Erstbeschreibung einer Blide?

P

PontifexMinimus

Gast
Die Legionäre setzten leistungsfähige Kriegsmaschinen wie Torsionsgeschütze ein, die zwar vereinzelt von den Batavern erobert, nicht aber bedient werden konnten. „Besonders großen Schrecken verursachte eine sich auf und ab bewegende Maschine, welche einzelne oder mehrere Feinde vor den übrigen in die Höhe riss und mittels eines Gegengewichts in ihr Lager warf“, schreibt Tacitus.

Aus: Civilis & Bataver gegen Rom: „Hoch füllen sich die Gräber mit Leichen“ - WELT

Für mich klingt das wie eine Blide, hunderte von Jahren, bevor sie sich in Europa verbreitete.
 
Die Beschreibung ist jedenfalls rätselhaft. Es ist ja nicht nur von einem Katapult (indirekt durch das Verb effundebantur) mit Gegengewichtsautomatik (verso pondere) die Rede, sondern auch davon, das diese Maschine (machinamentum) gewissermaßen die Feinde aufnahm und dann wegschleuderte. Wenn ich nicht wüsste, dass das Tacitus ist, würde ich an Krieg der Welten denken: die Maschine (suspensum et nutans) erinnert doch, wie sie die Menschen raubt, sehr dararn.

Tac. hist. IV, 30: praecipuum pavorem intulit suspensum et nutans machinamentum, quo repente demisso praeter suorum ora singuli pluresve hostium sublime rapti verso pondere intra castra effundebantur.
 
Das klingt stark danach, als hätte man Gefangene mittels Blide ins gegnerische Lager geschossen.

Die psychologische Wirkung dürfte enorm gewesen sein.

Ich wüsste jedenfalls nicht, wie man "frei rumlaufende" Gegner im Schlachtgeschehen greifen und wegschleudern könnte.
Das dürfte nichtmal mit moderner Robotik einfach zu machen sein.

Ein Katapult konnte auch nur Gewichte bis 20kg schleudern, keine ausgewachsenen Menschen. Die Blide dagegen konnte bis zu 1000kg schleudern, also mehrere Personen.
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Die Bilde/der Tribok/das Trebuchet war wohl schon im 6ten Jhr. im Mittelmeerraum bekannt:
"Das Trebuchet – erfunden zwischen dem 5. und 3. Jahrhundert vor unserer Zeitrechnung in China – erreichte den Mittelmeerraum im 6. Jahrhundert nach Christus.

(...)

Bisher nahm man an, das Trebuchet habe sich von China aus nicht früh genug westwärts ausgebreitet, um die Anfangsphase der islamischen Eroberungen von 624 bis 656 beeinflussen zu können. Doch wie einer von uns (Chevedden) kürzlich nachgewiesen hat, erreichten solche Schleudermaschinen schon gegen Ende des 6. Jahrhunderts den östlichen Mittelmeerraum, waren in Arabien bekannt und wurden von islamischen Armeen äußerst wirkungsvoll eingesetzt."



Quelle: Das Trebuchet - die mächtigste Waffe des Mittelalters
 
Zuletzt bearbeitet:
Interessant wäre, ob dieses Buch aus augustäischer Zeit einen Tribok kennt:

"M. Vitruvius Pollo lebte zur Zeit Caesars (100 - 44 v.Chr.) und Augustus' (63 v.Chr. - 14 n.Chr.). Berühmt geworden ist das 10. Buch seines Hauptwerks "De architectura libri X ad Caesarem Augustum" (10 Bücher zur Architektur in der Zeit Kaiser Augustus'). Vitruv war schon unter Caesar Kriegsingenieur und leitete die Werkstätten zur Herstellung von Kriegsgerät. Sein Buch enthält Beschreibungen aller entsprechenden Maschinen und Werkzeuge. Eine deutsche Übersetzung seines Werkes wurde 1548 von Rivius (Ryff) in Würzburg herausgegeben."

Hat einer zufällig Zugriff darauf?
 
Das klingt stark danach, als hätte man Gefangene mittels Blide ins gegnerische Lager geschossen.

Die psychologische Wirkung dürfte enorm gewesen sein.
Der Schluss ist zwar an sich naheliegend, allerdings kommt es mir seltsam vor, dass eine im römischen Lager positionierte Maschine angreifende Bataver erfasst und bis ins Lager der Bataver geschleudert haben soll. Außerdem ist im Text ohnehin nur vom römischen Lager die Rede.
Ich vermute daher eher, dass die römische Maschine angreifende Bataver erfasst und ins römische Lager befördert hat (wo sie, sofern sie nicht ohnehin beim Aufprall starben, anschließend wohl gefangen oder getötet wurden).

„Effundebantur“ bedeutet auch nicht zwingend „werfen“, sondern nur, dass die erfassten Bataver irgendwie mit der Maschine ins Lager befördert wurden. Vom Prinzip her könnte eine Art Tolleno (eine Art Kran) gemeint gewesen sein, wenngleich der Tolleno sonst eingesetzt wurde, um eigene Truppen auf die feindliche Mauer zu hieven.
 
@Ravenik dürfte Recht haben. Das Verb hat viele ggf. passendere Bedeutungen, laut Pons-Wörterbuch auch 'niederwerfen' oder sogar 'zerstreuen'.

Das einzige vor-neuzeitliche Kriegsgerät, das leidlich mit der wortwörtlichen Übersetzung in Einklang zu bringen wäre, war der sogenannte Wolf, manchmal auch Wölfin. Im Endeffekt handelte sich um einen langen Hebelarm, an dessen Enden jeweils ein Gewicht bzw. ein Haken befestigt waren. Man konnte damit vor einer Wehrmauer aufgestellte Kriegsgeräte des Feindes umwerfen (der Name "Wolf" nimmt speziell auf den "Widder" der Angreifer Bezug, besser bekannt als Rammbock), aber es gab auch viele andere Verwendungen gegen feindliche Kombattanten.

Allerdings tritt dieses Gerät meines Wissens nach erst im Mittelalter auf.
Wobei natürlich nichts gegen Vorläufer in früheren Zeiten spricht, ein Hebelarm ist beileibe kein Hexenwerk.
 
Tacitus redet von einer Art zweitstöckigem Belagerungsturm , den die Truppen des Civilis an das römische Lager (Gelduba?) heranführen.
(Eduxerant Batavi turrim duplici tabulato...)
 
Ein ähnliches Gerät soll bereits die Stadt Syrakus bei der Belagerung durch die Römer eingesetzt haben, um römische Schiffe anzuheben und umzukippen.
Wobe die "Kralle von Archimedes" die Schiffe nur angehoben hat. Und nicht geschleudert.

Zum langsamen Anheben kann man Flaschenzüge benutzen. Zum Schleudern von Menschen braucht man schon ein schnell fallendes Gegengewicht.

Es kann die selbe Technik sein, muss aber nicht.
 
In dem Spielfilm "Flesh and Blood" aus dem Jahr 1985, mit Rutger Hauer als Hauptdarsteller werden Köpfe und Leichenteile über die gegnerischen Mauern mittels Wurfmaschienen geschleudert, wenn ich es richtig erinnere?


Sehr typischer Paul Verhoeven Film, nicht sehr lustig anzuschauen, aber ein Stückchen Wahrheit war da doch wohl drin.
Vergammelte Hunden und Katzen sollen auch gerne geschleudert worden sein, wie würde man heute sagen, vielleicht "biologische Kriegsführung".

Da kann sich jeder seinen Teil dazu denken...

Micha
PS Der Spielfilm ist richtig "Scheisse", eine Ausgeburt von Gewalt, ein typischer "Verhoeven".
 
In dem Spielfilm "Flesh and Blood" aus dem Jahr 1985, mit Rutger Hauer als Hauptdarsteller werden Köpfe und Leichenteile über die gegnerischen Mauern mittels Wurfmaschienen geschleudert, wenn ich es richtig erinnere?
Sowas wird sicher wieder und wieder in der Geschichte der kriegerischen Wurfmaschinen vorgekommen sein -

Der Film hat aber gar keine Aussagekraft hinsichtlich der Threadfragestellung.
 
Wobe die "Kralle von Archimedes" die Schiffe nur angehoben hat. Und nicht geschleudert.
Nicht mal das Anheben kann ich mir bildlich vorstellen. Wie muss man sich das vorstellen? Was sollte das bewirken? Dass die Besatzung durcheinanderpurzelt? Versuchten die Römer, Syrakus von den Schiffen aus zu erstürmen, also z.B. die Hafenmauer zu erklimmen?

[mod]Rest des Beitrages findet sich in "Spielfilme angesiedelt im Mittelalter" wieder. [/mod]
 
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Nicht mal das Anheben kann ich mir bildlich vorstellen. Wie muss man sich das vorstellen? Was sollte das bewirken? Dass die Besatzung durcheinanderpurzelt? Versuchten die Römer, Syrakus von den Schiffen aus zu erstürmen, also z.B. die Hafenmauer zu erklimmen?
Ja, die Mauer der Stadt Syrakus muss wohl tatsächlich ans Meer gegrenzt haben. So verstehe ich das.

Die Schiffe wurden meinem Kenntnisstand nach von Archimedes "Kralle" angehoben und dann "fallen gelassen". Dadurch drang Wasser ein, das Boot kenterte oder die Mannschaft wurde verletzt.

So stelle ich mir das vor:

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Übrigens beschreibt eine Webseite in der Tat Archimedes Kralle wie @Ravenik bzw. den Tribok der Threadfragestellung:

"Die fürchterlichste ging unter dem Namen „Kralle des Archimedes“ in die Kriegsgeschichte ein. Es handelte sich um eine Art Kran, allerdings mit einem ganz bestimmten Zweck. Näherten sich römische Galeeren den Mauern von Syrakus, um sie mit Brandsätzen zu beschießen, schwenkten die Verteidiger die langen Arme der „Kralle“ aus. An ihnen hingen an langen Ketten spitze Haken, die sie in den Bug der Schiffe zu rammen versuchten.


Saß einer dieser Haken fest, lösten die Syrakuser ein gesichertes, schweres Gegengewicht auf der anderen Seite des Krans – und durch das Hebelprinzip wurden selbst große Schiffe aus dem Wasser gehoben. Das an sich wäre noch nicht besonders schlimm gewesen. Doch nun kappten die Verteidiger die Ketten, und die Galeere krachte zurück ins Meer – oft auch auf die tückischen Felsen vor den Mauern. Oder sie kenterte
."

Quelle: Teuflische Wunderwaffen zerstörten Roms Schiffe - WELT
 
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Nicht mal das Anheben kann ich mir bildlich vorstellen. Wie muss man sich das vorstellen? Was sollte das bewirken? Dass die Besatzung durcheinanderpurzelt? Versuchten die Römer, Syrakus von den Schiffen aus zu erstürmen, also z.B. die Hafenmauer zu erklimmen?
Die Römer griffen Syrakus tatsächlich zu Lande und zu Wasser an, da die Mauern stellenweise bis ans Meer reichten. Ausführlich beschrieben wurden diese Kämpfe (und Archimedes‘ Gegenmaßnahmen) als zeitlich nächststehendem erhaltenen Autor bereits von Polybios. Ihm zufolge wurden mit den Eisenkrallen die Schiffe an einer Stelle erfasst und aus dem Wasser gehoben, dann plötzlich wieder fallen gelassen. Durch diese Maßnahmen kenterten sie teilweise, teilweise füllten sie sich mit Wasser.
DerNutzer hat das schön illustriert.
 
Die Römer griffen Syrakus tatsächlich zu Lande und zu Wasser an, da die Mauern stellenweise bis ans Meer reichten. Ausführlich beschrieben wurden diese Kämpfe (und Archimedes‘ Gegenmaßnahmen) als zeitlich nächststehendem erhaltenen Autor bereits von Polybios. Ihm zufolge wurden mit den Eisenkrallen die Schiffe an einer Stelle erfasst und aus dem Wasser gehoben, dann plötzlich wieder fallen gelassen. Durch diese Maßnahmen kenterten sie teilweise, teilweise füllten sie sich mit Wasser.
DerNutzer hat das schön illustriert.
Wer noch nicht in Syrakus war: Das antike Syrakus liegt auf einer eine Bucht abschließenden Halbinsel. (Sie hat sich freilich schon in der Antike über die Halbinsel hinaus vegrößert.
 
Ja, gegen den Achradina genannten, auf der Halbinsel liegenden ältesten Teil der Stadt richtete sich auch der römische Seeangriff mit Quinqueremen.
 
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