Pope
Aktives Mitglied
Es bietet sich an, die Frage nach der Verbreitung von Technologien im Altertum allgemein anzusprechen - insbesondere zwischen schriftlosen Kulturen.
Was mich immer fasziniert hat, ist die m.E. erstaunlich frühe Verwendung von Pfeil & Bogen im Mesolithikum. Es bedarf eines gewissen Abstraktionsvermögens, eine Sehne an einen Weidenstab zu spannen, um damit spitze Stöcke zu verschießen. Für meine Wenigkeit liegt in dieser Erfindung der Sprung zur Hochtechnologie. Knüppel, Speere und versch. Messer aus Stein, Bein oder Holz zu basteln ist ein recht geradliniger Prozess, zu dem jeder Mensch prinzipiell fähig ist. Zumal diese Waffen/Werkzeuge legiliche "Armverlängerungen" sind, also die kinetische Energie direkt umsetzen. Der Bogen fällt in eine gänzlich neue Kategorie von Instrumenten: die kinetische Energie wirkt auf einen Träger, der sie in potentielle Energie (Spannung) umsetzt, und diese wiederum beim Lösen an den Pfeil weitergibt.
Zwischenfrage 1: Fällt jemandem ein ähnliches Instrument im Mesolithikum ein?
Nun haben Pfeil & Bogen - soweit ich weiß - weltweite Verbreitung gefunden. Ich vermute, dass sie an einem Ort erfunden wurden, da sie - wie oben beschrieben - keine "logische" Weiterentwicklung darstellen.
Zwischenfrage 2: Gibt es Untersuchungen zur Verbreitung von Pfeil & Bogen? Wo liegen die ältesten Funde/Darstellungen? Nahmen die ersten Amerikaner P&B mit über den Nordpazifik? Benutzten die Aborigenes in Australien P&B?
Welche Möglichkeiten der Verbreitung von P&B könnte es geben? Genügt das Wissen um eine Waffe, die Pfeile schleudert, um einen funktionstüchtigen Bogen herstellen zu können? Genügt es einen Bogen gesehen zu haben, um einen Bogen bauen zu können? Genügt es einen Bogen in der Hand gehabt zu haben, um einen Bogen nachbauen zu können?
Ich vermute, dass man diese Waffe zumindest aus der Nähe gesehen haben muss, um sie reproduzieren zu können - also durch direkten Kontakt mit einem Bogenschützen oder Bogenmacher. Räumliche Verbreitungsmöglichkeiten daher:
- Gewerblicher Handel
- Nachbarschaftlicher Austausch
- Kriegsbeute/Kidnapping
- Migration
Der funktionierende überregionale Austausch von Feuerstein und anderen Waren im (europäischen) Mesolithikum verleitet mich zu der Vermutung, dass mit der Verbreitung von P&B auch die Nachfrage nach Feuersteinspitzen (wieviel wohl "pro Jagderfolg" nötig waren?) rasant anstieg.
Zwischenfrage 3: Ist dieses Angebot-Nachfrage-Muster in den Feuersteinproduktionsstätten und/oder Pfeilspitzenfundstellen nachgewiesen?
Wenn ja, dann hätte mit der Verbreitung von P&B (und Feuersteinspitzen) das erste mal ein wichtiges, kurzlebiges Verbrauchsgut eine direkte Nachfrage ausgelöst - was ein extrem gut funtionierendes Handelsnetz voraussetzt. Oder waren Feuersteinspitzen derart rar und wertvoll, dass man sie nur in Extremsituationen (etwa im Winter, bei kriegerischen Auseinandersetzungen?) einsetzte?
....
Also, ich sehe schon: das ist schon fast ein Thema für sich. Letzendlich möchte ich gerne anhand von Pfeil und Bogen die Ausmaße und Belastbarkeit des mesolithischen Handels verstehen. Können wir uns vorstellen, dass "Karawanen" mit Feuersteingeräten auf Fernhandelswegen entlangzogen? Dass diese frühen Händler durchaus Geschäftssinn hatten, Bernstein hier einkauften, Salz dort verkauften, Handwerker rekrutierten, Exemplare von "fremden" Werkzeugen kauften, um sie reproduzieren zu lassen, usw. usw.? Können wir uns vorstellen, dass diese Handelsbeziehungen so intensiv waren, dass sich die Händler, wie auch die Abnehmer und Produzenten darauf verlassen konnten? Dass es zu beginn des (europäischen) Neolithikums kaum ein europäisches Volk gab, dass nicht in irgendeiner Form vom überregionalen Handel berührt war? Dass neben Gütern auch Innovationen und Nachrichten (Legenden?) die Runde machten? Dass die ersten Bauern ebensowenig isoliert herumexperimentierten, wie die ersten Stätter oder die ersten Keramikbrenner?
Vielleicht waren gar einige der Megalithbauten nichts anderes als saisonale Marktplätze?
Soweit meine Laiensicht. Über punktuelle Klarheit höchst erfreut,
Pope
P.S. Was hat das mit der Bronzezeit zu tun? Wie gesagt: ich wollte den Bogen etwas weiter spannen ...
Was mich immer fasziniert hat, ist die m.E. erstaunlich frühe Verwendung von Pfeil & Bogen im Mesolithikum. Es bedarf eines gewissen Abstraktionsvermögens, eine Sehne an einen Weidenstab zu spannen, um damit spitze Stöcke zu verschießen. Für meine Wenigkeit liegt in dieser Erfindung der Sprung zur Hochtechnologie. Knüppel, Speere und versch. Messer aus Stein, Bein oder Holz zu basteln ist ein recht geradliniger Prozess, zu dem jeder Mensch prinzipiell fähig ist. Zumal diese Waffen/Werkzeuge legiliche "Armverlängerungen" sind, also die kinetische Energie direkt umsetzen. Der Bogen fällt in eine gänzlich neue Kategorie von Instrumenten: die kinetische Energie wirkt auf einen Träger, der sie in potentielle Energie (Spannung) umsetzt, und diese wiederum beim Lösen an den Pfeil weitergibt.
Zwischenfrage 1: Fällt jemandem ein ähnliches Instrument im Mesolithikum ein?
Nun haben Pfeil & Bogen - soweit ich weiß - weltweite Verbreitung gefunden. Ich vermute, dass sie an einem Ort erfunden wurden, da sie - wie oben beschrieben - keine "logische" Weiterentwicklung darstellen.
Zwischenfrage 2: Gibt es Untersuchungen zur Verbreitung von Pfeil & Bogen? Wo liegen die ältesten Funde/Darstellungen? Nahmen die ersten Amerikaner P&B mit über den Nordpazifik? Benutzten die Aborigenes in Australien P&B?
Welche Möglichkeiten der Verbreitung von P&B könnte es geben? Genügt das Wissen um eine Waffe, die Pfeile schleudert, um einen funktionstüchtigen Bogen herstellen zu können? Genügt es einen Bogen gesehen zu haben, um einen Bogen bauen zu können? Genügt es einen Bogen in der Hand gehabt zu haben, um einen Bogen nachbauen zu können?
Ich vermute, dass man diese Waffe zumindest aus der Nähe gesehen haben muss, um sie reproduzieren zu können - also durch direkten Kontakt mit einem Bogenschützen oder Bogenmacher. Räumliche Verbreitungsmöglichkeiten daher:
- Gewerblicher Handel
- Nachbarschaftlicher Austausch
- Kriegsbeute/Kidnapping
- Migration
Der funktionierende überregionale Austausch von Feuerstein und anderen Waren im (europäischen) Mesolithikum verleitet mich zu der Vermutung, dass mit der Verbreitung von P&B auch die Nachfrage nach Feuersteinspitzen (wieviel wohl "pro Jagderfolg" nötig waren?) rasant anstieg.
Zwischenfrage 3: Ist dieses Angebot-Nachfrage-Muster in den Feuersteinproduktionsstätten und/oder Pfeilspitzenfundstellen nachgewiesen?
Wenn ja, dann hätte mit der Verbreitung von P&B (und Feuersteinspitzen) das erste mal ein wichtiges, kurzlebiges Verbrauchsgut eine direkte Nachfrage ausgelöst - was ein extrem gut funtionierendes Handelsnetz voraussetzt. Oder waren Feuersteinspitzen derart rar und wertvoll, dass man sie nur in Extremsituationen (etwa im Winter, bei kriegerischen Auseinandersetzungen?) einsetzte?
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Also, ich sehe schon: das ist schon fast ein Thema für sich. Letzendlich möchte ich gerne anhand von Pfeil und Bogen die Ausmaße und Belastbarkeit des mesolithischen Handels verstehen. Können wir uns vorstellen, dass "Karawanen" mit Feuersteingeräten auf Fernhandelswegen entlangzogen? Dass diese frühen Händler durchaus Geschäftssinn hatten, Bernstein hier einkauften, Salz dort verkauften, Handwerker rekrutierten, Exemplare von "fremden" Werkzeugen kauften, um sie reproduzieren zu lassen, usw. usw.? Können wir uns vorstellen, dass diese Handelsbeziehungen so intensiv waren, dass sich die Händler, wie auch die Abnehmer und Produzenten darauf verlassen konnten? Dass es zu beginn des (europäischen) Neolithikums kaum ein europäisches Volk gab, dass nicht in irgendeiner Form vom überregionalen Handel berührt war? Dass neben Gütern auch Innovationen und Nachrichten (Legenden?) die Runde machten? Dass die ersten Bauern ebensowenig isoliert herumexperimentierten, wie die ersten Stätter oder die ersten Keramikbrenner?
Vielleicht waren gar einige der Megalithbauten nichts anderes als saisonale Marktplätze?
Soweit meine Laiensicht. Über punktuelle Klarheit höchst erfreut,
Pope
P.S. Was hat das mit der Bronzezeit zu tun? Wie gesagt: ich wollte den Bogen etwas weiter spannen ...
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