Expansion

Werter fingalo,
hat man da nicht ein etwas finsteres Bild der Leute, die wir heute unter der Rubrik Wikinger zusammenfassen ?
Auch wenn die Wikingerzeit von 793 (Lindisfarne) bis 1066 (Hastings) gerechnet wird, waren spätere Nordmänner doch noch unterwegs,
wenn auch nicht mehr
Strandräuber & Seeräuber.
Und der Heilige Olav ( 995 bis 1030) war ja doch ein Kind der Wikingerzeit per se oder irre ich mich da ?



Gruß
Heino der eigentlich nicht an den "edlen Wilden" glaubt, aber an Menschen ihrer Zeit
 
Wer nicht raubt und plündert ist kein Wikinger. Der Begriff lässt positive Deutungen nicht zu und zwingt dazu zwischen Wikingern und Skandinaviern zu unterscheiden.
 
Auf Island gab's nur eine Hand voll Wikinger, die als jugendliche Rowdies im Ausland Randale machen wollten, dann aber gesittet an den heimischen Herd zurückkehrten.

Naja....
Die Wikinger aus Island haben sich auch nicht unbedingt von beispielsweise den Norwegern unterschieden.
Es waren nur weniger, denn Island wurde ja erst während der Wikingerzeit besiedelt.
Außerdem gab es in Island ja ein Bevölkerungsmaximum.
Die Isländer dachten ja, dass das Land Island nur eine bestimmte Zahl von Menschen ernähren könnte.
Überzählige Säuglinge wurden ausgesetzt, sogar noch nach der Christianisierung.

Werter fingalo,
hat man da nicht ein etwas finsteres Bild der Leute, die wir heute unter der Rubrik Wikinger zusammenfassen ?

In dem in einem anderen Thread erwähnten "Damals"-Heft wurde in einem Absatz bemerkt, dass die Wikinger nicht grausamer, finsterer, blutrünstiger, gemeiner, oder was auch immer waren.

Sie werden oft nur so beschrieben, auch da die meisten Schriften über die Wikinger von den in Latein belehrten Christen stammen, wie auch vom Bischof Ansgar.

Gruß Alexander
 
In dem in einem anderen Thread erwähnten "Damals"-Heft wurde in einem Absatz bemerkt, dass die Wikinger nicht grausamer, finsterer, blutrünstiger, gemeiner, oder was auch immer waren.

Da sprechen die zeitgenössischen Quellen aber eine ganz andere Sprache, denn besonders im 8./10. Jh. waren die Wikinger eine europäische See- und Landplage. Die gewaltige Zahl geplünderter Klöster, gebrandschatzter Städte und Siedlungen sowie ermorderter Einwohner sprechen da Bände.

Solche Verheerungen hatte es zuvor kaum gegeben, sodass sich die Wikinger einen bleibenden Platz im europäischen Kollektivgedächtnis bewahrt haben.
 
Da sprechen die zeitgenössischen Quellen aber eine ganz andere Sprache, denn besonders im 8./10. Jh. waren die Wikinger eine europäische See- und Landplage. Die gewaltige Zahl geplünderter Klöster, gebrandschatzter Städte und Siedlungen sowie ermorderter Einwohner sprechen da Bände.

Solche Verheerungen hatte es zuvor kaum gegeben, sodass sich die Wikinger einen bleibenden Platz im europäischen Kollektivgedächtnis bewahrt haben.

Die Meinung hatte ich bis jetzt ja auch.

Aber die Argumente des Heftes, die ich bald mal hier einspeisen werde, sind wirklich überzeugend.

Gruß Alexander
 
Naja....
Die Wikinger aus Island haben sich auch nicht unbedingt von beispielsweise den Norwegern unterschieden.
Doch, haben sie. Es waren durchweg Bauern auf ihren Höfen. Nur die Söhne, junge Spunde, zogen vereinzelt auf Raubfahrten aus. Regelrechte Flotten gab es nicht, schon weil es an dem notwendigen Holz für den Schiffbau in großem Stil fehlte. Das war im waldreichen Norwegen ganz anders.
Es waren nur weniger, denn Island wurde ja erst während der Wikingerzeit besiedelt.
Außerdem gab es in Island ja ein Bevölkerungsmaximum.
Die Isländer dachten ja, dass das Land Island nur eine bestimmte Zahl von Menschen ernähren könnte.
Wo hast Du denn das her? Ich kenne keine Quelle aus der Zeit mit solchen Überlegungen.
Überzählige Säuglinge wurden ausgesetzt, sogar noch nach der Christianisierung.
Das war nicht Bevölkerungspolitik, sondern Familienpolitik (Erbteilung einzuschränken). Und die Aussetzung betraf nach den Quellen in der Regel Behinderte.

In dem in einem anderen Thread erwähnten "Damals"-Heft wurde in einem Absatz bemerkt, dass die Wikinger nicht grausamer, finsterer, blutrünstiger, gemeiner, oder was auch immer waren.
Das ist nur zum Teil richtig, nämlich wenn man das konkrete Schicksal eines Überfallenen betrachtet. Aber die Zeitgenossen wussten sehr wohl zwischen politisch motivierten Kriegszügen (mit den gleichen Greueln) und den reinen Raubzügen ohne politischen Hintergrund zu unterscheiden. Hunnen und Wikinger wurden eben anders betrachtet als fränkische Heere. Diese brandschatzten und heerten, um dem Feind die wirtschaftlichen Ressourcen zur Kriegsführung zu nehmen, und sie raubten, um mit der Beute die Gefolgschaft ihrer Truppen zu sichern. Die Wikinger aber raubten völlig sinnlos, weil sie mit der Beute nichts anfingen (in der Frühzeit war das noch anders: Da gibt es Berichte, dass ein heimkehrender Wikinger sich in Südschweden mit der Beute einen Hof kaufte und bewirtschaftete). Die Horden in Nordfrankreich, die u. a. Paris belagerten waren schon von der asozialen Sorte, die nicht mehr nach Hause konnte, weil sie in der Heimat nicht mehr gelitten waren. Was die mit der Beute und dem Lösegeld (viele Zentner an Silber) machten ... man weiß es nicht, jedenfalls nichts, was irgendwo seinen Niederschlag gefunden hätte. Erst bei den "regulären" Kriegstruppen Knuts und späterer in England weiß man, was mit dem Danegeld geschah: Davon wurde der Sold für die Truppen bezahlt. Die Wikinger wurden in der Masse nicht einmal reich davon. Gegen Ende der Wikingerzeit wurden sie in Nordengland angesiedelt, und die Anführer kauften (!) sich Land, aber die einfachen Kämpfer hatten dazu das Geld nicht, so dass sie wieder abziehen mussten und versuchten, in der Normandie Fuß zu fassen.

Sie werden oft nur so beschrieben, auch da die meisten Schriften über die Wikinger von den in Latein belehrten Christen stammen, wie auch vom Bischof Ansgar.
Das ist auch so eine Mär (der besonders Regis Boyer huldigt): Die Greuelberichte der Quellen seien unglaubwürdig, weil sie von den christlichen Opfern geschrieben seien. Kein Mensch kommt auf den Gedanken, die Berichte der KZ-Insassen über das Lagerleben mit der Begründung für übertrieben zu halten, dass sie von den Opfern geschrieben seien (mal die Holocaustleugner bei Seite gelassen).
 
Die Meinung hatte ich bis jetzt ja auch.

Aber die Argumente des Heftes, die ich bald mal hier einspeisen werde, sind wirklich überzeugend.
In dem Heft (du meinst das vom November 2008) sind mehrere Autoren zu Gange. Korrekt schreibt über die Wikinger nur Simek. Kalmring schreibt in seinem Aufsatz über den Handel über "Skandinavier" und "Nordmänner".

Förster wirft ohne Begründung "Wikingergruppen" mit Warägern in einen Topf, obgleich sie nicht nur anders genannt wurden, sondern sich auch anders verhielten. Oder es heißt bei ihm zumindest missverständlich: "Andererseits waren es die Skandinavier selbst, die den Glauben der Wikinger auf Pergament verewigten." Man weiß über deren Glauben gar nichts. Man weiß nur etwas über das, was man bei Hofe zumThema "Glauben" vortrug. Und da ist Snorri ziemlich zuverlässig, denn seine Darstellungsabsicht war keineswegs, wie Förster schreibt, ein geschlossenes Glaubenssystem dem Christentum entgegenzustellen. Das war nämlich überhaupt nicht geschlossen, und als Christ konnte er diese Absicht gar nicht haben. Seine Absicht war es, den Dichtern seiner Zeit die Kenningar, also die literarische Verschlüsselung von Begriffen, zu überliefern. Denn sie verstanden bereits diese Symbolsprache nicht mehr. Die Archäologie bietet da auch nichts, denn man weiß gar nicht, wer mit welcher Intention an den Kultplätzen tätig war. Es gibt ein literarisches Zeugnis, in dem Wikinger in Nordfrankreich mit der Bemerkung zitiert werden, sie glaubten an nichts, keinen Thor oder Odin, nur an ihre eigene Kraft. Nur ist die Saga, in der das vorkommt, nicht historisch. Auch wird von einem Handelsplatz der Wikinger (Trendgården) gefaselt. Die Wikinger trieben keinen regulären Handel. Als Heiden waren sie vom Handel ausgeschlossen. Im übrigen beruhte der Handel auf persönlicher Bekanntschft und Freundschaft der Kaufleute. Das fehlte ihnen vollständig. Sie hatten also keinen Zugang zu den erforderlichen Handelspartnern. Deshalb nahmen sie christliche Händler mit, die denen sie die Beute (Sklaven) zum Weiterverkauf übergaben. Das einzige, was sie machen konnten, war, durch Zeichen am Lager kund zu tun, daß man zum Handel gefahrlos ihr Lager betreten konnte. Aber welchen Erfolg das hatte, ist nicht überliefert. Nur dass sie selbst mal einkauften, ist überliefert, jedenfalls im Bereich der Ostsee.
 
Das war nicht Bevölkerungspolitik, sondern Familienpolitik (Erbteilung einzuschränken). Und die Aussetzung betraf nach den Quellen in der Regel Behinderte.
Ich gebe Dir Recht das es sich um Familienpolitik handelt.
Neben den Thing in Island findet sich auch etwas in den Bußbüchen des FMA, es scheint nicht auf die Wikinger beschränkt gewesen zu sein. Etwaige Strafen unterscheiden dabei ob ein Kind getauft war oder vom Vater anerkannt (aufgehoben), also quasi in die Gemeinschaft aufgenommen war oder nicht.
 
Ich gebe Dir Recht das es sich um Familienpolitik handelt.
Neben den Thing in Island findet sich auch etwas in den Bußbüchen des FMA, es scheint nicht auf die Wikinger beschränkt gewesen zu sein. Etwaige Strafen unterscheiden dabei ob ein Kind getauft war oder vom Vater anerkannt (aufgehoben), also quasi in die Gemeinschaft aufgenommen war oder nicht.
Für das alte Norwegen gilt: Im Heidentum stand dem Vater das Recht zu, über das Leben eines Neugeborenen zu entscheiden. Diese Sitte wurde nach Einführung des Christentums in unterschiedlicher Weise eingeschränkt, indem entweder nur Missgeburten nach der Taufe ausgesetzt werden durften oder die Aussetzung überhaupt verboten oder von der Zustimmung des Bischofs abhängig gemacht wurde. Beim Christenrecht das Borgarthings ist sogar von einer Taufe nicht die Rede. Vielmehr soll man es sterben lassen und wie bei unheimlichen Wesen im Heidentum „mit Steinen an unheimlicher Stelle, wo weder Mensch noch Vieh geht, das ist die unheimliche Stelle des Bösen, bedeckt werden.“ Was mit Totgeburten zu geschehen habe, wird nicht geregelt, außer dass es ungetauft nicht auf dem Kirchhof begraben werden kann. Im Frostathingslov wird ausdrücklich verboten, Frauen, die in der Schwangerschaft starben, aufzuschneiden, um das heidnische Kind herauszuholen, damit die Frau christlich beerdigt werden könne. Sie soll auch so christlich beerdigt werden (Frostathingslov II, 15). Die Aussetzung muss noch lange Brauch gewesen sein, denn König Magnus Erlingsson hielt es im 12. Jahrhundert für erforderlich, auf Aussetzung die strengste Strafe der Friedlosigkeit zu setzen, während Olav der Heilige dafür nur eine Strafe von drei Mark angesetzt hatte. Im Borgarthingslov und Eidsivathingslov wird die Aussetzung gar nicht erwähnt.
 
Zurück
Oben