch die Schädel der Opfer scheinbar etwas zu tun haben.
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3.
"Verfolgung der Catholischen Geistlichkeit in Franckreich Ano. 1791"
Johann Martin Will
Radierung
1791/92
Es wird eine Art moderne Christenverfolgung dargestellt. Kirchen, z.B. die Kirchenglocken, werden entweiht und geplündert, Geistliche werden mit roher Gewalt aus ihren Gebäuden getrieben.
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4.
"Abgöttisches Fest, gefeyrt in der Haupt Kirche zu Paris, allwo sie eine Comödiantin auf den Altar setzten, und als Göttin der Vernunft beehrten"
Johann Martin Will
1793/94
Man erkennt die Entweihung einer Kirche mit einem obskuren Kult, wozu auch eine Orgie mit Dirnen gehört.
Ich könnte mir vorstellen, dass hier vielleicht ein bisschen reale revolutionäre Feste oder Opern mit der Vorstellung des Unterganges der Kirche vermischt wurden.
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Literatur:
Prof. Dr. G. Bott (Hg.): "Freiheit - Gleichheit - Brüderlichkeit" Verlag Germanisches Nationalmuseum, Nürnberg, 1989
* S. 137/138
** S. 181
*** S. 442
**** S. 443
***** S. 444
****** S. 268/269
******* S. 169
******** S. 442/443
********* S. 442/443
Hierzu: Ich denke schon, dass man an das Buch über eine Unibib kommt. Schön dargestellt ist der Bilderkrieg, also der Versuch mit Flugblättern gegeneinander, Konterrevolutionäre gegen Revolutionäre, Stimmung zu machen.:fs: