Entstehung des Nationalbewusstseins der USA

P

Philipp

Gast
Hi ;)

Ich habe schon geschaut hier im Forum, aber leider zu meiner Thematik nichts gefunden.
Hab auch die Suche bereits benutzt^^

Ich soll einen Vortrag über die Entstehung des Nationalbewusstseins der USA machen.
Leider finde ich dazu nichts. Entweder ich suche nicht richtig, oder es gobt wirklich kaum Informationen darüber im Internet (was ich mir eigentlich nicht vorstellen kann).

Deshalb würde ich euch gerne Fragen, ob ihr mir bei der Sache ein wenig weiterhelfen könntet.
Insbesondere, was dass Nationalbewusstsein geprägt hat, ab wann man vom Nationalbewusstsein sprechen kann (genau diesen "Knackpunkt", ab dem man davon bei den Amerikanern sprechen kann ist wichtig) und wie es zur Ausbilung kam vieleicht.
Vieleicht habt ihr auch Seiten, die mir weiterhelfen.

Ich würde mich sehr freuen, wenn ihr mir helfen könntet ;)

Danke schonmal im vorraus,
Gruß Philipp
 
Für die Betroffenen war es dazumal bestimmt wichtig, sich von den Engländern abzugrenzen. Im Unabhängigkeitskrieg ist eine Einteilung in "Wir" und "Die" bestimmt nützlich. Ich könnte mir also gut vorstellen, dass er "Knackpunkt", wie du es nennst, in dieser Zeit zu suchen ist. Denn wenn man sich von der einen Identität lösen will, muss rasch eine neue her.
Obwohl wahrscheinlich auch schon die Zeit davor zur Bildung eines eigenen Landesstolzes/Gemeinschaftsgefühls beigetragen hat. Wenn man weit weg vom Mutterland (bzw. Herkunftsland seiner Vorfahren) ist, unter widrigen Umständen leben muss und man noch dazu von fremden Mächten ausgebeutet wird, trägt das bestimmt auch zur Abnabelung von eben jener Herkunftsnation bei, der man vorher vielleicht noch nostalgisch-naive Gefühle entgegengebracht hat.
Und gerade der Umstand der harten Arbeit und der Ausbeutung (hohe Steuern usw.), den man mit vielen anderen gemeinsam erdulden musste, schweißt die Menschen auch zusammen.

Für mich als absoluten Laien stellt es sich also ungefähr so dar: Die Menschen waren weit weg von "zu Hause", bildeten darum in ihrer neuen Heimat eine neue Gemeinschaft auf, fühlten sich durch die Engländer zu sehr gepresst und dachten dann irgendwann, dass es ihnen alleine besser geht. Selbstvertrauen statt Abhängigkeit.
 
Hi ;)

Krail: Dankeschön für deine Antwort, ich kann mich gerade wesentlich ebsser in die Lage hineinversetzen und habe auch schon ein paar Ideen, wie ich es einbauen werde ;) *Däumchen*^^

Erdbeerkomplott: Danke für den Link, genau soetwas habe ich gesucht. ;)

Falls jemand noch etwas weis, vieleicht etwas, was unbedingt zu sagen wäre, dann ruhiog bescheid sagen ;)

Danke aber nochmal für die bisher gegebenen Hinweise ;)

Grützle^^
 
Danke ;)
Wirklich super und vor allem schnelle Hilfe ;) *vorbildlich*
Also allgemein jetzt^^
 
Der Unabhängigkeitskrieg war auch ein Bürgerkrieg. Die Einteilung in Loyalisten und Patrioten (siehe silesias Hinweis) wurde häufig von Mobs gewaltsam betrieben. Hier flackerte eine Art Kreuzugsmentalität auf.

Die Verfassung und die durch sie ausgedrückten Werte "der Union" sind bis heute ein wichtiges (verbindendes) Element des amerikanischen Nationalgefühls. Aber was war die "Union"? Der Streit hierüber wurde erst im amerikanischen Bürgerkrieg beantwortet. Mit diesem wurden sozusagen die "Union" und die "United States" definiert.

Andrew Jackson steht für den Beginn eines aggressiven Nationalismus weißer protestantischer Kleinbürger, die sich in eine Schlacht gegen die Briten werfen, zivilisierte Indianerstämmer vertreiben und letztlich fast den gesamten nordamerikanischen Kontinent erobern und erschliessen werden.

Und zur Entstehung des amerikanischen Nationalgefühls gehört auch dieser Wandel im Begriff vom "Amerikaner". Im 18. Jh. stand der Begriff des "Amerikaners" noch für einen Hinterwäldler. Da verstand man sich lange Zeit lieber als "englischer", "schottischer", etc. Siedler. Mit der Unabhängigkeit und der ersten demokratischen Verfassung entwickelte sich freilich auch Stolz über das Erreichte, der mit den weiteren (territorialen) Erfolgen wuchs. Das war die Zeit als amerikanische Maler die amerikanische Landschaft entdeckten und die "größte", "wunderbarste", "erhabenste", häufig die kitschigste Landschaft malten. Diese konnte auch religiös interpretiert werden: "als von Gott gegebenes Paradies", womit sich die Kreise zu den Pilgervätern schloss ("gods own country"). Und dieser Wandel im Verständnis vom Hinterwald ins "Gelobte Land" war auch prima werbewirksam.
 
Ich habe @Erdbeerkompotts Hinweis auf den Jackson-Nationalismus bezogen. Aber Dein Hinweis auf "Manifest Destiny" ist ausgezeichnet. Denn zum amerikanischen Nationalgefühl gehört diese ethnisch-religiöse Kompenente mit idealisierten Rückblick auf die Vergangenheit/Pilgerväter und Glaube an die Zukunft/Sendungsbewusstesein.
 
Das Sendungsbewusstsein das die Bürger der USA zumindest bis zum Vietnamkrieg (wenn nicht bis heute) auszeichnet, beginnt schon mit dem Unabhängigkeitskrieg.
So ist schon bei B. Franklin 1777 nachzulesen "unsere Sache ist eine Sache der ganzen Menscheit"
(aus einem Brief an Cooper aus "Die Männer der Freiheit, Deutsches Verlagshaus Berlin 1919")
Von daher kann man den Beginn des am. Nationalbewusstseins getrost auf 1777 verorten.
 
So ist schon bei B. Franklin 1777 nachzulesen "unsere Sache ist eine Sache der ganzen Menscheit"...
Von daher kann man den Beginn des am. Nationalbewusstseins getrost auf 1777 verorten.

Die Frage ist, ob der Kontext hier schon ein Sendungsbewusstsein ergibt, dass sich räumlich/geographisch über die 13 Kolonien hinauswagt. Das würde ich nicht so sehen, das Zitat betrifft eher wieder das politische Programm und seine Rechtfertigung in der Loslösung vom Mutterland.

1812 beim Ausbruch des Krieges ist die Reichweite schon eine andere, und mindestens auf Kanada bezogen. Das würde ich als neue Qualität ansehen.
 
Entstehung Nationalbewusstsein

Ich möchte Repo zustimmen : Das Bewusstsein, eine Nation zu sein oder sein zu sollen, hat erst die Amerikanische Revolution in Gang gebracht. Streng genommen war nach der Entstehung dieses Bewusstseins gefragt. Logisch ist es, diese noch vor der Staatenbildung zu finden.
Übrigens hatten und haben durchaus nicht alle Amerikaner ein identisches Nationalgefühl geschweige denn ein Sendungsbewusstsein. Man frage z.B. Texaner nach ihrem Nationalgefühl. Dies bezieht sich zuerst und vor allem auf Texas ! Oder man frage einen eingeborenen Hawaiianer. Je nach Staat und kultureller Identität bekommt man unterschiedliche Antworten und es ist nach meiner Erfahrung erstaunlich wenig, was diese Menschen als Nation verbindet. Warum der Krieg von 1812 eine besondere Rolle spielt, ist mir nicht klar. Wird das Nationalgefühl durch Kriege, sozusagen durch gewaltsame Abgrenzung nach aussen gestärkt ? Das würde mir einleuchten. Ansonsten war das einer der überflüssigsten Kriege, den die USA je erlitten hat.
 
Wichtig für die Entstehung des amerikanischen (vor allem als Gegensatz zum europäischen) Nationalbewusstsein ist nach Turner die für die Amerikaner einzigartige Frontiererfahrung. Erst die Auseinandersetzung mit der Wildnis und ihren Gefahren und der damit verbundene Landgewinn, der zur Ausweitung der Zivilisation führt, schaffte so ein neues "amerikanisches" Bewusstsein. Die Erfahrung der grenzenlosen Weite oder Unbegrenztheit wurde zudem auch auf andere Bereiche übertragen, was heute immer noch am Umgag mit Rohstoffen und der amerikanischen Umweltpolitik erkennbar ist.
 
Zuletzt bearbeitet:
Warum der Krieg von 1812 eine besondere Rolle spielt, ist mir nicht klar. Wird das Nationalgefühl durch Kriege, sozusagen durch gewaltsame Abgrenzung nach aussen gestärkt ? Das würde mir einleuchten. Ansonsten war das einer der überflüssigsten Kriege, den die USA je erlitten hat.
Das amerikanische Nationalbewusstsein besteht aus unterschiedlichen Elementen und wurde aus unterschiedlichen Quellen gespeist.

Es gibt ein "aggressives" Element in diesem Nationalbewusstsein, man spricht auch von einem "aggressiven Nationalismus" (überspitzt formuliert von einem "schiesswütigen Nationalismus"). Die Entstehung dieses Elements wird mit dem Krieg von 1812 in Verbindung gebracht.

Ich persönlich würde es vor allem mit der "Zeit von Andrew Jackson" in Verbindung bringen. Lies mal den Wiki-Eintrag zu Andrew Jackson ("Old Hickory", Duelle, Schlacht von New Orleans 1812, Indianervertreibung, Einmarsch in Florida, etc.). Man spricht auch von "Jackson-Nationalismus". Wichtig in diesem Zusammenhang ist, dass Jackson das politische System der USA für die Kleinbürger geöffnet hat und diese auch die Träger/Nutznießer des "Jackson-Nationalismus" waren (pointiert: Indianer vertreiben, Flagge hissen, sich selbst ansiedeln).
Wichtig für die Entstehung des amerikanischen (vor allem als Gegensatz zum europäischen) Nationalbewusstsein ist nach Turner die für die Amerikaner einzigartige Frontiererfahrung. Erst die Auseinandersetzung mit der Wildnis und ihren Gefahren und der damit verbundene Landgewinn, der zur Ausweitung der Zivilisation führt, schaffte so ein neues "amerikanisches" Bewusstsein. Die Erfahrung der grenzenlosen Weite oder Unbegrenztheit wurde zudem auch auf andere Bereiche übertragen, was heute immer noch am Umgag mit Rohstoffen und der amerikanischen Umweltpolitik erkennbar ist.
Das muss man ganz dick unterstreichen. Das amerikanische Nationalbewusstsein entstand vor allem durch die Beschäftigung mit dem eigenen Kontinent.
 
Zuletzt bearbeitet:
Die Frage ist, ob der Kontext hier schon ein Sendungsbewusstsein ergibt, dass sich räumlich/geographisch über die 13 Kolonien hinauswagt. Das würde ich nicht so sehen, das Zitat betrifft eher wieder das politische Programm und seine Rechtfertigung in der Loslösung vom Mutterland.

1812 beim Ausbruch des Krieges ist die Reichweite schon eine andere, und mindestens auf Kanada bezogen. Das würde ich als neue Qualität ansehen.

Nein, denn Franklin schreibt weiter:
Dass die Tyrannen Europas, um die Auswanderung zu minimieren,
"etwas nachlassen und ihrem Volke mehr Freiheit gestatten müssen".

Er endet: "....dass wir, unsere Freiheit verfechtend, für die ihrige fechten. Dies ist ein ruhmvolles Werk, was uns die Vorsehung aufgegeben, die uns, ich bin gewiß, dazu Mut und Kraft verliehen und es endlich mit Glück krönen wird."
aus o.g. Quelle

Disclaimer:
In den beginnenden 70ern, der Vietnamkrieg erreichte seinen Höhepunkt, war dieses US-Sendungsbewusstsein ein bevorzugter Diskussions/Kritikpunkt, ich glaube auch Ralf Dahrendorf (zdZ Prof. in Konstanz)hat sich damals in o.g. Sinne geäußert. Konnte aber die Quelle nicht so schnell finden. Es ist gut 40 Jahre her.
 
Hi Ihr ;)

Das ist wirklich eine Fülle an Informationen o.o
Ich bin euch mega dankbar dafür und ich werde versuchen, das beste rauszuholen ;)
Ich hätt das glaub ich niemals allein zusammensuchen können

Grützle^^
 
Was man vielleicht auch noch erwähnen sollte ist die besondere Form der Sklaverei in den USA (dazu gibt's hier im Forum auch separate Threads), die von Beginn an eine zentrale Institution war, die bis heute nachwirkt und die USA auch extrem von Europa unterscheidet.

Beispielsweise tendierten Europäer immer dazu, Sklaverei mit Hegels Herr-Knecht-Parabel zu begreifen, die von einer wechselseitigen Abhängigkeit und einer prinzipiellen Gleichrangigkeit von Herr und Knecht ausgeht. Das speist sich aus der europäischen Geschichte, die Sklaverei vor allem mit Kriegsgefangenschaft assoziiert.

Das amerikanische Modell ist davon grundverschieden, denn es macht Sklaverei von der Hautfarbe abhängig und geht von einer anderen *Natur* des Sklaven aus. Davon abgeleitet sind Rationalisierungen wie der "Curse of Ham", eine pseudobiblische Rechtfertigung, die von einer eigenständigen "Kultur" des Schwarzen ausgeht, der Sklaverei irgendwie "braucht". Bis ins 20. Jahrhundert hinein gab es z.B. im Militär die sogenannte One-drop-rule. Wer auch nur einen Tropfen schwarzes Blut in den Adern hatte, galt als schwarz, egal wie blond er aussah (erinnert uns diese Handhabung zufällig an irgendwen? :still: ).

Auch institutionell ist die Sklaverei tief ins amerikanische System eingegraben. Zum Beispiel hat der 3/5-Compromise dafür gesorgt, dass die ersten Präsidenten alle Südstaatler waren. Auch heute sind diese institutionellen Nachwirkungen noch zu spüren, etwa in der systematische Einbindung von illegalen (=rechtlosen) Arbeitern für das Funktionieren der Wirtschaft, oder im systematischen Entzug zentraler Bürgerrechte für ganze Bevölkerungsgruppen. Die Forschung zum Prison-Industrial Complex beschreibt letzteres ganz gut. Nach einem Gefängnisaufenthalt hat man in vielen Bundesstaaten z.B. kein Wahlrecht mehr, und manche Bevölkerungsgruppen werden halt schneller eingebuchtet als andere.

Hier argumentieren viele, dass das alles Nachwirkungen eines Systems sind, das historisch auf unbezahlte Sklavenarbeit angewiesen war und sich quasi um diese Institution drumrum geformt hat. Mit der Abschaffung der Sklaverei waren die institutionellen Gegebenheiten eben noch lange nicht verändert (nur nebenbei: das gleiche institutionelle Argument gilt auch für den Feminismus - wen's interessiert, möge Wendy Brown lesen, die schreibt da tolle, sehr erhellende Sachen drüber).
 
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Bis ins 20. Jahrhundert hinein gab es z.B. im Militär die sogenannte One-drop-rule. Wer auch nur einen Tropfen schwarzes Blut in den Adern hatte, galt als schwarz, egal wie blond er aussah.

Eine Anmerkung: Diese Regel gab es vor dem 20. Jahrhundert informell, im 20. Jahrhundert wurde sie von etlichen US-Staaten in Gesetzform gebracht:

Jim Crow laws reached their greatest influence during the decades from 1910–1930. Among them were hypodescent laws, defining as black anyone with any black ancestry, or with a very small portion of black ancestry.[7] Tennessee adopted such a "one-drop" statute in 1910, and Louisiana soon followed. Then Texas and Arkansas in 1911, Mississippi in 1917, North Carolina in 1923, Virginia in 1924, Alabama and Georgia in 1927, and Oklahoma in 1931. During this same period, Florida, Indiana, Kentucky, Maryland, Missouri, Nebraska, North Dakota, and Utah retained their old "blood fraction" statutes de jure, but amended these fractions (one-sixteenth, one-thirtysecond) to be equivalent to one-drop de facto.[8]

http://en.wikipedia.org/wiki/One-drop_rule#Legislation_and_practice
 
Franklin schreibt weiter:
Dass die Tyrannen Europas, um die Auswanderung zu minimieren,
"etwas nachlassen und ihrem Volke mehr Freiheit gestatten müssen".
Er endet: "....dass wir, unsere Freiheit verfechtend, für die ihrige fechten. Dies ist ein ruhmvolles Werk, was uns die Vorsehung aufgegeben, die uns, ich bin gewiß, dazu Mut und Kraft verliehen und es endlich mit Glück krönen wird."

Beides hat nichts mit einem Sendungsbewusstsein zu tun, sondern mit einem Freiheitsruf für die Völker gegen die bestehenden Herrschaftssysteme.

Die amerikanische Revolution wird stellvertretend als und als Vorbild für einen (kommenden) Freiheitskampf der europäischen Völker gegen absolutistische Herrschaft verstanden. Das wird deutlich, wenn man ... ergänzt:

It is a common observation here [in Paris] that our cause is the cause of all mankind, and that we are fighting for their liberty in defending our own.
 
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