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Abgesehen von dem, was Dr. Bach im Folgenden an Hannah Arendts Arbeitsweise kritisiert - wozu Ursi ja schon einen Thread eröffnet hat (http://www.geschichtsforum.de/f66/these-von-der-banalit-t-des-b-sen-42673/) - bin ich etwas irritiert über die Frage des Interviewers. Genau dieses Verhalten Eichmanns machte doch das aus, was Arendt als die Banalität des Bösen zu Recht beschrieb, diese Kleinkariertheit, diese Fixierung auf Unwesentliches von Seiten des Täters angesichts eines Menschheitsverbrechens von unbegreiflichen Dimensionen.Bach: Nein, Eichmann hat nichts bereut. Ein Beispiel: Wir zeigten einen Dokumentarfilm, mit grausamen Bildern von Leichenbergen in Bergen-Belsen, auch aus den Gaskammern in Auschwitz. Ich selbst hatte den Film schon gesehen, und konnte ruhig beobachten, wie Eichmann reagierte, während er ihn das erste Mal sah. Erst reagierte er überhaupt nicht, dann aber sprang er plötzlich auf und sprach aufgeregt mit den Wächtern. Als ich mich später erkundigte, was der Grund für seinen Ausbruch gewesen sei, war ich fassungslos: Aus irgendeinem Grund hatte sich Eichmann zusichern lassen, im Gerichtssaal immer seinen blauen Anzug tragen zu dürfe. An dem Tag trug er nun einen grauen Anzug, was er als unzumutbar empfand. Man solle es ihm nicht versprechen, wenn man es nicht einhalten könne, sagte er, er müsse energisch dagegen protestieren. Das war das einzige was ihn berührt hat, die Leichen in Bergen-Belsen waren es nicht.
Welt Online: Wie passt das zu Hannah Arendts These von der Banalität des Bösen?
Welche Frage meinst Du genau, die bezogen auf die Auseinandersetzung mit Günter Grass? Mir schien, als ob der Interviewer sich diese in Anbetracht der Herkunft des Befragten nicht enthalten konnte, was ich aber nicht so abwegig fand. Dazu muss man wohl sagen, dass der Text nicht sehr lang ist, woher diese Raffung m.E. einleuchten ist.Das Interview
Abgesehen von dem, was Dr. Bach im Folgenden an Hannah Arendts Arbeitsweise kritisiert - wozu Ursi ja schon einen Thread eröffnet hat (http://www.geschichtsforum.de/f66/these-von-der-banalit-t-des-b-sen-42673/) - bin ich etwas irritiert über die Frage des Interviewers.
Welche Frage meinst Du genau, die bezogen auf die Auseinandersetzung mit Günter Grass? Mir schien, als ob der Interviewer sich diese in Anbetracht der Herkunft des Befragten nicht enthalten konnte, was ich aber nicht so abwegig fand. Dazu muss man wohl sagen, dass der Text nicht sehr lang ist, woher diese Raffung m.E. einleuchten ist.
Nein, ich meinte die zitierte Frage ("Wie passt das zu Hannah Arendts These von der Banalität des Bösen?") Diese Frage finde ich an der Stelle, nach der Dr. Bach davon berichtet, wie Eichmann sich angesichts der Bilder von Leichenbergen um solche Nichtigkeiten, wie seinen blauen Anzug Sorgen machte, erstaunlich.
Die Banalität des Bösen zeigt sich darin, dass wir keine geifernden Monster haben, die nach Blut leckten, die berühmten Sadisten, die endlich mal ihre perversen Neigungen ausleben konnten (auch solche gab es, sie waren aber eben nicht die Regel), sondern dass das Böse wenig plakativ in der Gestalt eines "Buchhalters" daherkommt.
Die Diskussion geht doch letzten Endes um die Bewertung des Wortes "banal",
ob man dies als eine Verharmlosung sehen will, als eine Relativierung, oder als eine Zustandsbeschreibung.
Das Wort „banal“ hat im Deutschen und Französischen u.a. einen diminutiven (verkleinernden) Beiklang; zusammen mit dem „Bösen“ kam es zur Missinterpretation, Arendt rede die Naziverbrechen klein. Im Englischen bedeutet es dagegen „allgemeingültig“, eine „Selbstverständlichkeit“, was ihre Meinung eher trifft.
exzellent beschrieben!Die "Banalität des Bösen" hat sicher den einen Aspekt, dass man zur Kenntnis nehmen musste, dass es eine "verwaltungstechnische" Seite des Massenmords gab.
Das "Banale" hat aber eben noch den anderen Aspekt, dass die beteiligten "Schreibtischtäter" offensichtlich diesen Massenmord wie Alltagsarbeit behandelten.
So gab es eben die "ganz normalen Männer" der Polizeibataillone, die ihren ausgebildeten Schutzauftrag nun auf Massenerschiessungen ausdehnten. So gab es die Reichsbahner, die logistisch Menschen statt Kohle in Verbrennungsöfen verschoben, oder Disponenten, die Outputzahlen zum Massenmord maximierten, als ob sie eine Schraubenproduktion zu steigern hätten, und obwohl auf dem Schreibtisch Bilder, Namen und Geburtslisten landeten.
exzellent beschrieben!
Genau das ist die quasi neue Dimension, welche das Böse erhielt: ist das Böse (im Gewand des Teufels) bei Hauff satirisch-bürgerlich, bei Dostojewski zynisch-intelligent parlierend und psychologisierend, so kommt aus der Realität nun die sachlich-professionelle, sich bestenfalls mit Obrigkeitshörigkeit nicht wirklich herausredende, verbeamtete Verwaltungsvariante hinzu - und letzteres bei einem Massenmord ohnegleichen... Das Banale hier ist die scheinbare Alltäglichkeit und Normalität der sachlich-verwaltungstechnischen Abläufe und Sprache, und das auf zynisch-groteske Weise völlig wertindifferent. Diese Versachlichung des Massenmords als Verwaltungsakt(e) ist mit dem Begriff "Banalität des Bösen" gemeint.
Die Diskussion geht doch letzten Endes um die Bewertung des Wortes "banal",
ob man dies als eine Verharmlosung sehen will, als eine Relativierung, oder als eine Zustandsbeschreibung.
Ich denke, dass Arendt nicht im Sinn hatte, die begangenen Verbrechen zu verharmlosen oder zu relativieren. Als Philosophin ist es ihr sicher um eine Zustandsbeschreibung gegangen. Und die muss sich - wie an anderer Stelle schon angedeutet wurde - gar nicht exklusiv auf die Funktionsträger des NS beziehen, sondern kann das menschliche Verhalten insgesamt im Blick haben.
Ohne selbst wiederum das Ausmaß der NS-Verbrechen relativieren zu wollen: Banalitäten des Bösen finden sich doch bei genauerem Hinsehen auch heute allerorten, nur vielleicht nicht so offensichtlich.
Dass ich meinen aktuellen Lebensstandard (das schicke blaue Hemd von H&.., die in China gefertigten Schuhe von pumidas, das igalxypod mit touchscreen) nur auf Kosten eines Großteils der restlichen Menschheit finanzieren kann, ist mir eigentlich nur auf eine Metaebene bewusst. Aber wenn mir ein Großteil der Menschheit hier bösartiges Verhalten unterstellen würde, so könnte ich auch nicht widersprechen.
Die Banalität des Bösen zeigt sich darin, dass wir keine geifernden Monster haben, die nach Blut leckten, die berühmten Sadisten, die endlich mal ihre perversen Neigungen ausleben konnten (auch solche gab es, sie waren aber eben nicht die Regel), sondern dass das Böse wenig plakativ in der Gestalt eines "Buchhalters" daherkommt.
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