Gaius Iulius Caesar - Tyrann oder Heilsbringer?

Allerdings definiert mir der antike Demokratiebegriff eher eine Diktatur im heutigen! Sinne als das, was das Wort in unserer Zeit ausdrückt.

War es nicht Aristoteles, der die Demokratie geringschätzig Ochlokratie ('Herrschaft des Pöbels') nannte? Seine Vorstellungen waren allerdings noch mehr auf eine Machtausübung durch einen kleineren Kreis ausgerichtet...
 
Grausamer nicht. Das Ergebnis ist für das betreffende Indiviuum das gleiche.
Anzahl und Grausamkeit der Taten ist nicht gleichzusetzen.

Auszug aus Die Kultur des Krieges von John Keegan, Seite 384-385

... Der Hauptunterschied zwischen der Kriegsführung der Römer und der ihrer Zeitgenossen lag nicht in den Motiven - darin waren die eigensinnigen und individualistischen Griechen anders -, sondern in der Wildheit, mit der sie kämpften. Die Römer der zweiten Hälfte des ersten vorchristlichen Jahrtausends kämpften mit solchem Ingrimm, dass nur die Mongolenhorden, Dschingis-Khans oder Tamerlans fünfzehnhundert Jahre später mit ihnen verglichen werden können. Widerstand, vor allem, wenn es um belagerte Städte ging, reizte sie dazu, die Besiegten restlos abzuschlachten. Polybius, der große Historiker der frühen Militärgeschichte der Stadt, schildert, wie Scipio Africanus im Jahre 209 v. Chr. während des Zweiten Punischen Krieges nach der Erstürmung der Stadt Carthago Nova (das spätere spanische Cartagena) seinen Soldaten <<entsprechend römischem Brauch gebot, gegen deren Bewohner vorzugehen. Er befahl ihnen, jeden zu töten, den sie sahen, keinen zu verschonen und mit dem Beutemachen erst zu beginnen, wenn der Befehl erging. Sinn dieses Brauches ist es, Furcht und Schrecken zu verbreiten. Demzufolge sieht man in von Römern eigenommenen Städten nicht nur hingeschlachtete Menschen, sondern sogar aufgeschlitzte Hunde und abgeschnitetene Gliedmaßen anderer Tiere. Bei dieser Gelegenheit war das Ausmaß des Gemetzels außergewöhnlich groß.<<
Was sich in Carthago Nova zugetragen hat, wiederholte sich oft, auch auf dem Schlachtfeld und zuweilen in Städten, die sich in der Hoffnung ergeben hatten, ein Massaker abzuwenden. Im Feldzug von 199 v. Chr. wurden zerstükelte Leichnahme von Makedonen gefunden. Einen so schwere Schändung der Toten galt allen Griechen als Sakrileg, da sie im Kampf Gefallene stets beerdigten, ob Freund oder Feind. Wenn die archäologischen Hinweise auf ein Blutbad, angerichtet im Verlauf der zweiten römischen Invasion in Britannien, nicht täuschen - sie wurden in der Nähee von Maiden Castle in der englischen Grafschaft Dorset gefunden -, hielt sich diese Praxis bis ins erste nachchristliche Jahrhundert. Harris schreibt dazu: <<In mancher Hinsicht ähnelt das Verhalten der Römer dem vieler anderer nichtprimitiver Völker der Antike. Doch ist nur von wenigen anderen bekannt, dass sie im Krieg mit so großer Grausamkeit vorgegangen sind und zugleich eine so hohe Stufe der politischen Kultur erreicht zu haben. Auch wenn das Römische Weltreich großenteils das Resultat rationalen römischen Handelns war, so hatte es doch auch dunkle und irrationale Wurzeln. Zu den verblüffendsten Eigenheiten der römischen Kriegsführung gehört deren Regelmäßigkeit - nahezu alljährlich zogen die Römer aus, um mit beträchtlicher Gewaltätigkeit gegen andere Völkerschaften zu kämpfen -, und dieses Regelmäigkeit läßt das Phänomen als pathologisch erscheinen.>>
Im Zusammenhang der vergleichenden Militärgeschichte darf uns das nicht überraschen. Gewaltbereitschaft äußert sich in vielerlei Formen. Zwar scheuen die meisten Menschen vor Gewaltausübung zurück, wenn sie mit Gefahr für Leib und Leben verbunden ist, doch verhält sich dies bei einer Minderheit anders. Die Kriegsführung der Phalanx mündete im Augenblick des Zusammenstoßes in einen erschrekenden Ausbruch von Gewaltätigkeit , auch wenn dessen Wirkkraft durch die Schwerfälligkeit der Phalanx eingeschränkt war. Wer sich daran beteiligte, musste sich über seinen Selbsterhaltungstrieb wie auch über die kulturelle Hemmung hinwegsetzen, Menschen von Angesicht zu Angesicht zu töten. Was die Griechen auf die eine Weise zu überwinden gelernt hatten, lernten die Römer auf eine andere. Bei aller gesellschaftlichen und politischen Kultur hatten sie sich einen hinreichend starken Jagdinstinkt bewahrt, um über Mitmenschen wie über Beutetiere herzufallen und ihre Opfer mit einer Missachtung des Lebens zu töten, die man sonst nur bei wild lebenden Tierarten findet. ...

Grausamkeit und Unmenschlichkeit waren systematische Elemente der römischen Kriegsführung und stärker ausgeprägt als bei anderen zeitgenössischen, zivillsierten Völkern.
 
Auszug aus Die Kultur des Krieges von John Keegan, Seite 384-385



Grausamkeit und Unmenschlichkeit waren systematische Elemente der römischen Kriegsführung und stärker ausgeprägt als bei anderen zeitgenössischen, zivillsierten Völkern.

Den "Fleischfressern der Antike" (Junkelmann) wird man manches anlasten können. Caesar ließ ganze Stämme über die Klinge springen, ganz zu schweigen von der Plünderung Korinths, Athens und Jerusalems. Gerade in den Jahrhunderten, als Rom sich sein Imperium zusammenraubte, war man wenig zimperlich, doch kann ich in Roms Aggression keinen wirklichen qualitativen Unterschied zum Kriegsstil Alexanders oder Hannibals erkennen. Alexander ließ die männlichen Bewohner von Tyrus kreuzigen.

Rom legte großen Wert darauf, seine Kriege als Verteidigungskriege zu rechtfertigen, und im römischen Ethos spielte die clementia, die Milde den Unterworfenen gegenüber als Herrschertugend durchaus eine wichtige Rolle. Roms Anspruch als Ordnungsmacht die Unterworfenen zu schonen und die Aufmüpfigen niederzuwerfen, parcere subiectis et debellare superbos wie es vergil formulierte, wird man nicht als reinen Zynismus abtun können, und Roms Stärke bestand vor allem in seiner großen Integrationsfähigkeit. Außer in Judäa gab es kaum nennenswerte Aufstände gegen die römische Herrschaft, und Provinzen wie Gallien, Spanien, Afrika wurden recht bald romanisiert. Pompeius Behandlung der kilikischen Piraten war jedenfalls für einen Militär sehr modern.
 
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Hallo Scorpio,

D Außer in Judäa gab es kaum nennenswerte Aufstände gegen die römische Herrschaft, und Provinzen wie Gallien, Spanien, Afrika wurden recht bald romanisiert. Pompeius Behandlung der kilikischen Piraten war jedenfalls für einen Militär sehr modern.

Das ist so nicht ganz richtig. In nahezu allen besetzten Gebieten gab es in den Jahren nach der Eroberung zum Teil massive Aufstände. Angefangen in Spanien, wo es fast 200 Jahre lang Unruhen mit Keltiberern und Kantabrern gab über die Rebellion unter Bouddica in Britannien bis hin zum Bataver-Aufstand. Nicht zu vergessen natürlich der pannonische Aufstand und die Revolte unter Arminius in Germanien, die sogar zum Verlust einer Provinz geführt hat. Die Liste könnte man wahrscheinlich noch beliebig fortführen.

Caesars Clementia an sich stellt in der römischen Kriegsführung ein Novum dar. Normalerweise war man es gewohnt, Feinde jeglicher Art in großen Menge ins Jenseits zu befördern. Die Exzesse während den Eroberungen von Karthago und Korinth wurden ja schon genannt, weitere Beispiele wären noch Avaricum und Numantia. Pompejus Piraten bilden hier interessanterweise eine Ausnahme. Wahrscheinlich hatte er die Absicht, sie später seinem zahlreichen, weit verbreiteten Klientel hinzuzufügen.

Was Caesars Milde angeht, muss man aber beachten, dass er sie ausschließlich auf seine römischen Feinde anwendet. Gallier und andere "Barbaren" ließ er nicht in diesen Genuss kommen. Trotzdem unterscheidet er sich hier stark von den vorhergegangenen Bürgerkriegsgewinnern wie Marius oder Sulla, die nach ihren Siegen kurzen Prozess mit allen politischen Gegnern gemacht haben. Er hingegen hat bei den meisten Nachsicht walten lassen und versucht, sie und ihre Loyalität an sich zu binden. Letztendlich ist ihm seine Milde vermutlich zum Verhängnis geworden.

Gruß,
Cato
 
Zur Clementia Caesaris

Hallo Cato,

ich möchte zu Deinem Clementia-Beitrag noch etwas anfügen:
Hinsichtlich der Gewalt bzw. ihrer Ausübung hatten die Römer, trotz und vielleicht auch gerade weil sie ein Gewaltvolk waren, ein sehr feines und differenzierendes Gespür. Du führst die Gewalt gegenüber den Barbaren und den Römern an. Es ist zutreffend, daß Caesar - wie auch alle anderen Feldherren - auch ein sehr brutaler Feldherr war. Dennoch kann man sehr schön erkennen, daß die Römer in ihrem Barbarenbild durchaus zu unterscheiden wußten und zwar zwischen den Barbaren mit denen sie Krieg führten und jenen, die sich bereits "angepasst" hatten. Darum ging es mir jetzt aber nicht.
Die andere Seite ist der Bürgerkrieg und zwar gilt das für alle Formen (sprich den in der späten Republik und jenen in der Kaiserzeit 69). Diese Form der Gewalt, nämlich daß Römer Römer niedermetzeln wurde als viel schlimmer und verwerflicher wahrgenommen. Blicken wir auf Caesar, dann sehen wir das vorausgegangene Wüten und Toben unter Marius und Sulla. Eine Zeit, die Caesar auch hautnah am eigenen Leib zu spüren bekam. Später hat sich das dann noch zweimal wiederholt, nämlich zwischen Caesar und Pompeius und zwischen (ich verwende jetzt zur Klarheit den zeitlich inkorrekten Namen) Augustus und Marcus Antonius. Das waren nicht allein Kämpfe, die irgendwo auf einem Schlachtfeld stattfanden, sondern das waren Kämpfe, die auch römische Zivilbevölkerung traf. Die Römer hatten in dieser Zeit ein fühlbares Kriegstrauma aus Gewalt und Hass erlebt.
Und jetzt kommt Caesar - und in der Folge haben das alle Herrscher als virtus übernommen (beste Beispiele Augustus und Trajan) - und führt seine clementia Caesaris ein. Das war ein vollkommener politischer Umschwung, ein Stop für einen bisher ständig weiterwachsenden Brand. Eine kriegsmüde und ausgeblutete Bevölkerung erlebt auf einmal jemanden, der nicht - wie bisher - noch ein´s drauf gibt, sondern Einhalt gebietet. Den politischen Effekt muß man sich mal vorstellen. Nicht ohne Grund rangierten und rangieren bis heute diese Anführer/Herrscher auf der Beliebtheitsskala ganz oben. Für politische Gegner war diese Clementia eine Katastrophe, denn was soll man gegen so jemanden wirkungsvoll vorbringen? Darum hat ja Cato den Suizid vorgezogen, als noch weiter Caesar´s Clementia zu ertragen.
Die Clementia würde ich daher nicht als das Verhängnis sehen. Auch schlimme Kaiser - wie Beispielsweise Caligula und sein (nach Sueton) angebliches Motto: "Wenn sie mich nur hassen" - die mit ihren Gegner kurzen Prozess machten, fielen Anschlägen zum Opfer (interessant hierzu: Fik Meijer, Kaiser sterben nicht im Bett). Die Clementia war vielmehr Grundlage für das Nachfolgende. Stellen wir uns vor Caesar wäre - wie zuvor Sulla und Marius - in gleicherweise grauenvoll mit seinen Standesgenossen umgegangen. Wie wahrscheinlich wäre es gewesen, daß nach Caesars Tod ein politisch unbeschriebenes Blatt wie Octavian politischen Rückhalt im Senat gefunden und sich schließlich sogar zu einem Augustus entwickeln konnte? Es war die Clementia, die zwar nicht immer eingesetzt, aber doch zur richtigen Zeit, am richtigen Ort in der richtigen Weise präsentiert wurde.

Viele Grüße
Amalaswintha
 
Hallo Amalaswintha,

vielen Dank für den interessanten Beitrag;).
Die Behauptung, seine Clementia wäre Caesar zum Verhängnis geworden beziehe ich darauf, dass einige seiner späteren Mörder wie Brutus und Cassius von ihm mit Nachsicht behandelt wurden, nachdem sie sich zuvor im Bürgerkrieg auf Pompeius Seite gestellt hatten.

Gruß,
Cato
 
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Schon klar

Hallo Cato,

habe ich auch nicht anders verstanden:D. Ich finde Dein Beispiel zeigt sehr schön, wie schwierig Politik und die Suche nach Verbündeten war.
Warum Caesar was gemacht hat, wissen wir nicht und können ihn leider auch nicht mehr fragen:cry:.
Es könnte vielleicht auch so gewesen sein, daß er nicht nur integrieren wollte, sondern auch glaubte so seine Feinde besser unter Kontrolle zu haben. Feinde, die den Kopf riskieren, gehen evtl. in Deckung und man sieht sie nicht mehr. Keine Ahnung wer, wo, wann? Paranoia läßt grüßen. Wenn aber Gegner ihre Position zeigen dürfen, dann weiß man eher wen man vor sich hat. Gut, immer muß das nicht klappen... "auch du mein Brutus...":gun:

Viele Grüße
Amalaswintha
 
Nur dem Interesse wegen. Kennt jemand noch einen Fall, in dem Caesar"Barbaren" gegenüber Milde walten ließ. Die einzigen Nichtrömer, die mir gerade einfallen sind die Massalioten, die er begnadigt hat, nachdem sie im Bürgerkrieg ihre Flotte gegen ihn geschickt haben.
 
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