Grundsatzfrage zur Chronologie

Das ist auch mies. Andererseits ist es nicht exakter zu sagen: das Ereignis fand 10 v. Chr. zwischen Jan.-Dez. statt, als zu sagen: das Ereignis fand 357/356 v. Chr. zwischen Juli-Juni statt. Letzteres sieht nur umständlicher aus, ist aber genauso eng oder weit datiert wie das erstere.
Da hast Du natürlich recht. Aber man findet auch bei Jahresangaben zur griechischen Geschichte oft "exakte" Zahlen, also z. B. nur "357" statt "357/356", ohne dass für mich aus den Quellen immer nachvollziehbar wäre, woraus man so exakt ableiten will, dass ein bestimmtes Ereignis in einem bestimmten Jahr einer griechischen Zeitrechnung vor oder nach dem Jahreswechsel unserer Zeitrechnung stattfand. Weiters werden sogar die Regierungszeiten von Archonten und Strategen oft oder sogar meist nur mit einer simplen Zahl angegeben, wobei sich dann obendrein die Frage stellt, ob dann z. B. "357" das Jahr ist, in dem ihre Amtszeit begann oder endete. Jedenfalls finde ich in der Sekundärliteratur oft leicht (nämlich um ein Jahr) schwankende Datierungen bei der Angabe von Amtszeiten.

Die römischen Konsuln traten ihr Amt zwar ursprünglich auch nicht am 1. Januar an, aber als ihr Amtsjahr noch am 1. März begann, handelte es sich wenigstens nur um eine Abweichung von 2 Monaten, sodass die Angabe, die Konsuln X und Y hätten 170 v. Chr. amtiert (obwohl es in Wahrheit von März 170 bis Februar 169 war), vertretbar ist.

Wie schafft man es fast 4500 - soweit ich reingeguckt habe, auch noch qualitative - Beiträge zu verfassen?
4500? Schau' mal, auf welche Zahlen an hochwertigen Beiträgen es Nutzer wie silesia, Brissotin oder El Quijote bringen ...
 
4500? Schau' mal, auf welche Zahlen an hochwertigen Beiträgen es Nutzer wie silesia, Brissotin oder El Quijote bringen ...
Ok. Daran ist zweierlei bemerkenswert. Erstens sind das ja tatsächlich enorm hohe Beitrags-Anzahlen, die ich aus dem Hühner-Forum so nicht kenne. Zweitens habe ich mich schon wieder um genau 1000 vertan. Hoffentlich passiert mir das nicht mal beim Ausfüllen einer Bank-Überweisung.

Die römischen Konsuln traten ihr Amt zwar ursprünglich auch nicht am 1. Januar an, aber als ihr Amtsjahr noch am 1. März begann, handelte es sich wenigstens nur um eine Abweichung von 2 Monaten, sodass die Angabe, die Konsuln X und Y hätten 170 v. Chr. amtiert (obwohl es in Wahrheit von März 170 bis Februar 169 war), vertretbar ist.
So einfach haben es die Leute, die sich mit der Chronologie der Röm. Republik beschäftigen, glaub ich, nun auch wieder nicht. Denn die Römer gebrauchten ja vor Iulius Caesar auch einen Mondkalender, und die Schaltung ihrer Priester war zum Teil unberechenbar. Aber insgesamt, das wohl ist richtig, ist die röm. Chronographie doch sehr viel einfacher aufzuschlüsseln als die griechische.
 
Was desweiteren Dein Angebot anbelangt, über unterschiedliche Wege zur Erlangung einer absoluten Chronologie der frühen Kaiserzeit zu "streiten": Angebot ist angenommen!
Ich habe ja oben bereits ein Beispiel vorgebracht, wie man mit Hilfe der Astronomie ein bestimmtes Konsulatsjahr absolut datieren kann: Cassius Dio: hist. 60, 26, 1ff sagt, dass unter den Konsuln M. Vinicius und T. Statilius Taurus Corvinusam am Geburtstag des Kaisers Claudius eine Sonnenfinsternis stattfand. Sueton: Claud. 2 und Cass. Dio: hist. 60, 5, 3 sagen, dass der 1. August der Geburtstag des Claudius war. Die Astronomie sagt, dass am 1. August 45 n. Chr. eine Sonnenfinsternis stattgefunden hat. Damit ist obiges Konsulatsjahr auf den Zeitraum vom 1. Jan. bis zum 31. Dez. 45 n. Chr. begrenzt.

Dazu noch etwas. Die Astronomie kann ja berechnen, wann wo eine Sonnenfinsternis stattgefunden hat. Also kann sie ausrechnen wann in Rom eine Sonnenfinsternis stattgefunden hat.
Wenn wir aus anderen Quellen, die du zitierst, zu wissen meinen, dass dies 45 n. Chr. war, bei der astronomischen Berechnung herauskommt, dass dies vor 1967 Jahren (=45 n. Chr.) war, dann wäre das doch eigentlich eine Bestätigung, dass die Umrechnungen der Kalender passen, dass wir römische Datierungen richtig in unsere heutige Zeitrechnung umrechnen können.
 
@tela: Also dass die ohne Astronomie gefundene Chronologie der frühen Kaiserzeit durch die Astronomie voll und ganz bestätigt wird, kann man auf jeden Fall sagen (siehe meine "Erzählung von dem Historiker u. dem Astronomen"; hjwien hat mir das ja von Anfang an versucht zu erklären) - falls Du nur das meinst.
Falls Du aber stärker auf den Kalender bzw. auf das Beispiel mit dem 1. August als Kalenderdatum abzielst: Wir könnten zwar "römische Datierungen richtig in unsere heutige Zeitrechnung umrechnen", also in ein Datum des gregorianischen Kalenders, aber das wird von keinem Historiker gemacht. Der Historiker rechnet für das Altertum und das Mittelalter mit dem julianischen Kalender, wie er in diesen Zeitaltern auch verwendet wurde (eben damit er nicht jedes in den Quellen genannte Datum umrechnen muss). Wenn die Astronomie den Historikern Daten für's Altertum zur Verfügung stellt (z. B. Finsternisse, Mondphasen usw.), dann hat sie die freundlicherweise schon in julainische Kalenderdaten umgerechnet. Meintest Du das? Oder hab ich Dich falsch verstanden?
 
Die Frage ist ja, ob wir die verschiedenen Kalender richtig umrechnen. Woher wissen wir, dass 743 auc 10 v. Chr. entspricht. Und dein tolles Beispiel über die Sonnenfinsternis am Geburtstag des Claudius ist da ein guter Punkt, um zu erkennen, dass die Umrechnung zwischen römischen und julianischem Kalender richtig ist. Wenn die Astronomie errechnet hätte, dass die Sonnenfinsternis am 1. August im Jahr 55 n. Chr. gewesen wäre, hätte man sich Gedanken machen müssen, ob das noch so alles stimmt, was man zu wissen meint. Aber da sich hier inschriftliche, literarische Quelle sowie astronomisches Datum decken, passt es ja.
 
Zugleich haben wir hier natürlich auch gleich ein wunderbares Argument gegen die Chronologiekritiker: Wenn im Mittelalter drei Jahrhunderte erfunden und eingeschoben worden wären, könnte es keine Übereinstimmung der astronomisch datierbaren Sonnenfinsternis mit der in der Antike erwähnten Sonnenfinsternis geben, da dann in Wahrheit seit der Sonnenfinsternis des Claudius drei Jahrhunderte weniger vergangen wären als die astronomische Berechnung ergibt.
 
@tela: Ja, jetzt versteh ich (war nur wegen dem Wort "Kalender" bißchen verwirrt, es geht ja eher um die Jahrrechnung). Ich sehe das genauso wie Du: das passt alles prima zusammen. Und die Astronomie beweist uns in diesem Falle mit "naturwissenschaftlicher Exaktheit", dass die Chronologie, wie wir sie kennen, korrekt ist (ich persönlich kann das allerdings nur für die Zeit ab Augustus behaupten, von anderen Zeitaltern hab ich keine Ahnung).

Aber ich muss das doch nochmal erwähnen: Die Chronologie, wie wir sie heute kennen und gebrauchen, ist von neuzeitlichen Chronologen wie Petavius u. a., die sie etabliert haben, durchaus unter Beachtung vieler Finsternis-Berechnungen "erstellt" oder wenigstens präzisiert worden.
 
... ein wunderbares Argument gegen die Chronologiekritiker

Ich denke in die gleiche Richtung. Allerdings kenne ich mich mit dem "erfundenen Mittelalter" oder der "Phantomzeit" nicht aus. Wäre interessant, wie die Vertreter solcher Thesen mit den Finsternissen umgehen. Die müssten ja, wenn ich keinen Knoten im Kopf habe, ungefähr um 345 n. Chr. eine SF am 1. Aug. vorweisen können.
Habe gerade mal nachgeschaut:
In den Listen der NASA finde ich für den Zeitraum 250-450 n. Chr. keine Sonnenfinsternis an einem 1. August.
 
Er forscht weiter, sucht nun nach solch einer „Brücke“, bis ihm endlich die schriftlichen Hinterlassenschaften des christlichen Mönches Dionysius Exiguus in die Hände fallen. Interessant, denkt er sich, Exiguus ist der Erfinder der christlichen Zeitrechnung, hat dazu in einer Zeit gelebt, in welcher die Datierungen nach Konsulaten noch Verwendung fand. Wäre doch gelacht, wenn das nicht die entscheidende „Brücke“ wäre. Der Historiker bekommt tatsächlich heraus, dass Exiguus seine Schrift selbst sowohl in das Konsulatsjahr des Probus Iunior als auch in das Jahr 525 n. Chr. datierte. Jetzt nimmt der Historiker schnell die fasti consulares zur Hand und zählt vom Konsulat des Iullus Antonius und Fabius Africanus bis zum Konsulat des Probus Iunior 534 Jahre. Zweitens vertraut der darauf, dass seit Exiguus die Jahre der christl. Ära ununterbrochen und kontinuierlich bis heute fortgezählt worden sind, und zählt von 525 n. Chr. bis 2012 n. Chr. 487 Jahre. Er summiert diese 487 Jahre (von ihm zu Exiguus) zu den 534 Jahren (von Exiguus zu Claudius), kommt insgesamt auf 1021 Jahre, die seit der Geburt des Claudius bis heute vergangen sein müssen. Und wenn der Historiker heute im Jahr 2012 n. Chr. lebt, dann muss Claudius im Jahre 10 v. Chr. geboren sein. Hura! Er hat die Geburt des Claudius tatsächlich absolut datiert, und das wirklich ausschließlich mittels der Kaiserbiographie des Sueton, der Schrift des Dionysius Exiguus und der fasti consulares!

Glücklich der Forscher, dem wirklich die schriftlichen Hinterlassenschaften des Dionysius in die Hände fielen – und dabei nicht zerfielen. Im Übrigen ist das „Exiguus“ ein charakterisierender Beiname, der nur schlecht im Sinne eines heutigen Nachnamens gebraucht werden kann; wir sollten also bei Dionysius bleiben.
Wenn der Historiker aber den Weg des Dionysius nachvollziehen will, zählt er eben nicht die Konsulatslisten herunter. Die Einführung der christlichen Rechnung war ja nur ein Nebeneffekt, denn eigentlich suchte ja Dionysius den korrekten Ostertermin für das Jahr 242 nach Diocletian (526 n. Chr.), und von dem wußte er, daß dieser 15 metonische Zyklen (15 x 19 Jahre) nach dem Ende der Herrschaft Herodes seine Regierung begann. Davon ausgehend beschloß er, daß dieses Jahr 242 nach Diocletian auch das Jahr 526 nach der Fleischwerdung des Herrn war – 15 x 19 = 285 + 242 = 527 – er rechnete also vom Jahr -1 aus.
Mit den Konsulatsfasti kann ich zwar die beiden Konsuln Iullus Antonius und Fabius Africanus finden, aber nicht ihre Einordnung in das christliche Zeitalter.
Wenn wir also seit Neuem das Jahr 2013 schreiben, dann deswegen, weil Dionysius das Jahr, für welches er den Ostertermin suchte, einfach auch als das 526 nach Christi Geburt festlegte, und diese Festlegung wurde dann im Laufe der Zeit bindend.
Das meinte ich mit Konvention, und diese ist astronomisch erstmal unabhängig. Man kann ja – und das hast Du schön dargelegt – die Sonnenfinsternis des Jahres 45 berechnen, aber daß diese Sonnenfinsternis in dem Jahr geschah, welchem wir heute den Namen 45 geben, dies ist quellentechnisch bedingt.
Worin ich Dir aber natürlich zustimme, ist, daß jeder Kalender, der sich auf Sonnen- oder Monddaten beruft, astronomisch bedingt ist.

DARAUS LERNE ICH:
1.) Ja, es stimmt, wir können die Ereignisse der frühen Kaiserzeit ohne die Astronomie absolut datieren.
2.) Dass diese absoluten Datierungen aber auch wirklich korrekt und exakt sind, beweist uns erst die Astronomie.


Also teilen wir es auf: eine Datierung kann korrekt oder exakt sein, wenn wir sie von heute aus zurückzählen und sagen, dieses Ereignis ist eine bestimmte Zahl von Jahren her oder dieses Objekt ist eine bestimmte Zahl von Jahren alt (was aber im archäologischen Sinne in der Regel nicht möglich ist).
Eine Datierung, die einem Ereignis nicht das Alter, sondern ein Datum zuordnen will, kann nur im begrenzten Rahmen einer Konvention exakt sein.
Um aber die Mike des Ritters Frage zu beantworten, worauf Du Dich ja auch bezogen hast, ist nicht die Verknüpfung von christlicher und römischer Jahreszählung von Bedeutung, sondern die stilistische, typologische, textkritische oder ähnliche Methode, und da hilft nun die Astronomie leider kaum.
 
... wir sollten also bei Dionysius bleiben.
Vorschlag zum Namen bedingungslos angenommen!

Wenn der Historiker aber den Weg des Dionysius nachvollziehen will, zählt er eben nicht die Konsulatslisten herunter.
Auch das ist an sich richtig! „Wenn“! Aber dem Historiker in meiner „Geschichte“ ging es doch gar nicht darum, den Weg des Dionysius nachzuvollziehen; darum ging es ihm nicht mal im Ansatz. Weder die Osterterminberechnung noch Dionysius' Wahl des Ären-Beginns ist für seine Fragestellung irgendwie relevant. Den Dionysius habe ich nur aus einem einzigen und ganz einfachen Grund in die Diskussion eingebracht (und gehofft es würde verstanden):
Dionysius gibt an, sich in einem bestimmten Jahr n. Chr. zu befinden, und er gibt außerdem an sich in einem bestimmten Konsulatsjahr zu befinden. Dionysius ist der erste der solch eine Doppeldatierung bietet. Und es gab nur wenige Menschen, die zu solch einer Doppeldatierung überhaupt die Gelegenheit hatten, nämlich nur diejenigen, die zwischen 525 und 534/542 n. Chr. lebten (ab letzterem Zeitpunkt gab es nämlich keinen weström./oström. Konsul mehr). Die Liste der Konsuln brach also bald nach Dionysius ab, die Konsulats-Datierung hörte auf. Darum ist es so wichtig, dass uns Dionysius mitgeteilt hat, welches Jahr der christl. Ära welchem Konsulat entspricht (auch wenn das natürlich nicht Dionysius' Hauptanliegen war; aber mir ging es in meinem Beitrag um nichts anderes. Davon unabhänig hast Du zum „Weg des Dionysius“ m. e. sehr gute Gedanken vorgetragen, die diesen thread durchaus noch reichhaltiger machen).
Dionysius hat nach freiem Ermessen festgelegt, dass das Konsulatsjahr des Probius Iunior = 525 n. Chr. war. Unter der Voraussetzung nun, dass erstens die Jahre n. Chr. von diesem Zeitpunkte an bis heute kontinuierlich weiter gezählt wurden und dass zweitens die Konsulatslisten von Augustus bis Dionysius korrekt fortgeführt worden waren, ist dann auch Glasglocken-klar, dass das Konsulatsjahr Iullus Antonius und Fabius Africanus = 10 v. Chr. ist. Das ist doch nur rechnerische Konsequenz. Wir, die wir jetzt im Jahr 2013 leben, wissen wie weit das Jahr 10 v. Chr. von uns entfernt ist, und dank Dionysius u. den fasti consulares wissen wir auch, dass das genannte Konsulat genau so weit von uns entfernt ist.

Mit den Konsulatsfasti kann ich zwar die beiden Konsuln Iullus Antonius und Fabius Africanus finden, aber nicht ihre Einordnung in das christliche Zeitalter.
Und genau aus diesem Grund, weil die fasti für sich alleine genommen natürlich nicht ausreichen, habe ich den Dionysius ins Spiel gebracht.

Wenn wir also seit Neuem das Jahr 2013 schreiben, dann deswegen, weil Dionysius das Jahr, für welches er den Ostertermin suchte, einfach auch als das 526 nach Christi Geburt festlegte, und diese Festlegung wurde dann im Laufe der Zeit bindend.
Das meinte ich mit Konvention, und diese ist astronomisch erstmal unabhängig.
Das kann ich so unterschreiben.

Man kann ja – und das hast Du schön dargelegt – die Sonnenfinsternis des Jahres 45 berechnen, aber daß diese Sonnenfinsternis in dem Jahr geschah, welchem wir heute den Namen 45 geben, dies ist quellentechnisch bedingt.
Ich weiß nicht ganz genau, was Du mit „quellentechnisch“ meinst, aber Du hast ja gerade eben selbst gesagt, dass es allein durch die Festlegung des Dionysius bedingt ist. Das Jahr heißt weder „45 n. Chr.“, weil damals irgendetwas Bestimmtes passiert ist, was wir aus den Quellen wissen, noch heißt es so, weil die Astronomie errechnet, das heute vor 1967 Jahren und 154 Tagen eine Sonnenfinsternis stattfand, sondern es heißt nur so wegen der Festlegung des Dionysius. Aber das hast Du im vorangehenden Zitat ja selbst so gesagt, und ich kann Dir in diesem Punkte nur zustimmen, dass das nichts mit Astronomie zu tun hat.

Den Rest Deines Beitrags kann ich in gewisser Weise nachvollziehen; nur den letzten Satz nicht ganz:
Um aber die Mike des Ritters Frage zu beantworten, worauf Du Dich ja auch bezogen hast, ist nicht die Verknüpfung von christlicher und römischer Jahreszählung von Bedeutung, sondern die stilistische, typologische, textkritische oder ähnliche Methode, und da hilft nun die Astronomie leider kaum.
Ich verstehe den Satz inhaltlich nicht ganz (was aber nicht gegen den Satz sprechen muss, vielleicht will mein Gehirn auch gerade nur nicht). Deswegen, weil ich ihn eben nicht ganz verstehe, will ich nicht nochmal blindlings auf die Wichtigkeit von der Verknüpfung von heutiger und antiker Jahreszählung für die Chronologie oder auf die Wichtigkeit der Astronomie pochen, sondern möchte Dir in einem Punkte – den ich zumindest meine, bei Dir herauszuhören – liebend gerne zustimmen:
Das wichtigste für den Historiker sind die Quellen und deren Auswertung. Hätte der Historiker die Quellen nicht und wüsste nicht damit umzugehen, würden ihm natürlich die Astronomie, die verschiedenen Jahreszählungen usw. nicht die Spur weiterhelfen. Denn wenn man nicht weiß WAS war, kann man auch nicht fragen, WANN es war. Deshalb ist die Chronologie auch nur eine Art Hilfswissenschaft der Geschichte.
Und ich will noch eine Aussage wagen (Du kannst mir natürlich widersprechen): Ich glaube, in den meisten besprochenen Detail-Fragen sind wir letztlich nicht mehr weit auseinander. Wir haben aber, was das Gesamtthema betrifft, unterschiedliche Prioritäten gesetzt und reden deshalb auch schonmal aneinander vorbei. Dir liegt mehr der praktische Nutzen der Chronologie für die Kenntnis und das Verständnis von historischem Geschehen am Herzen; das ist gut, und gemessen daran hat die Astronomie tatsächlich eine sehr geringe Bedeutung). Ich habe mich auf die zugegeben sehr viel mehr theoretische und recht „abstrakte“ Frage eingeschossen, über welche Wege man sich von der Richtigkeit der absoluten Chronologie der Lehrbücher überzeugen kann (meine Frage ist zwar an sich nicht so sinnvoll oder bedeutsam wie Deine, aber im Rahmen meiner Frage hat die Astronomie dann doch eine wesentliche Bedeutung). Könnten wir uns so in etwa einigen, oder noch nicht ganz?
 
Dazu noch etwas. Die Astronomie kann ja berechnen, wann wo eine Sonnenfinsternis stattgefunden hat. Also kann sie ausrechnen wann in Rom eine Sonnenfinsternis stattgefunden hat.
Wenn wir aus anderen Quellen, die du zitierst, zu wissen meinen, dass dies 45 n. Chr. war, bei der astronomischen Berechnung herauskommt, dass dies vor 1967 Jahren (=45 n. Chr.) war, dann wäre das doch eigentlich eine Bestätigung, dass die Umrechnungen der Kalender passen, dass wir römische Datierungen richtig in unsere heutige Zeitrechnung umrechnen können.

Wenn ich auf die Seiten der NASA gehe und mir die Daten für den 1. Aug. 45 n. Chr heraussuche sehe ich eine Sonnenfinsternis genau an diesem Tag.
Das Problem ist nur, dass sie mit ziemlicher Sicherheit nicht in Rom sichtbar war. Denn der Totalitätsbereich dieser Sofi liegt 2000 km südlicher als Rom.
Der Wert der Sonnenbedeckung(Eclipse Mag.) beträgt für Rom 0,315.
Zum Vergleich: Am 29.03.2006 hat in Stuttgart eine Sofi mit einem höheren Wert (=bessere Sichtbarkeit) stattgefunden (0,434)
Wer hat die bemerkt ?

Was nun ?:pfeif:

Gruss
jchatt

claudius2.jpg
 
Hallo jchatt,

Wenn ich auf die Seiten der NASA gehe und mir die Daten für den 1. Aug. 45 n. Chr heraussuche sehe ich eine Sonnenfinsternis genau an diesem Tag.
Das Problem ist nur, dass sie mit ziemlicher Sicherheit nicht in Rom sichtbar war. Denn der Totalitätsbereich dieser Sofi liegt 2000 km südlicher als Rom.
Deine Anmerkung, dass die Menschen auf dem afrikanischen Kontinent, nicht aber die Menschen in Rom u. Italien am 1. Aug. 45 n. Chr. eine totale Verfinsterung der Sonne beobachten konnten ist richtig. Dennoch war diese SoFi in ihrer partiellen Phase auch in Rom (falls die Witterung mitspielte) definitiv sichtbar! Das ist nicht nur meine Meinung, sondern auch die der NASA (Klick mal im "Catalog of Solar Eclipses" auf die "Catalog Number" vor dem Kalenderdatum; da wird der Sichtbarkeitsbereich angezeigt).

Der Wert der Sonnenbedeckung(Eclipse Mag.) beträgt für Rom 0,315.
Zum Vergleich: Am 29.03.2006 hat in Stuttgart eine Sofi mit einem höheren Wert (=bessere Sichtbarkeit) stattgefunden (0,434)
Wer hat die bemerkt ?
Die Sofi am 29. März 2006 ist von vielen Menschen in Deutschland, nicht nur von den Astronomen, "bemerkt", beobachtet und sogar fotografiert worden. Immerhin war die Sonnenscheibe zu rund 30% vom Mond bedeckt (so ganz ungefähr). Aber - so könntest Du argumentieren - diese Leute wussten vorher auch, wann sie, wo hingucken mussten, weil Wissenschaft und Medien natürlich schon im Vorfeld auf dieses bevorstehende Himmelsereignis aufmerksam gemacht haben. Ganz genauso verhielt es sich im Jahre 45 n. Chr. Quelle: Cass. Dio: hist. 60, 26, 1ff: Die damaligen astronom. Spezialisten sagten für den 1. Aug., den Geburtstag des Kaisers, eine Sofi voraus. Finsternisse, Kometen usw. wurden von den Menschen der Antike gerne als "Unheilsvorboten" aufgefasst. Claudius befürchtete Unruhen (weil das gemeine Volk von dieser Sofi auf das Ende seines Kaisertums oder gar seines Lebens schließen mochte). Also ließ Claudius im Vorfeld öffentlich bekannt machen, dass an seinem Geburtstag eine Sofi eintreten werden, es sich dabei aber nur um ein ganz normales, astronomisch erklärbares Naturereignis handeln würde. "Der Kaiser ließ daher nicht nur die Tatsache, den Zeitpunkt und die Dauer der Verfinsterung, sondern auch die [ganz natürlichen] Gründe bekannt geben, derentwegen sie notwendigerweise eintreten müsse. Diese Gründe sind nun folgende: Der Mond, der in seiner Planetenbahn [...]" usw.
Was ich andererseits für durchaus wahrscheinlich halte, ist, dass die Astronomen des Claudius die errechnete Sofi im Vorfeld für beträchtlicher und imposanter einschätzten, als sie dann zu Rom tatsächlich war. Was natürlich entschuldbar ist, weil sie ja nicht die Möglichkeiten hatten, wie sie die heutige astronomische Wissenschaft hat.
 
Deine Anmerkung, dass die Menschen auf dem afrikanischen Kontinent, nicht aber die Menschen in Rom u. Italien am 1. Aug. 45 n. Chr. eine totale Verfinsterung der Sonne beobachten konnten ist richtig. Dennoch war diese SoFi in ihrer partiellen Phase auch in Rom (falls die Witterung mitspielte) definitiv sichtbar! Das ist nicht nur meine Meinung, sondern auch die der NASA (Klick mal im "Catalog of Solar Eclipses" auf die "Catalog Number" vor dem Kalenderdatum; da wird der Sichtbarkeitsbereich angezeigt).

Dein Sichtbarkeitsbereich in dieser Darstellung bezeichnet den Bereich in dem die Finsternis theoretisch mit geeigneten optischen Mitteln und bei wolkenfreiem Himmel erkennbar bleibt.
Sie bezeichnet keinesfalls den Bereich in dem Menschen mit blossem Auge in der Antike eine Sonnenfinsternis wahrnehmen konnten.

Die NASA hat auch eine Liste mit historisch relevanten Eklipsen.
Die Sofi vom 1 Aug. 45 ist nicht aufgeführt. Mit dieser geringen Sichtbarkeit ist sie eben nicht relevant: NASA - Solar Eclipses of History
Da es sich um eine errechnete Sofi handeln soll, müsste man zudem auch vorhergehende Sofis des gleichen Saroszyklus auf Sichtbarkeit prüfen.

Es reicht eben nicht aus in den Katalog zu schauen und sich in dem fraglichen Bereich eine Sofi rauszusuchen. Darüberhinaus gibt es da noch die Sache mit der nicht exakt messbaren sich verlangsamenden Erdrotation (ausgedrückt im Faktor Delta T), die eine mögliche Sofi in der fraglichen Zeit auch noch in der Länge geographisch um 42,5° (4722,22km!) theoretisch verschieben könnte.

Das sind eine Menge Unsicherheiten, die einer "Naturwissenschaftlichen Chronologiebestätigung" alle Wege zur Bestätigung auch eines falschen historisch ermittelten Datums eröffnet. Aber auch das funktioniert ja offenbar nicht zufriedendstellend, denn selten ist eine Sofi mit allen benötigten Daten (Ort, Art und Datum) zuverlässig vermerkt worden.
Unstimmigkeiten bei der Sofibeobachtung treten oft im Zusammenhang mit wichtigen Ereignissen auf, so daß Demandt Verformungstendenzen in der Überlieferung ausgemacht haben will. Also das Ereignis datiert die Sofi und nicht umgekehrt.

Gruß
jchatt
 
@ jchatt: Ich erkenne neidlos an, dass Dein astronomisches Sachwissen um einiges größer ist als meines. Und deswegen finde ich Deine Beiträge super informativ und lehrreich für mich.
Aber selbst Du bestreitest doch letztendlich nicht, dass die Römer am 1. Aug. 45 n. Chr. eine Chance hatten, die partielle Verfinsterung der Sonne, auf die sie gewartet haben, optisch zu registrieren, oder?

Nur aus Interesse: Kannst Du etwas mehr zu den "Verformungstendenzen i. d. Überlieferung" sagen, die Demandt ausgemacht haben will? Oder was das ist? Hört sich spannend an.
 
Aber selbst Du bestreitest doch letztendlich nicht, dass die Römer am 1. Aug. 45 n. Chr. eine Chance hatten, die partielle Verfinsterung der Sonne, auf die sie gewartet haben, optisch zu registrieren, oder?

Wenn ich richtig informiert bin, dann tun einige Historiker dies. Sie stützen sich z.B. auch darauf, daß von der tatsächlichen Reaktion der stadtrömischen Bevölkerung nichts berichtet wird, sonder nur von der Erwarteten. Anlass zur Kritik ist aber sicherlich der sehr geringe Wert der Sonnenbedeckung aus der astronomische Rückrechnung.
Der kleinste überlieferte Bedeckungswert einer partiellen antiken Sofi-Beobachtung ist meines Wissens eine Bedeckung von 4/5 des Sonnendurchmessers bei einer von Hipparch beobachteten Sofi in Alexandrien. Das scheint auch ungefähr der untere Wert der möglichen Sichtbarkeit zu sein den manche kritische Historiker/Astronomen einer antiken Beobachtung zubilligen wollen. Für kleinere Bedeckungen sind auf jeden Fall Hilfsmittel erforderlich (z.b. geschwärztes Glas), da man ja eigentlich das Auge schädigt, wenn man in die Sonne schaut. Dies ist für eine angenommene Beobachtung durch grosse Teile der stadtrömischen Bevölkerung also eher unwahrscheinlich.

Nur aus Interesse: Kannst Du etwas mehr zu den "Verformungstendenzen i. d. Überlieferung" sagen, die Demandt ausgemacht haben will? Oder was das ist? Hört sich spannend an.

Anlass zu dieser Arbeit war der anerkannte Fakt, daß der überwiegende Teil der überlieferten antiken Sofi-Beobachtungen eben nicht mit der astronomischen Rückrechnung übereinstimmt und/oder offensichtlich falsch,unsicher oder sogar widersprüchlich überliefert wurde.

So wird eine Sofi einmal bei Beginn des Feldzuges des Xerxes gegen Griechenland berichtet. Ein weiteres Mal erst beim Überschreiten des Hellespontes.
Oder die Sofi beim Auslaufen der athener Flotte unter Perikles geht offenbar nur auf eine Anekdote aus dem Umfeld des Autors hervor.
In manchen Fällen ist explizit von einer Sofi die Rede, eine anderer Stelle zum selben Ereignis berichtet nur von einer Verfinsterung, die auch auf eine athmosphärische Störung hindeuten könnte.

Die Tatsache, dass in der antiken Welt die Sonne oft mit dem Herrscher assoziiert wurde, führte zu Analogieschlüssen bei Verfinsterungen. Dies wiederum führte natürlich dazu, dass rückblickend beide Ereignisse (Sturz eines Herrschers und eine Sofi) gerne zeitnah übermittelt wurden, obwohl wir heute wissen das aus Gründen der Wahrscheinlichkeit dies eigentlich nicht sein kann.

Als Einstieg ins Thema kann ich dieses Buch empfehlen:
Ein Symposion zur Sonnenfinsternis in der Antike, hrsg. von Helga Köhler, Herwig Görgemanns und Manuel Baumbach (Heidelberger Forschungen 33)

Gruß
jchatt
 
@ jchatt: Danke für die Ausführungen! Absolut interessant (und absolut grün würdig).
"Symposion zur Sonnenfinsternis" gerade bestellt. Habe mich bisher immer auf die guten Alten wie K. F. Ginzel, L. Ideler, J. F. Wurm usw. verlassen, welche nie daran zweifelten, dass die Sofi 45 n. Chr. von den Römern gesichtet worden ist (obwohl auch ihnen der für Rom verhältnismäßig geringe Grad der Verfinsterung bewusst war). Aber ein Blick in die neuere Literatur hilft mir bei der Frage sicherlich weiter.

Die Tatsache, dass in der antiken Welt die Sonne oft mit dem Herrscher assoziiert wurde, führte zu Analogieschlüssen bei Verfinsterungen. Dies wiederum führte natürlich dazu, dass rückblickend beide Ereignisse (Sturz eines Herrschers und eine Sofi) gerne zeitnah übermittelt wurden, obwohl wir heute wissen das aus Gründen der Wahrscheinlichkeit dies eigentlich nicht sein kann.

Das Problem kenne ich z. B. bezüglich einer Sofi, die laut Cass. Dio kurz vor dem Tod des Augustus stattgefunden haben soll. Die Astronomie kann sie 14 n. Chr. nicht finden. Hat einige Kühne sogar dazu veranlasst, den Tod auf 10 n. Chr. umzudatieren. Dio stellt die Sofi in eine Reihe mit mehreren "historisch unglaubhaften" Prodigien vor dem Tod des Herrschers. Gibt ja auch die Bemerkungen bei Plinius d. Ä. und M. Antonius (bei Iosephos), dass sich bei Iulius Caesars Tode die Sonne zurückzog (zwar terminologisch nicht eindeutig Sofi, aber trotzdem bleibt die Frage, was das gewesen sein kann). In dieser Hinsicht gibt es also allerdings Klärungsbedarf. Und ich hoffe, durch die neue Literatur weiter zu kommen.
 
Ich weiß nicht ganz genau, was Du mit „quellentechnisch“ meinst, aber Du hast ja gerade eben selbst gesagt, dass es allein durch die Festlegung des Dionysius bedingt ist. Das Jahr heißt weder „45 n. Chr.“, weil damals irgendetwas Bestimmtes passiert ist, was wir aus den Quellen wissen, noch heißt es so, weil die Astronomie errechnet, das heute vor 1967 Jahren und 154 Tagen eine Sonnenfinsternis stattfand, sondern es heißt nur so wegen der Festlegung des Dionysius. Aber das hast Du im vorangehenden Zitat ja selbst so gesagt, und ich kann Dir in diesem Punkte nur zustimmen, dass das nichts mit Astronomie zu tun hat.

Vielleicht ist „quellentechnisch ein unschöner Begriff, aber ich meinte damit genau das: eine Interpretation der Schriftquellen und keine naturwissenschaftlich überprüfte Angabe.


Den Rest Deines Beitrags kann ich in gewisser Weise nachvollziehen; nur den letzten Satz nicht ganz:

Zitat hjwien "Um aber die Mike des Ritters Frage zu beantworten, worauf Du Dich ja auch bezogen hast, ist nicht die Verknüpfung von christlicher und römischer Jahreszählung von Bedeutung, sondern die stilistische, typologische, textkritische oder ähnliche Methode, und da hilft nun die Astronomie leider kaum."

Ich verstehe den Satz inhaltlich nicht ganz (was aber nicht gegen den Satz sprechen muss, vielleicht will mein Gehirn auch gerade nur nicht). Deswegen, weil ich ihn eben nicht ganz verstehe, will ich nicht nochmal blindlings auf die Wichtigkeit von der Verknüpfung von heutiger und antiker Jahreszählung für die Chronologie oder auf die Wichtigkeit der Astronomie pochen, sondern möchte Dir in einem Punkte – den ich zumindest meine, bei Dir herauszuhören – liebend gerne zustimmen:
Das wichtigste für den Historiker sind die Quellen und deren Auswertung. Hätte der Historiker die Quellen nicht und wüsste nicht damit umzugehen, würden ihm natürlich die Astronomie, die verschiedenen Jahreszählungen usw. nicht die Spur weiterhelfen. Denn wenn man nicht weiß WAS war, kann man auch nicht fragen, WANN es war. Deshalb ist die Chronologie auch nur eine Art Hilfswissenschaft der Geschichte.

Nun, Du hattest ja auf die Eingangsfrage Bezug genommen:

Ich hatte die Ausgangsfrage von „Mike dem Ritter“ allerdings (jetzt mal in Bezug auf unser Beispiel) so verstanden: Woher weiß man, dass das Konsulatsjahr des Iullus Antonius und Fabius Africanus (744 a. U. c.) = 10 v. Chr. ist? Ich hoffe, ich habe Mike da richtig verstanden, dass seine Frage nicht war, nach welchen Regeln der Historiker heute Konsulatsjahre und Jahre unserer christlichen Ära in Beziehung setzt, sondern dass seine Frage war, wie diese Regeln aufgestellt werden konnten bzw. woher man weiß, dass diese Regeln korrekt sind.


daher habe ich auch noch einmal nachgeschaut.
In der Tat läßt ja die Eingangsfrage mehrere Ansätze für eine Antwort offen:

Wie gelangen Historiker zu den scheinbar präzisen Datierungen von Personen, Texten, Realien etc.?

Ist also danach gefragt, wie man dem Ereignis eine Jahreszahl gibt, die sich in eine Relation zu unserer Jahreszählung setzen läßt, oder fragt man, wie lange das Ereignis exakt her ist. Das es da einen Unterschied geben kann, weiß jeder, der weiß, daß Jesus mindestens vier Jahre vor Christus geboren wurde.

Dann habe ich mir seine Einzelfragen angeschaut:

Wie kann man z. B. dem Konsulat des Primus Secundus Tertius das Jahr XYZ zuordnen? Woher weiß man, dass ein Textfragment, vielleicht mehrfach abgeschrieben und 15hundertirgendwas im Kloster sowieviel aufgetaucht, tatsächlich aus dem Zeitraum 110-120 n. Chr. stammt?


Und darauf bezog sich dann auch mein Dir etwas kryptisch erscheinender Satz: Das Konsulat ordne ich erstmal über die Fasti einem Jahr nach der Gründung der Stadt zu (da es ja nur eine Stadt auf der Welt gibt, muß hier der Name nicht erwähnt werden :scheinheilig: ). Und da in der Regel in dem Textfragment keine Sonnenfinsternis auftaucht, muß ich eben über die Textkritik gehen.

Das gleiche ist mir auch z. B. in der Numismatik ein Rätsel. Da hat man eine Münze mit einem Kopf drauf und das ist jetzt Publius im Jahre x. Für mich sehen viele Köpfe aber fast gleich aus, und wenn da kein Name drauf steht, frage ich mich, wie geht sowas?

Hier sind es stilistische und typologische Kriterien, nach denen man arbeitet, denn die Köpfe sehen eben doch nicht gleich aus, neben den manchmal wirklich nur noch sehr schwer zu erkennenen Beischriften lassen sich die Bildlegenden auch auswerten.

... was bestimmt die Form der Chronologie und Datierung? Was ist der objektive Maßstab, die Basis? Gerade vor dem Hintergrund der zufälligen Überlieferungsgeschichte, Zerstörungen, Zweitverwertung, der vielen Brüche in der Archivierung etc. scheint mir das unglaublich kompliziert zu sein.

Und eben diese vielen Brüche, die ein historisches Artefakt oder auch eine historische Nachricht durchgemacht hat, bis wir sie vorliegen haben, müssen auch mit den Methoden des Historikers auseinandergenommen werden.



Und ich will noch eine Aussage wagen (Du kannst mir natürlich widersprechen): Ich glaube, in den meisten besprochenen Detail-Fragen sind wir letztlich nicht mehr weit auseinander. Wir haben aber, was das Gesamtthema betrifft, unterschiedliche Prioritäten gesetzt und reden deshalb auch schonmal aneinander vorbei. Dir liegt mehr der praktische Nutzen der Chronologie für die Kenntnis und das Verständnis von historischem Geschehen am Herzen; das ist gut, und gemessen daran hat die Astronomie tatsächlich eine sehr geringe Bedeutung). Ich habe mich auf die zugegeben sehr viel mehr theoretische und recht „abstrakte“ Frage eingeschossen, über welche Wege man sich von der Richtigkeit der absoluten Chronologie der Lehrbücher überzeugen kann (meine Frage ist zwar an sich nicht so sinnvoll oder bedeutsam wie Deine, aber im Rahmen meiner Frage hat die Astronomie dann doch eine wesentliche Bedeutung). Könnten wir uns so in etwa einigen, oder noch nicht ganz?

Ja, wir hatten wirklich unterschiedliche Ansätze, die sich ja aber ergänzen, und es besteht kein Grund, zwischen diesen Ansätzen eine unterschiedliche Wertigkeit aufzubauen.
Und einigen kann man sich immer.
 
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Mit dem Jahr 318 auc ist das Jahr 436 v. Chr. gemeint. Warum sollte es denn das Jahr 211 sein, das wäre 543 auc

Woher weiß man das?

Außerdem würde in einem antiken Text in der Regel keine Zahl stehen, sondern die Namen beider Konsuln

Natürlich, aber das macht es doch nur noch schwieriger, das Jahr herauszufinden. Wenn nicht zufällig eine Liste aller Konsulen ohne Unterbrechung überlebt hätte, kann ich mir überhaupt nicht vorstellen, wie da eine Verbindung zwischen Zählung 1 (die nicht mal genannt wird!) und Zählung 2 (unserer) hergestellt wird. Ich meine, es gibt ja nicht nur Römische Geschichte. Offenbar muss es ja auch vollständige Listen von allen möglichen anderen Beamten/Herrschern/Ephoren etc. geben...ist das so?

also nicht nur Lucius Papirius Crassus, sondern auch Marcus Cornelius Maluginensis. Damit ist die Verwechslungsgefahr schon sehr eingeschränkt.

Moment - ich habe doch zunächst mal nichts außer zwei Namen. Selbst wenn ich mir ein Jahr zusammenzähle anhand der Konsulslisten, okay, dann habe ich irgendeine zusammenhanglose Zahl aus einer Liste, deren Anfang nicht stimmt!

Und was soll denn ein Geburtstagsjahr sein? Jeder Mensch hat nur ein Geburtsjahr, aber jedes Jahr Geburtstag.

Das war genau mein Einwand. Ich weiß nicht, warum die Erwähnung eines Kaisergeburtstages helfen soll.

Ich hatte die Ausgangsfrage von „Mike dem Ritter“ allerdings (jetzt mal in Bezug auf unser Beispiel) so verstanden: Woher weiß man, dass das Konsulatsjahr des Iullus Antonius und Fabius Africanus (744 a. U. c.) = 10 v. Chr. ist?

Genau so ist es. Dabei ist Konsulatsjahr nur ein Beispiel. Wir können gerne Ereignis xyz einsetzen. Ich kann mir nicht vorstellen, dass jeder Text - oder gar die Mehrheit - fein säuberlich mit Datumsstempel versehen wurde.

Deine Geschichte finde ich klasse. So in etwa habe ich mir das auch gedacht. Trotzdem sehe ich da an allen Ecken und Enden Problemstellen, die Du ja auch teilweise genannt hast. Wie zuverlässig sind die Quellen, die Überlieferung, die Abschriften, die Kalenderführung damals etc. Schließlich stimmt ja schon die Erstdatierung nicht, wieso soll es später besser geworden sein? Wieso sollten dann die Namen alle stimmen, v.a. die ersten, oder ihre Reihenfolge?
 
Ist also danach gefragt, wie man dem Ereignis eine Jahreszahl gibt, die sich in eine Relation zu unserer Jahreszählung setzen läßt, oder fragt man, wie lange das Ereignis exakt her ist.

Im Prinzip ersteres, aber ich glaube, Jesu Geburt ist ein ziemlicher Sonderfall. Mehr noch, wenn ich exakt die gleiche Messlatte benutze (unsere Zeitrechnung), dann muss beides übereinstimmen. Ein Ereignis X, das im Jahr 2000 1000 Jahre her war, muss im Jahr 1000 stattgefunden haben - solange niemand irgendwo Fehler gemacht hat.

Aber die Erklärungen sind schon alle gut und viele Fragen bereits beantwortet!
 
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