Halten wir doch einfach mal fest, daß das Deutsche Kaiserreich das selbstverständliche Recht hatte eine Flotte zu bauen, genauso wie alle anderen Großmächte auch. Halten wir auch mal fest, daß die deutsche Flotte nicht übertrieben groß gewesen ist, sondern der Größe und Bedeutung des Kaiserreiches absolut angemessen war. […]
Das Recht hatte der Kaiser, eine Flotte zu bauen und das spricht ihm auch niemand ab.
Ich behaupte jetzt mal sogar, daß es notwendig war, für das Kaiserreich eine Flotte aufzubauen, auch wenn die geographische Lage für eine große Flotte, wie flavius-sterius schon anmerkte, denkbar ungünstig war und somit nach heutiger Sicht, die große Flotte finanziell und in ihrer politischen Wirkung überflüssig erscheint.
Wie war aber die Ausgangslage. Nachdem die kaiserliche Flotte unter Stosch (1871-1883) zu drittstärksten Flotte avancierte (hinter Großbritannien und Frankreich, vor Russland und Italien), ging dieser Status unter Caprivi (1883-1888) wieder verloren. Gerade in den 1880iger Jahren entwickelten sich bei den führenden Marinen die neuen Schiffsklassen und der Taktik und Einsatz, der ab den 1890iger Jahren für sehr lange Zeit bestand haben sollte.
Das bedeutete auch, im internationalen Ansehen einer Nation die Zugang zum Meer hatte und über die wirtschaftlichen und finanziellen Mittel verfügte, sich eine moderne Flotte anzuschaffen.
Der Schlachtschiffbau wurde ab den 1890iger Jahren also, wenn man so will, ein Aushängeschild oder Werbung für die wirtschaftliche Größe einer Nation und damit enorm wichtig. Im Bezug auf die politische Komponente, dem Imperialismus, ging der Navalismus Hand in Hand einher.
Warum war es jetzt für das Kaiserreich wichtig, eine Flotte zu bauen? Ganz klar, das enorme anwachsen der wirtschaftlichen Stärke des Kaiserreiches machte es möglich, ja wenn nicht notwendig, im Reigen der anderen großen Industrienationen sich an dem Schlachtschiffbau zu beteiligen. Auch wenn der Zugang zum Meer in der Nordsee keine große Flotte verlangte oder zum Schutz benötigte, war die damalige Situation unter anderen Voraussetzungen.
Da die kaiserliche Marine aber in den 80iger Jahren wieder zur reinen Küstenschutzflotte verkommen war, spielt hier der Machtantritt Wilhelms 1888 wohl eine einschneidende Rolle. Für den Schlachtflottenbau gab es zwei vorherrschenden Doktrin, die Schlachtschiffflotte (Entscheidungsschlacht) und die Kreuzerflotte (Handels- bzw. Zufuhrkrieg). Während der Kaiser als „Junger Wilder“ den Lehren der Jeune École (Kreuzerflotte) anhängig war, wurde durch Tirpitz und seiner Dienstschrift IX schnell klar, wie die neue deutsche kaiserliche Marine in ihrer dritten Dekade auszusehen hat.
Spätestens ab hier bzw. mit dem Amtsantritt Tirpitz 1897 zum Macher der Marine, gab es einen Unterschied zu der Notwendigkeit einer Flotte und deren Begründung. Dem Flottengesetz von 1898 kann man aus damaliger Sicht, wie auch historischer Sicht noch keinen übertrieben Flottenbau attestieren, aber die Begründung war aus politischer Sicht nicht mehr vertretbar, im Vergleich zu den vielen anderen Flottenprogrammen anderer Nationen.
Der Risikogedanke zielte als Begründung für den Flottenbau auf die Seemacht Großbritanniens ab (Tirpitz hat als Hauptgegner seiner Flottenrüstung oder Rivalität schon im Jahr 1897 England erwähnt; Emser Memorandum), war also nicht mehr nur ambitioniert, weil die wirtschaftliche Größe des Landes den Schlachtschiffbau vermochte und als Verteidigung als notwendig erachtete, sondern weil hier gezielt ein politisches Ziel verfolgt wurde.
Ab dem 2 Flottengesetz (Verdoppelung zum 1. Flottengesetz) 1900, war klar, wohin die Reise geht, auch wenn die Briten sich noch über die deutschen Konstruktionen und deren Schlagkraft keine sorgen machen mussten, war dies ab 1906 durch die britischen Neuerungen in ein Wettrüsten zwischen Deutschland und Großbritannien übergegangen. Tirpitz sah sich herausgefordert, ohne eine Begründung, diesen Schritt mit zugehen, somit hat der Dreadnoughtsprung die Basis für ein neues Wettrüsten geliefert und die deutsche Flottenrüstung den Zündstoff.
Fazit: Ab dem 2.Flottegesetz, war die deutsche Flottenrüstung nicht mehr legitim im Blick auf den Navalismus jener Jahre und hat somit mehr für Spannung gesorgt, als notwendig.
Der Erste Weltkrieg ist nicht wegen des deutschen Flottenbaus ausgebrochen. Aber er wurde verloren, weil der deutsche Flottenbau zu bescheiden war. Und hundertausende deutsche Frauen, Kinder und Greise haben das mit ihrem Leben bezahlt.
Das ist ein großer Trugschluss. Sicherlich ist die Fernblockade der Engländer zu verurteilen, aber die Klassengesellschaft im Kaiserreich führte letztlich dazu, daß die Bevölkerung sehr schnell am Hungern war. Hatten die Feinen Herren und Damen noch jede Menge lecker Essen, kam bei der Bevölkerung nicht mehr viel an. Eine gleiche Verteilung aller Lebensmittel ungeachtet das Standes, hätte die Versorgungslage insgesamt weniger dramatisch dargestellt.
Im kleinen Kosmos der kaiserlichen Marine stellte dieser Umstand z.B. den Grund für die Meutereien des Jahres 1917 dar.