jschmidt
Aktives Mitglied
Zu dem mit "splendid isolation" bezeichneten Sachverhalt und den Gründen für dessen Beendigung wurde hier schon eine Reihe von Tatsachen & Thesen angeführt. Beispiel:Da kein Widerspruch gekommen ist, stelle ich mir die Frage, ob es dann zulässig ist, das Großbritannien mit seiner Beendigung der Splendid Isolation und der dann erfolgten Bündnispolitik davon zu sprechen, das diese "nur" eine Reaktion auf die ungeschickte und auch aggressive Außenpolitik des Kaiserreichs gewesen war?
Was ich dazu gelesen habe ist, dass die Briten den Burenkrieg wegen der Bodenschätze und wegen der geplanten Eisenbahn "vom Cap bis Kairo" angefangen haben. Und dass sie die splendid isolation wegen der ernüchternden militärischen Pleite im Burenkrieg aufgegeben haben.
Für Großbritannien war aus vielerlei Gründen eine Politik der Splendid Isolation nicht mehr durchführbar. An zu vielen Punkten des Empires gab es Konfliktstoff mit anderen Großmächten.
Würde man die Glaskugel 1890 bemühen, könnte sich Folgendes, natürlich rein hypothetisch ergeben:
- Großbritannien wird durch die aufstrebenden Mächte und die fortwährenden Konforntationen an der Peripherie des Empires mittelfristig zur Aufgabe der "splendid isolation" gezwungen sein (Perspektive, zugleich eine Belastung aus der derzeitigen Mächtekonstellation?)
Großbritannien war nach dem mühsamen Sieg schon fast traumatisiert, denn wenn es schon so große Probleme bereitet 40.000 Buren zu besiegen, wie soll man denn gegen eine eurppäische Großmacht bestehen können. Ich glaube, das hier der Ausgangspunkt für die Beendigung der Splendid Isolation zu suchen ist.
Zu diesen Hinweisen assoziiere ich das Schlagwort der sog. "strategischen Überdehnung" und stelle mir vor, dass das Deutsche Reich hierbei zwar auch eine Rolle spielt, aber nicht die ausschlaggebende. In den folgenden "Snippets" wird das anders nuanciert:England gab seine splendid isolation in kleinen Schritten gegen diverse Gegenleistungen auf. Sämtliche Veränderungen waren nicht durch den deutschen Gegensatz getrieben bzw. direkt veranlasst, sondern wurden aus britischer Sicht rational zur Absicherung des Empire in Afrika, dem Mittleren und Fernen Osten eingegangen.
Hier einige weitere Beiträge zur Rezeptionsgeschichte des deutschen Flottenbaus in Großbritannien:
April 1904: Entente Cordiale, Aufgabe der britischen "splendid isolation"
Ein naiver Betrachter wie ich könnte nun das Ganze vereinfacht so deuten, dass man sich Deutschlands wegen in "Koalitionen" geflüchtet habe, was deutscherseits als "Einkreisung" verstanden wurde und dann einmündete in den Krieg zweier "Lager" 1914.Die Entscheidung für die Lagerbildung aus britischer Sicht fiel 1896-1902, nachdem sich Friktionen und gescheiterte Fühlungnahmen mit dem Deutschen Reich ereignet hatten. Um 1900 war die Aufgabe der britischen "splendid isolation" klar...
Was die Bündnispolitik betrifft, finde ich eine Formulierung von Jürgen Osterhammel [1] ganz plausibel:
"Wenn Großbritannien am Ende des Jahrhunderts dennoch zu diplomatischen Übereinkünften gelangte - dem Bündnis mit Japan 1902, der Entente Cordiale mit Frankreich 1904, der Asien-Konvention mit Russland 1907 -, dann waren sie nie so formuliert, dass sich daraus ein Beistandsautomatismus im Kriegsfalle herleiten ließ. Noch in den ersten Weltkrieg trat das Empire ... nicht wegen einer fatalen Bündnismechanik ein, sondern aus eigenen Willensentschluss."
"Splendid" war die Politik immer noch, könnte man sagen, aber Sorge ums Empire verlangte gewisse Kompromisse. Oder?
[1] Die Verwandlung der Welt. Liz. Bonn 2010, S. 656.
Zuletzt bearbeitet: