Französische Überlegungen über die Nachkriegsordnung nach einem französisch-russischen Sieg

Emperor_Antonius

Neues Mitglied
Hallo zusammen,

seit längerer Zeit bin ich stiller Mitleser in diesem Forum und habe nun beschlossen, ein eigenes Thema zu eröffnen.
Ich hoffe, dass es zu dieser Frage noch keine Diskussion gibt, zumindest konnte ich nichts finden.

Nach meinem Kenntnisstand strebte Frankreich im Verbund mit Russland die Schwächung oder gar völlige Ausschaltung Deutschlands (und Österreich-Ungarns) als Machtfaktor an. Bekanntlich wurden die Zentralmächte zwar besiegt, aber auch Russland gehörte (zunächst) zu den Kriegsverlierern. Vor allem war das russisch-französische Bündnis zerbrochen.

Meine Frage zielt darauf ab: Gab es französischerseits Überlegungen über eine Niederwerfung Deutschlands hinaus in Bezug auf die Nachkriegsordnung? Musste den Franzosen nicht bewusst gewesen sein, dass eine Niederlage Deutschlands eine deutliche Stärkung Russlands (wenn dieses nicht in Folge der Revolution zusammengebrochen wäre, sondern sich mit französischen Truppen "in Berlin getroffen" hätte), wenn nicht die russische Hegemonialstellung in Europa, bedeutet hätte?

Meines Erachtens wäre die Position Frankreichs langfristig geschwächt worden, da nach Ausschaltung der gemeinsamen Feinde die Gemeinsamkeiten zwischen Russland und Frankreich sicherlich abgenommen hätten. (Dies ist natürlich eine Spekulation meinerseits. Mir geht es mehr darum, ob Literatur existiert, die sich mit dieser Thematik beschäftigt oder ob entsprechende Quellen vorliegen).

In Bezug auf Großbritannien ist mir ein Zitat, dass sich in ähnlicher Weise aus britischer Sicht auf diese Frage bezieht. So äußerte ein britischer Politiker (oder Militär) sich bei Kriegsbeginn, dass eine Schwächung Deutschlands gleichbedeutend mit der Stärkung Russlands wäre und trotz der derzeitigen guten britisch-russischen Beziehungen, die nicht in Stein gemeiselt sind, daraus ein Nachteil für das Britische Empire entstünde. Ich weiß leider nicht mehr, von wem dieses Zitat stammt und aus welchem Werk (ich meine aus Christopher Clarks "Schlafwandler" oder Niall Fergusons "Der falsche Krieg"). Wenn ich die entsprechende Stelle gefunden habe, liefere ich den Beleg nach.
Es muss doch aber auch französischerseits Überlegungen in dieser Richtung gegeben haben?

Ähnliche Vorzeichen gab es auch ein Jahrhundert zuvor während der Befreiungskriege. Österreich zögerte doch mit seiner Unterstützung Russlands, da es die französische Hegemonie nicht durch eine russische ersetzt sehen wollte. Dies ähnelt der Situation vor dem Ersten Weltkrieges meines Erachtens sehr, nur mit vertauschten Rollen.

Viele Grüße,
Emperor Antonius
 
seit längerer Zeit bin ich stiller Mitleser in diesem Forum und habe nun beschlossen, ein eigenes Thema zu eröffnen.
Dann erstmal willkommen an Bord!

Meine Frage zielt darauf ab: Gab es französischerseits Überlegungen über eine Niederwerfung Deutschlands hinaus in Bezug auf die Nachkriegsordnung? Musste den Franzosen nicht bewusst gewesen sein, dass eine Niederlage Deutschlands eine deutliche Stärkung Russlands (wenn dieses nicht in Folge der Revolution zusammengebrochen wäre, sondern sich mit französischen Truppen "in Berlin getroffen" hätte), wenn nicht die russische Hegemonialstellung in Europa, bedeutet hätte?

Eine solche russische Hegemonie hätte es vermutlich nicht gegeben.

Weil Russland wegen der polnischen (und ukrainischen) Teilung kein Interesse daran haben konnte Deutschland und Österreich-Ungarn im Osten größere Territorien abzunehmen.

Gerade der Krieg mit Deutschland war für Russland eigentlich ein "falscher Krieg", also ein Krieg gegen den falschen Gegner, weil es zwischen St. Petersburg und Berlin eigentlich keine Probleme gab (wenn man von Disputen über Getreidezölle absieht), man gerade mit Preußen und später Deutschland aber seit 1815 sehr erfolgreich bei der Unterdrückung der polnischen nationalbewegung zusammgearbeitet hatte (google dazu beispielhaft mal das Stichwort "Alvenslebensche Konvention".
Deutschland (und Österreich) die polnischsprachigen (und ukrainischsprachigen) Gebiete wegzunehmen hätte nur diesen Konsens aufgekündigt und die Regierungen in Berlin und Wien zu Verbündeten der polnischen Nationalbewegung (auch der sich abzeichnenden Ukrainischen) gemacht, was es Russland sehr schwer gemacht hätte die Kontrolle über seine westlichen Territorien aufrecht zu erhalten.

Insofern es für Russland viel einfacher war die Polen und Ukrainer zu unterdrücken, wenn Berlin und Wien dabei halfen (statt sich auf die andere Seite zu schlagen und den beiden Nationalbwegungen Rückzugsorte und Unterstützung zu Verfügung zu stellen), konnte es nicht in Russlands Interesse sein, hier viel zu nehmen.
Kleinere Grenzkorrekturen viellicht, aber nichts, was diesen Konsens aufgekündigt hätte.

Und ohne den beiden Zentralmächten größere Territorien auch im Osten abzunehmen, wären die als Großmächte bei Niederlage vielleicht zeitweilig mal handlungsunfähig, aber nicht dauerhaft auszuschalten gewesen.
Dafür waren sie in Sachen Demographie, Wirtschaft und Militär viel zu groß.

Da wäre kein dauerhaftes Machtvakuum entstanden, das Russland hätte nutzen können.

Wenn du dir die Vorgeschichte der Balkankriege anschaust, war Russland in the long run nicht einmal in der Lage, die Politik seiner eher weniger mächtigen Schützlinge auf dem Balkan entscheidend zu bestimmen.


Hinzu kommt, dass am Anfang des Krieges ja alle Seiten mit einem kurzen Krieg ohne allzu große Verluste und allzu große Veränderungen rechneten.
Die waren ja alle der Meinung, dass in 3 Monaten oder spätestens einem halben Jahr die Sache gegessen wäre und dachten dabei sicher nicht an allzu große Territorialverschiebungen.

Den Grund für Russland hatte ich genannt.
Von russischer Seite hätte man vielleicht auf Abtretung einiger südslawischer Gebiete der Donaumonarchie an Serbien bestanden und auf dessen zukünftige Enthaltung was Machtpolitik am Balkan angeht, ansonsten allerdings brauchte Russland die beiden Zentralmächte als Gschäftspartner bei der Untedrückung vor allem der Polen.

Und Frankreich hatte mit Wien ohnehin kein Problem (siehe Sixtus-Affäre).

Von Deutschland wollte man Elsass Lothingen und vielleicht das Saargebiet, aber mehr Ambitionen hatte man von französischer Seite her zu Beginn des Krieges nicht, das radikalisierte sich erst später mit den ausufernden Verlustzahlen, die irgendwie gerechtfertigt werden mussten, mit den Zerstörungen in Frankreich selbst und mit dem Brest-Litowsker Vertrag, der Russland als Gegengewicht zu Deutschland im Osten ausschaltete.


In Bezug auf Großbritannien ist mir ein Zitat, dass sich in ähnlicher Weise aus britischer Sicht auf diese Frage bezieht. So äußerte ein britischer Politiker (oder Militär) sich bei Kriegsbeginn, dass eine Schwächung Deutschlands gleichbedeutend mit der Stärkung Russlands wäre und trotz der derzeitigen guten britisch-russischen Beziehungen, die nicht in Stein gemeiselt sind, daraus ein Nachteil für das Britische Empire entstünde. Ich weiß leider nicht mehr, von wem dieses Zitat stammt und aus welchem Werk (ich meine aus Christopher Clarks "Schlafwandler" oder Niall Fergusons "Der falsche Krieg"). Wenn ich die entsprechende Stelle gefunden habe, liefere ich den Beleg nach.
Es muss doch aber auch französischerseits Überlegungen in dieser Richtung gegeben haben?

Der Unterschied zwischen den Großbritannnien und Frankreich ist, dass Frankreich mit Russland keine Reibungsflächen hatte.
Es gab keine gemeinsamen Grenzenn in Europa und es gab auch keine Kolonialen Gebiete, wo sich die Interessen überschnitten.

Das sieht im Fall von Großbritannien anders aus, weil das russisch kontrollieerte Zentralasien (Russisch-Turkestan) nur durch einen nur wenige dutzend Km breiten streifen afghanischen Territoriums vom britischen Kolonialreich in Indien trennte, was Russland und Großbritannien in Asien im Prinzip zu Nachbarn, mit divergierdenden Interessen machte.


Großbritannien hatte russische Ambitionen zu fürchten, Frankreich nicht.
Aus dem Grund (neben den wirtschaftlichen Aspekten) ist von britischer Seite auch versucht worden bei den Fridensverhandlungen 1918/1919 Deutschland nicht allzu schwer unter die Räder kommen zu lassen und die französischen Maximalforderungen zurück zu weisen (was teilweise, wie in der Frage Masurens und Oberschlesien und im Bezug auf das Rheinland auch funktionierte).


Was die russisch-britische Rivalität in Asien (Persien, Afghanistan und Tibet angeht), solltest du, wenn dich die Details dazu interessieren mal @Turgot fragen, der wird dir da eine ganze Menge an Details präsentieren können.

Ähnliche Vorzeichen gab es auch ein Jahrhundert zuvor während der Befreiungskriege. Österreich zögerte doch mit seiner Unterstützung Russlands, da es die französische Hegemonie nicht durch eine russische ersetzt sehen wollte. Dies ähnelt der Situation vor dem Ersten Weltkrieges meines Erachtens sehr, nur mit vertauschten Rollen.

Der Massive Unterschied im Zuge der "Befreiungskriege" ist, dass es kein geeints Deutschland als Machtfaktor und das nach 1806/1807 massiv gerupfte Preußen ein abhängiger Juniorpartner Russlands war.
König Fridrich Wilhelm III. dankte es vor allem der Position, die Zar Alexander in den Verhandlungen mit Napoleon zum Tilsiter Frieden eingenommen hatte, dass Preußen nicht vollkommen von der Landkarte verschwand, sondern "nur" auf weniger als die Hälfte seines vorherigen Territorialbestands inklusive Einquartierungen, Kontributionen etc. beschränkt wurde.
Außerdem stellten bei den sogenannten "Befrieungskriegen", zunächst die Russen die Hauptstreitmacht, während die Preußen und andere umschwenkende Kleinstaaten zwar Beiträge leisteten aber alleine kein hinreichendes Gewicht hatten.

Insofern es im Norden kein Gegengewicht gegen Russland gab und Preußen von Russland zunächst völlig abhängig war, war hier die Vorstellung einer russischen Hegemonie vor allem auch in Norddeutschland nicht abwegig.

De facto blieb Preußen auch bis in die Mitte des 19. Jahrhunderts ein Juniorpartner Russlands und wahrscheinlich hätte St. Petersburg, wenn man nicht die Vorstellung gehabt hätte in der Beziehung zu Berlin weiterhin Seniorpartner zu sein und Einflus zu haben, den Eroberungen Bismarcks auch nicht tatenlos zugesehen.
Das Deutsche Reich, dass sich daraus entwickelte (eigentlich schon der Norddeutsche Bund von 1867) entwickelten aber ein derartiges Gewicht, dass sich die ganze Angelegenheit relativ schnell von Russland emanzipieren konnte.


Das Deutschland von 1914 war in Hinsicht viel zu stark, als dass es mal eben russischem Einfluss unterworfen hätte werden können.


Die Überlegung, dass sich die Bündnisse nach dem Krieg geändert hätten, die halte ich auch für plausibel und das hatte man mit Sicherheit nicht in hinreichendem Maße auf dem Schirm.
Die drohende russische Dominaz, sehe ich nicht.
 
Insofern es für Russland viel einfacher war die Polen und Ukrainer zu unterdrücken, wenn Berlin und Wien dabei halfen (statt sich auf die andere Seite zu schlagen und den beiden Nationalbwegungen Rückzugsorte und Unterstützung zu Verfügung zu stellen), konnte es nicht in Russlands Interesse sein, hier viel zu nehmen.
Kleinere Grenzkorrekturen viellicht, aber nichts, was diesen Konsens aufgekündigt hätte.
Es scheint mir doch etwas naiv, anzunehmen, dass Russland sich mit kleineren Grenzkorrekturen zufrieden gegeben hätte. Schon das 13-Punkte-Programm Sasonows vom 14. September 1914 ging doch deutlich darüber hinaus und sah die Abtretung des Ostens von Posen, Oberschlesiens und des östlichen Galiziens vor. Offensichtlich war man der Ansicht, dass man die dortige polnische und ukrainische Bevölkerung schon würde kontrollieren können. Die weiteren Punkte liefen auf eine erhebliche Schwächung Deutschlands und Österreich-Ungarns hinaus:

"Sasonow sah in erster Linie territoriale Abtretungen Deutschlands und Österreich-Ungarns vor, angeblich auf der Basis des Nationalitätenprinzips. Russland würde den Unterlauf des Njemen (das spätere „Memelland“) und den östlichen Teil Galiziens annektieren. Dem zu Russland gehörenden Königreich Polen sollte der Osten der Provinz Posen, Oberschlesien und das westliche Galizien angegliedert werden. Weitere Bestimmungen waren die oft genannten Fixpunkte alliierter Kriegszielprogramme: Elsass-Lothringen, vielleicht das Rheinland und die Pfalz an Frankreich, ein Gebietszuwachs für Belgien bei Aachen, Schleswig-Holstein zurück an Dänemark und die Wiederherstellung des Königreiches Hannover.[135]

Österreich würde eine „Dreifache Monarchie“ bilden, bestehend aus den Königreichen Böhmen (Böhmen und Mähren – Mähren wurde dabei für das Gebiet der Slowaken gehalten, was die Unklarheit russischer Vorstellungen von Mitteleuropa zeigt), Ungarn und Österreich (Alpenländer), wobei sich Ungarn mit Rumänien über Siebenbürgen einigen müsste. Serbien erhielte Bosnien-Herzegowina, Dalmatien und Nordalbanien, Griechenland hingegen Südalbanien, Bulgarien einen Teil des serbischen Mazedoniens, Großbritannien, Frankreich und Japan die deutschen Kolonien."


Aus:


Von den Meerengen ist dort noch keine Rede, da das Osmanische zu dem Zeitpunkt noch kein Kriegsgegner war. Nach dessen Kriegseintritt standen die Meerengen ganz oben auf der Agenda. Man kann wohl davon ausgehen, dass Russland den Besitz der Meerengen, wenn möglich, auch mit Eroberungen auf dem Balkan abgesichert hätte. Entweder durch direkte Annexionen oder durch Satellitenstaaten.

Und ohne den beiden Zentralmächten größere Territorien auch im Osten abzunehmen, wären die als Großmächte bei Niederlage vielleicht zeitweilig mal handlungsunfähig, aber nicht dauerhaft auszuschalten gewesen.
Österreich-Ungarn ist ja jetzt schon historisch durch die Niederlage zerbrochen. Ich sehe keinen Grund, weshalb das anders hätte sein sein sollen, wenn Russland zu den Siegerstaaten gehört hätte. Vielleicht war die vollständige Auflösung Österreichs-Ungarn nicht unbedingt im Interesse Russlands, aber das entwickelte ja auch historisch schon seine Eigendynamik. Russland hätte vermutlich schon mit eigenen Truppen die Sezessionsbewegungen der Völker der Doppelmonarchie unterdrücken müssen, um den Zerfall zu verhindern.
 
Es scheint mir doch etwas naiv, anzunehmen, dass Russland sich mit kleineren Grenzkorrekturen zufrieden gegeben hätte. Schon das 13-Punkte-Programm Sasonows vom 14. September 1914 ging doch deutlich darüber hinaus und sah die Abtretung des Ostens von Posen, Oberschlesiens und des östlichen Galiziens vor.

Was so in etwa das ist, was ich mir unter "Grenzkorrekturen" vorstelle.
Abtrennung einiger Regionen polnisch- und ukrainisch-sprachiger Regionen, aber eben keine Vorstellungen den polnischen Teilungskonsens vollständig aufzukündigen und mal eben halb Mittel-Osteuropa zu annektieren.

Was hätte das an Auswirkungen gehabt?

Der Ostteil der Provinz Posen, war wirtschaftlich wenig interessantes, strukturschwaches Bauernland.

Die Kolegruben in Oberschlesien und die Insustrie dort, zu verlieren hätte Deutschland kurzfristig weh getan.
Schaut man sich die Entwicklung nach dem Versailler Frieden und der Abtretung von Ost-Oberschlesien aber an, was den Energiesektor betrifft, konnte die Förderung im Ruhrgebiet den Verlust des oberschlesischen Kolereviers durch zunehmende Mechanisierung und Rationalisierung der Förderung mehr als ausgleichen.

De facto produzierte Deutschland auf dem Energiesektor Ende der 1920er Jahre weit mehr Energieträger, als es selbst benötigte, auch die Schwerindustrie verfügte infolge des 1. Weltkriegs über massive Überkapazitäten, die selbst in den guten Jahren der Weimarer Republik nicht ausgelastet waren, weil die Nachfrage fehlte.
Ohne den Verlust der ostoberschlesischen Werke, wären lediglich die Überkapazitäten und der Rationalisierungs- und Konsolidierungsdruck größer gewesen.

Auch an Bevölkerungszahl, hätte sich dieser Verlust in Grenzen gehalten, zumal es sich realiter so verhielt, dass ein guter Teil der deutschsprachigen Bevölkerung nach 1918 aus den polnischen Gebieten ins Deutsche Reich abwanderte und die deutschen Regierungen sogar dazu übergingen verdeckt über den Flick-Konzern die oberschlesische Wirtschaft in Polen zu subventionieren um ein Abwandern der deutschsprachigen Arbeiter zu verhindern (um den Anspruch auf das Gebiet aufrecht erhalten zu können).

Auch im Fall, dass Russland diese Vorstellungen hätte durchsetzen können, hätte es wahrscheinlich massive Abwanderung, vor allem von Fachkräften gegeben, womit der Wert der industriellen Anlagen für Russland massiv gesunken wäre.


Das wäre keine allzu massive Schwächung Deutschlands in the long run gewesen.

Österreich-Ungarn das gleiche.
Was gab es interessantes in Ostgalizien? Ein paar mäßig ergiebige Ölvorkommen, die aber mittelfristig nich so interessant waren, weil das noch nicht das Zeitalter der Massenmotorisierung war.
Fliegerei und Automobilindustrie steckten noch in den Kinderschuhen und waren weit davon entfernt massentauglich zu sein, auch der Großteil der Schifffahrt, lief noch auf Kohle als Brennstoff.
Ansonsten war Ostgalizien für die Habsburger-Monarchie ein eher armes, nicht ganz einfach zu verwaltendes Gebiet.

Als während des Krieges im Lager der Zentralmächte mal Phantasien über eine "Austro-Polnische Lösung" gesponnen wurden (Vorstellung einen Habsburger auf den Thron eines neu zu schaffenden polnischen Königreiches zu setzten), wurde dabei teilweise ernsthaft eine freiwillige Abtretung Galiziens an das neu zu schaffende Polen erörtert um die Monarchie zu entlasten.

Wenn der Ostteil Galiziens abhanden gekommen wäre, hätte das für die Donaumonarchie den Verlust einer vergleichsweise armen Provinz bedeutet, die fiskalisch eher Zuschussgebiet, als dass sich dort große Ressourcen hätten herausziehen lassen.

Für die Donaumonarchie wäre zentral gewesen, den Kernraum Österreich-Slowenien (mit Istrien)-Ungarn (mit Slowakei aber ohne Kroatien und Siebenbürgen) zu erhalten, da waren die Ressourcen, auf denen die Monarchie beruhte.

Der Verlust der südslawischen Randregionen, Galiziens (außer vielleicht Krakau), der Bukowina oder Siebenbürgens, hätte vielleicht die Bevölkerung etwas verkleinert, aber keinen extremen wirtschaftlichen Verlust bedeutet, dafür hätte er es vereinfach den Rest effektiver zu regieren (weniger Gruppen mit Sonderinteressen, auf die Rücksicht zu nehmen gewesen wäre), fiskalisch hätte man da vorallem Zuschussgebiete verloren, die sich Russland dann eben ans Bein gebunden hätte.


Das hätte aus Deutschland und Österreich-Ungarn durchaus keine zweitrangigen Mächte gemacht, die Russland beliebig hätte herumschubsen können.
Zumal Annexionen dort Russland intern weiter destabilisiert hätten, hätte schließlich mehr Polen und Ukrainer bedeutet, Österreich aus Ostgalizien herauszudrängen hätte vor allem die Ukrainer auch zukünftig zur 5. Kolonne der Zentralmächte in Russland gemacht.

Wie instabil Russland de facto bereit war, haben sowohl die Revolution von 1905 und die vom Februar 1917 gezeigt, das Konstrukt war durchaus fragil.
 
Zuletzt bearbeitet:
Österreich-Ungarn ist ja jetzt schon historisch durch die Niederlage zerbrochen. Ich sehe keinen Grund, weshalb das anders hätte sein sein sollen, wenn Russland zu den Siegerstaaten gehört hätte.

Kurz hierzu noch:

Weil Russland kein Interesse daran haben konnte.

Auf den polnischen und den ukrainischen Teilungskonsens hatte ich hingewiesen.

Das andere Momentum ist, dass ein Zerfall Österreich-Ungarns Deutschland gestärkt hätte, weil dann nämlich zu erwarten gewesen wäre, dass sich die überwiegend deutschsprachigen Teile der Monarchie sprich die österreichische Reichshälfte Deutschland anschließen würde.

1848 hatten die nichtdeutschsprachigen Gebiete der Östereichisch-Ungarischen Monarchie das entscheidende Problem dargestellt, dass die meisten Anhänger der Nationalbewegung bewog, von einer Einbeziehung Österreichs Abstand zu nehmen und sich auf Preußen und ein kleindeutsches Modell zu fokussieren.
Dieses Momentum wäre, wenn die gesamte Peripherie der Österreichisch-Ungarischen Monarchie sich abgelöst hätte, nicht mehr gegeben gewesen.

Für die Ungarn, war der Grund sich 1867 auf de Ausgleich mit Wien einzulassen, statt sich eigentsändig zu machen, dass sie in letzterem Falle selbst ganz massive Probleme mit ihren Minderheiten bzw. regionalen nationalen Mehrheiten in der Slowakei, Kroatien und Siebenbürgen bekommen hätten.
Somit war der Ausgleich von 1867 und die Bindung an Österreich für Budapest der Garant für den Erhalt des ungarischen Königreiches in seinem aus dem Mittelalter überkommenen Grenzen.

Wäre das durch einen Friedensschluss, der Teile der serbisch- und kroatischsprachigen Gebiete im Süden und Siebenbürgen abgetreten und die Macht der Ungarn in der Solwakei gebrochen hätte abhanden gekommen, hätte es für die Ungarn keinen Grund gegeben, daran festzuhalten und sich länger an Österreich zu binden.
Dann hätte sich mit einiger Wahrscheinlichkeit Ungarn unabhängig gemacht und in den deutschsprachigen Gebieten, hätte es nachdem es kein Reich mehr gegeben hätte, an dem man hätte festhalten können, mit Sicherheit Anschlussbemühungen an Deutschland gegeben.

Ein Anschluss Österreichs, gegebenenfalls mit Böhmen-Mähren und den slowenischen Gebieten, mit Südtirol und gegebenenfalls sogar Mittelmeer-Zugang über Triest und Istrien hätte macht- und bevölkerungspolitisch den Verlust von von Posen-Ost und Oberschlesien mehr als aufgewogen.


Bei Verschwinden der Donaumonarchie, wäre die logische Konseuqenz Großdeutschland gewesen.

Das hätte Deutschland nicht geschwächt, sondern massiv gestärkt und Russlands Einfluss nicht unbedingt erhöht.

Russland musste die Donaumonarchie erhalten, wennn es Deutschland schwächen oder jedenfalls nicht stärken wollte.
 
Zuletzt bearbeitet:
Dann erstmal willkommen an Bord!
Vielen Dank:)
Weil Russland wegen der polnischen (und ukrainischen) Teilung kein Interesse daran haben konnte Deutschland und Österreich-Ungarn im Osten größere Territorien abzunehmen.
Für mich ergibt das Sinn, zumal der russischen Führung das Nationalitätenproblem und durch die Vergrößerung der polnischen und ukrainischen Bevölkerungsteile im Russischen Reich zu erwartende zunehmende Zentrifugalkräfte bekannt waren.

Andererseits schreibt Horst Günther Linke in "Rußlands Weg in den Ersten Weltkrieg und seine Kriegsziele 1914-1917" (nicht das Buch, sondern in einem Aufsatz) auf S. 17:

So gaben sowohl der Außenminister als auch der Zar zu verstehen, Rußland habe keine Bedenken, wenn Frankreich über die Rücknahme Elsaß-Lothringens hinaus sein altes Ziel, die Erreichung der Rheingrenze, anstrebe. Die indirekte Ermunterung französischer Expansionswünsche war sicherlich gut bedacht; sie entsprach dem Interesse des Zarenreiches nicht nur unter dem Aspekt der Schwächung Deutschlands, sondern eröffnete auch die Aussicht, daß der französischdeutsche
Antagonismus, der aus der Annexion Elsaß-Lothringens resultierte, nun mit umgekehrten Vorzeichen fortgeschrieben würde. Frankreich hätte dann von sich aus zumindest ein ebenso großes Interesse an dem Weiterbestand des Bündnisses mit Rußland und England haben müssen, wie es offen von der russischen Regierung für ihr eigenes Land proklamiert wurde, um gegen eine künftige Bedrohung von Seiten Deutschlands gefeit zu sein. Noch günstigere Perspektiven für die Position Rußlands eröffneten sich, wenn die militärische Niederlage Deutschlands und die ihm auferlegten Friedensbedingungen zu einem Auseinanderbrechen des Deutschen Reiches und zur Wiedererstehung der früheren souveränen deutschen Einzelstaaten führen würde; solch eine Entwicklung, erläuterte der Zar dem französischen Botschafter am 21. November 1914, wolle er nicht von sich aus erzwingen, um den deutschen Nationalismus nicht zu schüren; aber er ließ deutlich durchblicken und bekräftigte das späterhin auch, daß ihm eine derartige politische Lösung genehm wäre; sie hätte Rußland schließlich die seit den 60er Jahren des 19. Jahrhunderts verlorene Rolle eines »arbiter Germaniae« zurückgegeben.
Ich war auch immer der Meinung, die russischen Interessen richteten sich vor allem gegen Österreich-Ungarn und nicht gegen Deutschland, da, wie du auch schreibst, zwischen diesen beiden wenige gegensätzliche Interessen standen. Seit 1914 scheint sich die Meinung der russischen Führung aber umgekehrt zu haben. Österreich-Ungarn sollte wohl weniger als Deutschland geschwächt werden:

Die völlige Zerschlagung der Habsburgermonarchie mochte die zarische Regierung indes aus zwei Gründen nicht von sich aus fordern; einerseits fürchtete sie, ein Bekenntnis zum Selbstbestimmungsrecht der Nationalitäten könne auch von den im Zarenreich lebenden Fremdvölkern als Ermutigung und Rechtfertigung für Loslösungsbestrebungen ausgelegt werden, zum anderen hielt sie es unter machtpolitischem Aspekt für unerwünscht und gefährlich, wenn sich Deutsch-Österreich nach Auflösung der Habsburgermonarchie gemäß dem Nationalitäten- und Selbstbestimmungsprinzip mit Deutschland zu einem Staat verbinden könnte.
(Linke, S. 18f.)
Österreich würde eine „Dreifache Monarchie“ bilden, bestehend aus den Königreichen Böhmen (Böhmen und Mähren – Mähren wurde dabei für das Gebiet der Slowaken gehalten, was die Unklarheit russischer Vorstellungen von Mitteleuropa zeigt), Ungarn und Österreich (Alpenländer), wobei sich Ungarn mit Rumänien über Siebenbürgen einigen müsste. Serbien erhielte Bosnien-Herzegowina, Dalmatien und Nordalbanien, Griechenland hingegen Südalbanien, Bulgarien einen Teil des serbischen Mazedoniens, Großbritannien, Frankreich und Japan die deutschen Kolonien."
Hierzu äußerste sich der Zar folgendermaßen:
Dem Zaren erschien dieser Vorschlag allerdings kaum realisierbar. Er hatte schon im April 1913 die Überzeugung geäußert, die Habsburgermonarchie werde in absehbarer Zeit auch ohne Zutun von außen dank der Emanzipationsbestrebungen der einzelnen Nationalitäten von innen heraus zusammenbrechen; der Krieg konnte aus der Sicht des Zaren einer solchen Entwicklung nur Vorschub leisten und sie beschleunigen. Er rechnete eher damit, daß das Problem eines Zusammenschlusses Deutsch-Österreichs mit dem Deutschen Reich durch den inneren Zusammenbruch und die Auflösung des deutschen Kaiserreiches gegenstandslos würde.
(Linke, S. 19)

Ich sehe hier z.T. eine sich widersprechende Haltung des Zaren, der einerseits Österreich-Ungarn nicht auflösen will, andererseits ein evtl. durch den Krieg beschleunigtes Auseinanderbrechen für nicht besonders tragisch hält. Ebenso widersprüchlich erscheint mir, dass der Zar einerseits, wie von dir @Shinigami schon angesprochen, einen Zusammenschluss Deutschlands und Deutsch-Österreichs fürchtet, diesen aber andererseits für gegenstandlos hält, wenn das Deutsche Kaiserreich zusammenbricht.
 
Zu den französischen Kriegszielen schreibt Linke (S. 19):

Tatsächlich erstrebte Paris ebenso wie Petersburg als Hauptziel des Krieges eine möglichst große Schwächung der militärischen und politischen Macht Deutschlands bis hin zur Auflösung der Reichseinheit. Territoriale Abtrennungen und Annexionen erschienen unter diesem Blickwinkel auch aus französischer Sicht als wünschenswert, wobei die russische Regierung durchaus richtig kalkuliert hatte und sich des französischen Dankes sicher wähnen durfte, als sie — keineswegs
uneigennützig — ihre Bereitschaft signalisiert hatte, Frankreich nicht nur Elsaß-Lothringen, sondern das ganze linke Rheinufer zu überlassen. Was die formulierten russischen territorialen Ansprüche betraf, so schienen sie Delcassé eher zu bescheiden ausgefallen
zu sein. Der französische Außenminister hätte es z.B. nicht ungern gesehen, wenn von der politischen Führung Rußlands die Abtretung Danzigs verlangt worden
wäre. Delcassé machte sich damit weniger ein Anliegen der Polen zu eigen, als daß er es für dienlich erachtet hätte, wenn die Kluft zwischen Preußen-Deutschland und Rußland so tief und dauerhaft gestaltet würde, daß mit einer Aussöhnung, die notwendigerweise mittelbar oder gar direkt zu Lasten Frankreichs gehen mußte, nicht gerechnet zu werden brauchte.

Bestrebungen nach der Rheingrenze findet man auch in dem von @Nikias geposteten Link. Abtretungen im Westen bis zur Rheingrenze , Abtretungen im Osten, das vermutliche Auseinanderbrechen Österreich-Ungarns, sowie der später erfolgte Verbot der Vereinigung Deutschlands und Deutschösterreichs hätten eine erhebliche Schwächung Deutschlands bedeutet.
Ob Großbritannien sich mit seinen mäßigeren Bedingungen hätte durchsetzen können, wenn ein siegreiches Russland mit am Verhandlungstisch gesessen hätte, wage ich zu bezweifeln.
Es ist richtig, dass Frankreich keine Berührungspunkte mit Russland hatte. In Mitteleuropa wären die beiden Mächte bei den o.g. Gebietsabtretungen aber sehr nahe aneinandergerückt und es sich m. E. hier dann die Frage gestellt, ob Frankreich oder Russland die Vormachtstellung in Europa gehabt hätten. Ich tendiere hier eher zu Russland, wobei ich dann wieder zu dem Punkt komme, an dem ich mich frage, ob die Franzosen für diesen Fall Überlegungen aufgestellt hatten.

Es ist auch fraglich, ob sich Großbritannien dann gemeinsam mit Frankreich gegen Russland gestellt hätten. Großbritannien hatte ja in Persien und in Zentralasien Konfliktpotential, wenngleich das durch den Vertrag von St. Petersburg 1907 vorerst gelöst war. Großbritannien wollte einen Konflikt mit Russland um jeden Preis vermeiden, weil es um seine Position in Indien fürchtete, die von Russland bedroht werden konnte.

Ich würde das sogar so überspitzt formulieren, dass Großbritannien gegen Deutschland Krieg führte, weil es Angst vor Russland hatte.
Niall Ferguson schreibt hierzu in "Der falsche Krieg" auf S. 89:

Die wirkliche Erklärung für das Scheitern eines anglo-deutschen Bündnisprojekts lag nicht in der Stärke, sondern in der Schwäche Deutschlands. [...] Wie der Unterstaatssekretär des Foreign Office, Francis Bertie, im November 1901 sagte, lautete das beste Argument gegen britisch-deutsches Bündnis: Wenn ein solches abgeschlossen würde, dann würden wir niemals mit Frankreich auf guten Fuße stehen, unserem Nachbarn in Europa und in vielen Teilen der Welt, oder mit Rußland, dessen Grenzen sich in großen Teilen Asiens mit den unseren direkt oder beinahe berühren.
Die britische Außenpolitik zielte stets darauf, den Starken Zugeständnisse zu machen [...]
Die britische Außenpolitik zwischen 1900 und 1906 diente also der Beschwichtigung jener Mächte, die die größte Bedrohung für die eigene Position Großbritanniens darzustellen schienen, und dies geschah selbst zu dem Preis guter Beziehungen zu weniger wichtigen Mächten.
(Ferguson, S. 91)

Wie instabil Russland de facto bereit war, haben sowohl die Revolution von 1905 und die vom Februar 1917 gezeigt, das Konstrukt war durchaus fragil.
Das ist ein guter Punkt. Die Frage ist natürlich, ob die französische Regierung dies auf dem Schirm hatte, also damit rechnete, dass ein vergrößertes Russland innerlich zu zerissen wäre, um eine Hegemonialstellung in Europa zu erringen.

Danke für die Infos über Alvenslebensche Konvention und die Überproduktion in der Weimarer Republik. Das war mir nicht bekannt.
Was die russisch-britische Rivalität in Asien (Persien, Afghanistan und Tibet angeht), solltest du, wenn dich die Details dazu interessieren mal @Turgot fragen, der wird dir da eine ganze Menge an Details präsentieren können.
Danke für den Hinweis, Beiträge von Turgot lese ich immer gerne.
Österreich-Ungarn ist ja jetzt schon historisch durch die Niederlage zerbrochen. Ich sehe keinen Grund, weshalb das anders hätte sein sein sollen, wenn Russland zu den Siegerstaaten gehört hätte. Vielleicht war die vollständige Auflösung Österreichs-Ungarn nicht unbedingt im Interesse Russlands, aber das entwickelte ja auch historisch schon seine Eigendynamik. Russland hätte vermutlich schon mit eigenen Truppen die Sezessionsbewegungen der Völker der Doppelmonarchie unterdrücken müssen, um den Zerfall zu verhindern.
Hierfür gibt es ja sogar einen Präzedenzfall. Hatten nicht russischen Truppen 1848/49 Österreich bei der Niederschlagung eines ungarischen Aufstands unterstützt? Zu diesem Zeitpunkt waren die beiden Mächte aber noch in der Heiligen Allianz verbunden und keine Kriegsgegner.
 
Ich war auch immer der Meinung, die russischen Interessen richteten sich vor allem gegen Österreich-Ungarn und nicht gegen Deutschland, da, wie du auch schreibst, zwischen diesen beiden wenige gegensätzliche Interessen standen. Seit 1914 scheint sich die Meinung der russischen Führung aber umgekehrt zu haben.
Schau dir mal an, nach welchem Aufmarschplan die russischen Militärs im Sommer 1914 aggieren.

Das ist das Szenario A(ustria) nicht das Szenario G(ermania).
Das die Donaumonarchie von der russischen Seite weiter als Hauptfeind betrachtet wurde, kommt schon in der Tatsache zum Ausdruck, dass die Russen im Sommer 1914 3/4 ihrer Landstreitkräfte gegen Österreich-Ungarn losschlagen lassen obwohl das unter den gegebenen Bedingungen strategisch durchaus fragwürdig war und trotz französischen Drängens doch bitte mit Priorität gegen Deutschland zu aggieren.

Ich sehe hier z.T. eine sich widersprechende Haltung des Zaren, der einerseits Österreich-Ungarn nicht auflösen will, andererseits ein evtl. durch den Krieg beschleunigtes Auseinanderbrechen für nicht besonders tragisch hält
Zu Ende gedacht sind die Kriegsziel-Szenarien, die durch die europäischen Regierungen und Generalstäbe geisterten alle nicht wirklich gewesen

Bestrebungen nach der Rheingrenze findet man auch in dem von @Nikias geposteten Link. Abtretungen im Westen bis zur Rheingrenze , Abtretungen im Osten, das vermutliche Auseinanderbrechen Österreich-Ungarns, sowie der später erfolgte Verbot der Vereinigung Deutschlands und Deutschösterreichs hätten eine erhebliche Schwächung Deutschlands bedeutet.

Da wären allerdings zwei Dinge zu beachten:

1. Wer äußerte diese Vorstellungen (Die Regierungskoalition oder abseitige Interessengruppen ohne realen politischen Einfluss)
2. Wann wurden sie geäußert.

Die französische Regierung scheint sich erst im Verlauf des Krieges, als sichtbar wurde, dass Russland bereits merklich angeschlagen war tatsächlich auf Zielvorstellungen festgelegt zu haben, die deutlich über Elsass-Lothringen und Saargebiet hinausgingen.

Wahrscheinlich weil die Schwierigkeiten, die Russland in diesem Krieg hatte und die Tatsache, dass er die ganze Zeit auf französischem Boden wütete, offenlegte, dass das russische Bündnis für Frankreich nicht die Sicherheit brachte, die man sich dort vorstellte.

Ob Großbritannien sich mit seinen mäßigeren Bedingungen hätte durchsetzen können, wenn ein siegreiches Russland mit am Verhandlungstisch gesessen hätte, wage ich zu bezweifeln.

Umgekehrt wird ein Schuh daraus, weil Großbritannien ein siegreiches Russland verhindern konnte.

Es war klar, dass Frankreich den Krieg im Westen nicht allein gewinnen konnte und das ein Sieg der Ententemächte über die Zetralmächte ganz massiv davon abhängen würde, dass die britische Flotte die Zentralmächte von den überseeischen Rohstoffquellen abschnitt und damit die Kriegswirtschaft, im Besonderen die Sprengstoff und Munitionsproduktion der Zentralmächte entscheidend störte.

Wäre der Krieg in der Tendenz auf einen Sieg der Entente und ein allmähliches Zurückdrängen der Zentralmächte hinausgelaufen hätte London bevor die Zentralmächte allzu sehr unter die Räder gekommen wären, einen allgemeinen Frieden zu eigenen Bedingungen vorschlagen und den Verbündeten bestellen können, dass falls sie sich nicht auf entsprechend mäßige Bedingungen einließen Großbritannien eben einen Separatfrieden schließen, damit die Westfront erheblich schwächen und die Blockade aufheben würde, was ein Kippen des Krieges zu Gunsten der Zentralmächte hätte bedeuten können.


Das wäre bei anderem Verlauf ein sehr starkes Druckmittel gewesen um die Veränderung der europäischen Machtbalance in Grenzen zu halten.




In Mitteleuropa wären die beiden Mächte bei den o.g. Gebietsabtretungen aber sehr nahe aneinandergerückt und es sich m. E. hier dann die Frage gestellt, ob Frankreich oder Russland die Vormachtstellung in Europa gehabt hätten.
An die 500 Km Entfernung halte ich nicht für besonders nah.
Ich halte die Spekulation aber auch für müßig, weil London eine solche territoriale Umgestaltung niemals zugelassen hätte, weil dann völlig das europäische Gegengewicht zu Russland gefehlt und dadurch Indien noch wesentlich bedrohter gewesen wäre.

Bevor es das zugelassen hätte, hätte Großbritannien sich aus dem Krieg zurück gezogen oder bei Bedarf die Seiten gewechselt um einen mäßigen Frieden zu erzwingen.


Ich würde das sogar so überspitzt formulieren, dass Großbritannien gegen Deutschland Krieg führte, weil es Angst vor Russland hatte.
Die Sache ist nur, durch den Krieg mit Deutschland kam die Indien-Problematik ja nicht aus der Welt.

Wäre Deutschland von einem siegreichen Russland so klein gemacht worden, dass es in Europa keine Macht mehr gegeben hätte, die eine ernsthafte Bedrohung für Russland hätte darstellen können, was hätte die Russen dann noch davon abgehalten alle Verträge zu brechen, die sie mit Großbritannien über Asien geschlossen hatte und seine Kräfte folgend darauf zu verwenden dort nach Herzenslust zu wildern?

Deutschland so sehr zu schwächen, dass Russland dadurch Narrenfreiheit bekommen würde, lag außerhalb von allem, was London in seinem wohlverstandenen Eigeninteresse zulassen konnte.


Im Übrigen würde ich bei Ferguson etwas zur Vosicht raten, das betreffende Buch kenne ich, mMn stecken da ein paar sehr steile Thesen drinn.

Hierfür gibt es ja sogar einen Präzedenzfall. Hatten nicht russischen Truppen 1848/49 Österreich bei der Niederschlagung eines ungarischen Aufstands unterstützt? Zu diesem Zeitpunkt waren die beiden Mächte aber noch in der Heiligen Allianz verbunden und keine Kriegsgegner.


Es war nicht nur ein ungarischer Aufstand, es war eben die Revolutionswelle von 1848, die sowohl die deutschen, als auch die italienischen (Lombardo-Venetien gehörte da noch zur Donaumonarchie), als auch die ungarischen Gebiete betraf.

Die Österreicher hatten in der Tat Schwierigkeiten den Aufstand in Ungarn niederzuschlagen, was aber auch damit zusammen hängt, dass die Revolution im Militär einiges in Unordnung gebracht hatte, und die österreichischen Truppen auch zeitgleich in Italien und in den deutschsprachigen Gebieten gegen die Revolution kämpften.

Nun war aber eine Wiederholung dessen nicht zu fürchten, weil die italienischen Gebiete inzwischen verloren, Österreich aus dem ehemaligen deutschen Bund herausgedrängt und die Ungarn inzwischen Qua Ausgleich von 1867 ruhiggestellt waren.

Eben diesen Ausgleich kann man so wie er gestrickt war als anachronistisch empfinden, weil er die slawischen Bevölkerungsgruppen nicht hinreichend berücksichtigte und der ungarischen Reichshälfte eine anachronistische Verfassung zugestand, die die Kroaten, Slowaken und Rumänen weitgehend marginalisierte, was zu Problemen führte, in der österreichischen Reichshälfte allerdings, gab es seit 1907 ein mehr oder weniger allgemeines Männerwahlrecht und auch Repräsentation und Plattformen für die dortigen Nationalitäten, ihre politischen Wünsche auszudrücken und auf die Gschicke des Staates insgesamt Einfluss zu nehmen.


Das unterschied sich schon sehr sehr stark von der neo-absolutistischen und zentralistischen Regierungsweise unter dem greisen Metternich, die 1848 in die Krise schlitterte.
Daneben hatten in den 1840er Jahren ("hungry fourties") tatsächlich auch punktuelle Versorgungskriesen und sehr hohe Lebensmittelpreise wegen vorangegangener Missernten eine Rolle für die Enntstehung der revolutionären Stimmung gespielt.
Auch das Problem war anno 1914 behoben. inzwischen hatte man dank künstlicher Düngemittel bessere und stabilere Erträge, Dampfschiffahrt und Eisenbahn ermöglichten inzwischen Nahrungsmittelzukäufe auch außerhalb Europas, und schnelle, einigermaßen kostengünstige Verteilung, so dass, mindestens in Friedenszeiten auch Versorgungskrisen dieser Art in Europa nicht mehr vorkamen.

Die Situation von 1848 und 1914 war grundverschieden. Und aus den Problemen, die Österreich 1848 hatte, lässt sich nicht folgern, dass es früher oder später auseinandergeflogen wäre.
Dafür, dass derlei tatsäschlich bevorgestanden hätte gab es vieler unkenrufe zum Trotz anno 1914 herzlich wenig Anzeichen, da waren die Probleme, die die russische Revolution von 1905 aufgezeigt hatte, wesentlich realer.


Auch Russlands Motivation war hier nochmal insofern eine Andere, als dass es hier auch nicht nur um den Erhalt Österreichs ging, sondern auch darum die Revolution einzudämmen (könnte ja nach Russland überspringen, und den Gedanken mochten der Zar und die alten Eliten dort nicht).

Auch das wird man nicht vergleichen können.

Nur wie gesagt, was hätte Russland mit einer Zerstörung der Donaumonarchie gewinnen können?
Der Hauptgewinner davon wäre wahrscheinlich Deutschland gewesen, was wiederrum kontraproduktiv erscheinen musste, wenn man dieses auf keinen Fall gestärkt sehen wollte.
Wäre also nur geblieben von der Donaumonarchie so viel übrig zu lassen, dass das Habsburgerreich für die deutschsprachige Bevölkerung der Monarchie weiterhin eine attraktive Alternative zum benachbartenn Deutschen Reich darstellen würde.
 
Zuletzt bearbeitet:
Am Ende ging es für Frankreich nicht mehr nur darum, die eigenen Kriegsziele gegenüber Deutschland durchzusetzen. Das Land war in den letzten Kriegsjahren in eine stetig zunehmende Abhängigkeit von seinen beiden Verbündeten, Großbritannien und die USA, geraten und deren Überlegenheit konnte sich für Frankreich in der Nachkriegszeit nur negativ auswirken. Deshalb das Bemühen aus Deutschland so viel wir nur irgend möglich herauszupressen; die eigene Position gegenüber den USA und Großbritannien auf Kosten Deutschlands, eben mit dessen Ressourcen, zu verbessern. Was man damit anrichtete, darüber hat man sich in Paris keine Gedanken gemacht.

Frankreich kämpfte am Ende nicht nur um die Durchsetzung seiner außenpolitischen Ziele. Die Lage im Inneren war gespannt, "Cèst 1´ordre social qui es en question...", so hatte es Ribot bei der Aufnahme von Jules Cambon in die Académie Francaise" formuliert. Was lag also näher, als dies Lage auf Kosten Detuschlands so weit als möglich zu stabilisieren, die Unzufriedenheit im Lande, direkt an Deutschland zu verweisen.

Auf diese Weise waren dann nicht nur materielle Probleme zu lösen. Auf eine Deutschlandpolitik, auf weitgehende territoriale, materielle und finanzielle Forderungen waren eben große Teile der Nation zu einigen; entweder weil sie selbst materielle interessiert oder weil sie ideologisch entsprechend fixiert waren.
 
Frankreich kämpfte am Ende nicht nur um die Durchsetzung seiner außenpolitischen Ziele. Die Lage im Inneren war gespannt, "Cèst 1´ordre social qui es en question...", so hatte es Ribot bei der Aufnahme von Jules Cambon in die Académie Francaise" formuliert.
Das traf allerdings mehr oder weniger auf alle beteiligten europäischen Staaten zu.

Auf diese Weise waren dann nicht nur materielle Probleme zu lösen.
Welche materiellen Probleme genau waren damit zu lösen?
Mit einm von Deutschland separierten Rheinland, wie das diskutiert wurde und deutschen Territorialverluste im Osten konnte Frankreich ja nichts zugwinnen.
Vom wirtschaftlich-materiellen Standpunkt aus, war die territoriale Verkleinerung Deutschlands, im Besonderen im Osten für Frankreich kontraproduktiv, weil es gegenüber einem entstehenden polnischen Staat als Nutznießer davon keine Forderungen geltend machen konnte.

Vom materiellen Standpunkt aus gesehen, wäre es für Frankreich besser gewesen, die oberschlesischen Kohlegruben und die oberschlesisische Industrie wären vollständig bei Deutschland geblieben, weil Deutschland dann schneller und in größerem Umfang Reparationen hätte liefern können.
Gerade im Bezug auf die im Versailler Friedensvertrag ausbedungenen Kohlenlieferungen, auf die Frankreich wegen der hinzukommenden Erzgruben und Hüttenwerke in Deutsch-Lothringen um so mehr angewiesen war, wäre es mindestens kurzfristig absolut sinnvoll gewesen zum Thema Grenzziehung in Deutschlands Osten eine völlig andere Position einzunehmen.

Die gesamte französische Position, im Versailles ist insofern höchst widersprüchlich, als dass die Sicherheitsinteressen, die Frankreich dort geltend machte, im nicht auflösbarenn Widerspruch zu den eigenen wirtschaftlichen Interessen standen.
 
Welche materiellen Probleme genau waren damit zu lösen?

Was glaubst du eigentlich, weshalb Frankreich sich so ausgiebig mit deutschen Ressourcen, bei Abschluss des Waffenstillstandes, hat bezahlen lassen. Steinmeyer, Die Grundlagen der französischen Deutschlandpolitik, ist eine gute Lektüre zum Thema.

Deutschland musste beispielsweise 5000 Lokomotiven, 150.000 Eisenbahnwaggons, 5000 Lastkraftwagen, des Weiteren die Elsaß-Lothringischen Eisenbahnen herausgeben. Der Betrieb des linksrheinischen Verkehrs erfolgte auf deutsche Kosten. Deutsche Handelsschiffe auf hoher See wurden einkassiert.

Es wurden auch große Mengen an Kanonen, Minenwerfer, Flugzeugen und Maschinengewehre verlangt; das war aber unter dem Sicherheitsbedürfnis zu verbuchen, obwohl ein Waffenstillstand eigentlich nur eine Fixierung errungener Positionen ist, haben die Alliierten die Deutschen erfolgreich praktisch zu einer bedingungslosen Kapitulation gebracht. Aber das ist nicht das Thema.

Das Frankreich materielle Probleme nach dem Krieg hatte, ist ja wohl nun wirklich kein großes Geheimnis. Allein die Schulden bei den Verbündeten England und den USA.

Verhandlungen im eigentlichen Sinne des Wortes hat es weder 1918 noch 1919 gegeben.
 
Was glaubst du eigentlich, weshalb Frankreich sich so ausgiebig mit deutschen Ressourcen, bei Abschluss des Waffenstillstandes, hat bezahlen lassen.

Wegen der Schäden, die der Krieg in Frankreich angerichtet hatte.

Ich frage nur nochmal, welche Probleme das konkret löste?

Z.B. sich so ausgibig am deutschen Eisenbahnmaterial zu bedienen, war insofern einfach dumm, als dass die Ausdünnung des deutschen Fuhrparks, die Ablieferung der vereinbarten sonstigen Ressourcen in Frankreich erheblich verzögerte, was dem Wiederaufbau in Frankreich nicht unbedingt half.
Auch führte es in the long run dazu, dass Frankreich am Ende auf dem veralteten und durch den Krieg übernutzten Schrottmaterial in Sachen Eisenbahn saß, während Deutschland das abgetretene Bahnmaterial durch Neubauten ersetzen musste um sein Transportsystem wieder auf Trab zu bringen, mit dem Ergebnis, dass Deutsschland Mitte-Ende der 1925er Jahre mit über das modernste Bahnmaterial überhaupt verfügte.

Der sprunghaft steigende Bedarf an Eisenbahnmaterial wiederrum, war ein Konjunkturprogramm für die deutsche Montanindustrie, dass bei der Umstellung von Kriegs- auf Fridenswirtschaft durchaus half und den Nachfrageeinbruch durch den Entfall der Waffenproduktion jedenfalls teilkompensierte.

Da hatte man von französischer Seite einfach nicht vernünftig mitgedacht, wohin das führen würde, wenn man diese Forderungen so stellte.
Im französischen Interesse war das Ergebnis jedenfalls nicht.
 
Schau dir mal an, nach welchem Aufmarschplan die russischen Militärs im Sommer 1914 aggieren.

Das ist das Szenario A(ustria) nicht das Szenario G(ermania).
Das die Donaumonarchie von der russischen Seite weiter als Hauptfeind betrachtet wurde, kommt schon in der Tatsache zum Ausdruck, dass die Russen im Sommer 1914 3/4 ihrer Landstreitkräfte gegen Österreich-Ungarn losschlagen lassen obwohl das unter den gegebenen Bedingungen strategisch durchaus fragwürdig war und trotz französischen Drängens doch bitte mit Priorität gegen Deutschland zu aggieren.
Könnte der Aufmarschplan nicht damit zusammenhängen, da zu diesem Zeitpunkt die Bedrohung durch Österreich-Ungarn für Russland größer war, als die durch Deutschland? Natürlich war Deutschland (langfristig) der stärkere Gegner, aber bei Kriegsbeginn hatten die Deutschen eine Armee an der Ostfront, die Österreicher aber vier. Da erscheint es mir logisch, dass Russland sich erst gegen die größere Bedrohung wirft. (Das relativiert aber auch mein vorheriges Argument, da es dann weniger um politische, als vielmehr um militärische Gesichtspunkte beim Aufmarsch gab;)).
Da wären allerdings zwei Dinge zu beachten:

1. Wer äußerte diese Vorstellungen (Die Regierungskoalition oder abseitige Interessengruppen ohne realen politischen Einfluss)
2. Wann wurden sie geäußert.

Die französische Regierung scheint sich erst im Verlauf des Krieges, als sichtbar wurde, dass Russland bereits merklich angeschlagen war tatsächlich auf Zielvorstellungen festgelegt zu haben, die deutlich über Elsass-Lothringen und Saargebiet hinausgingen.

Wahrscheinlich weil die Schwierigkeiten, die Russland in diesem Krieg hatte und die Tatsache, dass er die ganze Zeit auf französischem Boden wütete, offenlegte, dass das russische Bündnis für Frankreich nicht die Sicherheit brachte, die man sich dort vorstellte.
Das stimmt natürlich. Relevant sind dann natürlich nur die Äußerungen der französischen Regierung. Als einzige (zugegebenermaßen nicht französische) Quelle habe ich eine Note vom russischen Außenminister Pokrowskij an den französischen Botschafter in St. Petersburg Paléologue vom 17.02.1917 (also vor der Februarrevolution). Hier geht der Außenminister auf die Kriegziele der französischen Regierung ein und sichert russische Unterstützung für diese zu:
[...]
Elsaß-Lothringen wird an Frankreich zurückgegeben.
[...] damit auch das ganze Eisenerzrevier Lothringens und das ganze Kohlebecken dem Saarreviers dem französischen Territorium einverleibt wird.
Die übrigen linksrheinischen Gebiete [...] sollen von Deutschland ganz abgetrennt werden und von jeder politischen und wirtschaftlichen Abhängigkeit von Deutschland befreit werden.
Die linksrheinischen Gebiete, die dem Bestand des französischen Territoriums nicht einverleibt werden, sollen ein autonomes und neutrales Staatswesen bilden [...].
(Pommerin, Reiner (Hg): Quellen zu den deutsch-französischen Beziehungen 1815 - 1919, Darmstadt, 1997, S. 229.

Wenn die gestiegenen französischen Forderungen von den Misserfolgen Russlands (und dessen Fähigkeit, Deutschland zu schwächen) abhing, lässt sich schließen, dass die französischen Forderungen bei einem russischen Sieg geringer ausgefallen wären.
Wäre der Krieg in der Tendenz auf einen Sieg der Entente und ein allmähliches Zurückdrängen der Zentralmächte hinausgelaufen hätte London bevor die Zentralmächte allzu sehr unter die Räder gekommen wären, einen allgemeinen Frieden zu eigenen Bedingungen vorschlagen und den Verbündeten bestellen können, dass falls sie sich nicht auf entsprechend mäßige Bedingungen einließen Großbritannien eben einen Separatfrieden schließen, damit die Westfront erheblich schwächen und die Blockade aufheben würde, was ein Kippen des Krieges zu Gunsten der Zentralmächte hätte bedeuten können.
War nicht die Tatsache, dass es sich Großbritannien nicht leisten konnte, Frankreich im Stich zu lassen und vor den Augen der Welt nicht mehr als verlässlich dazustehen, ein Grund für den Kriegseintritt? Eine ebenso verheerende Wirkung hätte ein britischer Separatfrieden mitten im Krieg gehabt.
Die Sache ist nur, durch den Krieg mit Deutschland kam die Indien-Problematik ja nicht aus der Welt.

Wäre Deutschland von einem siegreichen Russland so klein gemacht worden, dass es in Europa keine Macht mehr gegeben hätte, die eine ernsthafte Bedrohung für Russland hätte darstellen können, was hätte die Russen dann noch davon abgehalten alle Verträge zu brechen, die sie mit Großbritannien über Asien geschlossen hatte und seine Kräfte folgend darauf zu verwenden dort nach Herzenslust zu wildern?

Deutschland so sehr zu schwächen, dass Russland dadurch Narrenfreiheit bekommen würde, lag außerhalb von allem, was London in seinem wohlverstandenen Eigeninteresse zulassen konnte.
Dann stelle ich aber die ganze britische Außenpolitik in Bezug auf Deutschland und Russland vor dem Krieg in Frage. Jede Schwächung Deutschlands (und Österreich-Ungarns) hätte den Druck auf Russland in Europa verringert und den russischen Druck auf Indien erhöht. M.E. hätte dann doch die Bewahrung des Status Quo oder eher die Schwächung Russlands im britischen Interesse liegen müssen.
Im Übrigen würde ich bei Ferguson etwas zur Vosicht raten, das betreffende Buch kenne ich, mMn stecken da ein paar sehr steile Thesen drinn.
Danke für den Hinweis.
Auch Russlands Motivation war hier nochmal insofern eine Andere, als dass es hier auch nicht nur um den Erhalt Österreichs ging, sondern auch darum die Revolution einzudämmen (könnte ja nach Russland überspringen, und den Gedanken mochten der Zar und die alten Eliten dort nicht).
Das ist richtig. Die Heilige Allianz war ja auch eher ein Bündnis, um die Revolution rückgängig zu machen, bzw. neue zu verhindern als ein tatsächliches Militärbündnis.
Nur wie gesagt, was hätte Russland mit einer Zerstörung der Donaumonarchie gewinnen können?
Der Hauptgewinner davon wäre wahrscheinlich Deutschland gewesen, was wiederrum kontraproduktiv erscheinen musste, wenn man dieses auf keinen Fall gestärkt sehen wollte.
Wäre Deutschland hier wirklich gestärkt hervorgegangen? Vor dem Krieg hatten die Zentralmächte gemeinsam 120 Mio. Einwohner (DR: 68 Mio., Ö-U 52 Mio.). Bei einem Auseinanderfallen der Donaumonarchie und einem etwaigen Zusammenschluss mit Deutschland wären den 68 Mio. 9 Mio.? (6 Mio. Österreich, 3 Mio. Sudetenland) hinzugekommen. Auch wenn die anderen Regionen zuvor nicht zu 100% dem Bündnis loyal gegenüber waren, so sehe ich hier doch eher eine Schwächung, auch in wirtschaftlicher Hinsicht und in Hinblick auf den Einfluss auf dem Balkan.

Am Ende ging es für Frankreich nicht mehr nur darum, die eigenen Kriegsziele gegenüber Deutschland durchzusetzen. Das Land war in den letzten Kriegsjahren in eine stetig zunehmende Abhängigkeit von seinen beiden Verbündeten, Großbritannien und die USA, geraten und deren Überlegenheit konnte sich für Frankreich in der Nachkriegszeit nur negativ auswirken. Deshalb das Bemühen aus Deutschland so viel wir nur irgend möglich herauszupressen; die eigene Position gegenüber den USA und Großbritannien auf Kosten Deutschlands, eben mit dessen Ressourcen, zu verbessern. Was man damit anrichtete, darüber hat man sich in Paris keine Gedanken gemacht.
Das hatte ich tatsächlich nicht auf dem Schirm. Ein interessanter Gedanke, französische Gebietsforderungen an Deutschland, um der Übermacht der USA und des Empires etwas entgegensetzen zu können.
Auch den Hinweis auf die Innenpolitik finde ich interessant. Der innenpolitische Druck bei außenpolitischen Fragen wir m. E. zu selten untersucht.
Ich frage nur nochmal, welche Probleme das konkret löste?
Ich glaube, dass, wie du schon selbst geschrieben hast, dass man hier tatsächlich nicht besonders weitblickend war, aber 1918/1919 glaubte, die eigenen Probleme mit den genannten Gebietsabtretungen und Reparationen lösen zu können.

@Shinigami @Turgot bitte wundert euch nicht, dass ich nicht immer auf alle Punkte eingehen kann. Ich finde hier (wie in vielen anderen Themen auch) viele interessante Aspekte, auf die ich gerne eingehen würde oder bei denen ich Nachfragen habe. Zeitlich ist das aber von meiner Seite nicht immer machbar und jetzt ist meine Mittagspause auch schon wieder vorbei. Ich hoffe, dass ich abends dazu komme, mehr Zeit in das Forum investieren zu können.
 
Könnte der Aufmarschplan nicht damit zusammenhängen, da zu diesem Zeitpunkt die Bedrohung durch Österreich-Ungarn für Russland größer war, als die durch Deutschland? Natürlich war Deutschland (langfristig) der stärkere Gegner, aber bei Kriegsbeginn hatten die Deutschen eine Armee an der Ostfront, die Österreicher aber vier. Da erscheint es mir logisch, dass Russland sich erst gegen die größere Bedrohung wirft. (Das relativiert aber auch mein vorheriges Argument, da es dann weniger um politische, als vielmehr um militärische Gesichtspunkte beim Aufmarsch gab;)).

Nein, das kann in diesem Sinne nicht sein, weil die Entscheidung der russischen Generalität für den Fall A getroffen wurde, bevor genaue Erkennntnisse über die deutschen Maßnahmen vorliegen konnten.

Die Russische Generalmobilmachung wurde am 30. Juli 1914 gegen 18 Uhr verfügt und bei dieser Gelegenheit wurde auch die letztgültige Entscheidung für die Aufmarsch "A" getroffen und der Aufmarsch "G" verworfen.
Die Deutsche Generalmobilmachung wurde aber erst am 1. August um 17 Uhr proklamiert, kurz vor der Kriegserklärung an Russland noch am selben Tag.

Auf russischer Seite wurde diese Entscheidung also getroffen, bevor man wissen konnte, was die Deutschen im Osten aufmarschieren lassen würden.

Zwar kannte man auch auf russischer Seite die Grundzüge des Schlieffenplans (sowohl aus geheimdienstlichen Quellen, Austausch mit den Westmächten und wegen des offensichtlich strategisch motivierten Ausbaus des Eisenbahnsystem im Westen des Deutschen Reiches, man kannte aber weder die aktuellen deutschen Aufmarschpläne (und damit die präzise Zahl der Truppen, die für die Ostgrenze vorgesehen waren), noch wusste man in Russland sicher dass der Schlieffenplan das einzige Kriegsszenario darstellte, mit dem Moltke in Berlin noch kalkulierte und dass es keine deutschen Planungen mit Schwerpunkt Ost mehr gab (bis 1913 hatte es solche gegeben, sie waren dann aber aufgegeben worden).

D.H. im Klartext: Als der Russische Generalstab diese Entscheidung für den Aufmarsch "A" traf, wusste er nicht sicher dass er es mit nur einer Deutschen Armee zu tun haben würde.
Hätte es auf deutscher Seite noch eine Ost-Planung gegeben, womit man russischerseits mindestens als Möglichkeit noch kalkulieren musste, wäre auch ein deutscher Aufmarsch mehrerer Armeen im Osten durchaus möglich gewesen.



Im Übrigen, selbst wenn die russische Seite von den genauen Vorstellungen Moltkes Kennntnis gehabt hätte:


Dann hätte sie gewusst, dass so lange das Gros der Deutschen Truppen im Westen gebunden war, der Weg nach Berlin und damit zu einem schnellen Ende des Krieges im Prinzip frei war, gleichzeitig auch, dass man den Franzosen schnell würde helfen müssen, denn denn dass die deutschen mit dem Schliefenplan scheitern würden, konnte ja in Russland niemand vorhersehen.

Der Schlieffenplan selbst war zwar von so optimistischen Annahmen getragen, dass man argumentieren kann, dass das Gelinden dieses Szenarios, so wie es geplant war extrem unwahrscheinlich erscheinen musste, aber ein Einbruch weit nach Frankreich hinein war durchaus möglich und nicht auszuschließen, dass er die französische Regierung sehr schnell zu Friedensverhandlungenn bewegt hätte, wäre russische Hilfe im Osten ausgeblieben.
In diesem Fall hätte sich Russland allein Deutschland und Österreich-Ungarn gegenüber gesehen und diesen Kampf hätte es mit Ansage verloren.

Von russischer Seite hätte man also, wenn man den Schlieffenplan gekannt präzise gekannt hätte, sowohl um diesen Krieg schnell zu entscheiden, als auch den französischen Verbündeten zu helfen, die Gefahr liefen von der deutschen Eröffnungsoffensive sehr schwer getroffen zu werden, seine Prioritäten auf Deutschland richten müssen.


Was Österreich und die österreichische Bedrohung angeht:


Auf russischer Seite wusste man, als mobilgemacht wurde, dass ein Teil der österreichischen Kräfte in den bereits ausgebrochenen Kämpfen in Serbien gebunden war, also im Norden nicht zeitig würde eingreifen können, jedenfalls nicht um eine Österreichische Eröffnungsoffensive zu unterstützten.
Heißt man durfte davon ausgehen, dass die Österreicher ihre Aktionen in Richtung Russland nur mit halber Kraft betrieben konnten, auch wusste man, dass das österreichische Eisenbahnnetz in Galizien (im Besonderen in Ostgalizien) nur sehr unzureichend ausgebaut und nicht sehr leistungsfähig war, was es für die Österreicher schwierig machte weitere Verstärkungen von der Südfront und genügend Nachschub für längere Kampagnen dorthin zu verlegen.

Auch wenn man von russischer Seite das deutsche Verhalten nicht vorweg nehmen konnte, wusste man durch die Ereignisse, das ein beträchtlicher Teil von Österreichs Kräften in Serbien gebunden war und nicht ad hoc an der Nordfront in Galizien erscheinen konnte, weil schon das unzureichende Österreichische Eisenbahnsystem eine blitzartige Verlegung nicht erlaubte.
Man durfte hier also bereits vor der Mobilmachung mit mäßig starken österreichischen Kräften rechnen und die hätte man mit eigenen Teilkräften ohne weiteres in Schach halten können.


Schaut man sich den faktischen Verlauf an, konnte Österreich zu Beginn des Krieges 37 Infanteriedivisionen und 12 Kavallerie-Divisionen gegen Russland aufmarschieren lassen und Russland setzte dem 46 Infanterie und 18 Kavalleriedivisionen entgegen.

In Anbetracht dessen, dass die Österreichisch-Ungarischen Truppen zu Beginn des Krieges in Sachen Geschütze und Maschinengewehre nicht wesentlich besser ausgerüstet waren als Russland und sie das schlecht ausgebaute Bahnnetz in Galizien sowohl beim Nachschub, als auch bei Vorstößen behindern musste benötigte Russland an seiner Südwestfront keine derartige Überlegenheit um österreichische Offensiven Abzufangen.
Russlands Generalität hätte ohne weiteres 10-15 Infanterie und 6-8 Kavallerie-Divisionen, die sie hierfür veranschlagt hatten und aufmarschieren ließen von vorn herein gegen Deutschland aufmarschieren lassen können und kräftemäßig an der galizischen Grenze noch immer über annähernde Parität mit den Österreichern verfügt, die sie in die Lage versetzt hätte österreichische Eröffnungsoffensiven zu parieren und durch weitere Mobilisationen hier allmählich eine Übermacht zu gewinnen.

Dann wären 1-2 Armeen mehr für den Kampf gegen Deutschland frei gewesen und dann hätten im Nordwesten (von Russland aus gesehen) 3 1/2-4 russische Armeen einer Deutschen gegenübergestanden, die nicht einmal über ihren Sollstand an Reservetruppen verfügte und die zunächst lediglich ein paar Landwehrtruppen ohne adäquate Ausstattung an schweren Waffen und die Festungsgarnisonen im Osten hätte zur Hilfe nehmen können.
Diese Auseinandersetzung wäre von vorn herein verloren gewesen, ein Manöver wie die Tannenbergschlacht, wäre gegenüber einer solchen Übermacht völlig undenkbar gewesen.


Die einzige sinnvolle Erklärung dafür, dass von russischer Seite in dieser Weise aggiert wurde, liegt darin, dass man in Russland extrem auf die Donaumonarchie als eigentlichen Gegner, den man geschlagen sehen wollte, fixiert war.
 
Das stimmt natürlich. Relevant sind dann natürlich nur die Äußerungen der französischen Regierung. Als einzige (zugegebenermaßen nicht französische) Quelle habe ich eine Note vom russischen Außenminister Pokrowskij an den französischen Botschafter in St. Petersburg Paléologue vom 17.02.1917 (also vor der Februarrevolution). Hier geht der Außenminister auf die Kriegziele der französischen Regierung ein und sichert russische Unterstützung für diese zu:

Da stellen sich, wie ich das sehe, folgende Fragen:

1. War Pokrowskij denn seitens des Zaren, der bei Friedensverhandlungen (und auch beim Austausch von Ministern) das letzte Wort hatte, überhaupt autorisiert?
2. War ihm möglicherweise klar, dass Großbritannien, dass daran kein Interesse haben konnte (und von dem Frankeich, dessen Industriegebiete im Nordosten weitgehend verwüstet waren, in kriegswirtschaftlicher Hinsicht mittlerweile abhängig war), das schon verhindern würde und ging es mehr darum den schwarzen Peter nach London zu verschieben um auf dessen Kosten durch Zustimmung zu Kriegszielen, von dem er wusste, dass sie ohnehin nicht realisiert werden würden, die Beziehungen zu Frankreich intakt zu halten?
3. Ging es möglicherweise auch einfach Frankreich durch Zustimmung zu diesen Zielen zu einer großangelegten Offensive zu ermuntern um das mittlerweile arg in den Seile hängende Russland militärisch zu entlasten?

Wären durchaus Ansätze, die da, denke ich zu diskutieren wären.

Es kommt hinzu, dass 1917 ganz Europa so erschöpft war, dass die meisten in diesen Krieg verwickelten Staatsmänner bereit gewesen wären jedem, der ihnen den Sieg und das Ende des Krieges durch Intervention oder Steigerung des militärischen Engagement herbei zu führen ganz beträchtliche Versprechungen zu machen.

Wie sich Kriegsziele im Laufe der Zeit veränderten, kann man an der deutschen Kriegszielpolitik festmachen.
Als im Herbst 1914 die Regierung Bethmannn Hollweg ihre berüchtigte "Einkaufsliste" (das "Septemberprogramm") zusammenstellte, dachte man in Sachen Kriegszielen vor allen Dingen daran, Frankreich das Erzrevier von Longwy-Briey (französische Lothringen) abzunehmen, eventuell kleinere Grenzkorrekturen an der Grenze im Elssass vorzunehmen (Militärgeographie), Belgien in umfassende Abhängigkeit von Deutschland zu bringen, eventuell Ostbelgien bis Lüttich zu annektieren, eventuell Grenzkorrekturen im Osten ("polnischer Grennzstreifen) vorzunehmen, sich umfangreich an Frankreichs Kolonialreich ("Deutsch Mittelafrika") zu bedienen und in Europa einen auf Deutschland zugeschnittenen und von deutschland dominierten Wirtschaftsverbund zu errichten (kann man als Reaktion auf die beginnende britische Blockadepolitik betrachten).

Davon die Landkarte Europas umfangreich umzugestalten, wie das dann 3,5 Jahre später mit dem Vertrag von Brest-Litowsk passierte, de facto das russische Reich komplett zu zerschlagen, in Polen im Baltikum und in der Ukraine de facto abhängige Satelitenstaaten zu errichten (oder das jedenfalls zu planen) etc. davon konnte in den ersten Kriegsmonaten keine Rede sein.
De facto versuchte man sich bis 1916 mit Russland auf der Basis des Status Quo ante arrangieren, nur traute sich der Zar nicht einen Separatfrieden zu schließen und daran scheiterte das Projekt.
Alles darüber hinaus, was den Osten betrifft, setzte sich als Zielvorstellung erst später durch, als der Krieg immer länger dauerte, die Erschöpfung immer größer wurde und die ausuferndenn Opferzahlen und Kosten mit irgendetwas gerechtfertigt werden mussten.

Den selben Mechanismus kann man für die anderen beteiligten Mächte voraussetzen.
Am Anfang des Krieges ging es darum einzelne Interessen der beteiligten Mächte (Vorherrschaft auf dem Balkan, in der Nordsee, Erwerb Elsass-Lothringens, französischer Kolonien und Longwy-Brieys, die Verhinderung einer deutschen Dominanz in Europa) durchzusetzen, am Ende ging es darum Millionen Tote und die wirtschhaftliche Ruinierung ganzer Länder auf Jahrzehnte irgendwie zu rechtfertigen, die danach verlangten, dass man ihnen irgendeinen Sinn gab,
Deswegen lässt sich von den Zielsetzungenn aus den letzten Kriegsjahren/Monaten nicht darauf schließen, dass das was da formuliert wurde von Beginn an geplant gewesen wäre.

War nicht die Tatsache, dass es sich Großbritannien nicht leisten konnte, Frankreich im Stich zu lassen und vor den Augen der Welt nicht mehr als verlässlich dazustehen, ein Grund für den Kriegseintritt? Eine ebenso verheerende Wirkung hätte ein britischer Separatfrieden mitten im Krieg gehabt.

Es ging dabei weniger um Verlässlichkeit, als darum eine deutsche Dominanz auf dem europäischen Kontinent zu verhindern, die unweigerlich entstanden wäre, hätte Deutschland Frankreich militärisch klar besiegt und zu einem sehr nachteiligen Frieden gezwungen.

Für Britannien und seine überseeische Position war es notwendig dafür sorge zu tragen, dass die anderen europäischen Mächte so weit wie möglich auf dem europäischen Kontinent gebunden waren und das funktionierte am Besten, wenn es dort ein Kräftegleichgewicht gab, dass dafür sorgte, dass sich die entsprechenden Akteure dort im Hinblick auf ihre Potentiale gegenseitig neutralisierten und keiner außer Großbritannien die Gelegenheit hatte sich übermäßig auf die außereuropäischen Territorien und Rivalitäten dort zu konzentrieren.

Von dem her konnte Großbritannien eine deutsche Dominanz nicht wünschen, und sah sich aus eigenem Interesse dazu veranlasst um Frankreichs Großmachtposition zu erhalten und es nicht in Abhängigkeit von Deutschland geraten zu lassen, Frankreich im Fall eines von Deutschland begonnenen Krieges in Westeuropa zu unterstützen.
Gemäß dem Umstand, dass für London ein tendenzielles Kräftegleichgewicht in Europa wünschenswert war, wäre aber auch eine marginalisierung Deutschlands und eine Dominaz Frakreichs oder Russlands in Europa alles andere als Wünschenswert gewesen.

Unter dem Eindruck der britischen Gleichgewichtsinteressen, um in Übersee möglichst wenig gestört zu werden, hätte es aus Sicht Londons, wäre der Krieg von Anfang an auf einen klaren Sieg der Entente hinausgelaufen und wären Paris und St. Petersburg nicht willens gewesen den Zentralmächten einen mäßigen Frieden anzubieten, durchaus nahegelegen Separatfrieden zu schließen oder die Seitn zu wechseln, wenn sich die Zentralmächte verpflichtet hätten auf Eroberungen zu verzichten und einem Status-Quo-Frieden, wenn er angboten würde zuzustimmen

Die britische Haltung in Sachen Deutschland war, jedenfalls was den europäischen Kontinent betrifft, sehr viel zurückhaltender.
Z.B. war man von britischer Seite her bis zum Brest-Litowsker Frieden, bzw. bis sich abzeichnete, dass Deutschland daran ging, sich auf Kosten Russlands im Osten einen enormen machtgewinn zu verschaffen, nicht bereit den Franzosen irgendwelche verbindlichen Zusagen betreffend deutschen Territoriums zu machen, nichtmal wegen Elsass-Lothringen.


Wäre Deutschland hier wirklich gestärkt hervorgegangen? Vor dem Krieg hatten die Zentralmächte gemeinsam 120 Mio. Einwohner (DR: 68 Mio., Ö-U 52 Mio.). Bei einem Auseinanderfallen der Donaumonarchie und einem etwaigen Zusammenschluss mit Deutschland wären den 68 Mio. 9 Mio.? (6 Mio. Österreich, 3 Mio. Sudetenland) hinzugekommen. Auch wenn die anderen Regionen zuvor nicht zu 100% dem Bündnis loyal gegenüber waren, so sehe ich hier doch eher eine Schwächung, auch in wirtschaftlicher Hinsicht und in Hinblick auf den Einfluss auf dem Balkan.

Je nachdem, wie das ausgegangen wäre schon.
Österreich-Ungarn hatte ja, was man auch nicht übersehen sollte, mit einem ganz erheblichen Teil seiner Nachbarn Territorialstreitigkeiten und Deutschland wurde dadurch, dass es sich mit der Donau-Monarche verbündet hatte dort in gewissem Maße mit hinein gezogen.

Das Betraf Rumänien, Italien und Serbien, die man wegen ihrer Ansprüche auf Gebiete der Donaumonarchie immer als Gegner mit einkalkulieren musste, wenn man sich mit Österreich-Ungarn alliierte.
Ein Zerfall der Donaumonarchie hätte die Gelegenheit gegeben diese Konflikte zu lösen.

So lange Deutschland mit Österreich-Ungarn verbündet war, dass Siebenbürgen, die Bukowina, Bosnien, Dalmatien, die Vojvodina, Kroatien-Slawonien, Dalmatien, das Trentino und das Isonzotal, so wie Istrien, belastete das die Beziehungen zu Rom, Bukarest und Belgrad.
 
Wären bei Auflösung der Donaumonarchie Siebennbürgen (oder mindestes dessen südlicher und östlicher Teil) und die Bukowina an Rumänien gekommen, wäre Rumänien nach Westen saturiert gewesen und die einzige noch offene Territorialforderung Bukarests wäre Bessarabien gewesen, das von Russland kontrollieert wurde.
Eine Anlehnung des Landes an Deutschland, tendenziell gegen Russland wäre dann wahrscheinlich gewesen.

Wäre das Trentino, das Isonzotal, und Teile Dalmatiens und Istriens an Italien gegangen, hätte das die Ansprüche, die die italienischen Nationalisten an Österreich-Ungarn stellten weitgehend saturiert, verblieben wären dann vor allem die italienischen Interessen an französischen Gebiebiet (vor allem Korsika, in geringerem Maße Tunis, Nizza und Savoyen), die für Rom dann eine ernsthafte Kooperation mit Deutschland, tendenziell gegen Frankreich gerichtet attraktiv gemacht hätte.

Gleichzeitig hätte sich wegen kollidierender Ansprüche mit serbischen Wünschen im Adria-Raum (denn auch die großserbische Bewegung und Anhänger der Vorstellung eines südslawische Staates, beanspruchtenn ja durchaus Istrien und Dalmatien, wahrscheinlich ein Wettbewerb um die Gunst Deutschlands ergeben, wenn dieses durch den Anschluss der verbliebenen Teile der österreichischen Reichshälfte (ohne Galizien) in diesem Raum zu einer relevanten Macht aber ohne gebiete geworden wäre, auf die, diese beiden Akteure Anspruch erhoben hätten.


Ein Kollaps Österreich-Ungarns und die Erfüllung der serbischen/südslawischen Wünsche hätte auch Russlands Position auf dem Balkan gewschwächt.
Um von Österreich-Ungarn zu bekommen, was man wollte, hatte, so lange Deutschland mit Österreich-Ungarn verbündet war, Belgrad keine andere Wahl, als sich St. Petersburg an den Hals zu werfen.
Wäre Österreich-Ungarn von der Landkarte verschwunden und ein wie auch immer garteter südslawischer Staat daraus hervorgegangen, hätte es für diesen keinen Grund mehr gegeben, dieses Klientelverhältnis zu Russland aufrecht zu erhalten, sondern er hätte dises wahrscheinlich im Interesee größerer Handlungsspielräume beendet.


Weiterhin hätte ein Kollaps Österreich-Ungarns wahrscheinlich Russland geschwächt, wenn es sich in den Versuch eingelassen hätte, Vormacht und Ordnungsmacht auf dem gesamten Balkan zu werden, denn dann hätte es permanent Streitfragen (Mazedonien, Thrakien, Dorbudja) zwischen den kleinen Balkanstaaten ausgleichen müssen, für die es keinenn befriedigenden Ausgleich gab. Um die Dorbudja stritten sich Rumänien und Bulgarien, im Westthrakien Bulgarien und Griechenland, um Mazedonien stritten sich Serbien, Bulgarien und Griechenland.
Bei einer Auflösung der Donaumonarchie, wären als Streitfälle gegebenenfalls noch Teile Siebenbürgens (Rumänien, vs. Ungarn), die Vojvodina (Ungarn vs. Serbien) und das Banat (Ungarn vs. Serbien sv. Rumänien) hinzugekommen.

Diese Territorienn hätten zwischen den Balkanstaaten permanen Probleme produziert (tun sie ja in Teile heute noch) und Russland wäre in diese Streitigkeiten permanent hineingezogenn worden, ohne dass es die Möglichkeit auf einen Ausgleich gab, wenn es gute Verhältnisse zu allen behalten und als Vormacht und Schiedsrichter von allen anerkannt werden wollte.

Eine Seite bei ihren Ansprüchen zu unterstützten hätte die Andere in Opposition gebracht, allen Seiten ihre Maximalforderungen abzulehnen, hätte alle Beteiligten an einem Konfliktfeld verärgert.

So lange Russland machtpolitisch auf dem Balkan nur mit Serbien und Griechenland verbündet war, die in Mazedonien relativ wenig Konfliktstoff gegeneinander, dafür mit Bulgarien aber einen gemeinsamen Feind hatten, der sich zu allem Überfluss noch zunehmend an Serbiens Feind Österreich-Ungarn anlehnte, hatte Russland da wenig Probleme das auszugleichen.
Wäre aber Österreich-Ungarn verschwunden, wäre die Loyalität Serbiens gegenüber Russland gleich mit verschwunden und hätte die Auflösung der Donaumonarchie die Anzahl der Kofliktfelder der kleinerenn Balkanstaaten untereinander erhöht, und Russland versucht sich zur Vormacht und zum Schiedsrichter des Balkans aufzuschwingen, wäre das für Russland ein Fass ohne Boden geworden.
Die permanenten Konflikte der Balkanstaaten hätten Russland dann schwindlig gespielt und seine permanente Unfähigkeit diese für alle befriedigend zu lösen (weil sie eben nicht befrieidigend für alle zu lösen waren), hätte einen zunehmenden Ansehens- und Einflussverlust für Russland bedeutet (man vergleiche das mit denn Problemen, in die die habsburgischen Kaiser im altenn Heiligen Römischen Reich zunehmend gerieten), der auf die Dauer immer mehr Ressourcen gebunden hätte ohne einen entsprechenden machtpolitischen Gegenwert zu erzeugen.

Deutschland hätte demgegenüber seine Verhältnisse zu allen Staaten mit denen die Donau-Monarchie über Kreuz lag signifikant verbessern können, wenn Berlin klug genug gewesen wäre, nur solchen Teilen der Donaumonarchie einen Anschluss an Deutschland zu erlauben die nicht von anderen Mächten beansprucht wurden (wie z.B. das Trentino), allerings hätte diese Gebiete dadurch, dass sie in der Regel keine deutschsprachige Bevölkerungsmehrheit hatten (Trentino mehrheitlich italienisch, Istrien mehrheitlich kroatisch, Dalmatien ohnehin etc.) sehr wahrscheinlich auch gar keinen Grund gehabt einen Anschluss an Deutschland überhaupt in Erwägung zu ziehen, so dass sich die Frage wahrscheinlich gar nicht erst gestellt hätte.


Das sollte man, denke ich auch berücksichtigen.


Ich entschuldige mich im übrigen, dass das jetzt scheibchenweise kommt, ich habe mich zur Zeit noch in einer anderen Diskussion etwas verkämpft.
 
Welches Bündnis meinst du?
Ich schrieb machtpolitisch verbündet, und das war spätestens seit dem 2. Balkankrieg der Fall, als Russland am Ende die meisten serbischen und griechischen Ansprüche gegen Bulgarien mittrug (obwohl das Abkommen zur Teilung der mazedonischen Gebiete vor dem 1. Balkankrieg ein ganz annderes Ergebnis vorsah).

Damit meinte ich eine informelle machtpolitische Verbundenheit, kein schriftlich fixiertes Militärbündnis.
 
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