Hat die Inquisitionen je echte Satanisten gejagt?

Nun, Scorpio ich gehe auch davon aus, dass Stump wirklich ein Mörder war und ich wäre der Letzte, der ihn zu einem Märtyrer machen würde. Ich gehe auch davon aus, dass dies sehr klar ersichtlich ist in meinen Beiträgen. Ich erkenne auch an, dass du dich besser mit dem Fall auskennst als ich. Ich habe auch nie bestritten, dass es gut möglich ist das Stump wirklich schlimme Verbrechen beginn, nur das man eben vorsichtig sein sollte und es eben auch ganz Anders gewesen sein konnte. Aber dass ich den Quellen eine gewisse Skepsis entgegenbringe, ist wohl mehr als berechtigt. Vor allem, wenn es rund um den Hexenwahn geht, darf man, muss man geradezu das Übermittelte infrage stellen.

Um ein Beispiel zu erwähnen, um 1675 war in Salzburg und Bayern ein Mann, der Jakob Koller hieß, Staatsfeind Nummer 1. Der bayrische Kurfürst hat eine Belohnung von 500 Reichstalern für ihn ausgeschrieben. Damals eine enorme Summe. In vielen zeitnahen Quellen wird Jakob als ein mächtiger Zauberer beschrieben, der sich unter anderem in einen Wolf verwandeln konnte. Er soll eine große Gruppe von Kindern um sich gesammelt haben und ihnen das Zaubern beigebracht haben und zusammen mit ihnen viele schlimme Verbrechen begangen haben. Es wurden 167 Menschen, meist Kinder und Jugendliche, nach schlimmer Folter hingerichtet. Sie hatten unter der Folter unglaubliche Dinge über Jakob zu berichten. Doch man konnte ihm nie habhaft werden.

So weit die Geschichte, die wir aus den Quellen kennen. Aber geht man heute davon aus, dass Jakob Koller nur ein armer Teufel war, denn es gelungen ist unterzutauchen. Aus einer Abdeckerfamilie stammend, gehörte er zu den Außenseitern der Gesellschaft. Diese brachte man ohne hin gerne mit Kriminalität und Hexerei in Verbindung. Als man seine Mutter Barbara dabei erwischte, wie sie den Opferstock stehlen wollte, folterte man ihr das Geständnis heraus, sie wäre eine Hexe und sie belastete auch ihren Sohn schwer. Barbara wurde hingerichtet, doch Jakob konnte fliehen. Ob Jakob nun so eine charismatische Person war, dass irgendetwas seinen späteren Ruhm anregte, weiß man nicht. Vermutlich war das einzige, das ihn außergewöhnlich machte, eben dass es ihm gelang unterzutauchen. Davon gehen viele Historiker heute aus.

Jedenfalls nutzten die damalige Obrigkeit die ganze Sache aus, um Jakob zum Anführer einer Kindersekte von Satanisten zu erklären. So konnten sie ihr brutales Vorgehen gegen das Bettlerunwesen begründen. Man griff jedoch viele Bettlerkinder auf und folterte sie. Da die meisten der Hingerichteten Burschen waren, ist das auch der Grund, warum im Gebiet des heutigen Österreichs (Salzburg war damals ein unabhängiges Fürstbistum) mehr Männer als Frauen dem Hexenwahn zum Opfer fielen.

Wenn ich den damaligen Quellen trauen darf, haben wir es bei Jakob Koller mit einem Charles Manson des 17. Jahrhunderts zu tun. So wird er auch recht eindrucksvoll in der dritten Staffel von "Der Pass" dargestellt. Doch würde dies heute wohl kaum ein angesehener Historiker oder Heimatkundler so unterschreiben.

Um noch einen anderen Fall zu beschreiben, der viele Jahrhunderte später stattfand, ist der von Bruno Lüdke. Dieser wurde 1944 von den Nazis ermordet. Auch lange nach dem Krieg ging man noch davon aus, dass Lüdke der schlimmste Serienmörder in der Geschichte Deutschlands war. Noch schlimmer als Stump! Heute weiß man, dass die Nazis einem geistig Behinderten unzählige ungelöste Mordfälle in die Schuhe schoben.

Bei der enormen Zeit von 25 Jahren, in denen Stump gewütet haben soll, ist es nur zu wahrscheinlich, dass die Obrigkeit noch ein paar ungelöste, womöglich noch immer die Gemüter erhitzende Gewalttaten loswerden wollte und Stump als Täter präsentierte.

Gut, das geben die Quellen nicht her. Wenn ich diesen glauben darf bzw. soll, dann hat sich Stump in einen Werwolf verwandelt und dann schlimme Gewalttaten begangen. Doch wenn ich das Erste bezweifeln darf, dann wohl auch das Zweite.


Ich wollte aber, als ich ihn erwähnte, nicht eine Diskussion über Stump anregen. Und schon gar nicht ihn rehabilitieren. Denn das geben eben die Quellen nicht her. Was ich wollte, war anzuregen, dass hinter den Hexenprozessen auch echte Verbrechen stehen können. Dass es Menschen gab, die wirklich glaubten, dass sie mit dem Teufel im Bunde sind und sie das dazu führte, gewalttätig zu werden.

So etwas Aberwitziges wie der Hexenwahn kann natürlich nicht unwidersprochen geblieben sein. Siehe Salazar, Weyer und Sperr. Aber für die meisten Menschen damals dürfte es keinen Zweifel an der Existenz von Hexen gegeben haben. Das Thema war omnipräsent in den damaligen Medien von Flugblättern, Wochenschriften und Predigten. Dort wurden auch viele "Informationen" geteilt, wie diese Menschen Hexen bzw. Hexer wurden. Dies kann eben auch in die andere Richtung gewirkt haben, eben nicht nur Angst und Verfolgungswahn erzeugt haben, sondern bei so manchen auch Faszination und den Wunsch selber eine Hexe oder ein Hexer zu werden. Dies kennen wir doch auch heute, bei Themen wie organisierte Kriminalität und Terror, auch dies hat auf viele Menschen eine enorme Faszination, bis hin, dass sie Teil davon werden wollen. Doch man braucht eben nicht eine reale Gruppe, bei der man andocken kann, um durchzudrehen. Wenn sich heute einer vor dem Computer radikalisiert und den ganzen IS- oder QAnon-Blödsinn in sich hineinzieht und dann gewalttätig wird, dann kann ich mir das damals auch gut in Bezug auf den Hexenglauben vorstellen.
 
Da die Quellen (ausschliesslich Pamphlete, Flugblätter und Bericht eines Kölner Bürgers) für den Fall Stump spärlich und unzuverlässig sind erscheint es auch möglich, dass hier die Taten von nach dem Truchsessichen Krieg (1580er Jahre) entlassene Söldnerbanden, welche zwischen Erft und Rhein ihr Unwesen trieben, in der Gestalt Stumps subsumiert worden sind.


Die Hinrichtung orientierte sich an der Carolina:
Schwerer Mord, Raubmord, Gattenmord = Rädern (Männer) / Lebendig Begraben (Frauen)
Strafverschärfende Massnahmen: Reissen mit glühenden Zangen, Enthaupten
Hexerei, Giftmord, Ketzerei, Sodomie, Inzest (damals breiter gefasst) = Verbrennen für die angebl. Mittäterinnen Katharina Trumpin, Beell Stump
Weinsberg berichtet höchstwahrscheinlich vom Hörensagen über die Hinrichtung. Es sind wie gesagt nur die Flugblätter und Weinsberg als Quellen erhalten. Alle die Flugblätter gehen aber auf einen konkreten Fall ein. Der Name des Täters, der Ort Bedburg und auch das Datum der Hinrichtung wird unabhängig voneinander von allen Quellen einheitlich berichtet. Nur eine schreibt, es sei 1586 und nicht 1589 gewesen.

Der Fall erregte ungeheures Aufsehen, und wenn deutsche, niederländische und eine englische Quelle alle unabhängig voneinander die gleiche Tat, den gleichen Tathergang, den gleichen Tatort, den gleichen Zeitpunkt berichten, berichten nicht über sagenhafte Ereignisse, sondern konkrete Taten- da spricht doch sehr viel dafür, dass die Flugblätter sich nicht alles aus den Fingern gesaugt haben und 1589 in Bedburg tatsächlich ein Peter Stubb hingerichtet wurde, den man für einen Werwolf hielt.

Es gibt Ereignisse in der Geschichte, die quellenmäßig weit weniger gesichert sind. Die Prozessakten sind nicht erhalten, aber der Fall erregte enormes Aufsehen. Der Name des Täters der Ort, Prozessbeteiligte, der Prozessverlauf das Datum der Hinrichtung das alles wird in den Quellen unabhängig voneinander überliefert. Es geht um einen konkreten Prozess, und der wird zeitnah auch von Weinsberg bestätigt.
Da kann meiner Ansicht nach kein Zweifel bestehen, dass es sich um einen historischen Prozess handelt. Die Schreibweise variiert da wird ein Peter Stump, Stubb, Stubbe oder Stumpe namentlich genannt.




Der historische Peter Stubb fand vielleicht sogar seinen Niederschlag im Volksaberglauben. Im Rheinland fürchtete man einen Unhold "Stüpp" genannt, der seinen Opfern an Kreuzwegen auflauerte. Der Stüpp zerfleischte seine Opfer nicht, sondern hockte ihnen auf, ein Motiv, wie In Gogols Erzählung Der Wy oder auch wie es der "Scheich des Meeres" in einem seiner Abenteuer mit Sindbad dem Seefahrer macht.
 
Die Prozessakten sind nicht erhalten, die einzigen Quellen, die zu dem Fall existieren, sind Flugschriften, darunter mehrere deutsche und eine englische Quelle. Die Flugblätter sind alle recht zeitnah entstanden, und in zahlreichen Details berichten sie das Gleiche. Die englische Quelle ist ausführlicher, und sie überliefert einige Details, die in deutschen oder niederländischen Flugblättern sich nicht finden. Da die Flugblätter in vielen Details die gleichen Informationen überliefern, auch relativ zeitnah entstanden sind, kann man schon davon ausgehen, dass die Autoren aus den Prozessakten zitierten.
Der Fall erregte ungeheures Aufsehen, und wenn deutsche, niederländische und eine englische Quelle alle unabhängig voneinander die gleiche Tat, den gleichen Tathergang, den gleichen Tatort, den gleichen Zeitpunkt berichten, berichten nicht über sagenhafte Ereignisse, sondern konkrete Taten- da spricht doch sehr viel dafür, dass die Flugblätter sich nicht alles aus den Fingern gesaugt haben und 1589 in Bedburg tatsächlich ein Peter Stubb hingerichtet wurde, den man für einen Werwolf hielt.
Du betonst die Unabhängigkeit der Quellen voneinander, gehst davon aus, dass sie direkt aus den Prozessakten zitieren, die ja nicht erhalten sind.
Ich bin mir da nicht so sicher. Ich kenne die Quellen nicht und kann daher nicht anhand ihrer selbst, sondern nur auf Verdacht argumentieren. Ich bin mir bewusst, dass das eine schwache Argumentationsposition habe. Aus dem wenigen, was ich weiß, habe ich den Eindruck, dass die Quellen nicht unbedingt unabhängig voneinander sind.
Du hast auf das inhaltlich längere Flugblatt aus England hingewiesen und dieses gehighlighted. Nun gibt es in der Textkritik sei Grundsätze, die da lauten: lectio diffcilior potior und lectio brevior potior, also die schwierigere (ungeglättete) und die kurze (nicht auserzählte) Lesung ist die bessere. Dabei geht es zwar im Textvarianten eines Textes, aber grundsätzlich kann man das übertragen. Ich beziehe mich hier vor allem auf die lectio brevior. Will sagen: Man kann durchaus begründet der Meinung sein, wenn das englische Flugblatt dieselben Fakten, wie die kürzeren deutschen und niederländischen Flugblätter bieten, bietet und dabei ausführlicher ist, dass es einfach Lücken füllt, die die kontinentalen Flugblätter offen gelassen haben.


Wenn man sie aber völlig verwirft, wenn man sagt, es kann auch ganz anders gewesen sein, es kann Peter Stubbe ein Justizopfer gewesen sein, es kann seine Exekution auch Ausfluss sadistischer Motive der Richter gewesen sein, es kann Peter Stubb ein Opfer eines Justizmordes gewesen sein, dann verlässt man völlig den Bereich der Quellen, dann begibt man sich auf das Feld der reinen Mutmaßung. Man kann Quellen misstrauen, kann ihre Objektivität in Frage stellen. Ohne Quellen aber sind wir gar nichts, und wenn man Quellen verwirft, weil einem das Ergebnis ideologisch nicht gefällt, dann verlässt man den Bereich der Wissenschaft und begibt sich auf das Gebiet der Pseudo-Wissenschaft.
Das Urteil ist mir zu hart! Selbstverständlich haben wir ohne Quellen nichts. Da gehe ich mit. Aber das sollte uns - ich rede hier theoretisch, nicht vom speziellen Fall - nicht davon abhalten, ggf. alles (für die Rekonstruktion der Ereignisgeschichte) zu verwerfen. Wenn sich das - jenseits von ideologischen Vorbehalten - gut begründen lässt, finde ich nichts Falsches daran.

etwas hineininterpretieren, was dort nicht steht, heißt die Basis des Verifizierbaren verlassen, heißt aus dem Bauch heraus zu argumentieren. [...] keine Rechtfertigung dafür [...] dass man [...] das, was man nicht genau weiß füllt mit reinen Vermutungen.
Richtig.
 
Du betonst die Unabhängigkeit der Quellen voneinander, gehst davon aus, dass sie direkt aus den Prozessakten zitieren, die ja nicht erhalten sind.
Ich bin mir da nicht so sicher. Ich kenne die Quellen nicht und kann daher nicht anhand ihrer selbst, sondern nur auf Verdacht argumentieren. Ich bin mir bewusst, dass das eine schwache Argumentationsposition habe. Aus dem wenigen, was ich weiß, habe ich den Eindruck, dass die Quellen nicht unbedingt unabhängig voneinander sind.
Du hast auf das inhaltlich längere Flugblatt aus England hingewiesen und dieses gehighlighted. Nun gibt es in der Textkritik sei Grundsätze, die da lauten: lectio diffcilior potior und lectio brevior potior, also die schwierigere (ungeglättete) und die kurze (nicht auserzählte) Lesung ist die bessere. Dabei geht es zwar im Textvarianten eines Textes, aber grundsätzlich kann man das übertragen. Ich beziehe mich hier vor allem auf die lectio brevior. Will sagen: Man kann durchaus begründet der Meinung sein, wenn das englische Flugblatt dieselben Fakten, wie die kürzeren deutschen und niederländischen Flugblätter bieten, bietet und dabei ausführlicher ist, dass es einfach Lücken füllt, die die kontinentalen Flugblätter offen gelassen haben.

Habe ich denn die englische Quelle überhöht? Ich habe doch nur geschrieben, dass sie ausführlicher ist und Dinge berichtet, von denen die deutschen und niederländischen Quellen nichts wissen. Soweit ich mich erinnere, habe ich mich zur Glaubwürdigkeit gar nicht geäußert. Die englische Quelle gibt als Gewährsmann z. B. einen Nachbarn von Peter Stubb an, der nach England auswanderte- dass glaube ich ihr nicht!

Ich halte es auch für unwahrscheinlich, dass die Autoren der Flugblätter Prozessakten eingesehen haben. Halte es für wahrscheinlicher, dass sie wie Hermann Weinsberg eher vom Hörensagen vom Prozess berichteten. Ich halte es auch nicht für unwahrscheinlich, dass die Autoren der Flugblätter, ob sie nun in den Niederlanden, im Reich oder im fernen Polen oder Russland publizierten, auf ziemlich die gleichen Originalquellen zurückgegriffen haben: Vermutlich hat der Rat der Stadt Bedburg das Urteil bekanntgegeben. Es ist nicht unwahrscheinlich, dass Geistliche über die Hinrichtung Predigten veröffentlichten, dass man über das Verhalten des Täters berichtete, dass das Thema aufgegriffen wurde von Bänkelsängern, Moritaten-Sängern, von Puppenspielern, von Bettlern, die auf das Ereignis reagierten, von Schauspielern.

Es ist auch nicht unwahrscheinlich, dass es relativ wenige Quellen gab, die Informationen aus erster Hand zu dem Fall beizusteuern hatten, und dass die Autoren ob im Reich, in den Niederlanden, in England, Russland oder Polen ziemlich genau die gleichen Originalquellen XY verwendet haben. Wir wissen gar nicht genau, welche das waren und wie glaubwürdig sie sind.

Auch von (vermutlich) fiktiven Personen wie Till Eulenspiegel oder Robin Hood haben wir Lebensdaten, Geburts- und Sterbeorte, da hören wir, dass Eulenspiegel in Kneitlingen geboren wurde, in Mölln starb, von Streichen, die er in Braunschweig oder Einbeck, in Köln oder Rom spielte, ohne das man genau weiß, war er nun fiktiv, hatten sie historische Vorbilder?

Es kann natürlich sein, dass es den Prozess nie gegeben hat, dass die Autoren der Flugblätter einer Ente aufgesessen sind. Es hat aber der Fall ungeheures Aufsehen in ganz Europa erregt und das noch nach Jahrzehnten. Weinsberg, und Martin Delrio erinnern sich noch nach Jahren daran. Ich halte es für sehr wahrscheinlich, dass die Hinrichtung ähnlich großes Aufsehen erregte, wie 220 Jahre später die Exekution von Fetzer oder Schinderhannes. Im Rheinland, in angrenzenden Regionen lebten noch nach Generationen Menschen, die sich zumindest vom Hörensagen an den Fall erinnern konnten. Tatort, Tatgeschehen, der Name des Täters, das genaue Datum der Hinrichtung und konkrete Mordtaten werden genannt. Da spricht meiner Meinung nach doch sehr viel dafür, dass Peter Stumpe eben keine fiktive Gestalt war, dass es um konkrete Taten eines einzelnen Täters ging.

Das Verhalten des Täters, der Ablauf der Exekution das alles stieß auf großes öffentliches Interesse. Bei ähnlichen Fällen, bei bekannten Banditen, Es war wichtig dass die Exekution reibungslos verlief. Ich halte es für sehr wahrscheinlich, dass der Rat der Stadt Bedburg das Urteil veröffentlichte, dass es Predigten zu dem Thema gab. Im Rheinland, in der Umgebung wurde noch sehr lange über den Fall gesprochen. Es ist sehr wahrscheinlich, dass der "Stüpp" darauf zurückgeht.

Der Fall erregte ungeheures Aufsehen, weit über die Region hinaus. Im Rheinland und angrenzenden Regionen lebten noch nach Generationen unzählige Zeitgenossen, die sich zumindest noch vom Hörensagen an den Fall, an die Hinrichtung an den Täter erinnern konnten. Ein Peter Stubb, Stubbe, Stumpf, Stump, Stumpe ist zumindest archivalisch fassbar++


Ich halte es für unwahrscheinlich, dass die Autoren der Flugblätter oder auch Hermann Weinsberg, der durchaus der Werwolf-Verwandlung gegenüber skeptisch war, sich das alles komplett aus den Fingern gesaugt haben sollen, dass Peter Stumpe eine fiktive Gestalt war, dass es die Morde und die Exekution gar nicht gab, dass der Werwolf-Prozess nie stattgefunden hat, dass das alles erfunden sein soll.


Das Urteil ist mir zu hart! Selbstverständlich haben wir ohne Quellen nichts. Da gehe ich mit. Aber das sollte uns - ich rede hier theoretisch, nicht vom speziellen Fall - nicht davon abhalten, ggf. alles (für die Rekonstruktion der Ereignisgeschichte) zu verwerfen. Wenn sich das - jenseits von ideologischen Vorbehalten - gut begründen lässt, finde ich nichts Falsches daran.


Richtig.

Es gibt ja aber auch in der wissenschaftlichen Literatur die These, dass es den Prozess nie gegeben hat, Erika Münster-Schroer hat diese Ansicht mehrfach geäußert, es ist durchaus möglich, das Stubbe als Sündenbock für marodierende Söldner den Kopf hinhalten musste, dass er ein Opfer der Gegenreformation war wie Peter Kremer annimmt.

Ich halte es auch nicht für falsch, alle Möglichkeiten der historischen Rekonstruktion ins Auge zu fassen. Das Problem ist, dass, meiner Ansicht nach, eben viel zu viel gemutmaßt wird, das man aus Quellen etwas herauslesen will, was die Quelle genau genommen, gar nicht hergibt. Ich muss zugeben, dass ich das selbst schon getan habe. Dass etwas übernommen wird, und Original-Quellen nicht kritisch genug überprüft werden, wir hatten das kürzlich im Zusammenhang mit Tierprozessen.

So ist es möglich, dass Stubbe Protestant war, es gibt dafür aber keine Belege, Kremer interpretiert die Aussage, Stubbe habe sich mit schwarzer Magie beschäftigt als Beleg für seine umfassende Schulbildung, es fehlen auch Belege dass er ein wohlhabender Bauer war. Wenn Stubbe ein Justizopfer war, könnte man zumindest erwarten, dass es protestantische Gegen-Propaganda existierte.
Selbstverständlich ist auch die These, dass er mehrere Morde begangen hat, ein Serientäter war nicht unumstritten. Man kann sehr wohl davon ausgehen, dass er zwar gestanden hat, dass aber die Folter oder die Bedrohung mit der Folter dem Geständnis nachgeholfen hat. Es ist sehr wohl möglich, dass Stubbe in einigen Fällen unschuldig war, und auch die Möglichkeit, dass die Prozesse völlig fiktiv waren kann nicht 100%ig ausgeschlossen werden.

Was wir wissen, der Fall stieß auf ungeheures Interesse noch nach Jahrzehnten. In der Region oder angrenzenden Regionen gab es noch nach Generationen Zeitgenossen, die sich zumindest vom Hörensagen noch an den Prozess erinnerten. Denen es aufgefallen wäre, wenn die Flugblatt-Autoren sich das komplett aus den Fingern gesaugt hätten. Sie hätten sich blamiert.

Mit absoluter Sicherheit kann man es nicht sagen, wir wissen nicht, welche Quellen die Flugblatt-Autoren verwendet haben, wir können nur entscheiden, was einem historisch plausibel erscheint.

Wenn man es für plausibel hält, dass:
1. Es gab einen konkreten Prozess und eine Hinrichtung 1589 in Bedburg.
2. Peter Stubbe war mit Sicherheit kein Werwolf, aber möglicherweise ein Serientäter und Kannibale wie Fritz Haarmann oder Armin Meiwes.
3. Mit ihm wurde seine Tochter Beel (Sibylle) Stumpe und Katharina Trump hingerichtet.
4. Der Fall erregte ungeheures Aufsehen in ganz Europa.
5. Wenn er ungeheures Aufsehen erregte, ist wahrscheinlich, dass der Rat der Stadt Bedburg das Urteil veröffentlichte, dass Predigten darauf Bezug nahmen, dass Predigten veröffentlicht wurden, die Auskunft gaben, über Verhalten des Täters, Tathergang, war es eine "gelungene" Hinrichtung?
6. Die Flugblattautoren haben vermutlich die Hinrichtung nicht gesehen, berichteten vom Hörensagen wie Weinsberg oder Martin Delrio (?)
7. Sie wollten sich aber nicht blamieren und hielten sich wie Gerichtsreporter an Quellen, denen man ehesten glauben konnte: Urteil des Rats von Bedburg, Auflistung der Kosten für die Hinrichtung. Predigten zum Thema.

Wenn man das für plausibel hält, dann ist aber auch das nur eine persönliche Präferenz. Genaues weiß man nicht.

Ma waas es net! Ich habe eben versucht, eine Master-Arbeit der Uni Duisburg zum Fall Peter Stumpe zu verlinken, die ganz gut den Forschungsstand zusammenfasst, auf die unterschiedlichen Theorien eingeht. Die Datei war zu groß. Wen es interessiert, der findet die Arbeit verlinkt auf der Wikipedia-Seite zu Peter Stumpe. Ich kann aber auch bei Interesse den Artikel als PDF-Datei und als private nachricht versenden.
 
Zuletzt bearbeitet:
Habe ich denn die englische Quelle überhöht?
Das kann ich nicht beurteilen, aber du hast sie hervorgehoben. Zumindest war das mein Eindruck.
Wie gesagt, ich kann mich inhaltlich nicht zu dem äußern, was du geschrieben hast.

Ich habe doch nur geschrieben, dass sie ausführlicher ist und Dinge berichtet, von denen die deutschen und niederländischen Quellen nichts wissen. Soweit ich mich erinnere, habe ich mich zur Glaubwürdigkeit gar nicht geäußert.
Okay, dann habe ich dich falsch verstanden. Mein Eindruck war, dass du dies und die Unterschiede in den Auserzählungen als Maß für ihre Glaubwürdigkeit herangezogen hättest. Wenn das nicht der Fall ist, dann ist meine Kritik gegenstandslos.

Es kann natürlich sein, dass es den Prozess nie gegeben hat,
In diese Richtung wollte ich nie argumentieren. Vom Fall habe ich hier im Forum zum ersten Mal gehört und ich kann mich nicht kompetent dazu äußern. Mir ging es um Methoden der Q-Kritik, die ich - offensichtlich fälschlicherweise - verletzt sah.
 
Ich wollte aber, als ich ihn erwähnte, nicht eine Diskussion über Stump anregen. Und schon gar nicht ihn rehabilitieren. Denn das geben eben die Quellen nicht her. Was ich wollte, war anzuregen, dass hinter den Hexenprozessen auch echte Verbrechen stehen können. Dass es Menschen gab, die wirklich glaubten, dass sie mit dem Teufel im Bunde sind und sie das dazu führte, gewalttätig zu werden.

In vielen Prozessen haben manche Angeklagten am Ende selbst geglaubt, Hexen zu sein. In einem anderen Thread erwähnte ich einen Jungen aus Bamberg, der vermutlich nur heftig pubertierte und eine lebhafte Phantasie hatte. der Junge beobachtete gerne die Magd seiner Mutter, und irgendwann fing er an in der Stadt herumzuerzählen, dass ihn die Magd behexte und zum Blocksberg begleitete. Anfangs nahm man das nicht ernst, doch schließlich wurde er eingezogen, und mit ihm begann eine der grauenhaftesten Hexenverfolgungen überhaupt. Am Ende sind der Junge, seine Mutter und die Magd hingerichtet worden.
In Lemgo hatte vermutlich ein makabrer Schülerstreich fatale Folgen. Einige Schüler kolportierten einen Hexensabbat, bei dem ein Lehrer beteiligt war. Der Mann wurde verhaftet, gefoltert und gestand alle Vergehen und wurde "zum Schwerdt begnadigt"

So etwas Aberwitziges wie der Hexenwahn kann natürlich nicht unwidersprochen geblieben sein. Siehe Salazar, Weyer und Sperr. Aber für die meisten Menschen damals dürfte es keinen Zweifel an der Existenz von Hexen gegeben haben. Das Thema war omnipräsent in den damaligen Medien von Flugblättern, Wochenschriften und Predigten. Dort wurden auch viele "Informationen" geteilt, wie diese Menschen Hexen bzw. Hexer wurden. Dies kann eben auch in die andere Richtung gewirkt haben, eben nicht nur Angst und Verfolgungswahn erzeugt haben, sondern bei so manchen auch Faszination und den Wunsch selber eine Hexe oder ein Hexer zu werden. Dies kennen wir doch auch heute, bei Themen wie organisierte Kriminalität und Terror, auch dies hat auf viele Menschen eine enorme Faszination, bis hin, dass sie Teil davon werden wollen. Doch man braucht eben nicht eine reale Gruppe, bei der man andocken kann, um durchzudrehen. Wenn sich heute einer vor dem Computer radikalisiert und den ganzen IS- oder QAnon-Blödsinn in sich hineinzieht und dann gewalttätig wird, dann kann ich mir das damals auch gut in Bezug auf den Hexenglauben vorstellen.

Rezepturen von Flugsalben sind teilweise überliefert. Nachtschattengewächse wie Bilsenkraut, Tollkirsche, Alraune, Bittersüßer Nachtschatten enthalten hohe Mengen an Atropin und Skopolamin, die teilweise beträchtliche psychotrope Wirkungen, auch Halluzinationen auslösen können. In der Drogenszene haben sich Nachtschattendrogen nie so recht durchsetzen können. Um die Jahrtausenwende gerieten aber immer wieder Vergiftungen mit der Engelstrompete, einer Datura-Art in die Medien.

Der Zugang zu solchen Substanzen war aber sehr leicht, und Hexenwerk ist es auch nicht, aus Nachtschatten eine "Hexensalbe" herzustellen.

Der Volkskundler Peuckert hat Anfang des 20. Jahrhunderts mal einen Selbstversuch gemacht. Dass bei dem Ausmaß von Aberglauben allerlei Zeitgenossen in der Art von Voodoo-Ritualen versuchten, sich durch Schadenszauber an Nachbarn zu rächen, halte ich nicht für unwahrscheinlich, Autosuggestion und oder Experimente mit Drogen mögen hineingespielt haben, dass so Mancher vermutlich selbst glaubte, magische Fähigkeiten zu besitzen. Fast jedes Phänomen in der Gesellschaft, das große Aufmerksamkeit erregt, zieht oft eine Zahl von recht bizarren Trittbrettfahrern auf den Plan.
 
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