Goebbels Tagebücher

ImmanuelT8

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Hallo,

gibt es eine Möglichkeit mal etwas in die Tagebücher reinzulesen, ohne sie gleich kaufen zu müssen? Ich interessiere mich generell für historische Tagebücher, (auch andere, aber nicht Anne Frank, kenne ich schon). Ev kann mir da wer weiterhelfen? Wäre super. :)

Liebe Grüße
IT
 
gibt es eine Möglichkeit mal etwas in die Tagebücher reinzulesen, ohne sie gleich kaufen zu müssen? Ich interessiere mich generell für historische Tagebücher, (auch andere, aber nicht Anne Frank, kenne ich schon). Ev kann mir da wer weiterhelfen? Wäre super. :)
Es gibt da so eine Einrichtung, häufig in große Häusern untergebracht, die nennt sich Bi... warte... Biblio.... irgendwas war da noch mit Bar.... Bibliobar, nein.... äh... Bibliotheke.... Bibliothek!!!!

Spaß beseite:

Du weißt, dass die Goebbels-Tagebücher keine Tagebücher im herkömmlichen Sinne sind?

Tagebücher im herkömmlichen Sinn: Privat, nicht für die Öffentlichkeit gedacht. Anne Frank z.B. wollte zwar Autorin werden, hat aber nie gedacht, dass ihre Kitty preisgegebenen Gedanken jemals an eine Öffentlichkeit gelangen würden.

Goebbels dagegen hat seine Tagebücher wieder und wieder überarbeitet, gerade WEIL er plante, sie zu veröffentlichen.
Sie sind also eher Memoiren in Tagebuchform, als echte Tagebücher. D.h. ein ganz konkretes Element des echten Tagebuchs, nämlich die relative Unmittelbarkeit von wenigen Stunden oder maximal Tagen zwischen Niederschrift und Geschehen fehlt. Dagegen beinhaltet so eine Schrift wie Goebbels "Tagebücher" sehr viel Reflektion, auch aus einem späteren Wissensstand heraus und natürlich - da eine Veröffentlichung geplant ist - wird sehr viel Wert auf die Interpretationshoheit über ein Geschehen bzw. einen Sachverhalt gelegt.

Kennst du die Tagebücher von Victor Klemperer?
Auch literearisch überarbeitet sind die Aufzeichnungen von Willy Peter Reese, die durchaus Elemente eines Tagesbuchs haben. Es sind teils Briefe, teils Gedichte.
Ein echtes Tagebuch st z.B. das von Petr Ginz, der 1944 in Auschwitz ermordet wurde.
 
Es gibt da so eine Einrichtung, häufig in große Häusern untergebracht, die nennt sich Bi... warte... Biblio.... irgendwas war da noch mit Bar.... Bibliobar, nein.... äh... Bibliotheke.... Bibliothek!!!!

Ich komme leider demnächst zu keiner, online wird denke ich nicht verliehen? Ich hatte eine Deutschlehrerin gefragt, die konnte mir dbzgl nicht weiterhelfen. Die Idee hatte ich schon. :)

Spaß beseite:

Du weißt, dass die Goebbels-Tagebücher keine Tagebücher im herkömmlichen Sinne sind?

Tagebücher im herkömmlichen Sinn: Privat, nicht für die Öffentlichkeit gedacht. Anne Frank z.B. wollte zwar Autorin werden, hat aber nie gedacht, dass ihre Kitty preisgegebenen Gedanken jemals an eine Öffentlichkeit gelangen würden.

Goebbels dagegen hat seine Tagebücher wieder und wieder überarbeitet, gerade WEIL er plante, sie zu veröffentlichen.

Ich kenne den Background der Tagebücher, wobei mWn angenommen wird, dass große Teile nicht überarbeitet wurden (dafür fehlte ihm wohl dann die Zeit). Es sind ja sehr viele Blätter und wohl auch einiges was Göbbels nicht glänzen lässt. Das hätte er ja getilgt.

Sie sind also eher Memoiren in Tagebuchform, als echte Tagebücher. D.h. ein ganz konkretes Element des echten Tagebuchs, nämlich die relative Unmittelbarkeit von wenigen Stunden oder maximal Tagen zwischen Niederschrift und Geschehen fehlt.

Hast du sie gelesen? Ich hab gelesen was ich online finden konnte, ... in einer Doku heißt es, dass er das psychologisch ("therapeutisch) machte und zu gewissen Zeiten täglich... anfangs Abends, dann immer Morgens. Ich hab nur wenige Seiten gefunden (den Linke von unten kenne ich ;) ) aber es scheint mir doch interessant zu lesen.

Kennst du die Tagebücher von Victor Klemperer?
Auch literearisch überarbeitet sind die Aufzeichnungen von Willy Peter Reese, die durchaus Elemente eines Tagesbuchs haben. Es sind teils Briefe, teils Gedichte.
Ein echtes Tagebuch st z.B. das von Petr Ginz, der 1944 in Auschwitz ermordet wurde.

Nein kenne ich alles nichts (Briefe würde ich eher erstmal Nietzsche lesen, oder Schopenhauer-Goethe, da ich hier die phil auch gelesen habe). Vor allem interessieren mich Tagebücher bei Machtpositionen bei großen gesellschaftlichen Veränderungen, römische Reich würde mich zB auch interessieren....
 
Du weißt, dass die Goebbels-Tagebücher keine Tagebücher im herkömmlichen Sinne sind?

Tagebücher im herkömmlichen Sinn: Privat, nicht für die Öffentlichkeit gedacht. Anne Frank z.B. wollte zwar Autorin werden, hat aber nie gedacht, dass ihre Kitty preisgegebenen Gedanken jemals an eine Öffentlichkeit gelangen würden.

Goebbels dagegen hat seine Tagebücher wieder und wieder überarbeitet, gerade WEIL er plante, sie zu veröffentlichen.
Sie sind also eher Memoiren in Tagebuchform, als echte Tagebücher. D.h. ein ganz konkretes Element des echten Tagebuchs, nämlich die relative Unmittelbarkeit von wenigen Stunden oder maximal Tagen zwischen Niederschrift und Geschehen fehlt. Dagegen beinhaltet so eine Schrift wie Goebbels "Tagebücher" sehr viel Reflektion, auch aus einem späteren Wissensstand heraus und natürlich - da eine Veröffentlichung geplant ist - wird sehr viel Wert auf die Interpretationshoheit über ein Geschehen bzw. einen Sachverhalt gelegt.

Aus dem Vorwort von Horst Möller, damals (2008) Direktor des IfZ:

Zweifellos liefert ein so umfangreicher Text auch eine Fülle neuer Einsichten in Detailfragen, in politische Entscheidungsprozesse und in die Herrschaftsstruktur des NS-Regimes.... vielerlei Aufschlüsse über sein Führungspersonal. Von singulärem Wert aber sind die Tagebücher von Goebbbels, weil sie das einzige Selbstzeugnis eines nationalsozialistischen Spitzenpolitikers über einen Zeitraum von mehr als zwei Jahrzehnten darstellen und die Frühgeschichte der NSDAP, die nationalsozialistische Beherrschung und die Zerstörung des alten Europa sowie Deutschland in den Abgrund reißende Katastrophe gleichermaßen umfassen. Die Tagebücher geben Zeugnis darüber, wie Goebbels die Geschichte seiner Zeit sehen wollte - insofern sind die keine objektive Darstellung dieser Epoche, auch kein mit subjektiver Aufrichtigkeit verfasstes "Journal intime". Vielmehr sind diese Tagebücher, deren bloße Masse verblüfft und von der Besessenheit des Verfassers zeugt, Ausdruck der Hybris desjenigen, der dem autosuggestiven Wahn verfallen war, Geschichte machen und ein für allemal schreiben zu können, damit künftige Generationen die Geschichte des 20. Jahrhunderts so sehen, wie sie der Chefpropagandist des Nationalsozialismus gesehen wissen wollte.​

Hast du sie gelesen?
Bisher lediglich Zitate und Auszüge.


Vor allem interessieren mich Tagebücher bei Machtpositionen bei großen gesellschaftlichen Veränderungen, römische Reich würde mich zB auch interessieren....
Römische Tagebücher haben wir nicht überliefert. Was dem wohl am nächsten kommt, sind die Kriegsberichte Caesar und die Briefe Ciceros an seinen Verlegerfreund Atticus aus dem Exil (wobei der nur formaler Adressat war, tatsächlicher Adressat war die römische Öffentlichkeit). Es gibt noch einen Tatenbericht Augustus' der aber natürlich auch kein Tagebuch ist. Der ist wohl an mehreren Stellen des römischen Reiches inschriftlich publik gemacht worden und im Monumentum Ancyranum erhalten.
 
Goebbels dagegen hat seine Tagebücher wieder und wieder überarbeitet, gerade WEIL er plante, sie zu veröffentlichen.

Sie sind also eher Memoiren in Tagebuchform, als echte Tagebücher.

Das ist ein wichtiger Punkt und vor diesem Hintergrund müssen diese zu größten Teil gesehen werden.
Nach Longerich 1) sind daher auch frühe „Tagebuch“-Eintragungen authentischer als spätere. (Angaben zu Zeit, Ort und Personen seien jedoch insgesamt als zuverlässig zu sehen.)

Im Herbst 1936 schließt Goebbels mit Max Amman, dem Chef des parteieigenen Eher-Verlags, einen Vertrag „zu geradezu sensationellen Bedingungen“. 20 Jahre nach seinem Tod dürfen seine Tagebücher von diesem veröffentlicht werden 1) S.316
„Ich verkaufe Amman meine Tagebücher. 20 Jahre nach meinem Tode zu veröffentlichen. Gleich 250000 Mark und jedes Jahr laufend 100000 Mark. Das ist sehr großzügig. Magda und ich sind glücklich.“ Tagebucheintrag 22.10.1936. 2) S. 996

Das ist eine Menge Geld.
Folgt man der Faustformel von Götz Aly „Für die Umrechnung in heutiges Geld empfiehlt sich als Faustregel: Eine Reichsmark entspricht zehn Euro.“ 3) S.48, dann kriegt er dafür gleich 2,5 Mio. Euro auf die Hand, und dann jedes Jahr eine weitere Million.
Er hat ja auch einen sehr verschwenderischen Lebensstil. Mehrere teure Motorboote, Sportwagen und noch eine „Limusine [sic]...ähnlich wie der Führer ihn hat“ 1) S.316

Und im Oktober des folgenden Jahres schafft er sich einen „Maybach“ an, statt nur eines „Horch“ , und auch Magda Goebbels erhält einen Monat später, November 1937, „ein wunderschönes neues Auto“ zu ihrem Geburtstag. 1) S.361
1939 schließlich bezieht Goebbels eine neu erworbene Bleibe. Deren Kosten wurden im Februar dieses Jahres mit 2,5 Mio. RM (entsprechend 25 Mio Euro heute, nach Aly-Faustformel) . An den Baukosten beteiligt sich Goebbels „mit 1,35 Mio. RM, die er durch einen Kredit der Bank der Deutschen Arbeit (die zu Leys DAF-Imperium gehörte) deckte. 1) S.401ff
Er lebt auf sehr großem Fuß und Schulden hat er eigentlich immer.
Also der lebt als gäb es kein Morgen, so wie andere erfolgreiche Spießgesellen seiner Art auch.
Das bildet sich, so wie ich es verstehe, auch in seinen Tagebüchern ab.

Aber, wie @El Quijote bemerkte, sind diese mit erheblicher Vorsicht zu genießen. Spätestens seit 1936.
Dennoch sind sie eine wichtige und vielzitierte Quelle.

Geradezu erschlagend ist der Umfang dieser.
Danke an @beetle für den darauf hinweisenden Link. 4)
„Das handschriftliche Tagebuch liegt komplett vor. Die 6783 von Hand beschriebenen Seiten wurden in neun Bänden bzw. 14 Teilbänden veröffentlicht.“
„Diesen vollständig erhalten gebliebenen handschriftlichen Tagebüchern stehen circa 36000 von Joseph Goebbels diktierte, maschinenschriftliche Blätter (DIN A4) gegenüber..“

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1) Longerich, Peter (2012): Joseph Goebbels. Biographie. 1. Aufl. München: Pantheon.

2) Tagebücher 1924 - 1945. [in fünf Bänden (2008). Orig.-Ausg., 4. Aufl. München: Piper (Serie Piper, 1413).

3) Aly, Götz (2011): Hitlers Volksstaat. Raub, Rassenkrieg und nationaler Sozialismus. 2. Aufl. Frankfurt am Main: Fischer-Taschenbuch-Verl. (Fischer-Taschenbuch Die Zeit des Nationalsozialismus, 15863).

4) https://db.degruyter.com/staticfiles/content/dbsup/TJGO_02_Einleitung_zur_Gesamtedition.pdf
 
Zuletzt bearbeitet:
Ein weiteres Tagebuch, das veröffentlicht wurde, ist das des Historikers Willy Cohn aus Breslau. Als Jude schreibt er aus der Opfer-Perspektive.

Willy Cohn – Wikipedia

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Danke ich hab aber gerade Frankl wieder durch (kein Tagebuch aber auch die Opferperspektive, Psychologe der das KZ überlebte). Mich interessiert hier eben die Seite der Nazis, alternativ würde mich auch alles in der Nähe um Churchill sehr interessieren.

LG
 
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