@ Dion: Tja, also, die Protestanten waren nun auch nicht so unbedingt antiautoritär. Schau mal ins Dritte Reich. Trennung von monarchischem Staat und Religion kam bei ihnen in Deutschland auch erst 1918 mit der Abdankung Wilhelms II..
Aber man kann sich ja auch einmal die Tatsachen anschauen. (Mal abgesehen davon, dass ich solche Hasspredigten per se ablehne und religiöse Schwanzvergleiche jenseits des Scherzes für unpassend halte.)
Als christliche Ordnung galt lange die Monarchie, die keinesfalls mit Diktatur oder gar Tyrannis gleichzusetzen ist. Zudem sind die Staatsformen des Aristoteles nicht mit späteren Begriffen zu verwechseln. Seine Demokratie ist nicht unsere Demokratie. Mit den realen politischen Organisationsformen der Antike ist nicht anders. Die attische Demokratie ist ein Drittes und noch dazu kann man diskutieren, ob Athen damals ein Staat war.
Staaten entwickelten sich -zunächst theoretisch- seit dem Hochmittelalter. Zuvor war einfach der Römerbrief 13, 1 Richtschnur: "Es gibt keine Obrigkeit ohne von Gott, und wo immer eine besteht, ist sie von Gott verordnet." Nunmehr stellte sich aber die Frage, wie Christen ihre Staaten ordnen sollten und was man gegen ungerechte Ordnungen unternehmen dürfe. Das Konzil von Konstantin z verurteilte den Tyrannenmord, doch gehört das unter die zumindest Interpretationsbedürftigen Beschlüsse unter der Hegemonie Sigismund, auf den des Öfteren Attentäter angesetzt waren. Teile der Kirche - schon Thomas von Aquin, später die Jesuiten - haben immer den Tyrannenmord unter bestimmten Umständen verteidigt.
Auch welche Staatsform dem Christentum besonders angepasst wurde, wurde seit jener Zeit nie ganz einfach mit Monarchie beantwortet. Formen der Demokratie waren immer in der Diskussion. Kirchenobere standen oft im Zwiespalt von Ideal und Praktikabilität. Gerade Luther ist da ein wichtiges Beispiel für die Frage nach der Bedeutung der Obrigkeit in dieser Hinsicht. Hinzu kam, dass man die Staatsformen nicht aus der Religion, sondern vorwiegend, aber nicht nur aus dem Naturrecht begründen wollte. In der Auseinandersetzung des 19. Jahrhunderts wurde dargelegt, dass verschiedene Staatsformen mit dem Christentum vereinbar seien. Konsequenterweise erklärte die Enzyklika 'Immortale Dei' 1885 die Neutralität der römisch-katholischen Kirche gegenüber den Staatsformen. Das galt -wohl gemerkt- nur für eine Staatsform, die "den gemeinsamen Nutzen und das Gemeinwohl bewirkt." Das zweite vatikanische Konzil erklärte dann den Rechtsstaat mit Menschenrechten, Gewaltenteilung und Demokratie als zentralen Punkten der Ausgestaltung zur Leitlinie.
Der Protestantismus lehnte bis in die 20er/30er Jahre die Demokratie weitgehend ab. Angesichts der offeneren Struktur lassen sich andere Beispiele nennen und angesichts der Diktatur unterstelle ich nicht, dass das in Deutschland bis 1945 die Mehrheit so sah.
Offiziell allerdings bekannte sich die Evangelische Kirche in Deutschland erst 1985 zu Demokratie und Rechtsstaat. Natürlich war das so spät eher das Nachholen von bisher Versäumtem, dennoch war, wenn hier schon Schwanzvergleiche gewünscht werden (
), die Katholische Kirche da ca. 20 Jahre schneller.
Die 'diktatorische' Kirchenregierung ist natürlich auch ein Mythos. Für die Inanspruchnahme der Unfehlbarkeit durch den Papst gibt es klare Vorgaben. Unter anderem muss der Papst auf die Unfehlbarkeit verweisen. Das kam bisher dreimal vor. Da es zu den heutigen Vorurteilen gehört, dass die Äußerungen eines Papstes unfehlbar sind, hat z.B. Papst Benedikt außerhalb von Lehrschreiben regelmäßig betont, dass die jeweilige Äußerung die Unfehlbarkeit nicht in Anspruch nehmen.
Die Unfehlbarkeit wurde zur Abwehr des Anspruchs der meisten Staaten Europas, zu bestimmen, was Katholiken glauben durften eingeführt. Da diese Kirche so zu beschimpfen ist schon ziemlich daneben.
Und wer genau gelesen hat, dürfte auch merken, dass das Christentum seit dem späten Mittelalter durchaus Ansätze zur Demokratie bot. Allerdings gehe ich davon aus, dass der Bischof seine Äußerungen anders meinte. Er sieht gemeinsame Werte der Demokratie und des Christentums, aufgrund der die Bejahung der Demokratie christlichen Ländern einfacher fällt, als z.B. den Ländern des Islam, der in der immer noch vorwiegenden Interpretation eine Form der Monarchie als Ideal erblickt. Öfter begegnet man umgekehrt dem Argument, dass die Auseinandersetzung mit dem Christentum die europäische Demokratie christlich gemacht habe, so dass sie von islamischen Ländern nicht einfach übernommen werden sollte. Meines Wissens spielte das während des arabischen Frühlings eine Rolle, als man versuchte nach dem Vorbild christlich-konservativer und demokratischer Parteien in Europa, z.B. des Zentrums, entsprechende islamische Parteien zu gründen und sich fragte, wie ein islamischer und demokratischer Rechtsstaat aussehen kann. Aber da gerät mir das Thema schon zu nahe an die Tagespolitik.