Germanienpolitik und geostrategische Überlegungen von Cäsar bis Tiberius

Also im Prinzip schließe ich mich Maelonn an.

Eigentlich war doch Germanien ein recht unatraktives Land für die Römer. Die Germanen kannten keine Städte, welche man plündern konnte und in den Siedlungen bzw. Gehöften gab es nicht viel zu holen. Außerdem war das Land aus Sicht der Römer doch eher "unwirklich" mit all den Sümpfen, Wäldern und dem eher rauhen Klima. Auch mit den Bodenschätzen verhielt es sich doch eher ärmlich.
Strategisch gesehen, könnte man an eine Grenzverschiebung evt. glauben, zumal weiter im Osten doch eher wilde und unbekannte Völker warteten. Aber ob das wirklich der Grund war?

Wahrscheinlich ist eher, daß alles eine simple Erklärung findet: Nämlich Großmachtstreben!

Rom hatte nahezu die gesamte (damals bekannte) Welt erobert. Und ausgerechnet solch barbarische Völker im Norden konnten sich widersetzen? Nein, so etwas konnte man nicht auf sich sitzen lassen.

Hinzu kommt sicherlich auch diese "Angst" vor der Bedrohung Roms durch die nordischen Völker. Stichwort Kimbern und Teutonenzüge oder auch die Plünderung Roms weit vorher durch die Kelten.
 
Salvus, da unterschätzt du den Reichtum germanischer Länder gewaltig. Es gab nicht nur reichlich Bodenschätze, sondern auch Bernstein, welches von der Ostee bis zum schwarzen Meer gehandelt wurde. Wichtig ist auch germanischer Stahl und Pelze. Nicht zu vergessen ist der Sklavenmarkt; blonde Männer und vor allem Frauen waren unheimlich teuer. Und wenn es nur darum ginge reiche Städte und Länder zu besiedeln, dann wäre man nie nach Gallien gegangen, denn da sah es vor den Römern auch nicht besser aus als in Germanien. Die Römer haben auch kein Problem mit Sümpfen (ich erinnere dich bloß mal daran dass Rom und sein Norden selbst aus Sümpfen bestand).

Großmachtstreben? Nein, das trifft auf die Römer selten zu. Da saß niemand an einer strategischen Karte und hat mit seinen Beratern die beste Strategie besprochen um die Welt zu erobern. Rom "rutschte" häufig in Konflikte, was zwar bei den Kriegen mit den Germanen nicht so ist, aber trotzdem kann man nicht behaupten sie resultierten aus Roms Machtstreben. Man kann auch nicht sagen, dass sie die gesamte bekannte Welt erobert hatten. Den Römern war weitaus mehr von der Welt bekannt als du denkst.

Am plausibelsten finde ich deinen letzten Punkt, den du nur sehr kurz hältst. Man kann den Römern viele Attribute nachsagen. Aber eines ist für mich sehr wichtig: Sie vergessen nichts! Wer ihnen mal auf die Füße getreten ist, kann vielleicht 5, 10 oder 20 Jahre ruhig weiterleben. Aber irgendwann kommen die Römer und dann rächt man sich. Das hat mit der Mentalität der römischen Oberschicht zu tun. Wer viel Ruhm erntet, hat auch viel zu sagen, weshalb man sich häufig alter Feindbilder bedient, den Hass im Volke schürt und sie später platt macht.
Diese Punkte lassen sich sehr gut an Beispielen der römischen Geschichte ersehen. Ich nenne da mal nur Karthago, Jugurta und Mithridates.
Ich würde zwar nicht so weit gehen zu sagen dass nur die Angst vor den Germanen ausschlaggebend war. Aber er trug sicher einen großen Teil bei. Der restliche Teil wird einfach der gewesen sein, dass man römisches Recht und Zivilisation an den Grenzen haben wollte.
 
Salvus, da unterschätzt du den Reichtum germanischer Länder gewaltig.
Ich fürchte eher, du überschätzt ihn.
Bernstein und Pelze? Ist doch kein Massengut und außerdem kommt er erst am äußersten Ende der Welt (aus römischer Sicht) vor.
Stahl? Doch nicht die Germanen mit ihren wenigen, miesen Klingen aus Rasenerz.
...denn da sah es vor den Römern auch nicht besser aus als in Germanien.
Oh doch. Es gab in Gallien große Siedlungen (Oppida) und ein taugliches Wegenetz.
Blonde Sklaven? Die kamen nie in der erwünschten Menge herein. Es gab keine germanischen Städte wie rund ums Mittelmeer, die bei einer Einnahme auf einen Schlag Tausende Gefangene lieferten.

Angst vor den Germanen? Bestimmt mehr vor dem Land.
 
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germanischer Stahl
[mod]Wird jetzt hier weiterdiskutiert: http://www.geschichtsforum.de/f328/welands-geheimnnis-der-stahlherstellung-mit-gefl-gelkot-31133/ [/mod]
Das keltische Gallien war auch nicht mit Germanien zu vergleichen. Die Kelten besaßen Städte bzw.stadtähnliche Oppidae sowie die entsprechenden Infrastrukturmaßnahmen wie ein Strassenetz,Fernhandel,Währungen, Bergbau , usw. ,war also,abgesehen vom Zentralismus dem Imperium viel ähnlicher als die Wälder Germaniens. Bis zur Limesgrenze hat diese keltisch geprägte Oppida-Kultur auch bis zur Zeitenwende existiert (s.a. Ubier-Thread).

Auch den Punkt Großmachtstreben würde ich wie Eohan eher kritisch sehen, Zum einen ist wirklich fraglich ,ob eine solche Einstellung tatsächlich damals existierte, zum anderen richtet sich ein solches Großmachtstreben in der Regel gegen Rivalen um die Weltmachtstellung. Die Konflikte mit Carthago,Griechenland,Makedonien und den Parthern wären so erklärbar, aber nicht die Eroberung eines zivilisatorisch wie ökonomisch unbedeutenden Gebietes wie Germanien.

Was mir aber immer noch nicht einleuchtet ist der Vorteil der Elbgrenze gegenüber der Donau-Rheingrenze.
Bezieht man die Küstenlinien als Grenzlinie mit ein,so entsteht durch die Elbgrenze gerade keine Grenzverkürzung sondern eine erhebliche Verlängerung. Dazu kommt die Tatsache,daß eine Versorgung durch die Flotten über die Flüsse aus der "Tiefe des Reiches" im Gegensatz zu Rhein und Donau nicht gewährleistet gewesen wäre.Die Logistik wäre ohnehin das Problem der Elbgrenze gewesen,denn man hätte mehrere größere Flüsse wie die Weser oder Gebirge wie den Harz überqueren müssen .

Vpelleicht aus diesen Gründen hatte bereits Tiberius erkannt,daß die Elbgrenze keinerlei Vorteile gegenüber der Rhein-Donaugrenze bot.
 
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Ich fürchte eher, du überschätzt ihn.
Bernstein und Pelze? Ist doch kein Massengut und außerdem kommt er erst am äußersten Ende der Welt (aus römischer Sicht) vor.
Stahl? Doch nicht die Germanen mit ihren wenigen, miesen Klingen aus Rasenerz.
Oh doch. Es gab in Gallien große Siedlungen (Oppida) und ein taugliches Wegenetz.
Blonde Sklaven? Die kamen nie in der erwünschten Menge herein. Es gab keine germanischen Städte wie rund ums Mittelmeer, die bei einer Einnahme auf einen Schlag Tausende Gefangene lieferten.

Angst vor den Germanen? Bestimmt mehr vor dem Land.

Dass es keinen Massenhandel von diesen Gütern, vergleichbar mit den Handelszentren im Mittelmeer gab ist klar. Jedoch war es auch kein unerheblicher Handel. Der Name Bernsteinstraße sagt ja schon was aus.

Du täuschst dich wenn du den Germanen schlechte Schmiedekunst unterstellst. Sie hatten auch mitnichten nur Rasenerz zur Herstellung. Es gab regelrechte Schmiedezentren.

Die paar "großen Siedlungen" kann man an einer Hand abzählen. Sicher nicht genug um den Römern Gewinnabsichten bei der Eroberung Galliens zu unterstellen. Bei zahlreichen römischen Autoren wird Gallien als wild und ohne Zivilisation dargestellt. Genau wie Germanien.

Man den Punkt mit den Sklaven auch so sehen: Es gibt keine nennenswerten Probleme bei der Plünderung von Gehöften, weil sie zu klein sind. Dadurch wäre es einfacher an Sklaven zu kommen, man muss nicht erst monatelang belagern.

Du irrst auch wenn du denkst die Römer hätten keine Angst vor den Germanen gehabt. Genau wie bei der gallischen Eroberung von Rom, blieben auch die germanischen Einfälle und Plünderungen im Bewusstsein. Der sogenannte "furor teutonicus" ist vielsagend.


Und nebenbei: Den Begriff "Oppida" mit Stadt /großer Siedlung gleichzusetzen ist gefährlich. Allein mein Stowasser nennt 5 weitere Bedeutungen. Eine wirkliche Stadt wird dadurch selten bezeichnet, dann schon eher die "urbs".
 
Die paar "großen Siedlungen" kann man an einer Hand abzählen. Sicher nicht genug um den Römern Gewinnabsichten bei der Eroberung Galliens zu unterstellen.
@Eohan, was du behauptest stimmt einfach nicht. Dann schau mal im Web betr. Manching oder Alesia nach.
Bei zahlreichen römischen Autoren wird Gallien als wild und ohne Zivilisation dargestellt.
Dann nenne uns doch mal ein paar Zitate, die das so "für ganz Gallien" belegen. Was übrigens Cäsar nicht hinderte, sich durch seinen Privatkrieg dort gründlich finanziell zu sanieren. Oder glaubst du, er hat das gallische Gold dort selbst in den Cevennen gewaschen oder Hinkelsteine aus Aremorica in Rom verkauft?
Du täuschst dich wenn du den Germanen schlechte Schmiedekunst unterstellst. Sie hatten auch mitnichten nur Rasenerz zur Herstellung. Es gab regelrechte Schmiedezentren.
???Wo sollen diese Zentren um Chr. Geburt gestanden haben? Ausgrabungen oder sonstige Belege?

Man den Punkt mit den Sklaven auch so sehen: Es gibt keine nennenswerten Probleme bei der Plünderung von Gehöften, weil sie zu klein sind. Dadurch wäre es einfacher an Sklaven zu kommen, man muss nicht erst monatelang belagern.
Nun wird es völlig verrückt. Den antiken Sklavenmarkt füllte man nicht mit Überfallen auf ein paar verstreute Waldweiler in Hessen, sondern mit den gefangenen Einwohnern der Metropolen Syriens, Griechenlands und Kleinasiens.
 
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@Eohan, was du behauptest stimmt einfach nicht. Dann schau mal im Web betr. Manching oder Alesia nach.
Dann nenne uns doch mal ein paar Zitate, die das so "für ganz Gallien" belegen. Was übrigens Cäsar nicht hinderte, sich durch seinen Privatkrieg dort gründlich finanziell zu sanieren. Oder glaubst du, er hat das gallische Gold dort selbst in den Cevennen gewaschen oder Hinkelsteine aus Aremorica in Rom verkauft?
???Wo sollen diese Zentren um Chr. Geburt gestanden haben? Ausgrabungen oder sonstige Belege?

Nun wird es völlig verrückt. Den antiken Sklavenmarkt füllte man nicht mit Überfallen auf ein paar verstreute Waldweiler in Hessen, sondern mit den gefangenen Einwohnern der Metropolen Syriens, Griechenlands und Kleinasiens.

1. Manching liegt nicht im früheren Gallien. Alesia lass ich gelten. Sonst noch Beispiele für florierende große Siedlungen? Wenn nicht, dann passt das ja mit "an einer Hand abzählen"
2. Wenn schon, dann zitier bitte richtig. Ich schrieb nie "ganz Gallien". In Norditalien und mit Massilia gibt es schon ausgeprägtere städtische Strukturen auf keltischem Boden, wobei Massilia selbstverständlich eine griechische Kolonie war.
3. Versteh ich dich richtig, dass Caesar den gallischen Krieg führte weil er sich dort privat bereichern wollte und das ausgereicht hätte um seine Schulden zu tilgen?
4. Ich fürchte du hast meinen post, der als Erwiderung für Salvus gedacht war missverstanden. Es ging mir nie darum die Wirtschaft und den zivilisatorischen Fortschritt von Galliern und Germanen zu vergleichen. Meine Intention war darzustellen, ob sich Rom mangels Beuteaussicht von einer Invasion Germaniens abhalten ließ. Meine Meinung dazu war, dass dem nicht so sein konnte, weil Germanien nicht so finster und hinter dem Mond gewesen ist, wie allgemein angenommen. Und dass es sich dort genauso gelohnt hätte wie in Gallien.
5. Ein solches Zentrum soll sich bei Berlin befunden haben. Eine regelrechte Verhüttungsanlage.
6. Es geht nicht um die Füllung mit Sklavenmassenware. Sondern um exotische Blonde, die sicher ein vielfaches der Normalen eingebracht hätten. (ich gebe zu, dass ich nicht weiß wievielfach).
7. Es sprach nie jemand von der Zeit um Christi Geburt, da verfälschst du meinen Text.

In diesen Punkten lasse ich gerne mit mir streiten, ich gebe zu, dass man da vieles interpretieren kann und sich nicht alles mit Beweisen erhärten lässt. Ich werde mir jetzt aber nicht die Arbeit machen in Quellen zu wälzen, die ich vor längerer Zeit gelesen habe um eine Stelle zu finden, die ich so noch im Gedächtnis habe. Ich habe heut Abend durchaus noch was anderes zu tun. Wenn du dir die Arbeit machen willst, dann schau mal in Strabo's drittem Buch (jaja... ich weiß, kein Römer...)

Und: Entschuldige bitte die Wortwahl, aber momentan argumentierst du etwas nervig.
 
Zu deiner "Handvoll" kann man hier eine ganze Liste im Detail nachsehen:
http://de.wikipedia.org/wiki/Oppidum_(Kelten)

Manching und die anderen Orte in Süddeutschland sind keine germanischen sondern keltische Siedlungen gewesen, also ist hier der Vergleich mit Gallien schon angebracht.
2. Wenn schon, dann zitier bitte richtig. Ich schrieb nie "ganz Gallien". In Norditalien und mit Massilia gibt es schon ausgeprägtere städtische Strukturen auf keltischem Boden, wobei Massilia selbstverständlich eine griechische Kolonie war.
Das klingt schon anders als deine Aussage zum "wilden unzivilisierten" Gallien.
3. Versteh ich dich richtig, dass Caesar den gallischen Krieg führte weil er sich dort privat bereichern wollte und das ausgereicht hätte um seine Schulden zu tilgen?
So kann man es wohl nennen. Wiki schreibt lapidar:
Die gewaltige Kriegsbeute und die Tribute der Unterworfenen nutzte er zur Finanzierung seiner Armee und für den politischen Machtkampf in Rom.
Ich werde mir jetzt aber nicht die Arbeit machen in Quellen zu wälzen...
Dann wundere dich nicht über Widerspruch in der Diskussion.
 
Ok, die Liste ist lang. Aber es kommt hier wieder das zum Vorschein, was ich zuvor sagte:
Den Begriff "Oppida" mit Stadt /großer Siedlung gleichzusetzen ist gefährlich. Allein mein Stowasser nennt 5 weitere Bedeutungen. Eine wirkliche Stadt wird dadurch selten bezeichnet

Steht ja so auch in der Wiki drin. Ein oppidum ist hauptsächlich ein befestigter Ort, meist auch eine Garnison.
Ich gehe mit 100 Leuten auf einen Hügel, trage eventuelles Gestrüpp ab, trockne eventuell vorhande Feuchtstellen, errichte einen Versammlungsort baue mit Holzpflöcken einen hohen Zaun... fertig ist das oppidum.
 
Ich gehe mit 100 Leuten auf einen Hügel, trage eventuelles Gestrüpp ab, trockne eventuell vorhande Feuchtstellen, errichte einen Versammlungsort baue mit Holzpflöcken einen hohen Zaun... fertig ist das oppidum.

Bibracte, Alesia und Gergovia schätzt man auf 5000-10000 Einwohner. Fläche Manching 380 ha, Donnersberg 240 ha und Michelsberg ca. 600 ha. Sowas errrichten nicht schnell mal 100 Leute.
 
Dann frag ich auch mal: Kannst du mir Quellen oder Ausgrabungsberichte liefern?
 
Eohan schrieb:
Nicht zu vergessen ist der Sklavenmarkt; blonde Männer und vor allem Frauen waren unheimlich teuer.
Hat ein Gutsbesitzer für einen blonden Landarbeiter mehr bezahlt als für einen rothaarigen oder einen glatzköpfigen?
Das möchte ich mal bezweifeln. Für den Wert von Sklaven waren andere Dinge entscheidend. So war ein griechischer Sklave mit hoher Bildung als Hauslehrer unheimlich teuer. Dagegen war eine Frau als "Haushaltshilfe" ein richtiges Schnäppchen. Der einzige Markt, bei denen die Haarfarbe eine Rolle spielte, war bei Mädchen, welche für die Prostitution oder als Lustsklavin vorgesehen waren. Aber mal realistisch gesehen, hätte das römische Imperium einen jahrzehntelangen Krieg geführt, damit ein paar Gutbetuchte (nur die wenigsten Römer konnten sich Sklaven leisten) blonde Mädchen ins Schlafzimmer bekommen? Die hätte man von germanischen Sklavenhändlern auch ohne Kriegszug kaufen können. Wobei ich mich gerade frage, welche Haarfarbe hatten eigentlich die keltischen Frauen?
 
@flavius: Der einzige Markt, bei denen die Haarfarbe eine Rolle spielte, war bei Mädchen, welche für die Prostitution oder als Lustsklavin vorgesehen waren.
Das ist imho etwas einseitig (und schlüpfrig) gedacht. Sklaven wurden ja nicht nur in Latifundien gesteckt. Blonde Germanen hatten wohl eher den Wert für Repräsentation als Leibwache, Sänftenträger, Aufwartung bei Tisch etc.
Fischer-Fabian hat ausnahmsweise mal Recht, wenn er das mit dem Besitz eines Porsche oder Mercedes vergleicht. Diese nimmt man auch nicht, um einem Sack Kartoffeln + Kasten Bier von A nach B zu schaffen.
Eine ähnliche Rolle dürfte dunkelhäutigen Nubiern zugekommen sein.
 
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Steht ja so auch in der Wiki drin. Ein oppidum ist hauptsächlich ein befestigter Ort, meist auch eine Garnison.
Ich gehe mit 100 Leuten auf einen Hügel, trage eventuelles Gestrüpp ab, trockne eventuell vorhande Feuchtstellen, errichte einen Versammlungsort baue mit Holzpflöcken einen hohen Zaun... fertig ist das oppidum.

Ein Oppidum war weit mehr als eine von Gestrüpp befreite Fläche mit ein paar Holzpfosten drumherum. Schon der von Dir verwendete Ausdruck "Garnison" deutet das an. Eine Garnison ist nämlich ein ständig besetztes Militärlager, und sowas kann es nur geben, wenn es ein stehendes Heer gibt. Bei den Germanen gab es das nicht. Die Oppida waren - unabhängig von der tatsächlichen Zahl ihrer Bewohner - Zentralorte, von denen aus die Stämme geführt und verwaltet wurden. Wer im Oppidum herrschte, hatte den Stamm unter Kontrolle. Das war für die Römer der Schlüssel zum Erfolg bei ihrem Bemühen, Gallien und Süddeutschland zu erobern. So hat Rom die ganze keltische Welt, die sich keltisch "benommen" hat (also die Oppida-Kultur), in sich aufgesogen. Das ist der Nachteil bei zentralen Herrschaftsstrukturen: Sie stellen für einen Angreifer ein Ziel dar, können zerschlagen oder auch für eigene Zwecke nutzbar gemacht werden.

Interessant ist der Umstand, dass Oppida, die nördlich des späteren Limes gelegen haben, offenbar während der römischen Okkupationsphase aufgegeben worden sind. Bonn, Bensberg und Dünsberg fallen mir da ein. Es ist denkbar, dass die dort lebenden Völker die "Schwachstelle" ihres politischen Systems erkannt und entsprechend reagiert haben. So ist in Sichtweite des Dünsbergs etwa um die gleiche Zeit die Stadtgründung bei Waldgirmes entstanden. In Sichtweite von Bensberg lag das romanisierte Oppidum Ubiorum. Beides könnte man so interpretieren, dass die Römer auch in Germanien versucht haben, die vorhandenen Herrschaftsstrukturen unter ihre Kontrolle zu bringen und so die besiegten Völker in den Griff zu bekommen.

Wenn es so war, war dieser Plan von Vornherein zum Scheitern verurteilt, weil es in den germanischen Stämmen keine zentralen Herrschaftsstrukturen gab. Das führte dazu, dass eine "andere Art" von Krieg hätte geführt werden müsste. Militäraktionen richten sich zum überwiegenden Teil nicht so sehr gegen Menschen sondern gegen Organisationsstrukturen. Sprich: Ein Heer ist besiegt, wenn es dem Gegner gelingt, den Nachschub abzuschneiden, die Kommunikationswege zu kappen und die Führung an ihrer Tätigkeit zu hindern. Clausewitz zum Beispiel schreibt ausdrücklich, dass er unter "Vernichtung" nicht das massenhafte Töten von Menschen versteht. Gegen Heere, die nicht zentral geführt werden, stößt diese Taktik ins Leere. Solche Kriege richten sich dann wieder leicht gegen die Menschen und pflegen schnell "dreckig" zu werden. Einige Germanicus-Aktionen zeigen das. Zum Beispiel die Massaker unter den Marsern. Das hat die Römer meiner Ansicht nach aber nicht dem Erfolg näher gebracht, sondern nur zu einer weiteren Eskalation geführt. Auch so eine Erkenntnis, die man aus der Geschichte ziehen kann: Kriege verselbstständigen sich manchmal und sind dann kaum noch zu beenden.

Das alles haben die Römer meiner Ansicht nach irgendwann erkannt und den Krieg abgebrochen - oder, wie Tacitus sagt, verloren gegeben.

Noch ein Nachsatz zu dem ökonomischen Nutzen, den Germanien für die Römer hatte: Ich denke, dass es anfangs kaum einen solchen ökonomischen Nutzen gab. Die germanischen Stämme haben kaum Überschüsse produziert. Sklaven und Krieger. Mehr war da anfangs nicht zu holen. Das war aber auch im Rheinland nicht anders, und da haben die Römer innerhalb relativ kurzer Zeit ein florierendes Wirtschaftssystem aus dem Boden gestampft. Es gab also in Germanien nichts zu holen, aber man konnte was draus machen. Das war meiner Einschätzung nach aber nur eine Nebenerwägung. Den Anstoß für den Okkupationsversuch sehe ich im Bestreben, die Rheingrenze zu sichern: Zunächst wollte man die jenseits der Grenze wohnenden Stämme abhalten, dann wollte man sie mit einer Art offensiver Verteidigung besiegen und einschüchtern, dann wurde daraus der Versuch, die Stämme in caesarischer Tradition zu unterwerfen. Wenn ich mich richtig erinnere, hat Augustus das als eine Art Verpflichtung gesehen, die Caesar ihm hinterlassen hat.

MfG
 
3. Versteh ich dich richtig, dass Caesar den gallischen Krieg führte weil er sich dort privat bereichern wollte und das ausgereicht hätte um seine Schulden zu tilgen?

Das war Usus in der Spätphase der Republik: Man verschuldete sich bei Crassus um die Wahlkämpfe zu finanzieren und zahlte alles während bzw. nach dem Prokonsulat zurück. Das Prokonsulat war somit eine institutionalisierte Form der Ausbeutung der Provinzen,w eshalb auch ein Satz über Varus, dass er arm ins reiche Syrien ging und reich aus dem armen Syrien zurück kam, letztlich Heuchelei ist. Es gibt nur einen bekannten Fall, in dem ein römische Prokonsul dies so übertrieben hat, dass er angeklagt wurde: Varres. Hier war aber nicht die Ausbeutung Siziliens das Problem, sondern die Brutalität, die Verres dabei anwendete. Nachzulesen bei Cicero, in Verrem.
 
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Maelonn schrieb:
Bonn, Bensberg und Dünsberg fallen mir da ein. Es ist denkbar, dass die dort lebenden Völker die "Schwachstelle" ihres politischen Systems erkannt und entsprechend reagiert haben. So ist in Sichtweite des Dünsbergs etwa um die gleiche Zeit die Stadtgründung bei Waldgirmes entstanden. In Sichtweite von Bensberg lag das romanisierte Oppidum Ubiorum.

Beim Britannienfeldzug sind die Römer ähnlich vorgegangen - die Oppida durften wahrscheinlich nicht mehr besiedelt werden, stattdessen wurden in deren Nähe Flachlandsiedlungen gebaut. Am Dünsberg kämpften römische Soldaten möglicherweise gegen Bewohner des Oppidums.
Das Enddatum des Dünsbergs ist aber ebenso heiß umstritten wie die Deutung der dort zahlreich gemachten römischen Waffenfunde.

Es scheint allerdings doch so, als habe es eine mehrjährige (mindestens 5, eventuell 15-20 Jahre) Besiedlungslücke im Vergleich zu Waldgirmes gegeben. Die Gegend an der mittleren Lahn ist sowieso in den letzten Jahren sehr interessant, weil an mehreren Stellen bisher unbekannte germanische Siedlungen in Zeitstellungen von der jüngeren Eisenzeit bis in die Spätantike gefunden wurden.

Spektakulär schlägt sich das natürlich im Falle der Waldgirmeser Reiterstatue, von der Überreste wenige Kilometer weiter in einem germanischen Fundplatz bei Wetzlar entdeckt wurden.
 
Ähnliches dürfte auch für Iuvarum und den Magdalensberg/Virunum gelten. Ob diese Siedlungen aufgrund von militärischen Druck oder aber friedlich aufgegeben wurden, ist nicht bekannt. Allerdings wurden beide male die indigene Siedlung aufgegeben und zwar zugunsten der römischen Siedlung.
 
Ähnliches dürfte auch für Iuvarum und den Magdalensberg/Virunum gelten. Ob diese Siedlungen aufgrund von militärischen Druck oder aber friedlich aufgegeben wurden, ist nicht bekannt. Allerdings wurden beide male die indigene Siedlung aufgegeben und zwar zugunsten der römischen Siedlung.


Wahrscheinlich eine Mischung aus beidem. Im Falle des Oppidums Hod Hill (Südengland) ist eindeutig, dass die Römer den Einheimischen nicht die Kontrolle über die mächtigen Wehranlagen überlassen wollten - die Siedlung im Oppidum bestand zwar weiter, gleichzeitig entstand in dessen einer Ecke eine römische Garnison.

Auf lange Sicht dürften es aber auch wirtschaftliche Gründe gewesen sein, welche die indigenen Bevölkerungen bewogen, in den neuen Siedlungen zu bleiben. Flachlandsiedlungen bieten meist deutlich bessere Ernährungsbedingungen und sind leichter zu verwalten.
 
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