Fehrbelliner Reitermarsch

Ralf.M

Aktives Mitglied
Hätte mal eine Frage...
Zum Fehrbelliner Reitermarsch.

Dieser Marsch wurde ja 1893 vom königlichen Musikdirektor Richard Henrion als Fanfarenmarsch komponiert.
Also zu einer Zeit als Kaiser Wilhelm II. an der Macht und sein Großvater Kaiser Wilhelm I. schon 5 Jahre Tod war.
Wenn ich mir den Text durchlese, vor allem Strophe 1, kommt mir so eine Ahnung als wenn 1893 der Musikdirektor nicht so recht mit dem machtausübenden Kaiser zufrieden war.
Ich finde darüber nichts. Täusche ich mich?
 
Wann der Text entstanden ist, scheint unbekannt. Laut Wikipedia wurde er nach 1918 gesungen. Ich vermute aber, dass das nur eine Interpretation des Textes ist.

"Sie liegt so fern und weit, die alte Kaiserzeit" - ergo muss der Text nach Ende des Kaiserreichs entstanden sein.
 
Danke!
Als sympathisierende und humorvolle Verse für Kaiser Wilhelm I. unter Verwendung der Melodie des Reitermarsches hatte ich diese Verse nicht so richtig wahrgenommen.

Also Text Volksmund mit unbekannten Autor.
 
Ohne es belegen zu können, behaupte ich, dass der Text der Strophen, so wie wir sie heute kennen, aus der Feder Heinos oder seiner Liedertexter stammt. Dieses "Sie liegt so fern und weit, die alte Kaiserzeit" passt eigentlich auch nicht in die Weimarer Republik. So weit weg war das dann doch nicht.

Der Refrain jedoch, mit seinem "Aber den mit dem Bart, mit dem langen Bart" deutet eher darauf, dass er kurz nach dem Tode Wilhelms I. entstand und als "Protestsong" gegen Wilhelm II. benutzt wurde.
Vielleicht gab es damals andere Strophen dazu, wenn überhaupt.

Das Volksliederarchiv.de sieht die Entstehung um 1890
 
Als ergänzende Information, hier noch ein Zitat aus dem Buch Die sakrale Bedeutung der Kaiser-Wilhelm-Denkmäler von Bruno Schmitz, Christel Busch, 2010

"Wir wollen unsern alten Kaiser Wilhelm wieder haben, ...", hallte es als Gassenhauer nach dem Tode Wilhelm I. durch die Deutschen Lande. Unzufrieden mit der Politik seines Enkels und Nachfolgers auf dem Kaiserthron, sehnte sich das Volk nach einer vermeintlich starken Herrscherpersönlichkeit zurück.
 
Als ergänzende Information, hier noch ein Zitat aus dem Buch Die sakrale Bedeutung der Kaiser-Wilhelm-Denkmäler von Bruno Schmitz, Christel Busch, 2010

"Wir wollen unsern alten Kaiser Wilhelm wieder haben, ...", hallte es als Gassenhauer nach dem Tode Wilhelm I. durch die Deutschen Lande. Unzufrieden mit der Politik seines Enkels und Nachfolgers auf dem Kaiserthron, sehnte sich das Volk nach einer vermeintlich starken Herrscherpersönlichkeit zurück.

Das halte ich mit Bezug auf den "Volks"- Begriff für problematisch. Einen wesentlichen Teil des Volkes stellte die Arbeiterschaft. Man war negativ integriert und orientierte sich in seiner politischen Systempräferenz am britischen Modell einer parlamentarischen- demokratischen Monarchie. In diese Haltung paßt nicht der Wunsch nach einer "starken Herrscherpersönlichkeit". Bestenfalls ist es ein ironisierender Bezug auf KW II. denkbar, indem die sozialdemokratische Arbeiterschaft ihm als Kritik seine - vermeintlich besseren - Vorgänger vorhält und somit eine antimonarchistische Kritik formuliert und pseudomonarchisch argumentiert.

Dennoch: "Die wilhelminische Gesellschaft war auch politisch eine kritische Gesellschaft." (Nipperdey: Kann Geschichte objektiv sein.) Die anfängliche Begeisterung nach der Bismarckmüdigkeit wich schnell einer scharfen Kritik an KW II. und seinem Umfeld. Quiddes "Caligula oder Limans "Der Kaiser" (1904) waren Ausdruck des zunehmenden Unmuts. Und kulminierte in der Kritik an dem "Daily Telegraph"- Interview 1908.

Und dieser Kritik schlossen sich ebenfalls traditionelle konservative, monarchistische Kreise an.

In diesem Kontext interpretiert Nipperdey den zunehmenden Bismarck-Kult als eine oppositionelle Abkehr von Wilhelm und dem Wilhelmismus. "Was man vor 1914 verteidigte, wenn man vom Kaiser sprach, war nicht die Person, sondern das System der Monarchie" (ebd.)

In diesem Kontext der Kritik ließen sich auch das intellektuelle Deutschland von Heinrich Mann, über Max Weber, Rathenau, H. Delbrück, Harden oder Troeltsch verorten, neben den anderen Kritikern
 
Zuletzt bearbeitet:
Ich würde diesen Text in die 20iger Jahre einordnen.

Der Kaiser war Historie, er musste abdanken, man lebte in einer Republik, man hatte den Vertrag von Versailles am Wanst und man lebte in einer Inflation.

Der Verfasser kommt möglicherweise aus der Ecke der Urburschenschaft die sich ja bekannterweise auch für eine konstitutionelle Monarchie einsetzten.
Und ihr Vorbild war da Kaiser Wilhelm I. - Preußens Gloria.

Heino wäre da nicht so mein Favorit. Heinos Karriere begann ja so um 1965.

Das man da den Reitermarsch gewählt hat wird auch nicht zu fällig gewesen sein.

Die Schlacht bei Fehrbellin hatte ja eine große Bedeutung für Preußen.

Ich meine die Schlacht bei Fehrbellin im Juni 1675.

Mit dem Sieg über die Schweden sicherte der Hohenzoller Kurfürst von Brandenburg und Herzog von Preußen Friedrich Wilhelm (1620 – 1688) die Souveränität von Preußen (Frieden von Oliva).

Mit diesen Reitermarsch hatte man eine Melodie und ein Text war schnell zur Hand.

Ich kann mir so eine illustre Runde im Wirtshaus beim Bier gut vorstellen.

Man war im Clinch mit der Republik und ihrer Repräsentanten und Vergnatzt weil man keinen Kaiser mehr hatte und da braucht es nicht viel:

Wir wollen unseren alten Kaiser wiederhaben...“ Und damit man ihm nicht verwechselt, mit dem Wilhelm II hatte man ja nicht viel am Hut, sagt man: „Aber den mit dem Bart, mit dem langen Bart...“.

Dann greift das einer auf weil er darin potential sieht und schreibt die Strophen 2 – 4 dazu.

Ich würde also so sagen:

Ein Protestlied mit ein wenig freundlich/verklärender Historie. Da darf dann im Text der Rhein und die Elbe nicht fehlen, ebenso Opa und Oma und das Idyll mit dem Liebespaar Opa und Oma reitend zur Jagd mit Hörnerklang. Ein Hauch „Hedwig Courths Mahler“.

Anmerkung: Text mit Melodien anderer Lieder hat man ja oft.
Ein Beispiel aus meinem sozialdemokratischen Liederbuch – 9. Auflage – von 1897:

„Spießbürger Tugend“ -> Melodie der Jäger aus Kurpfalz.
 
„Will ye no come back again?”.

Hier ist noch einer den man wieder haben möchte.
Man ruft ihm aber mit einer eigenen Melodie, nicht mit einer ausgeborgten.
Gemeint ist Charles Edward Louis Philip Casimir Stuart oder auch genannt Bonni Prince Charli (1720 – 1788).

Wenn Jean Redpath diese Story vorträgt/singt, ein echter Ohrwurm. Ich höre es gern und öfter.
Joan Redpath (1937 – 2014) eine schottische Folkloresängerin.
 
Zurück
Oben