Grundstücke für Kirchen und Paläste?

lynxxx

Aktives Mitglied
Hi,
ich habe mal eine Frage:

Wie wurde es eigentlich im Mittelalter und in der frühen Neuzeit, sagen wir mal bis ins 18. Jh. mit den Grundstücken gehändelt, wenn ein Kirchenbau geplant war, oder ein Herrschersitz, oder ein Palast. Also ich meine nicht irgendwelche unbedeutenden Kirchen und Paläste, sondern schon größere bzw. wichtigere Bauvorhaben.

Wurden dafür benötigte Grundstücke aufgekauft, dazu noch zu fairen Preisen, und die ggf. darauf befindlichen vorherigen Gebäude, Häuser, Handwerksbetriebe, Bauernhäuser, etc. gleich dazu?
Oder wurde enteignet?
Oder wurde nur gebaut, wenn "zufällig" ein Stadtfeuer Platz dafür machte?

In Städten sind ja nicht selten die Kirchen relativ zentral gelegen, es gibt bestimmt viele Kirchen, die waren vielleicht zuerst dort, und um sie herum bildete sich erst eine Stadt, und die Kirche wurde im Laufe der Jahrhunderte immer mehr erweitert. Aber es gab ja auch Neubauten mitten in der Stadt. Oder für Erweiterungen der Kirche musste am Rande der vorigen Kirche Platz geschaffen werden. Oder Herrscherhäuser, die sich im Stadtgebiet befanden, oder auch auf dem Lande. Oft gab es ja Bauernhäuser, die Land "besetzten" doch die Grenzen eines Palastes mitsamt Garten drumherum sind nicht selten relativ rechtwinklig.
Mir ist jedenfalls kein Beispiel bekannt, wo ein Bauer nicht verkaufen (oder was auch immer) wollte, ich also in einem Schloßpark mittendrin ein Gehöft gesehen habe.

Sicher ist es nicht überall gleich gewesen, je nach Land und je nach Epoche, vielleicht auch je nach Skrupellosigkeit einzelner Herrscher?

Aber vielleicht können einige, die darüber gestolpert sind, mal aus ihrer Region und ihrer Epoche berichten, wie so die Verfahrensweise war?
 
Hallo lynxxx, :winke:

grundsätzlich solltest du bei deinen Überlegungen berücksichtigen, daß zu jener Zeit ja noch längst nich alles parzelliert gewesen ist, d.h. es gab zuhauf (?) freies Land, was nicht einmal zum Allmendegebiet gehört hat. Ich denke, daß vornehmlich auf diese freien Flächen zurückgegriffen wurde, insbesondere auf dem Land. Stadtgründungen erfolgten ohnehin meist später.

OT:
Wie kommst du denn überhaupt auf dieses Thema? :confused:
 
Mal so aus dem Ärmel:
Um die Kirchen waren früher die Kirchhöfe (Friedhöfe), die dann bebaut wurden.
Gelegentlich wurde auch das "Judenviertel" geräumt.
Der Bau von Stadtkirchen war auch eine Prestigeangelegenheit, auch als "Kontrapunkt" gegen den Bischof. Es war also eine Ehre, sich daran zu beteiligen, finanziell oder durch Stiftung des Grundstücks, wenn eines benötigt wurde. Die Freiburger gaben buchstäblich ihr letztes Hemd, d. h. beim Tod eines Bürgers wurde ein Kleidungsstück des Verstorbenen für den Münsterbau verkauft.
Stadtpaläste sind etwas relativ neues. Im Mittelalter wurden die Burgen und Schlösser "auf der grünen Wiese" gebaut. Und die gehörte ja dem Feudalherrn, der bauen wollte.
Vielleicht magst du dir auch mal die Freiburger Münsterblätter zu Gemüte führen
http://diglit.ub.uni-heidelberg.de/diglit/freiburgermuensterblaetter
 
Zuletzt bearbeitet:
Ich komme auf dieses Thema, weil zu Zeiten der Osmanen selbst bei imperialen Moscheen bei den "absolutistischsten" und mächtigsten Sultanen es nicht möglich schien, alle Grundstücke zu erwerben, um eine regelmäßige Bebauung zu ermöglichen, und somit die Bauten oft "schief und krumm" dem Straßenverlauf, den Nachbarbauten, usw. angepasst werden mussten. Dies führte nicht selten zu äußerst reizvollen architektonischen und stadtplanerischen Lösungen, mit raffinierten Sichtfluchten, usw.

Trotzdem wäre es den Architekten und den Bauherren lieber gewesen, hätten sie regelmäßige Komplexe errichten können, was sie auch immer dann taten, wo es tatsächlich noch möglich war, weil die Fläche noch frei war, ein Stadtbrand nach einem Erdbeben Möglichkeiten eröffnete, oder genügend Grundstücke erworben werden konnten.

Letzteres Beispiel für eine regelmäßige Bebauung siehe die Sultan Selim II. Moschee (dem Sohn von Süleyman I.) in Edirne. Nicht zuletzt dem Mangel an Baugrund im vollgebautem Istanbul ist der Umstand vermutlich wohl geschuldet, dass der Sultan seine Moschee in der 2. Hauptstadt und auf seinem Landsitz in Edirne errichten ließ:

IMG14055.jpg


Hier im Vergleich die Haupt-Moschee seines Vaters, Süleyman I., eines der mächtigsten Herrscher seiner Zeit, und sein Kompromiss, den er bei der Anlage seines Moscheekomplexes aufgrund der Vorbebauung und des Straßenverlaufs eingehen musste; mit abgeschnittenen Ecken, usw.:

IMG14074.jpg


Hier ist alles noch viel "schiefer und krümmer" bei der Moscheestiftung seiner Kaiserin Hürrem Sultan / Roxelane:

IMG14014.jpg


Auch auf dem asiatischen Teil von Istanbul gab es offensichtlich nicht die Möglichkeiten, genügend freien Baugrund zu erwerben, um diese nichtrechtwinkeligen Aussenmauern zu umgehen oder die Anlage insgesamt symmetrischer zu gestalten - hier die Moschee einer Sultansmutter in Üsküdar; recht viele spitze und stumpfe Winkel, statt 90°-Winkel:

IMG14043.jpg


Das war der Hintergrund mal nachzufragen. Wie sieht das bei mittelalterlichen und neuzeitlichen Kirchen, Klöstern und (Stadt-)Palästen/Schlössern aus? Ähnlich? :winke:
 
Zuletzt bearbeitet:
Ich kann dir ein Beispiel aus meiner Region nennen.

Elisabeth, die Witwe des ermordeten Königs Albrecht I. von Habsburg, gründete 1308 zum Gedenken und Seelenheil des Verstorbenen und aller Vorfahren ein fürstliches Hausstift an der Stelle, wo der König sein Leben liess. Neben dem Stift wurde ein kleines Haus für zwei Klosterbrüder errichtet. Bald darauf zogen zwei Franziskanermönche ein. Bei einem handelte es sich um den ehemaligen Diener Rudolfs von Habsburg, den Laienbruder Strobel aus Oftringen, der zweite war Priester Klaus von Bischofszell. Schon bald wurde das Haus für vier weitere Ordensbrüder ausgebaut. Neben der erforderlichen Einwilligung der kirchlichen Oberinstanzen zum Bau eines Klosters benötigten die Habsburger Bauland. Herzog Leopold kam deswegen im Herbst 1309 persönlich nach Brugg. Das Klostergebäude sollte auf althabsburgischen Boden erbaut werden. Der Acker gehörte zum Meierhof in Windisch, ein zweiter Acker wurde vom gleichen Meier gegen Zins bebaut und der dritte war als Lehen im Besitz von Rudolf und Wernher von Mülinen. Herzog Leopold wies seine Vögte am 15. Oktober 1309 im Eigenamt an, für die Äcker einen Zinsnachlass von insgesamt 3 Viertel Roggen und 1 Viertel Erbsen zu gewähren. Der Rest der Parzellen war nicht in habsburgischen Besitz und musste dazugekauft werden. Dem Kirchherr von Brugg kauften sie einen Acker aus dem Brugger Kirchengut ab. Dieses Kirchengut war bereits von den Klosterbrüdern bebaut worden. Am 17. März 1311 erfolgte ein grösserer Bodenkauf. Fünf Grundeigentümer verkauften ihre Äcker bei der Kirche in Windisch. Neben Verkäufen wurden auch Äcker eingetauscht. So bestätigte Heinrich, der Meier von Windisch, dass er für seinen abgetretenen Acker beim neuen Kloster einen anderen erhalten habe.
 
Zuletzt bearbeitet:
Zurück
Oben