Und trotzdem bereit hinter die Fassade schauen zu lassen, aber auch etwas vom Lebensalltag zu zeigen. Vor allem auch kommentarlos und deutlich auf die zunehmende Bedeutung des Islams hinzuweisen.
Die russischen Touristen und Touristinnen waren jedenfalls recht offen und auch einzeln unterwegs.
Die klassische Prämisse der Entspannungspolitik basierte auf der Vorstellung, dass durch Kennenlernen und dem Verstehen der anderen Kultur, eigene Vorurteile abgebaut werden und damit Mißtrauen reduziert und Vertrauen aufgebaut wird.
Diese Prämisse galt nach dem WW2 auch in einem hohen Maße gegenüber den früheren Gegnern im Westen und ganz besonders hat sich die USA und die BRD darum bemüht, die Jugend zu gewinnen für das Verständnis der anderen Kultur. Nebenbei eine Erklärung für den Einfluss der "Atlantiker", die von Gräfin Dönhoff bis zu den heutigen Protagonisten reicht.
Auf diese Prämisse baute in hohem Maße auch Brandt seine Entspannungspolitik und förderte den Abbau von Feindbildern. Diese Veränderung auf der höchsten politischen Ebene setzte sich auf den niedrigeren Ebenen fort und führten im Bereich der Parteieliten und der Intellektuellen zu einer eigenständigen Reflektion der Zustände in der UdSSR. Es ist ein relativ langsamer Prozess, um eine kollektive Veränderung in der Bewertung von Ländern im Freund-Feind-Schema zu erzielen. Und erfolgt eher in der Abfolge von Generationen, also im ca. 30 Jahren Intervall.
Diesen Prozess beschreibt English ausführlich für die UdSSR und ist ein zentraler theoretischer Beitrag für das Verständnis der politischen Kultur der UdSSR in den 80er Jahren, auf deren Existenz Gorbatschow seine Reformpolitik formulierte. Und die dazu führte, dass die Bereitschaft zu Reformen eine zentrale Größe im Denken der politischen Eliten einnahm und Gorbatschow - zunächst - von einem relativ breiten Konsens getragen wurde.
Diese Öffnung der sowjetischen Gesellschaft war ein schrittweiser Prozess, in dessen Verlauf auch dem Tourismus eine Bedeutung zukam. Den Beginn beschreibt Zubok unter anderem am Beispiel von Garthoff:
"After Stalin's death, the Soviet Union slowly began to open up to the outside world. In 1955, Soviet authorities authorized foreign tourism, banned under Stalin. They also eased a nearly total ban on foreign travel for Soviet citizens. In 1957, 2,700 Americans visited the Soviet Union, and over 700,000 Soviet citizens traveled abroad. But only 789 of these visited the United States.43
The closed nature of Soviet society and the state control of the flow of information generated enormous curiosity in Soviet society about the outside world and especially about America and Americans. The few American tourists and educational and cultural exchange visitors became the objects of immense curiosity. During the summer of 1957, a young Yale graduate (and future CIA analyst and diplomatic historian), Raymond Garthoff, traveled around the Soviet Union and met with hundreds of students. .....
Many Soviet citizens, avid readers, found their windows to the West in translated lated literature. After Stalin's death, a great number of works of American writers in translation, among them Ernest Hemingway, John Steinbeck, and J. D. Salinger, ger, were published in hundreds of thousands of copies; they were available in thousands of public libraries around the Soviet Union. American films became another window into the New World for the curious public." (Zubock. S. 172)
Vor diesem Hintergrund kann man den persönlichen Austausch und das Kennenlernen der Kultur anderer Nationen als Basis für die Völkerverständigung gar nicht hoch genug einschätzen. Und bedeutet die Durchlässigkeit und die Kommunikation zwischen Staaten auch in Zeiten eines neuen Kalten Krieges zu stärken.
Und es erscheint mir persönlich unverständlich mit der Kenntnis dieser historischen Erfahrung, wenn man "hämisch" den Abbau von vielfältigen Kontakten zwischen dem Westen und Russland kommentiert.
English, Robert D. (2000): Russia and the idea of the West. Gorbachev, intellectuals, and the end of the cold war. New York: Columbia University Press.
Zubok, Vladislav. M. (2009): A failed empire. The Soviet Union in the Cold War from Stalin to Gorbachev. Chapel Hill: University of North Carolina Press (The New Cold War history).