Neddy
Aktives Mitglied
Ist zwar keine direkte Debatte zu Kriegsschauplätzen, die ich hier anzetteln möchte, hat aber doch was mit der Kombination aus Krieg und dem Örtchen zu tun. (Womit ich mir u. a. auch erhoffe, mal wieder den marinehistorischen Anteil zielgerichtet zu beleben :winke. Warnung für alle Zartbesaiteten: Es handelt sich um einen eher unappetitlichen Themenkomplex und wer noch nicht gegessen hat, liest auf eigene Gefahr weiter...
Ich habe im Frühling angefanden,
Carsten Jensen: Wir Ertrunkenen (Roman!)
zu lesen. Anfangs geht's dabei um das Gefecht bei Eckernförde Gefecht bei Eckernförde ? Wikipedia .
Was in meinem kranken Hirn hängengeblieben ist: Früh im Gefecht bzw. kurz davor sollen sich die Gedärme der dänischen Seeleute mal eben von selbst entleert haben. Es wird vom Autor Wert darauf gelegt, dass es sich bei diesen zum allergrößten Teil nicht um Veteranen, sondern um zum Kriegsdienst gezogene Handelsschiffsmatrosen ohne Gefechtserfahrung handelt. Es wird jedenfalls in der Folge ausführlich geschildert, wie sehr die Decks stanken und die Dänen in ihrer eigenen Sch... mit voller Büx kämpften.
Auch in der angelsächsischen Unterhaltungsliteratur scheint dieses Thema in letzter Zeit stärker in den Vordergrund zu rücken. Aufgefallen ist es mir im Film "Der Adler der neunten Legion" und in den Römerromanen von Anthony Riches. Das ist jetzt alles andere als eine saubere Statistik aber ich habe eine (subjektive!) Feststellung und ein paar Fragen:
Zur Feststellung: Ich habe (ohne Norman Mailer und Konsorten wirklich gelesen zu haben) den Eindruck, dass das "Kotzen" und "Sich die Hosen voll machen" insbesondere eingangs einer Schlacht oder während des nervenzerfetzenden Wartens in der jüngsten Populärliteratur stärker thematisiert wird.
Falls das stimmt: Könnte diese Thematik zum größeren Komplex bezüglich eines Wandels von der "Heldengeschicht(en)sschreibung" (Feldherr ganz hinten und ohne große Gefahr für die eigene Gesundheit und deswegen ganz cool) hin zu einer mehr auf den kleinen Mann fokussierten Literatur gehören?
Zu den Fragen: Ich halte das ganze für ganz und gar nicht unrealistisch. "Sich vor Angst die Hosen vollmachen" oder einem "geht der K...upferstift" sind mit Sicherheit nicht ohne Grund sprichwörtlich geworden. Was mich aber verblüfft ist, dass sämtliche von mir gelesenen Quellen sich in dieser Hinsicht vollkommen ausschweigen. Mein Schwerpunkt liegt bei der Seefahrt des 18./19. Jahrhunderts und geht quer über alle Schichten. Gewalttätigkeiten gab es in der Zeit mehr als genug und nicht jeder der Beteiligten war ein Stoiker oder ein Held. Dass man sich selbst natürlich in Brief und Erinnerungen keine Blöße geben will, ist sicherlich nachvollziehbar. Aber auch wo weniger sympathische Zeitgenossen geschildert werden, werden die zwar gerne schon mal der Feigheit geziehen, aber die oben geschilderte Panikreaktion bleibt aus.
Gibt es andere Quellenbereiche aus anderen Epochen, wo so etwas thematisiert wird? Lässt sich ein Zusammenhang zur Kampfesweise ziehen: Nahkampf schlimmer als Fernkampf oder egal? Wann lassen die Muskeln los? Eher während des Wartens oder wenn's los geht? Oder sogar erst (oder nochmal) gegen Ende, wenn die eigene Seite sich in der beginnenden Niederlage auflöst? Macht es einen Unterschied, ob man in enger Formation oder aufgelockert zugange ist?
Oder sollte ich einem Topos aufgesessen sein, den erst moderne Romanautoren im Kampf gegen die mittlerweile ziemlich ausgelutschten Topoi Blut und Sperma hinzuerfunden oder mangels Quellen hinzuspekuliert haben?
Ich habe im Frühling angefanden,
Carsten Jensen: Wir Ertrunkenen (Roman!)
zu lesen. Anfangs geht's dabei um das Gefecht bei Eckernförde Gefecht bei Eckernförde ? Wikipedia .
Was in meinem kranken Hirn hängengeblieben ist: Früh im Gefecht bzw. kurz davor sollen sich die Gedärme der dänischen Seeleute mal eben von selbst entleert haben. Es wird vom Autor Wert darauf gelegt, dass es sich bei diesen zum allergrößten Teil nicht um Veteranen, sondern um zum Kriegsdienst gezogene Handelsschiffsmatrosen ohne Gefechtserfahrung handelt. Es wird jedenfalls in der Folge ausführlich geschildert, wie sehr die Decks stanken und die Dänen in ihrer eigenen Sch... mit voller Büx kämpften.
Auch in der angelsächsischen Unterhaltungsliteratur scheint dieses Thema in letzter Zeit stärker in den Vordergrund zu rücken. Aufgefallen ist es mir im Film "Der Adler der neunten Legion" und in den Römerromanen von Anthony Riches. Das ist jetzt alles andere als eine saubere Statistik aber ich habe eine (subjektive!) Feststellung und ein paar Fragen:
Zur Feststellung: Ich habe (ohne Norman Mailer und Konsorten wirklich gelesen zu haben) den Eindruck, dass das "Kotzen" und "Sich die Hosen voll machen" insbesondere eingangs einer Schlacht oder während des nervenzerfetzenden Wartens in der jüngsten Populärliteratur stärker thematisiert wird.
Falls das stimmt: Könnte diese Thematik zum größeren Komplex bezüglich eines Wandels von der "Heldengeschicht(en)sschreibung" (Feldherr ganz hinten und ohne große Gefahr für die eigene Gesundheit und deswegen ganz cool) hin zu einer mehr auf den kleinen Mann fokussierten Literatur gehören?
Zu den Fragen: Ich halte das ganze für ganz und gar nicht unrealistisch. "Sich vor Angst die Hosen vollmachen" oder einem "geht der K...upferstift" sind mit Sicherheit nicht ohne Grund sprichwörtlich geworden. Was mich aber verblüfft ist, dass sämtliche von mir gelesenen Quellen sich in dieser Hinsicht vollkommen ausschweigen. Mein Schwerpunkt liegt bei der Seefahrt des 18./19. Jahrhunderts und geht quer über alle Schichten. Gewalttätigkeiten gab es in der Zeit mehr als genug und nicht jeder der Beteiligten war ein Stoiker oder ein Held. Dass man sich selbst natürlich in Brief und Erinnerungen keine Blöße geben will, ist sicherlich nachvollziehbar. Aber auch wo weniger sympathische Zeitgenossen geschildert werden, werden die zwar gerne schon mal der Feigheit geziehen, aber die oben geschilderte Panikreaktion bleibt aus.
Gibt es andere Quellenbereiche aus anderen Epochen, wo so etwas thematisiert wird? Lässt sich ein Zusammenhang zur Kampfesweise ziehen: Nahkampf schlimmer als Fernkampf oder egal? Wann lassen die Muskeln los? Eher während des Wartens oder wenn's los geht? Oder sogar erst (oder nochmal) gegen Ende, wenn die eigene Seite sich in der beginnenden Niederlage auflöst? Macht es einen Unterschied, ob man in enger Formation oder aufgelockert zugange ist?
Oder sollte ich einem Topos aufgesessen sein, den erst moderne Romanautoren im Kampf gegen die mittlerweile ziemlich ausgelutschten Topoi Blut und Sperma hinzuerfunden oder mangels Quellen hinzuspekuliert haben?
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