Ich gebe nun das wörtliche Zitat, vielleicht wird es danach verständlicher:
Hütteroth, W.-D. (1982): Türkei. (Wissenschaftliche Länderkunden Band 21) Wissenschaftl. Buchgesellschaft, Darmstadt. S. 281.:
Kapitel VIII. Die Bevölkerung der Türkei. c) Nichtislamische Gruppen:
"Orthodoxe Griechen gab es vor dem Ersten Weltkrieg vor allem in drei Gebieten, wo die Geschichte dieser Minderheit jeweils ganz verschieden war. Die größte Gruppe fand sich an der Ägäis, und sie war zugleich die
jüngste. Das antike Griechentum hatte hier die türkische Eroberung der Gazizeit nicht als ethnische Gruppe überstanden (vgl. Kap. VI, 2, d).
Diese Masse der Griechen Westanatoliens
waren also Einwanderer, meist von den Inseln der Ägäis, die teils als Arbeitskräfte in früherer osmanischer Zeit hereingeholt worden waren, teils als rechtlich gleichberechtigte osmanische Bürger (seit der Tanzimatzeit) an verschiedenen Stellen der Westküste Land kauften oder sich in Städten als Händler und Handwerker niederließen.
Eine zweite Gruppe von Orthodoxen - Griechen kann man hier eigentlich kaum sagen - lebte bis zum Ersten Weltkrieg in den Provinzen Zentralanatoliens, und zwar kontinuierlich seit der türkischen Eroberung und der Praktizierung des Milletsystems durch die Seldschuken im 12./13. Jahrhundert. Sie sind also echte Anatolier gewesen, die vorher hellenisiert worden waren. Im Lauf der osmanischen Zeit gingen sie sprachlich immer mehr zum Gebrauch des Türkischen über, schrieben aber die türkische Sprache mit griechischen Buchstaben. Man nannte sie nach dem Namen, des alten Fürstentums und der späteren osmanischen Provinz >Karamanli<. Sie waren gewissermaßen orthodoxe Türken. ...
Die griechische Minderheit verhielt sich wahrend des Ersten Weltkrieges überwiegend loyal und war dementsprechend auch kaum Pressionen ausgesetzt. Im Lauf des türkischen Freiheitskrieges engagierte sie sich natürlich weitgehend für die nationalgriechische Annexionspolitik und mußte demzufolge 1922 flüchten"
Dazu kommen noch im Text die Pontosgriechen, die tatsächlich auf eine kontinuierliche ununterbrochene Besiedlung zurückblicken konnten, also die Bewohner des 19./20. Jh. Nachfahren derjenigen sind, die vor 2800 Jahren einwanderten. Also hier eine gewisse Kontinuität vorliegt.
Wir müssen Behauptungen auch empirisch belegen, und wenn wir z.B. sagen, die Griechen im Bevölkerungsaustausch Anfang des 20. Jh. in Westanatolien waren die Nachfahren der 2800 Jahre vorher eingewanderten Griechen, dann sitzen wir der Historiographie von jungen Nationen auf.
Nachmal Hütterroth, S. 201. (VI. 2. d): Die Wandlung zum islamisch-türkischem Land):
"Viel später, im 16. Jh., zeigen die ersten greifbaren statistischen Daten, daß christliche Bevölkerung zwar noch weithin vorhanden ist, aber regional in ganz unterschiedlicher Dichte, und diese Verteilung muss sich schon in vorosmanischer Zeit ausgebildet haben. Fast die Hälfte der Bevölkerung im Gebiet des alten Kaiserreichs Trapezunt ist noch orthodox, Istanbul und einige Marmaraorte haben stattliche orthod. Minderheiten, und in Zentralanatolien machen sie um 10% aus.
Hingegen ist das Griechentum des westlichen Kleinasien verschwunden. Erst sehr viel später bildeten sich wieder griechische Gemeinden. Das aber waren keine Anatolier, sondern meist inselgriechische Einwanderer."
Wer mehr lesen möchte, kann sich auch das Kapitel
Empire and Population im folgenden Link reinziehen, inkl. konkreter Zahlen:
An economic and social history of ... - Google Books
Zu Timur, ich habe in der Encyclopaedia of Islam 2 (Artikel Anadolu) folgendes gelesen: "Christianity in Anatolia was hard hit by Timur, who — as everywhere else he appeared — let the Christian population feel his hardness and cruelty with a special severity."
Aber das ist ein noch weiter entfernteres Thema...
:winke:
PS: Vergessen wir das Thema Wikipedia, ich habe den Artikel nicht gelesen, und er mag vollkommen richtig sein, aber ich habe nie die
Große griechische Kolonisation bestritten oder thematisiert.Ich ging nur darauf ein, ob diejenigen, die nach Griechenland umsiedelten, nun in Westanatolien seit 2800 Jahren lebten oder nicht.