Hat die Revolution in der Weimarer Republik

Eben.
Wenn ich Riothamus richtig verstanden habe, wird über die Novemberrevolution (als Revolution) nicht kontrovers diskutiert. Haken dahinter.
Und die Wahl zur Nationalversammlung wird wohl kaum anders interpretierbar sein, als das die Masse der Bevölkerung die Beseitigung des alten Systems unterstützte. Nichts anderes wurde in den Raum gestellt. Wieso das von Riothamus problematisiert wird, habe ich nicht verstanden.
Um eine Ausweitung der Revolution ging es in der Fragestellung nicht.
Was die Unterscheidung Volk/Bevölkerung soll, habe ich auch nicht verstanden.
Dass "die" Bevölkerung in der Themenfrage Mehrheiten (der Bevölkerung) anspricht, ist auch klar.

Mein Einwand bezog sich natürlich auf die Behauptung thanepowers, dass das gute Abschneiden der SPD bei den Wahlen die Zustimmung zur Revolution zeige. Doch das ist eine Frage, die die Quelle nicht beantworten kann, weil sie

a. nicht über einen Entscheid zu dieser Frage Auskunft gibt.
b. die Parteien gewählt wurden, die gegen eine Fortführung der Revolution oder gar für eine teilweise oder komplette Rückgängigmachung derselben waren, egal ob das ihren Politikern in der historischen Situation möglich erschien oder nicht.
c. Eine Wahlbeteiligung keinen politischen Inhalt ausdrücken kann oder je ausgedrückt hat.
d. Die Revolution (und je nach Definition ließe sich auch über diesen Begriff streiten) längst passiert war.

Es ist ja sonst nicht so meine Zeit, aber mir geht es hier um saubere Quellenkritik. Hier wird ein Wahlergebnis hergenommen, dann 37 % zur Mehrheit erklärt, dann in einem Zirkelschluss der Wahlbeteiligung die gewünschte Absicht unterstellt und schließlich ignoriert, dass es dabei nicht mehr um die stattgefundene Revolution gehen konnte. Die Wahlbeteiligung besagt zunächst einmal nur, dass es die Wähler für wichtig hielten, in dieser konkreten Situation abzustimmen. Erst das Ergebnis, dass ja bekannt ist, sagt, was sie wollten. In keinem Fall aber besagt die Wahlbeteiligung, dass die Wähler einem Ereignis, dass nicht mehr zu ändern war, nachträglich zustimmten. Der Wähler hatte nicht die Chance zur Zustimmung bekommen. Jetzt wurde er aber gefragt, welche Partei die Zukunft bestimmen soll. Und hier wurde eben nicht mehrheitlich die USPD gewählt.

Das alte System war bereits beseitigt. Es ging darum, wie es weitergeht. Und da bekam die Revolution ganz klar eine Absage. (Erst denken, dann antworten. Revolution ist ein homonym.)

Die Ablehnung des Offizierskorps durch das Volk (ist das jetzt die korrekte Vervollständigung?) wird auch erst dann zum Argument, wenn sie belegt ist. Und dazu ist dann noch fraglich, ob es 1918 noch ein gesellschaftlich und ideologisch geschlossenes Offizierskorps gab. (Die Bauernsöhne aus meinem Heimatort, die im Verlauf des Krieges befördert wurden, waren jedenfalls Zentrums oder SPD-Anhänger. Ich kann mir auch generell nicht vorstellen, dass nach dem Burgfrieden auf die politischen Ansichten geachtet wurde, solange der Soldat sie nicht an die große Glocke hing.)
 
Langewiesche hat es in einem Vortrag kompakt dargestellt. Auch im Kontext zur Revolution von 1848

http://library.fes.de/fulltext/historiker/00255.htm

Ansonsten gibt es eine umfangreiche Diskussion zur Frage, was Revolutionen sind, warum sie zustande kommen und wie sie durchgeführt wird. Auch vor dem Hintergrund, dass die Soziologie des Konflikts ein zentrales Paradigma war, gesellschaftlichen Wandel zu erklären.

Und das erklärt vermutlich auch, dass unterschiedliche Konzepte von Revolutionen. der Ausgangspunkt für die Mißverständnisse sind.

Wie beispielsweise in Anlehnung an Tilly kurz skizziert

http://wwwhomes.uni-bielefeld.de/es...charles_tilly_konflikt_revolte_revolution.pdf
 
Langewiesche beschäftigt sich nicht mit der Frage, ob die Mehrheit für eine Revolution war. Er konstatiert, wie ich hier im Thread, dass die Entscheidung gegen die Fortsetzung der Revolution ausfiel. Er nimmt die Befürwortung der Revolution als Voraussetzung.

Es bleibt dabei: Hier kamen bisher keine Argumente, die belegen, dass 1918 die Mehrheit für eine Revolution war. (Was ja durchaus sein kann, aber eben nicht auf diesem Weg belegt werden kann. Um auch meine Meinung dazu zu sagen: Der Kaiser war abgedankt, die Republik ausgerufen. Die Sozialisten hatten als einzige einen Plan und viele machten mit, um nicht den ganzen Einfluss zu verlieren. Das ist aber nur ein Eindruck aufgrund von Einzelaussagen. Die Verallgemeinerung dessen und die Begründung, was einzelne Gruppe -die Rede von "der Bevölkerung" ist fast immer politisch und kaum je korrekt- wollten, welche Gruppen dabei zu betrachten sind u.s.w. kann ich damit auch nicht geben. Es ist der Eindruck, der sich mir aufdrängt. Was denn dann auch eine weitere Motivation ist, an diesem Punkt nachzuhaken.)

Dabei spielt die Definition von Revolution im Grundsatz keine Rolle, weshalb ich sie in meinen Posts ausgenommen habe. Denn sonst müssten wir auch diskutieren, worin die Revolution lag. Ich habe zwei Andeutungen dazu in den Post eingefügt, weil ich die unterschiedlichen Begriffe nicht unterschlagen wollte. Es kann ja einfach der Begriff gewählt werden, der zu der jeweiligen Aussage passt.

Es ging mir darum, dass die Wahl zur Nationalversammlung nichts über die Meinung zu einem vergangenen Ereignis aussagen kann, weil die Intentionen der Wähler (wie auch der Wahlkampf) in die Zukunft gerichtet waren. Pressekommentare und Politiker interpretieren Wahlergebnisse mitunter auf die Vergangenheit bezogen, was oft viel zum Unverständnis in der Bevölkerung beiträgt. Korrekt wird eine solche Interpretation dadurch nicht.
 
Langewiesche beschäftigt sich nicht mit der Frage, ob die Mehrheit für eine Revolution war. .

Nein, aber er erklärt an vielen Punkten, dass sich Deine Sicht in den Betrachtungen vieler Historiker so nicht niederschlagen. Deswegen der Verweis auf Langewiesche, aber offensichtlich liest Du ihn anders wie ich. Die Frage von "Mehrheiten" stellte sich in der Vergangenheit nicht für Revolutionen. Über Revolutionen ist noch nie abgestimmt worden.

Generell: Die allgemeine Beschreibung der Augenzeugen berichten von einer breiten Ablehnung des monarchistischen Regimes. Stark auch beeinflusst durch regionale Unterschiede (vgl. z.B. Winkler, Kap. 1 "Das zwispältige Erbe") Und diese Sicht, auch als Befürchtung des Zerfalls der staatlichen Ordnung, entsprach der Stimmungslage der links-liberalen und katholischen politischen Eliten. Und auf dieser Grundlage wurden Entscheidungen getroffen. Interessant ist beispielsweise das Tagebuch von "Kessler" zu dieser Periode und seine Wahrnehmung der Revolution in Berlin.

Und die Geschwindigkeit des Export der Revolution von Kiel in das restliche Deutschland war hoch und bediente sich der neuesten Errungenschaften, inklusive Flugzeugen als Kommunikationsinstrument (vgl. Ausstellung in Kiel zur Revolution 1918, die die Verbreitung anschaulich darstellt) Und dieses Ereignis setzte die politischen Eliten unter einen Handlungsdruck, da sie den Export der Revolution von Kiel in das restliche Deutschland vor dem Hintergrund der militanten Ereignisse in Russland interpretierten.

In diesem Sinne geht es nicht um "Mehrheiten" für eine Revolution, sondern um die Frage der Legitimation bzw. der Legalität des zukünftigen politischen Systems, als Ergebnis der "Novemberrevolution". Betrachtet man beispielsweise die Neuauflage von Winkler zur Weimarer Republik, dann wird erkennbar, wie unterschiedliche Vorstellungen der demokratischen Legitimation im Denken der MSPD und der USPD bzw. der Arbeiter- und Soldatenräte eine Rolle gespielt haben.

https://books.google.de/books?id=C5...ce=gbs_ge_summary_r&cad=0#v=onepage&q&f=false

Es ist im wesentlichen die MSPD, repräsentiert in den Entscheidungen von Ebert, die sich hinter eine Demokratiekonzept stellt, das durch die Mehrheit der Wahlberechtigten seine Legitimation erhält. Und grenzt sich damit klar gegen ein "revolutionäres" Demokratiekonzept ab, das z.B. die USPD favorisierte.

Die schnelle und reale Einhegung der "Novemberrevolution" unter dieser Prämisse erfolgte auf dem "Ersten allgemeinen Kongreß der Arbeiter- und Soldatenräte" in Berlin am 16- bis 21. 12. 1918. Die SPD verfügte über eine Mehrheit der 514 Delegierten. Und beschlossen eine Ablehnung des Rätesystems als Grundlage für eine neue Verassung. Das wurde von Delegierten der USPD als "Todesurteil" für die Revolution interpretiert, da damit der Antrag gesichert war, die Wahlen zur Nationalversammlung am 19. 01. 1919 durchzuführen.

https://www.gesis.org/fileadmin/upload/forschung/publikationen/zeitschriften/hsr/hsrtrans15.pdf

Damit stellte sich die Revolution, in der Organisationsform der Arbeiter- und Soldatenräte in die Kontinuität der demokratischen Meinungsbildung. Und die MSPD wollte nicht hinter die erreichten Rechte der politischen Teilhabe - in Form von Wahlrechten - aus der Kaiserzeit in einem neuen politischen System zurückfallen.

Wichtig ist zudem, dass Ebert die zentralen Entscheidungen über die Zukunft des politischen Systems in die Gesetzgebung des neuen Parlaments von Weimar legen wollte und so den revolutionären Prozess der Umgestaltung von einer semi-absolutistischen Monarchie zu einer parlamentarischen Republik konkret ausgestalten lassen wollte.

Damit folgte die MSPD der Linie, die Bernstein ("Die deutsche Revolution....") in 1921 retrospektiv beschrieben hatte, wie Winkler ausführt, und die die Sicht der führenden MSPD-Politiker zutreffend beschrieben hatte.

Die Überkomplexitäts-These von Bernstein der Gesellschaft und der Wirtschaft, auf die sich auch R. Löwenthal (Gesellschaftswandel und Kulturkrise; Die industrielle Gesellschaft als Hindernis der Revolution) bezieht, war die zentrale Richtschnur für den integrativen Kurs der MSPD, die auf das Militär, die Verwaltung und die wirtschaftlichen Eliten abzielte. Alle Gruppen waren zentral, um die staatliche Ordnung aufrecht zu erhalten.

Anarchie und Chaos waren die zentralen Befüchtungen, die die MSPD-Politiker motivierten, die Novemberrevolution in friedliche, parlamentarische Bahnen zu leiten.
 
Zuletzt bearbeitet:
Bernsteins Thesen sind übrigens widerlegt. (Vgl. Axel Schildt: Zur Historisierung des langen November, in: Alexander Gallus (Hrsg.): Die vergessene Revolution, Göttingen 2010, S. 227.; Eberhard Kolb: 1918/19: Die steckengebliebene Revolution, in: Carola Stern/ Heinrich A. Winkler (Hrsg.): Wendepunkte deutscher Geschichte 1918-1945, Frankfurt am Main 1979, S. 89.)

Ich nehme derartige Aussagen ernst. Die Darstellung der Position von Bernstein ist durch Waldi61 verständlich erfolgt. Kein Widerspruch und keine Nachfrage zu diesem Teil.

Wieso dieser Versuch einer retrospektiven Erklärung durch Bernstein, was 1918/1919 passiert ist, nicht korrekt sein soll, verstehe ich allerdings immer noch nicht. Die Ausführungen von Waldi61 verstehe ich nicht und ich kann auch nicht erkennen, wieso das rechtfertigen könnte, die Erklärung von Bernstein ad acta zu legen.

Meine Verwirrung wurde noch verstärkt durch die Darstellung von Winkler: Weimar 1918-1933, der bereits am Anfang seiner Darstellung Bernstein als zentralen Erklärungsansatz darstellt. Und Winkler kritisiert Bernstein nicht und verweist auch nicht auf einen anderen Historiker, der ihn kritisiert bzw. widerlegt.

Die Qualität der Darstellung von Bernstein zur Novemberrevolution kann man zudem daran ablesen, dass er auch in neueren Publikationen, wie z.B. von Gerwarth (Die größte aller Revolutionen) und Jones (Am Anfang war Gewalt) als Quelle benutzt wird.

Da ich im Moment keinen Zugriff auf die entsprechende Literatur/Bücher von Waldi61 habe, bitte ich um eine verständliche Darstellung, aus welchen Gründen die Darstellung von Bernstein keine angemessene Beschreibung der zentralen Aspekte ist, die die Novemberrevolution relativ gewaltfrei, bemerkenswert demokratisch und extrem wirksam in ihrem Effekt, ein politisches System zu beseitigen.

An welchen Punkten ist die Sicht von Bernstein vor allem auf die Handlungsmximen der MSPD / USPD falsch? Und an welchen Punkten trifft die Interpretation von Bernstein nicht auch Ebert zu? Zumal Kautsky den demokratischen Anspruch an die Revolution durch die marxistische SPD bereits in den 1890er Jahren sehr ähnlich beschreibt.

Und die Basis zu legen für eine der vorbildlichsten, demokratischen Verfassungen in Europa.
 
Zuletzt bearbeitet:
Bernsteins Thesen sind übrigens widerlegt. (Vgl. Axel Schildt: Zur Historisierung des langen November, in: Alexander Gallus (Hrsg.): Die vergessene Revolution, Göttingen 2010, S. 227.; Eberhard Kolb: 1918/19: Die steckengebliebene Revolution, in: Carola Stern/ Heinrich A. Winkler (Hrsg.): Wendepunkte deutscher Geschichte 1918-1945, Frankfurt am Main 1979, S. 89.)

Wieso dieser Versuch einer retrospektiven Erklärung durch Bernstein, was 1918/1919 passiert ist, nicht korrekt sein soll, verstehe ich allerdings immer noch nicht.

Bei der weiteren Beschäftigung mit dieser Frage ergibt sich eine Erklärung, was m.E. Waldi61 mit seinem Widerspruch gemeint hat. Bei Kolb (2009, S. 9-11 vgl. Literaturhinweis in #17) habe ich keine entsprechenden Hinweise gefunden, was gemeinst sein könnte.

Das Problem beschreibt Löwenthal u.a. sehr zutreffend, das den Widerspruch von Waldi61 hervorgebracht haben könnte (S. 197-204ff). Bei Kolb (1972) findet sich in der "Einleitung" (S. 9-32)- aus anderer Perspektive - die Darstellung der unterschiedlichen Sichten von Historikern, die die Darstellung bei Löwenthal unterstützen.

Löwenthal konstatiert: (S. 197)
1. Die SPD hat den "Hauptverdienst", dass Deutschland nach dem militärischen Zusammenbruch nicht in einen Bürgerkrieg versunken ist, sondern eine parlamentarische Demokratie - maßgeblich - mit errichtet hat.
2. "Sie trägt aber auch die Hauptverantwortung dafür, dass die demokratische Revolution unvollendet und ein antidemokratischer Staatsapparat erhalten blieb ."

Die SPD arbeitete nicht nur aktiv mit der Reichswehr zusammen, sondern insbesondere wurde von Noske (vgl. Wette) noch aus Kiel die Bildung von Freikorpsverbänden aktiv gefördert.

Die Entwicklung in der Weimarer Republik verlief an diesem Punkt deutlich anders wie in Österreich, bei der es die Regierung schaffte, im Rahmen des Neuaufbaus der Armee, eine bewaffnete Macht aufzubauen, die der Republik treu ergeben war und bereit war, sie zu verteidigen. Die SPD hat sich nicht um den Aufbau einer republiktreuen Armee gekümmert bzw. durch die - abenteuerlichen - Aktionen von Noske noch zusätzlich die militantesten Gegner der Republik teilweise bewaffnet.

Der Widerspruch auf den Waldi61 abzielt, betrifft somit den Handlungsspielraum, den Ebert und die MSPD glaubten gehabt bzw. nicht gehabt zu haben.

Es wurde die Gefahr eines Umsturzes durch extrem-linke Gruppierungen (Spartakus) subjektiv durch Ebert und andere in Berlin überbetont und somit engte sich Ebert und die MSPD an diesem Punkt in ihrem politischen Gestaltungsspielraum ein. Diese Sachzwänge - auch die vermeintlichen - beschreibt Bernstein als unausweichlich und somit erscheint die Politik von Ebert als "alternativlos". Das war sie nicht angesichts der realen - geringen - Gefahren von Links und der deutlichen Gefahren von Rechts.

Der Spielraum der MSPD für demokratische Umgestaltungen, die auf die Machtbasis der antidemokratischen, monarchistischen Kräfte abzielte, war 1918/19 größer als subjektiv durch Ebert angenommen. So die neueren Sichten der Historiker, wie sie beispielsweise Kolb bereits 1972 in der "Einleitung" referiert und auf die Löwenthal abzielt und der SPD als Versäumnis für 1918/19 vorhält.

Die personelle Neuausrüstung der Reichswehr, das Entfernen von unbelehrbaren Monarchisten aus dem Richteramt, die strukturelle Entmachtung der "Junker" und die Kontrolle der "Ruhr" (Stahl und Kohle) hätte die Demokratie von Weimar auf ein deutlich sicheres Fundament stellen können, so u.a. Löwenthal.

In diesem Sinne hat Bernstein durchaus korrekt die politischen Maximen der MSPD im Jahr 1921 rückwirkend beschrieben. Allerdings, so die Kritik, die bereits auch Rosenberg formuliert hatte, in einer leicht "apologetischen" Form, die diese Politik legitimieren sollte. Und an diesem Punkt ist Bernstein - als "SPD-Partei-Historiker - zu kritisieren.

Kolb, Eberhard (1972): Vom Kaiserreich zur Weimarer Republik. Köln: Kiepenheuer & Witsch.
Kolb, Eberhard (2009): Die Weimarer Republik. München: Oldenbourg
Löwenthal, Richard (1979): Gesellschaftswandel und Kulturkrise. Zukunftsprobleme der westlichen Demokratien. Frankfurt am Main: Fischer-Taschenbuch-Verlag
Wette, Wolfram (2010): Gustav Noske und die Revolution in Kiel 1918. Heide: Boyens
 
Konnte der Wunsch der Bevölkerung nach Frieden durch eine Revolution erfüllt werden?

Die Revolution von 1918 war auch ein Meilenstein in der Revolution der Rechte der Frauen (vgl. Käppner, Kap. Vom Herd zum Maschinengewehr)

Bereits 1891 hatte die SPD als einzige Partei im Kaiserreich das Wahlrecht für Frauen gefordert und nach dem Ende des Verbots 1908 traten zahlreiche Frauen in die SPD ein. Gleichzeitig mit der Entwicklung in der Partei insgesamt polarisierten sich auch die Vorstellungen innerhalb der Frauenbewegung in der SPD.

Mit Lily Braun (Die Frauenfrage, ihre geschichtliche Entwicklung und wirtschaftliche Seite) tritt eine gemäßigte Sozialdemokratin für eine reformorientierte Verbesserung mit dem Ziel der weitgehenden Gleichberechtigung der Frauen auf. Demgegenüber vertritt Clara Zetkin eine deutlich radikalere Position in Bezug auf die Frauenfrage und verneint, dass es möglich sei, ohne die allgemeine revolutionäre Veränderung der Produktionsverhältnisse die Gleichberechtigung der Frauen zu erreichen.

Die bürgerlichen Vorstellungen zur Rolle der Frau in der Gesellschaft wurden organisatorisch und programmatisch im "Bund Deutscher Frauen" (BDF) - Vorsitzende Gertrud Bäumer - zusammengefaßt und dieser zählte 1914 mehr als 500000 Mitglieder.

Während des WW1 gab es eine doppelte Mobilisierung der Frauen. Zum einen mobilisierte der BDF die Frauen für den Einsatz in der Kriegsindustrie, gleichzeitig gab es bereits im März 1915 die ersten Demonstrationen von Frauen vor dem Reichstag für den Frieden.

In der Folge verschiebt sich mit dem Krieg die Rolle der Frauen in der Gesellschaft und sie werden zunehmend als Haushaltsvorstand gefordert, da mehr als 2 Mio Frauen ihre Ehemänner oder zukünftigen Partner im Krieg verloren haben.

Vor diesem Hintergrund "scheint die Revolution von 1918 dann wie eine Erlösung zu sein." (Käppner, Pos. 5977). In Hamburg beispielsweise werden in "Sagebiel`s Fährhaus" Protestveranstaltungen abgehalten, bei denen nur Frauen ein Rederecht hatten. Die Zielsetzung der Frauenbewegung formulierte die USPD-Delegierte Elvira Rosenberg zutreffend: "Ja, wie sollen wir denn politisch selbständig werden, wenn wir im Hause fast nicht zu sagen haben. Der Sozialismus muss zuerst im Hause anfangen.." und auch um die Konsequenz, dass die Frau verdinen geht und der Mann daheim "das Gemüse fertigkocht".

Die Frauen waren in die Revolution integriert, wenn außer R. Luxemburg nicht so prominent, dennoch wurden Zielsetzungen öffentlich formuliert, die für das nächste Jahrhundert auf der Agenda von engagierten Frauen stehen sollten. Und es zeigte sich auch in der sozialistischen Bewegung, dass es ausgeprägte historisch geprägte Geschlechterrollen gab bis hin zur Bezahlung. Während der Münchner Räterepublik erhielt ein Mann im Vollzugsrat der Arbeiter- und Bauernräte am Tag 15 Mark, während die Frauen lediglich 12.50 erhielten.

Dennoch beschließen die Volksbeauftragten im November 1918 das allgemeine aktive und passive Frauenwahlrecht und somit ist am dritten Tag der Revolution eine zentrale Forderung der Frauenbewegung bis dann erfüllt worden.

Und in der Folge der Revolution zogen auch die ersten Frauen (39 von 423) in die Parlamente ein, auch von den bürgerlichen Parteien entsandt.

Insofern war die Revolution auch für die Ziele der Frauenbewegung ein wichtiger Meilenstein.

Käppner, Joachim (2017): 1918 - Aufstand für die Freiheit. Die Revolution der Besonnenen. Originalausgabe. München: Piper.
 
Zuletzt bearbeitet:
Zurück
Oben