thanepower
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Diese Statik war die wahrhaft prägende Kraft der Geschichte.
Diese Sichtweise trifft wohl kaum zu! Mit der Moderne und einer zunehmend differenzierter agierenden und komplexer werdenden Realität ergibt sich zunehmend das Interesse an objektiven und validen Deutungsmustern, die der Komplexität und der Dynamik der Realität einen Sinn geben.
Die zentralen Faktoren dieser komplexitätserzeugenden Entwicklung sind dabei u.a. die zunehmende Bedeutung der Nationalstaaten, das zunehmende Bevölkerungswachstum, die deutliche Zunahme der industriellen Produktion und die Wahrnehmung der ökölogischen Kosten dieser Entwicklung.
Vor diesem Hintergrund argumentiert Wallerstein m.E. völlig zu Recht, dass diese komplexen Prozesse nicht durch die isolierten Sichtweisen von Teildisziplinen, wie die Historiographie, die Wirtschaftswissenschaften, die Politologie oder die Soziologie alleine zu erklären sind, sondern durch einen holistischen Zugang zu allen Bereichen der Weltgesellschaft erklärt werden sollten [13, bes. Kapitel 1]. Diese holistische Analyse hat er dann im Rahmen eines undogmatischen neo-marxistischen Ansatzes im Rahmen einer – international anerkannten – mehrbändigen Edition vorgelegt.
Neben ihm, so Conrad, hat die Globalgeschichte der Entwicklung der Menschheit deutlich an Aufmerksamkeit gewonnen und liefert wichtige Informationen, die basierend auf der Vergangenheit, der wichtigste brauchbare Prediktor für mögliche alternative Zukünfte bietet [6].
Ein aktuell diskutierter alternativer neo-liberaler Ansatz, der eine holistische Sicht auf die Entwicklung der menschlichen Gesellschaft bietet, liegt in der Arbeit von Acemoglu vor [2]. In Anlehnung an Arbeiten von Lipset argumentieren er und Robinson, dass bestimmte Verteilungsmuster in kapitalistischen Wirtschaftssystemen in Kombination mit demokratischen Strukturen die nachhaltigste Befriedigung einer Gesellschaft bietet [1].
Ein dritter Ansatz, der von Mann, setzt sich durch den Bezug auf Max Weber von den beiden vorherigen Ansätzen ab und erklärt im Rahmen einer ebenfalls mehrbändigen Edition die Funktionsweise von Gesellschaften durch das Vorhandensein von Eliten, die mit bestimmten, rivalisierenden Machtquellen ausgestattet [beispielsweise 12].
In ähnlicher Weise versuchen beispielsweise Jared [beispielsweise 7] und Ferguson [8] komplexe Erklärungen vorzunehmen, wie die Entwicklung von Gesellschaften erklärbar werden kann und welche Einsichten sich daraus für die Zukunft gewinnen lassen.
Und genau das ist der entscheidende Punkt, auf den vor allem auch Wallerstein verweist, dass die Legitimation von Wissenschaften sich auch daraus generiert, dass sie – neben der Grundlagenforschung - auch für die sozialen und politischen Anspruchsgruppen in einer Gesellschaft Informationen und Wissen bereitstellen, die für die politischen Entscheidungen relevant sein sollten.
Dass die Moderne sich mittlerweile in eine „zweite Moderne“ „verwandelt“ hat, belegen beispielsweise die Arbeiten von Albrow [3], von Giddens [9, 10] oder auch sehr deutlich die Thesen zur Risikogeselllschaft von Beck [4, 5]. Und vor diesem Hintergrund lösen sich traditionelle Strukturen der Moderne auf und es bildet sich eine neue globalisierte Gesellschaft heraus, die durch neue politische, soziale und ökonomische Bedingungen gekennzeichnet ist (vgl. dazu beispielsweise die Arbeiten von J. Rifkin oder von M. Castells)
Vor diesem Hintergrund tiefgreifender Veränderungen ist beispielsweise auch die Diskussion zu verstehen, die die „New Left“, angeregt durch Toni Blair, geführt hat [11]. Und unter Schröder in die "Agenda 2010" einmündetet. Gerade in dieser Diskussion der sozialdemokratischen Parteien wurden die komplexen Diskussionstränge, die auch bei Wallerstein eine zentrale Rolle in der Darstellung gespielt haben, einem gesellschaftlichen Diskurs unterworfen und es wurde versucht, angemessenen Handlungsstrategien zu formulieren.
Und in diesem Sinne ist es die Sinnstiftung durch Globalgeschichte, die den politischen Entscheidungsträgern hilft zu verstehen, welche Wirkungen ihre Entscheidungen haben können, um die Möglichkeit nicht-intendierten Folgen möglichst aus dem Weg zu gehen.
Globalgeschichte und Zeitgeschichte | bpb
1. Acemoglu, Daron; Robinson, James A. (2006): Economic origins of dictatorship and democracy. Cambridge, New York: Cambridge University Press.
2.Acemoglu, Daron; Robinson, James A. (2012): Why nations fail. The origins of power, prosperity, and poverty. 1st ed. New York: Crown Publishers.
3.Albrow, Martin; Fellinger, Raimund (1998): Abschied vom Nationalstaat. Staat und Gesellschaft im globalen Zeitalter. 1. Aufl. Frankfurt am Main: Suhrkamp (Edition zweite Moderne).
4.Beck, Ulrich (1986): Risikogesellschaft. Auf dem Weg in eine andere Moderne. 1. Aufl., Erstausg. Frankfurt am Main: Suhrkamp
5.Beck, Ulrich (2008): Weltrisikogesellschaft. Auf der Suche nach der verlorenen Sicherheit. 1. Aufl. Frankfurt: Suhrkamp
6.Conrad, Sebastian (2013): Globalgeschichte. Eine Einführung. München: Beck
7.Diamond, Jared M. (1997): Guns, germs, and steel. The fates of human societies. New York: W.W. Norton & Co.
8.Ferguson, Niall (2011): Civilization. The West and the rest. 1st American ed. New York: Penguin Press.
9. Giddens, Anthony (1995): Konsequenzen der Moderne. 1. Aufl. Frankfurt am Main:
10.Giddens, Anthony (2001): Entfesselte Welt. Wie die Globalisierung unser Leben verändert. 1. Aufl. Frankfurt am Main: Suhrkamp
11.Jackson, Ben (Hg.) (2013): Twenty Years of Renewal: Labour, New Labour, social democracy. Labor Party. London: Lawrence and Wishart Ltd.
12.Mann, Michael (2012): The sources of social power. Vol. 1. A history of power from the beginning to AD 1760. Cambridge: Cambridge University Press.
13.Wallerstein, Immanuel Maurice (2004): World-systems analysis. An introduction. Durham: Duke University Press.
14.Wallerstein, Immanuel Maurice (2011): Centrist liberalism triumphant, 1789-1914. Berkeley, Calif., London: University of California Press (The modern world-system).
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