Gab es Pläne für eine Befreiung Napoleons nach der Schlacht von Waterloo?

Minelle

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Bonjour, ich melde mich hier auch mal wieder mit einer Frage zu Napoleon Bonaparte zu Wort. Sie ist Teil meiner Recherche zu einem Roman an dem ich gerade schreibe. Wie der Titel des Themas schon aussagt, suche ich nach Infos darüber, ob es Pläne gab, die Napoleon aus den Händen der Briten befreien sollten. Bonaparte hielt sich ja nach der Schlacht auf dem Kriegsschiff Bellerophon auf.
 
Ja, es gab den Plan nach Amerika zu gehen, entweder offiziell mit Erlaubnis der Briten oder heimlich.
Die offizielle Erlaubnis wurde ihm nicht gegeben, die heimliche Flucht war nicht Napoleons Stil: Er hätte sich dazu als Frau verkleiden sollen, was er entschieden ablehnte, weil er sich nicht der Lächerlichkeit preisgeben wollte, sollte er erwischt werden.
So blieb nur, sich den Engländern zu ergeben: von den Bourbonen in Frankreich konnte er nur schlimmeres erwarten.
 
So blieb nur, sich den Engländern zu ergeben: von den Bourbonen in Frankreich konnte er nur schlimmeres erwarten.
Wobei ich diese Entscheidung um ehrlich zu sein nie ganz verstanden habe.
Aus meiner Sicht wäre es das logischste gewesen zu versuchen nach Österreich zu gehen, mit der Vorstellung, dass Kaiser Franz jedenfalls nicht unbedingt als derjenige darstehen wollen wird, der seinen Schwiegersohn und den Vater seines Enkels hat hinrichten oder auf ewig einsperren lassen.
Wahrscheinlich wäre man doch von österreichischer Seite her, wäre der Mann dort aufgetaucht irgendwie peinlich berührt und in der Zwickmühle gewesen, was für Napoléon selbst vielleicht keine schlechte Ausgangsposition gewesen wäre um den freiwilligen Gang ins amerikanische Exil von sich aus ins Spiel zu bringen, vorausgsetzt, man wäre beriet ihn dort hin zu verfrachten.
 
Ja, den gab es. Auf Anraten von Joseph , Hortense und andere raten Napoleon, nach Amerika zugehen. Der Gedanke elektrisiert ihn. Marineminister Decrès wird beauftragt, in Rochefort 2 Schiffe bereitzustellen. Reiseliteratur wird zusammengestellt, er schwärmt schon von einer neuen Karriere. Am 29.Juni verläßt Napoleon Malmaison und am 3. Juli erreicht er die Atlantikküste bei Rochefort. Versprochene Geleitbriefe von Fouche hat er nicht erhalten. Bei Ankuft findet er die Reede durch die Bellerophon und andere englische Kriegsschiffe blockiert, ein Entkommen ist jetzt unmöglich. Ein Angebot, sich auf ein Handelsschiff zu verstecken, lehnt er ab. Die Idee von den Neubeginn einer Karriere in Amerika zu beginnen, stirbt damit. Napoleon begibt sich zu seinem Schutz dann auf die Bellerophon. Was hätte ihm erwartet? Er war immer noch geächtet. Die Drohung einer Überstellung an die Bourbonen oder schlimmstenfals eine Auslieferung an Blücher. Ludwig der XVIII. war jedenfals sehr erleichtert über die Entscheidung Napoleons , sich auf die Bellerophon zu begeben.
 
Aus meiner Sicht wäre es das logischste gewesen zu versuchen nach Österreich zu gehen,...
Das halte ich für unrealistisch, die nächsten österreichischen Truppen standen im Elsass.
Um dorthin zu gelangen, hätte er die Niederlage von Waterloo gleich als sein "Ende" begreifen müssen - dazu war er anfangs nicht bereit und so war der Rückweg nach Paris das naheliegendste, um den weiteren Widerstand zu organisieren.
Als sein politisches Schicksal besiegelt war, war es zu spät: Er wäre unterwegs sehr wahrscheinlich von bourbonen-treuen Truppen/Polizei aufgehalten oder verhaftet worden.
 
Wobei ich diese Entscheidung um ehrlich zu sein nie ganz verstanden habe.
Aus meiner Sicht wäre es das logischste gewesen zu versuchen nach Österreich zu gehen, mit der Vorstellung, dass Kaiser Franz jedenfalls nicht unbedingt als derjenige darstehen wollen wird, der seinen Schwiegersohn und den Vater seines Enkels hat hinrichten oder auf ewig einsperren lassen.
Wahrscheinlich wäre man doch von österreichischer Seite her, wäre der Mann dort aufgetaucht irgendwie peinlich berührt und in der Zwickmühle gewesen, was für Napoléon selbst vielleicht keine schlechte Ausgangsposition gewesen wäre um den freiwilligen Gang ins amerikanische Exil von sich aus ins Spiel zu bringen, vorausgsetzt, man wäre beriet ihn dort hin zu verfrachten.
Immerhin hatte sich Kaiser Franz I. auch der Allianz gegen seinen Schwiegersohn angeschlossen. Also selbst wenn es Napoleon gelungen wäre, sich in österreichische Hände fallen zu lassen (was ich aus den von muheijo genannten Gründen für unrealistisch halte), wäre er zwar höchstwahrscheinlich nicht hingerichtet worden, aber wer bereit war, gegen seinen Schwiegersohn Krieg zu führen, wäre wohl auch bereit gewesen, ihn in irgendeinem Schlösschen unter strenger Bewachung zu internieren. Bei jeder darüber hinausgehenden Großzügigkeit hätte Österreich Erklärungsbedarf gegenüber seinen Verbündeten gehabt. Hätte es Napoleon (bewusst, um ihn loszuwerden) entkommen lassen, wäre es blamiert gewesen.
 
Als sein politisches Schicksal besiegelt war, war es zu spät: Er wäre unterwegs sehr wahrscheinlich von bourbonen-treuen Truppen/Polizei aufgehalten oder verhaftet worden.
Es sei dennn, die hätten darauf verzichtet ihn zu verhaften um daraus resultierende politische Komplikationen zu vermeiden.

Wie wackelig die Herrschaft der Bourbonen war und wie viele Bonapartisten es noch in Frankreich und vor allem in der Armee gab, hatte Napoléon ja durchaus eindrucksvoll demonstriert, als er von Elba zurückkehrte.
Da hätte sich doch aus Sicht Louis XVIII. und seiner Vertrauten doch ganz klar die Frage gestellt, was mit dem Mann anzustellen wäre, wenn man ihn denn hätte?

Eine Hinrichtung hätte wahrscheinlich die Gefahr von Aufständen und einer Militärrevolte mit sich gebracht, ihn irgendwo einzusperren, hätte die ständige Gefahr mit sich gebracht, dass bonapartistische Gruppen versuchen könnten ihn zu befreien.
Louis XVIII. kannte ja natürlich auch die ultra-reaktionäre Einstellung seines Bruders und designierten Nachfolgers Charles X. und auch im Hinblick auf einen möglichen Thronwechsel (Louis war ja 1815 selbst bereit 70 Jahre alt) und eine ultraroyalistische Wende in der frazösischen Politik, die dann zu erwarten war, konnte ein im Gefängnis sitzender Napoléon natürlich weiterhin eine erhebliche Gefahr für das Haus Bourbon darstellen.

Von daher platt gefragt: Wäre es aus Sicht Louis XVIII so abwegig gewesen in Zweifel dafür zu sorgen, dass besser irgendjemand anderes Napoléon fängt, um entweder dessen Blut bei einer Hinrichtung nicht selbst an den Händen zu haben oder aber sicher zu wissen, dass er in irgendeinem Land unter Arrest gestellt wird, in dem es keine große bonapartistische Partei gibt, die ihn bei Gelegenheit befreien und zur Galionsfigur machen könnte?

Wäre ich Louis XVIII. ich hätte dafür gesorgt, dass ihn irgendwer anderes fängt um die eigenen Hände in Unschuld waschen zu können und das Problem los zu sein.


Bei jeder darüber hinausgehenden Großzügigkeit hätte Österreich Erklärungsbedarf gegenüber seinen Verbündeten gehabt.
Wäre denn eine Abschiebung in die USA, wenn man sie z.B. als Verbannung aus Europa ettikettiert hätte als Großzügigkeit aufgefasst worden?
 
Wäre denn eine Abschiebung in die USA, wenn man sie z.B. als Verbannung aus Europa ettikettiert hätte als Großzügigkeit aufgefasst worden?
Egal, ob das nun als Großzügigkeit ausgelegt worden wäre: Es war ja sicher so, dass Napoleon in Freiheit in Amerika für mehr Schwierigkeiten hätte sorgen können und gefährlicher gewesen wäre, als wenn er irgendwo in Österreich in Festungshaft gesessen hätte.

Mit dem Exil in Elba hatte er bereits seine Chance gehabt, seinen Lebensabend in relativer Freiheit und Würde zu verbringen. Er hat sie nicht genutzt.
 
Wäre denn eine Abschiebung in die USA, wenn man sie z.B. als Verbannung aus Europa ettikettiert hätte als Großzügigkeit aufgefasst worden?
Genau kann ich es natürlich nicht sagen, aber verglichen mit einer Internierung wohl ja. Die USA waren ja nicht eine überseeische Strafkolonie.

Hinzu kommt, dass die USA erstens aus abtrünnigen Kolonien Großbritanniens bestanden und zweitens gerade eben erst gegen dieses Großbritannien Krieg geführt hatten. Man hätte Napoleon also zu einem Feind eines der wichtigsten Verbündeten abgeschoben.
Ich kann nicht abschätzen, wie man Napoleon in den USA tatsächlich empfangen und behandelt hätte, aber - zumindest aus britischer Sicht - hätte a priori wohl die Möglichkeit bestanden, dass er als "Feind meines Feindes" zumindest von der US-amerikanischen Bevölkerung (vielleicht weniger von der US-Regierung, die gerade erst mit Großbritannien Frieden geschlossen hatte) entsprechend wohlwollend behandelt würde.
 
Egal, ob das nun als Großzügigkeit ausgelegt worden wäre: Es war ja sicher so, dass Napoleon in Freiheit in Amerika für mehr Schwierigkeiten hätte sorgen können und gefährlicher gewesen wäre, als wenn er irgendwo in Österreich in Festungshaft gesessen hätte.
Welche Schwierigkeiten hätte er irgendwo in den USA denn machen können?
Das die europäischen Mächte nicht daran interessiert sein konnten ihn irgendwo in ihren eigenen Kolonien zu haben, um dort keine Unruhe zu erzeugen, wäre sicherlich einsichtigt.
Aber welche Gefahr wäre er in de USA gewesen (mal davon ab, dass man natürlich den einen oder anderen Aufpasser zur Beaufsichtigung hätte abstellen können?

Im Hinblick auf Österreich selbst war es nun einmal ein Faktum, dass die Familiäre Bindung Napoléon an die Habsburger-Dynastie nun einmal gegeben war.
Platt gesagt: Napoléon Franz Bonaparte der spätere Herzog von Reichsstadt war einmal in der Welt und das hätte mittelfristig das Problem des Umgangs damit innerhalb der Kaiserfamilie verschärft.
Die ganze Situation war aus Sicht von Kaiser Franz I. ohnehin bereits schwierig, peinlich und kompromittierend.
Zumal Franz I. sich 1815 auch in Konditionen einlassen musste, die Marie-Louise ihren Anspruch auf Parma und ihren Sohn das Erbrecht daran kosteten.

Franz I. Tochter Marie-Louise hatte auf Betrieben ihres Vaters und Metternichs Napoléon geheiratet, mit ihm ein Kind gezeugt und befand sich von demher bereits in einer persönlich schwierigen Sitation, die dadurch, wenn ihr Vater den Mann, den sie auf sein Betrieben geheiratet hatte, Napoléon, noch zu seinem Gefangenen gemacht hätte.
Und dass Franz I. Enkel Napoléon Franz irgendwann nach seinem Vater fragen würde war auch klar, ebenso wie es dann hätte klar sein müssen, dass es das familiäre Verhältnis weiter belastet hätte, wenn man diesem hätte eröffnen müssen, dass der Vater ein persönlicher Gefangener des Großvaters gewesen wäre.

Da wäre aus Sicht Franz I. die elegantere Lösung wahrscheinlich gewesen Napoléon irgendwie abzuschieben um innnerhalb der Familie nicht gegenüber seiner Tochter und seinem Enkel den schwarzen Peter zu haben.
 
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Hinzu kommt, dass die USA erstens aus abtrünnigen Kolonien Großbritanniens bestanden und zweitens gerade eben erst gegen dieses Großbritannien Krieg geführt hatten. Man hätte Napoleon also zu einem Feind eines der wichtigsten Verbündeten abgeschoben.
Mit dem Verweis auf den Krieg von 1812 hast du grundsätzlich recht, aber der war ja inzwischen mehr oder weniger ergebnislos beendet.

Das hätte sicherlich dagegen gesprochen N. sofort gehen zu lassen.
Aber nach einigen Jahren, nachdem Gras über diese Angelegenheit gewachsen war?

Es wusste ja zu dem Zeitpunkt niemand wie krank Napoléon wahrscheinlich bereits damals war und dass er nicht mehr allzu lange zu leben hatte.
 
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Franz I. Tochter Marie-Louise hatte auf Betrieben ihres Vaters und Metternichs Napoléon geheiratet, mit ihm ein Kind gezeugt und befand sich von demher bereits in einer persönlich schwierigen Sitation, die dadurch, wenn ihr Vater den Mann, den sie auf sein Betrieben geheiratet hatte, Napoléon, noch zu seinem Gefangenen gemacht hätte.
Und dass Franz I. Enkel Napoléon Franz irgendwann nach seinem Vater fragen würde war auch klar, ebenso wie es dann hätte klar sein müssen, dass es das familiäre Verhältnis weiter belastet hätte, wenn man diesem hätte eröffnen müssen, dass der Vater ein persönlicher Gefangener des Großvaters gewesen wäre.
Marie-Louise war ein Opfer der Heiratspolitik, wie unzählige Frauen vor ihr, und der Enkel das Ergebnis. Wann wurde denn da Rücksicht auf persönliche Befindlichkeiten und Gefühle genommen? Marie-Louises große Liebe war Napoleon ohnehin nicht.
(Auch was den Enkel betrifft: Man denke etwa daran, wie so mancher Monarch sogar mit seinen eigenen Söhnen und Erben umsprang, etwa Preußens Friedrich Wilhelm I.)
 
Marie-Luise war ein Opfer der Heiratspolitik, wie unzählige Frauen vor ihr
Bei Marie-Luise hat dass schon eine besondere Qualität, die in anderen Fällen nicht gegeben war.

D'accord, dass die Heiratspolitik der Adelsdynastien dazu führte, dass Töchter in Ehen gegeben wurden, in denen nicht besonders glücklich wurden, dass kam vor.
Auch dass sie an Potentaten verheiratet wurden, die die Macht verloren und dann ein eher unglückliches weiteres Schicksal hatten.

Aber Marie Luises Situation mit dem Mann verheiratet gewesen zu sein, der dem halben Kontinent ungefähr als "Ungeheuer" oder mehr oder weniger größert Schwerverbrecher Europas galt, dass war duchaus schon eine sehr delikate Situation und an der hatte Franz ganz erhebliche Anteile.

Nun weiß ich nicht genau, welches Verhältnis Franz I. gegenüber Marie-Luise hatte, ich kann mir aber schwerlich vorstellen, dass es völlig gleichgültig gewesen wäre.
Das Schicksal Marie-Antoinettes hatte ihn auch nicht kalt gelassen, für seinen Enkel kreierte er als Ersatz für dessen Verlust seiner Erbansprüche auf Parma immerhin einen Herzogstitel, was jetzt auch nicht unbedingt darauf schließen lässt, dass dieser ihm komplett egal gewesen wäre.
 
Franz I. hatte seine Tochter zur Ehe mit eben diesem "Ungeheuer" und Emporkömmling gezwungen. Wie auch immer er sich selbst dabei gefühlt haben mag (wohl nicht gut, da er eigentlich durchaus - für damalige Verhältnisse - ein "Familienmensch" war) - er hatte sich darüber und über die Gefühle seiner Tochter hinweggesetzt.
Ich bezweifle auch, dass Marie-Louise selbst tatsächlich ein Problem damit gehabt hätte, wenn ihr ungeliebter Ehemann von ihrem Vater interniert würde. Sogar ihrem Sohn schenkte sie nicht viel Beachtung.

Was Napoleon Franz anbelangte, so war dieser immerhin Franz' Enkel, aus seinem Blut - wenn auch nur mütterlicherseits. Schon daher verbot es sich wohl, ihn komplett ins Abseits zu stellen. Mit Gefühlen muss das nicht unbedingt zu tun haben.
 
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Mit Gefühlen muss das nicht unbedingt zu tun haben.
Hätten andere Erwägungen auch nicht, oder jedenfalls nicht ausschließlich.

Ich würde mal meinen, dass wenn man Napoléon als irgendwie-Mitglied der Kaiserlichen Familie dauerhaft interniert hätte, das möglicherweise auch die Monarchie irgendwo angegriffen und beschädigt hätte oder jedenfalls hätte es Angriffsfläche für diverse Formen liberaler Aggitation geliefert, wenn der Kaiser hier gewissermaßen selbst in der eigenen Familie den Kerkermeister gegeben hätte.
 
Erst recht Angriffsfläche für die (National-)Liberalen hätte es geboten, den mühsam niedergerungenen Feind allzu großmütig zu behandeln.
 
1814 hat man Napoleon nach Elba geschickt, weil
a) ihn niemand haben wollte und
b) man einen halbwegs sicheren* Verwahrort meinte gefunden zu haben.

Warum sollte das nach Waterloo anders sein, warum gar noch mehr Milde walten lassen?
Somit scheidet eigentlich jeder Ort in Europa, aber eben auch Amerika, wo ihn überhaupt niemand kontrollieren hätte können, aus.

Es ist aber eine fast witzige Vorstellung, sich den Kaiser als Bienenzüchter/Imker auf einer Farm in den USA vorzustellen - kann man das wirklich glauben, dass das seine Idee vom Lebensabend gewesen sein soll, wie er behauptete?

*schon während der Elba-Episode gab es Pläne, ihn nach "weiter weg" sprich St.Helena zu verlegen, und die ihm versprochenen Gelder flossen auch nicht.
Seine Flucht nach vorn dürfte so überraschend vielleicht gar nicht gewesen sein, böse Zungen behaupten, sie sei gar provoziert gewesen.
 
Warum sollte das nach Waterloo anders sein, warum gar noch mehr Milde walten lassen?
Inwiefern wäre es denn mehr Milde gewesen ihn über den Teich zu schicken und in Europa auf Lebenszeit zur Persona non grata zu erklären, als Elba?

Ist ja nicht so, dass er auf Elba in einem dunklen Kerker verschmachtet wäre, selbst auf St. Helena nicht.

Somit scheidet eigentlich jeder Ort in Europa, aber eben auch Amerika, wo ihn überhaupt niemand kontrollieren hätte können, aus.
Warum? Es war doch sowohl bei den Russen, als auch bei den Briten Usus Leute irgendwo an den Rand ihres Machtbereichs zu verbannen, ohne dass sie da in besonderem Maße beaufsichtigt worden wären, jedenfalls dauerhaft.

In Russland gab es als Strafmaßnahme für Politische die administrative Verbannung nach jenseits des Ural zunächst an einen bestimmten Ort, wo sich die Person zu melden und gegebenenfalls Zwangsarbeit zu leisten hatte (sofern sie nicht reich genug war einen Ersatzmann dafür zu bezahlen, dass der das erledigte) und häufig folgte dann zu irgendeiner Gelegenheit (Thronbesteigung, eines neuen Zaren, Geburt eines Thronfolger etc. was für Anlässe man in einer Monarchie so eben hat), eine bedingte Amnestie, die Arbeitszwang und Beaufsichtigung aufhob unter der Prämisse, dass sich die Person weder politisch betätigte, noch auf der europäischen Seite des Ural sehen ließ.

Wie die britische Strafpraxis in Australien aussah, damit kenne ich mich weniger aus, kann mir aber schwer vorstellen, dass dorthin verbannte Straftäter allerorten unter Dauerüberwachung standen.
Wozu auch?

Was Napoléon angeht, gut, den hätte man halt von Europa fernhalten müssen.
Das heißt man hätte eine Hand voll Leute gebraucht , die ein Auge auf ihn geworfen und Kontakt nach Europa gehalten hätten um vorgewarnt zu sein, falls er versuchen sollte irgendwie nach Europa auszubüchsen.
Das wäre es doch aber gewesen.

Es ist aber eine fast witzige Vorstellung, sich den Kaiser als Bienenzüchter/Imker auf einer Farm in den USA vorzustellen - kann man das wirklich glauben, dass das seine Idee vom Lebensabend gewesen sein soll, wie er behauptete?
Warum denn nicht?
Mit Waterloo musste er eigentlich wissen, dass er politisch fertig war, weil sich die europäischen Mächte wahrnehmbar darauf verständigt hatten ihn nicht mehr auf dem Thron zu dulden.
Bei seiner Rückkehr von Elba konnte er sich vielleicht noch die Illusion machen, dass die anderen Mächte Frieden halten würden, wenn er selbst keinerlei Aggression zeigte, danach konnte er das nicht mehr.

Selbst wenn er sich Chancen ausgerechnet hätte Frankreich noch ein weiteres Mal für sich gewinnen zu können, musste ihm die herrschaft der 100 Tage doch klar gemacht haben, dass er gegen ganz Europa nicht ankam und dass das zwecklos war.

Selbst wenn der bei Waterloo die zusammengewürfelten Heere der Preußen, der Briten und ihrer verbündeten Niederländer, Belgier und deutschen Kleinstaaten geschlagen hätte, hätte das nur dazu geführt, dass er es anschließend mit den Österreichern und Russen zu tun bekommen hätte, während die Briten und Preußen Zeit gehabt hätten sich zu erhohlen und neue Truppen auszuheben.
Er musste verstanden haben, dass das alte Spiel die Koalitionsmächte von einander zu trennen und zu Separatfrieden zu schließen nnicht mehr funktionierte und die ihn einfach so lange mit neuen Truppen bewerfen würden, bis das über Frankreichs Kräfte ging.

Und was hätte er in Amerika sonst groß anfangen wollen?

Dort wäre er nicht der Kaiser der Franzosen gewesen, sondern ein Privatmann und bestenfalls ein ausgedienter Militär ohne eigene Armee.
Vielleicht hätte man ihn in den USA als Militärberater angestellt oder sowas.

Das er sich da noch in große politische Abenteuer eingelassen hätte, kann ich mir schwer vorstellen, im Gegensatz zu Frankreich hätte er da nirgendwo eine Hausmacht gehabt, wäre ein Außenseiter gewesen und auch schlicht zu alt, um mit dem entsprechenden Netzwerken völlig neu und bei Null anzufangen.
Ich wage übrigens auch zu bezweifeln, dass jemand, der sich selbst "Kaiser" und "König" genannt hatte, in der amerikanischen Politik besonders viel bereitwillige Aufnahme gefunden hätte oder dass man den Man in irgendwelche Spitzenämter hätte kommen lassen, da wäre wohl schon die Paranoia der angelsächsischen politichen Kultur vor irgendwelchen tyrannischen Königen davor gewesen.
Wenn man bedenkt, wie extrem kritisch im angelsächsischen Kulturraum staatliche Macht und staatliches Eingreifen in persönliche Freiheiten und Privateigentum schon immer gsehen wurde, ist es höchst unwahrscheinlich, dass man dort jemanden, der früher Ambitionen gezeigt hatte sich zum Monarchen zu machen, der bei Besteuerung, Requisitionen und Konskriptionen immer schnell bei der Hand war, wenn es ihm passte, irgendwelchen Einfuss eingeräumt hätte.

Und es ist ja durchaus so, dass Napoléon wusste, dass er an massiven gesundheitlichen Beschwerden litt, dass hatte ihn ja schon mehrfach befallen.
Warum aus so einem Zustand heraus wieder versuchen sich in die europäische Politik zu mischen.

Die Flucht von Elba war eine Gelegenheit, zumal die Koalition gerade dabei war, sich wegen Sachsen und Polen zu zerstreiten und so gesehen die Chancen wenigstens mit einem Teil der Mächte zusammenarbeiten zu können, auf den ersten Blick nicht schlecht waren.
Es musste aber klar sein, dass eine solche Gelegenheit nicht wieder kommen würde und wenn es schon nach Elba nicht klappte, dann auch nie mehr funktionieren würde.
 
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